Urteil des AG Mannheim vom 03.06.2008

AG Mannheim: wohnung, abrechnung, heizung, verbrauch, versammlung, verwaltung, montage, kostenverteilung, befreiung, anteil

AG Mannheim Beschluß vom 3.6.2008, 4 URWEG 255/05
Wohnungseigentum: Anforderungen an eine Heizkostenabrechnung in der Jahresabrechnung
Leitsätze
1. Zu den formellen und materiellen Anforderungen einer Heizkostenabrechnung in der Jahresabrechnung bei elektronischer Verbrauchserfassung.
2. Werden die Zählerstände zum Ende der Abrechnungsperiode auf Null gestellt, ist die Angabe von Anfangs- und Endbeständen entbehrlich.
3. Erfassen die Ablesegeräte die Gebäudeerwärmung infolge Sonneneinstrahlung als verbrauchte Wärme, macht das die Abrechnung nicht
unrichtig; die Benachteiligung der Sonnen abgewandten Wohnungen ist als nicht beachtlicher Lagennachteil hinzunehmen.
4. Kann auf Grund baulicher Gegebenheit in sämtlichen Badezimmern der Wohnanlage der dortige Heizungsverbrauch nicht erfasst werden, ist die
Abrechnung nicht fehlerhaft. Die Nichtermittlung verlangt auch keine Schätzung gemäß § 9a HeizkVO, wenn die Nachrüstung mit Ablesegeräten
unverhältnismäßig teuer ist (§ 1 HeizKVO) und deshalb kein Fall der Sonderverteilung ansteht.
Tenor
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Geschäftswert wird auf EUR 20.736,39 festgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Beteiligten sind Mitglieder der Wohnanlage. Die Wohnanlage besteht aus etwa 400 Einheiten. Die Antragstellerin eignet die Wohnungen Nr.
16.16 und 16.12, in deren Wohnzimmer jeweils gleiche Heizkörper vorhanden seien, an denen jeweils zwei elektronische Heizkostenverteiler-
Messgeräte angebracht seien.
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Die Versammlung der Wohnungseigentümer vom 5.9.2005 beschloss zu TOP 2.1 die Jahresabrechnung 2004 (vgl. Bl. 13 bis 19). In diese
werden die Gesamtkosten für Heizung und Warmwasser mit EUR 325.592,15 ausgewiesen, wovon anteilige EUR 1.899,66 auf die
Antragstellerin anfallen. Mit am 5.10.2005 bei Gericht eingekommenem Schriftsatz ließ die Antragstellerin den genannten Beschluss anfechten.
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Unstreitig werden in dem Anwesen seit 2003 die Verbräuche für Heizung mittels einer elektronischen Heizkostenerfassung ermittelt.
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Die Antragstellerin behauptet,
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die Heizungskosten seien unzutreffend ermittelt weil sich ihre anteiligen Kosten von EUR 223,78 im Jahre 2001 auf EUR 1.413,05 gesteigert
hätten. Die der Abrechnung zu Grunde gelegten Heizkosten-Verbrauchseinheiten würden mit Nichtwissen bestritten. In der Wohnung seien nur
zwei Heizkörper vorhanden, abgerechnet aber würden drei Messgeräte, was schlechterdings nicht sein kann. Anfangs- und Endstand würden
nicht mitgeteilt, der berücksichtigte Faktor lasse vermuten, dass die Verbräuche aus den Vorjahren hinzuaddiert würden. Zudem sei der
Bewertungsfaktor unrichtig, denn nur so könne die Verdoppelung des Verbrauchs erklärt werden. Die geforderte technische Dokumentation habe
die Verwalterin verweigert.
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Es sei so, dass zum Jahr 2004 in der Wohnung Nr. 16.12 die Heizkosten auf mehr als das 30-fache der Wohnung Nr. 16.16 angestiegen seien,
was nur mit fehlerhafter Messung der defekten Ablesegeräte zu erklären sei. Denkbar auch, dass der montierte Verteiler nicht für diese
Heizkörper geeignet sei, oder dessen Montage fehlerhaft erfolgte.
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Die Antragstellerin beantragt,
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den Beschluss der Versammlung vom 5.9.2005 zu TOP 2.1 (Genehmigung der Jahresabrechnung 2004) für ungültig zu erklären.
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Die Antragsgegner beantragen,
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Zurückweisung des Antrags.
11 Sie tragen vor,
12 der Vergleich der beiden Wohnungen der Antragstellerin sei wegen deren unterschiedlicher Größen, aber auch wegen des abweichenden
Nutzerverhaltens nicht möglich. Bei der Wohnung Nr. 16.12 handele es sich um eine 2-Zimmer-Wohnung mit 62,35 m², zwei großen Balkonen
nebst dazugehöriger großer Fensteranlagen. Die Mieterin heize äußerst großzügig, sogar bei gekippten Fenstern, überdies war die
darunterliegende Wohnung ca. 2 ½ Jahre lang unbewohnt war, also wurde der Boden von unten nicht mitgeheizt.
13 Die Wohnung 16.16 sei mit 37,81 m² deutlich kleiner, der studentische Mieter halte sich selten in ihr und dann allenfalls zum Schlafen auf. Diese
sei baugleich mit der Nr. 19.12, wo wirtschaftlich geheizt werde; der dortige Verbrauchswert betrage 4.707 Einheiten. Die Steigerung des
Verbrauchs gehe daher mit dem Heizverhalten einher und könne dem Verbrauchserfassungssystem nicht abgelastet werden.
14 Es wurde Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens; auf das schriftliche Gutachten des vom 20.6.2007 nebst der
Ergänzung vom 30.11.2007 wird Bezug genommen.
15 Wegen es weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.
II.
16 1. Das angerufene Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG zuständig, weil die Beteiligten über die Wirksamkeit
eines Mehrheitsbeschlusses streiten.
17 Der Antrag ist fristgerecht, d.h. binnen Monatsfrist seit der Beschlussfassung bei Gericht eingekommen.
18 2. Der Antrag ist nicht begründet.
19 Die Heizkostenabrechnung als Bestandteil der beschlossenen Jahresabrechnung 2004 ist weder in formeller (lit. a - c), noch in materieller
Hinsicht (lit. d) zu beanstanden. Im einzelnen:
20 a) Die Antragstellerin beanstandet, dass in ihrer Wohnung Nr. 16.12 nur zwei Heizkörper vorhanden seien, aber drei Messgeräte abgerechnet
würden. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist dieses richtig, weshalb zu recht drei Geräte abgerechnet werden.
21 b) Die Antragstellerin beanstandet ferner, die Anfangszählerstände würden nicht angegeben. Das ist unrichtig, weil die Abrechnung (vgl. Bl. 16)
den Anfangsbestand mit 0 angibt. Da für das Folgejahr der Zähler wieder auf Null gestellt wird, ist die Angabe von Anfangs- und Endständen
nicht geboten ( Schmid , Hdb. der Mietnebenkosten, 9. Aufl., Rdnr. 6258).
22 c) Soweit die Antragstellerin vorträgt, in der Heizkostenabrechnung 2003 sei ein unrichtiger Bewertungsfaktor zugrunde gelegt worden, ist dieser
Fehler nach Angabe der Verwalterin behoben worden und in einer korrigierten Abrechnung berücksichtigt (Bl. 20).
23 d) aa.) Die Heizungskosten werden in der Wohnanlage ordnungsgemäß ermittelt und den Beschlüssen der Versammlungen folgend auf die
einzelnen Wohnungseigentümer umgelegt. Hierzu stützt sich das Gericht auf das Gutachten des Sachverständigen vom 20.6.2007 sowie seinem
Ergänzungsgutachten vom 30.11.2007.
24 Das Gutachten ist überzeugend. Der Sachverständige hat sich intensiv vor Ort während insgesamt sechs Terminen über die Gegebenheiten
informiert. Von daher liegt der Begutachtung eine außergewöhnliche Gründlichkeit zu Grunde. Der Sachverständige paart diese mit hoher
Sachkunde, welche sich im gesamten Gutachten offenbart. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen sind schlüssig, weshalb das
Gutachten der Entscheidung ohne Abstriche zu Grunde gelegt werden konnte.
25 Der Sachverständige hat, um Fehlmessungen auszuschließen, an den Heizkörpern in der Wohnung der Antragstellerin zusätzliche
Heizkostenverteiler angeschlossen und gewissermaßen parallel die Verbräuche gemessen. Ungeachtet einer festgestellten Fehlmontage
einzelner Heizkostenverteiler ergaben sich keine Abweichungen. Danach war der Schluss auf die Ordnungsgemäßheit des korrekten
Heizungsverbrauchs gerechtfertigt.
26 Der Sachverständige hat ferner in mehreren, baugleichen Wohnungen Vergleichsmessungen vorgenommen. Zwar können an das dabei zum
Einsatz kommende Hilfsmessverfahren nicht dieselben Maßstäbe angelegt werden wie an das streitgegenständliche Verfahren, aber die
Vergleichsmessungen bestätigten das einwandfreie Arbeiten der Messgeräte im Haus.
27 Schlussendlich hat der Sachverständige Temperaturmessungen in der Wohnung der Antragstellerin durchgeführt und die Überwärmung des
Wohnzimmers festgestellt; das deutet auf eine zumindest leicht überdurchschnittliche Raumbeheizung hin.
28 In technischer Hinsicht sind die Heizkostenverteiler nicht zu beanstanden, sie arbeiten ordnungsgemäß. Seine Schwachstelle sind die
Übergangszeiten, weil während für diese Zeiträume typische Gebäudeerwärmungen durch die Sonneneinstrahlung als verbrauchte
Heizungsleistung registriert (ca. 10% Anteil). Die dadurch eintretenden Messfehler lassen sich durch die Montage von Zwei-Fühler-Geräten
vermeiden. Zusätzlich sind Montagefehler in der Wohnung der Antragstellerin feststellbar, weshalb die gemessene Menge von der Tatsächlich
verbrauchten Wärmemenge um 5% abweicht, was aber als geringfügig einzustufen ist.
29 Die Verbrauchserfassung ist endlich vor dem Hintergrund zu bewerten, dass der Verbrauch der Badheizkörper in dem gesamten Anwesen nicht
erfasst wird. Dies deshalb, weil in den Badezimmern unterhalb der Badewanne Konvektoren angeordnet sind. Dies ermöglicht, die Wohnung zu
17% allein mit dem Badheizkörper zu heizen. Infolge dieses Umstands werden Nutzer mit durchschnittlichem Heizungsverhalten bei der
praktizierten Abrechnung von 30% nach Fläche und 70% nach Verbrauch benachteiligt. Hinzukommt die Nichterfassung der Wärmequelle
„Warmluft“ über die Wohnungslüftungsanlage. Diese Umstände zusammengefasst münden in die Forderung, den Verteilungsschlüssel auf
mindestens 40% des Flächenanteils und 60% des Verbrauchsanteils zu ändern.
30 Diese Feststellungen des Sachverständigen werden zusätzlich dadurch gestützt, dass die Antragstellerin, wie die Antragsgegner
unwidersprochen vortragen seit den Jahren 2004 und 2005 ihr Heizungsverhalten verändert hat. Ab 2006 hat die Nutzerin der Wohnung der
Antragstellerin den Heizungsverbrauch mehr als halbiert und damit, wie die Antragsgegner meinen, sich den Durchschnittsverhalten der
Bewohner angepasst (vgl. Bl. 151). Wären die Ablesungen in den Jahren 2004 und 2005 nicht korrekt gewesen, wären die gemessenen
Verbräuche in 2006 und 2007 nicht ohne eine Veränderung des Ablesesystems denkbar, was indessen nicht behauptet ist.
31 bb.) Demgegenüber waren die Einwendungen der Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht von durchgreifender Art.
32 Die Antragstellerin beanstandet, dass die Wärmequellen „Warmluft“ und „Bad-Konvektoren“ nicht erfasst werden und deshalb die Abrechnung
nicht korrekt sei. Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens ist das Wärmeerfassungssystem im geeignet und so angebracht, dass
ihre technisch einwandfreie Funktion gewährleistet ist (§ 5 Abs. 1 Satz 4 HeizkVO). Die Nichterfassung eines Teils der Heizungsenergie, im
Extremfall durch Beheizen der Wohnung ausschließlich mittels des Badheizkörpers tritt bei allen Nutzern auf und macht die konkrete Erfassung
nicht fehlerhaft ( Lammel in: Schmidt-Futterer/Blank, MietR, 9. Aufl., § 5 HeizkVO Rdnr. 10). Das ist der Unterschied zur Entscheidung des OLG
Düsseldorf (NZM 2007, 525, 526), weil im dortigen Entscheidungsfall nicht sämtliche Heizkörper von der mangelhaften Durchströmung betroffen
waren.
33 Entsprechendes gilt für die Übergangszeiten, für die der Sachverständige Messungenauigkeiten deshalb feststellt, weil während dieser Perioden
von der Sonne hervorgebrachte Wärmemengen als Heizleistung gemessen wird. Dass auf diese Weise Wohnungen benachteiligt werden, die
Sonnen abgewandt gelegen sind, ist ein nicht zu berücksichtigender Lagenachteil ( Lammel a.a.O. § 7 HeizkVO Rdnr. 6).
34 Die seitens der Antragstellerin im weiteren darauf gestützte Folge, es müsse wegen der Nichterfassung der Badheizkörper eine Schätzung
gemäß § 9a HeizkVO stattfinden, ist nicht geboten. Im Ausgangspunkt ist die Gemeinschaft von der Verbrauchserfassung der Heizkörper in den
Badezimmern befreit, weil die Erfassung der verbrauchten Wärmemenge nicht, ggfls. nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist (§
11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a HeizkVO). Unstreitig befinden sich die Heizkonvektoren unterhalb der Badewanne, das macht das Anbringen von
Wärmeerfassungsgeräten entweder unmöglich, oder derart teuer, dass die Kosten gemessen am Zuwachs an Erfassungsgenauigkeit
unwirtschaftlich sind. Es liegt dann kein Fall der Kostenverteilung in Sonderfällen i.S.d. § 9a HeizkVO vor, sondern, da das gesamte Anwesen
betroffen ist, lediglich die Befreiung von der Wärmeerfassung in allen gleichartigen Räumen der Wohnanlage. In diesem Fall ist eine Schätzung
entbehrlich.
35 Die Heizkostenabrechnung widerspricht auch nicht deshalb ordnungsgemäßer Verwaltung, weil der beschlossene Abrechnungsschlüssel von
30% nach Fläche und 70% nach Verbrauch angewandt wird. Die Wahl des Verteilungsmaßstabs obliegt der Entscheidung der Gemeinschaft, die
ihn unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 4 WEG ändern kann. Das ist immer dann veranlasst, wenn wie im Streitfall behauptet, die
verbrauchte Wärme nicht ordnungsgemäß erfasst wurde. In diesem Fall gehört es zur ordnungsgemäßen Verwaltung, die Heiz- und
Warmwasserkosten nach der HeizkVO zu verteilen. Das wiederum setzt zunächst den Antrag voraus, diesen Punkt auf die Tagesordnung setzen
zu lassen und eine Abstimmung darüber herbeizuführen ( Lammel a.a.O. § 3 HeizkVO Rdnr. 9). Ein solcher Antrag ist bislang nicht gestellt,
weshalb die Gemeinschaft an die bestehenden Beschlüsse über die Heizkostenverteilung gebunden bleibt ( BayObLG , NZM1998, 713).
36 Aber auch dann, wenn der Antragstellerin im Streitfall ein Anspruch auf Abänderung des Verteilungsmaßstabs gemäß § 242 BGB zugebilligt
würde, gilt grundsätzlich nichts Abweichendes. Die Gemeinschaft ist gehalten, die Jahresabrechnung auf der Grundlage der gefassten
Beschlüsse zu beschließen. Sind die beschlossenen Verteilungsmaßstäbe wie hier in Bestandskraft erwachsen, ist ihre Ordnungsgemäßheit im
Rahmen ihrer Anwendung in der konkreten Jahresabrechnung nicht erneut zu prüfen; dies geschieht nur innerhalb der Beschlussanfechtung
über den beschlossenen Verteilungsmaßstab (Bärmann/Pick/Merle , WEG, 9. Aufl., § 10 Rdnr. 42).
37 Von diesem Ausgangspunkt hat das Gericht nicht zu bewerten, ob durch den erstrebten Wechsel „Exzessivverbraucher“ belohnt und die „Sparer“
bestraft würden, noch gar, ob die Heizung über die Badezimmer gefördert wird.
38 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 48 WEG. Da die Antragstellerin unterlegen ist, entsprach es dem billigen Ermessen, dass sie die
Gerichtskosten zu tragen hat. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten verbleibt es bei dem gesetzlichen Regelfall, wonach jeder Beteiligte
sein e eigenen außergerichtlichen Kosten auf sich behält. Hiervon abzugehen, bot der Streitfall keinen Anlass.
39 4. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 WEG. Das Gericht hat. Da die Antragstellerin das Umlageergebnis der Heizkosten auf ihre
Wohnung beanstandet, auf diese Weise zugleich sämtliche anderen Einzelabrechnungen des Anwesens in Zweifel gezogen werden, den
Geschäftswert auf 10% der Gesamten Kosten für die Heizung festgesetzt. Ausgehend von EUR 207.363,95 an Gesamtkosten (Bl. 15) ergaben
sich solchermaßen EUR 20.736,39. An den übereinstimmenden Antrag der Verfahrensbeteiligten in der Sitzung vom 21.2.2008 war das Gericht
nicht gebunden, da der Antrag für den Fall der einvernehmlichen Streitbeilegung gestellt worden war.