Urteil des AG Mannheim vom 14.07.2004

AG Mannheim: unterbrechung, haftungsbeschränkung, gemeinschuldner, insolvenz, erlöschen, förster, teilung, form, anzeige, massekosten

AG Mannheim Beschluß vom 14.7.2004, 4 URWEG 105/04
Tenor
Der Antrag, den unterbrochenen Rechtsstreit aufzunehmen, wird zurückgewiesen,
Gründe
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I. Die Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Mitglieder der Wohnanlage Am 1.12.2000 wurde über das Vermögen der Antragsgegnerin
das Insolvenzverfahren eröffnet. Auf Antrag der Antragsteller erging am 2.12.2003 Mahnbescheid gegen die Antragsgegnerin, der ihr am
13.12.2003 zugestellt wurde. In ihm machen die Antragsteller Rückstände aus den Jahresabrechnungen 2001/2002 und 2002/2003 sowie
Vorschüsse auf die Wirtschaftspläne für die Monate Juli 2003 bis einschließlich Juni 2004 in der Gesamthöhe von ~ 7.582,41 geltend. Diese
Ansprüche wurden im wesentlichen durch Beschlüsse der Gemeinschaft in der Zeit vor Februar 2004 begründet bzw. sind vor diesem Zeitpunkt
fällig geworden.
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Der Insolvenzverwalter der Antragsgegnerin bestellte sich zum Verfahrensbevollmächtigten, verwies auf die Unterbrechungswirkung des § 240
ZPO und forderte die Antragsteller zur Anmeldung ihrer Ansprüche zur Insolvenztabelle auf. Fürsorglich erhob er Widerspruch. Mit Schreiben
vom 2.2.2004 erklärte der Insolvenzverwalter die Freigabe der Eigentumswohnung und verwies darauf, dass der Antragsgegnerin die
Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Wohnung wieder in vollem Umfange zustehe. Mit Verfügung vom 17.5.2004 gab das
Mahngericht das Verfahren an das hiesige für Wohnungseigentumssachen zuständige Gericht ab. Mit Verfügung vom 21.6.2004 wurde die
Unterbrechung des Verfahrens vermerkt.
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Nach Vorlage der Anspruchsbegründung begehren die Antragsteller ihre Zustellung an die Antragsgegnerin zu veranlassen.
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II. Die Freigabe eines Vermögensgegenstandes -hier des Wohnungseigentums der antragsgegnerischen Gemeinschuldnerin -hat die Wirkung
der Beendigung des Insolvenzverfahrens "in Ansehung dieses Gegenstandes" (RG 79, 27, 30). Der Gemeinschuldner tritt in einem Rechtsstreit
"bezüglich dieses Gegenstandes" an die Stelle des Verwalters (RG a.a.O.; BGH, NJW 1966, 51) und die Folgen der Prozessführung treffen das
durch die Freigabe insolvenzfrei gewordene Vermögen (Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 240 Rdnr. 11). Dem vorliegenden Rechtsstreit liegen keine
Ansprüche "in Ansehung" des Wohnungseigentums der Gemeinschuldnerin zu Grunde.
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Streitgegenstand sind Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums gemäß § 16 Abs. 2 WEG. Diese sind keine dinglichen Lasten (Bub
in: Staudinger, BGB 12. Aufl., § 16 Rdnr. 99), sondern eine originär aus der jeweiligen Beschlussfassung der Wohnungseigentümer
entspringende Verbindlichkeit des einzelnen Wohnungseigentümers (Bub a.a.O., § 28 Rdnr. 155; Weitnauer/Hauger, WEG, 8. Aufl., § 28 Rdnr. 1).
Schuldner der Hausgeldforderung ist der eingetragene Wohnungseigentümer (Bub a.a.O. Rdnr. 165; Weitnauer/Hauger, a.a.O. Rdnr. 6).
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Es findet daher keine rechtliche Auseinandersetzung "bezüglich des" Wohnungseigentums statt, sondern sie dreht sich um die finanziellen
Folgen, die dem jeweiligen Eigentümer daraus erwachsen. Wenn auch der Entstehungsgrund der Hausgeldforderung auf der
Eigentümersteilung fußt, so richtet sich der Anspruch gegen den eingetragenen Wohnungseigentümer. Ansprüche gegen ihn sind aus der Masse
zu befriedigen. Die Unterbrechung des § 240 ZPO erfasst deswegen den vorliegenden Rechtsstreit (BGH, ZIP 2004,769).
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Dabei wird nicht verkannt, dass sich die Freigabe bis zu einer gemäß §§ 60, 61 InsO sanktionierten Verpflichtung des Insolvenzverwalters
verdichten kann, namentlich bei Immobilien, die keine Mehrung des Aktivvermögens erwarten lassen, weil die Verwaltungskosten den Ertrag
übersteigen (Depre/Kothe in: Beck/Depre, Praxis der Insolvenz, § 23 Rdnr. 101). Der die Masse entlastende Effekt besteht darin, die aus der
Eigentümersteilung erwachsenden Verpflichtungen nicht mehr erfüllen müssen (Ringstmeier in: Beck/Depre, § 15 Rdnr. 122). Das ist für
Realsteuern, wie etwa der Grundsteuer unbestritten (Lwowski in: Münchener Kommentar zur InsO, § 35 Rdnr. 90; Förster, ZInsO 2000, 315, 316),
für die vorliegende Fallkonstellation aber abzulehnen.
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Durch die Freigabe wird die Insolvenzmasse von Verbindlichkeiten frei, die sich auf das freigegebene Recht beziehen, in erster Linie den
dinglichen Belastungen. Die Verbindlichkeiten gegenüber der Masse erlöschen jedoch nicht, wenn sie an die Rechtsinhaberschaft anknüpfen
und dafür das gesamte Vermögen des Inhabers haftet (Häsemeyer, Insolvenzrecht, 3. Aufl., Rdnr. 13.19). So liegen die Dinge hier.
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Wie bereits ausgeführt, ist die Wohngeldverpflichtung eine persönliche, an die Rechtsinhaberschaft anknüpfende Verpflichtung. Wegen ihr kann
in das gesamte Vermögen des Wohnungseigentümers vollstreckt werden (vgl. §§ 803 -882a ZPO). Dieses Vermögen bleibt im Streitfall vom
Insolvenzbeschlag erfasst, ein hierüber geführter Rechtsstreit ist unterbrochen (BGH, ZIP 2004, 769).
10 Der gegenteilige Standpunkt bewirkte, dass nicht ein Vermögensgegenstand, sondern (auch) eine Verpflichtung freigegebenen würde (für das
Mietrecht abi. Papa, NZM 2004, 401, 410 zu VI. 1; Va l/ender/Da hl, NZI 2000, 246, 249) Der Insolvenzverwalter hätte es in der Hand, die Masse
durch umfassende Freigaben von ihren Verbindlichkeiten zu entlasten. Solches ist begrifflich nur mit Zustimmung der jeweiligen Gläubiger
denkbar (OLG Düsseldorf, KTS 1968, 189, 190; Wegener in: Frankfurter Kommentar zur InsO, 3. Aufl., § 109 Rdnr. 8). Im weiteren würde nach
diesem Standpunkt nur noch der Gemeinschuldner die aus der Eigentümersteilung erwachsenden Verpflichtungen zu erfüllen haben und es
fände eine vom Gesetz nicht vorgesehene Teilung des Vermögens, mithin eine Haftungsbeschränkung statt (Schmidt, ZIP 1997, 1441, 1444 f.).
Sie stellt wiederum die Frage der Zulässigkeit einer zweiten Insolvenz (Lwowski a.a.O. Rdnr. 75). Endlich hätten Freigaben zur Folge, dass einige
bestimmte Gläubiger nicht mehr wie vorgesehen aus der Masse befriedigt werden, was wiederum dem Insolvenzzweck zuwiderläuft und die
Wirksamkeit der Freigabe in Zweifel zieht (BGH NJW 1983, 2018, 2019; Eckert, EWiR 2004, 193, 194).
11 Für eine mit der Freigabe verbundene Haftungsbeschränkung fehlt die gesetzliche Grundlage. Der Insolvenzverwalter hat die nach Eröffnung
fällig werdenden Hausgelder als Masseschulden zu berichtigen (BGH 108, 44, 49; BayObLG ZIP 1998, 2099; KG NZI 2001, 95; Hefermehl in:
Münchener Kommentar zur InsO, § 55 Rdnr. 81, Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 55 Rdnr. 38 -41; kritisch neuerdings BGH ZIP 2002, 1043, 1047 mit
Anm. Beutler-Nogel, ZMR 2002, 804 f.). Sieht sich der Insolvenzverwalter im eröffneten außer Stande, diese Massekosten aufzubringen, steht ihm
die Möglichkeit des § 208 InsO offen. Das Haftungssystem der Masse wandelt sich erst nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit in dasjenige
des § 209 InsO um. Dass der Insolvenzverwalter vergleichbare Wirkungen durch schlichte Freigabe in Form einer einseitigen Erklärung erzielen
könnte, ist weder den §§ 80 ff. InsO, noch den §§ 21, 22 InsO für das Eröffnungsverfahren zu entnehmen. Auch § 32 Abs. 3 Satz 1 InsO führt zu
keiner anderen Bewertung, weil dort nur die grundbuchlichen Folgen einer Freigabe geregelt sind.
12 Der Entscheidung des KG vom 20.8.2003 (NZM 2004, 383, 384) ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Dort wird auf eine weitere Entscheidung
des LG Berlin vom 12.2.2003 (AZ: 85 T 274/01) verwiesen, wonach der Insolvenzverwalter erfolgreich auf Zahlung von Wohngeldern in Anspruch
genommen wurde. Streitgegenstand waren dort Wohngelder, die in der Zeit ab Insolvenzeröffnung bis zur Freigabe fällig wurden. In einem
weiteren Verfahren (vgl. NZM 2002, 528) wurde gleichfalls der Insolvenzverwalter wegen Wohngeldern aus der Zeit nach der Freigabe in
Anspruch genommen, was den hiesigen Standpunkt stützt.
13 Nach alledem war die Fortgeltung der Unterbrechenswirkung des § 240 ZPO festzustellen und der gegenteilige Antrag der Antragsteller
zurückzuweisen.