Urteil des AG Mannheim vom 11.04.2008

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AG Mannheim Urteil vom 11.4.2008, 3 C 74/08
Kfz-Kaskoversicherung: Umfang der Ersatzpflicht bei Beschädigung eines Kabels im Bereich der
Sauerstoffsonde der Lambdaregelung durch einen Marderbiss
Leitsätze
Muss infolge eines Marderbisses eine Lamdasonde ausgetauscht werden, handelt es sich dann um einen vom
Versicherungsschutz umfassten unmittelbaren Schaden, wenn der Austausch technisch bedingt ist und die
Erneuerung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Marderbiss steht. Dafür ist die Unteilbarkeit der
Reparaturleistung ein Indiz.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 504,37 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 20.9.2007 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 83,54 EUR
zuzüglich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.9.2007 an den Kläger zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
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Der Kläger macht mit seiner Klage Zahlungsansprüche aus einem Fahrzeugversicherungsvertrag geltend.
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Zwischen den Parteien besteht unter der Versicherungsnummer ... eine Fahrzeugversicherung bezüglich des
Fahrzeugs des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen ...-....
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Durch Marderbiss wurden in einem nicht näher bekannten Zeitraum vor dem 21.6.2006 Kabel im Bereich der
Sauerstoffsonde der Lambdaregelung am Fahrzeug des Klägers beschädigt. Bei der Reparatur entstanden
Kosten in Höhe von insgesamt 654,37 EUR gemäß der Rechnung der Daimler Chrysler AG M.-H. vom
22.6.2006. Dabei kam es nicht lediglich zu einem Austausch der beschädigten Kabel, es wurde vielmehr neben
den Kabeln auch die Lambdasonde ausgebaut und erneuert, die mit der elektrischen Leitung eine Einheit bildet
(vergleiche Bestätigung der Daimler Chrysler AG vom 11.7.2006).
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Die Beklagte verweigerte eine Bezahlung der Rechnung unter Hinweis auf § 12 der Allgemeinen Bedingungen
für die Kraftfahrtversicherung 2001, in dem es heißt:
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„Die Teilversicherung umfasst Schäden durch Marderbiss an Kabeln, Schläuchen und Leitungen (...).
Folgeschäden aller Art, insbesondere weitergehende Schäden am Fahrzeug selbst, sind vom
Versicherungsschutz ausgeschlossen.“
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Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei zur Begleichung der entstandenen Rechnung abzüglich der
vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 EUR verpflichtet.
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Da es nicht möglich sei, lediglich die Kabel der Lambdasonde auszutauschen, sei auch eine Differenzierung
bzw. Aufschlüsselung der Kosten für den bloßen Austausch des Kabels nicht möglich. Der Kläger müsse unter
Zugrundelegung des § 12 der AKB davon ausgehen, dass ihm diejenigen objektiven Kosten ersetzt werden,
welche für die Beseitigung die durch Marderbiss eingetretenen Kabelschadens objektiv entstehen. Wenn zur
Behebung eines Kabelschadens an einem Kabel der Lambdasonde, welches mit diesem Bauteil fest verbunden
sei, das Austauschen der kompletten Lambdasonde konstruktionsbedingt und herstellerbedingt erforderlich sei,
dann seien eben diese objektiv erforderlich werdenden Kosten von dem Versicherer zu ersetzen. Es handele
sich dabei um Kosten der unmittelbaren Schadensbeseitigung.
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Der Kläger beantragt daher,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 504,37 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.9.2007 zu zahlen,
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2. die Beklagte darüber hinaus zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe
von 83,54 EUR zuzüglich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.9.2007 an den Kläger
zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
13 Sie ist der Auffassung, § 12 der AKB sei eindeutig und lasse nur eine Auslegung zu. Eintrittspflichtig sei die
Beklagte daher nur für die unmittelbar verursachten Schäden an den Kabeln, Schläuchen und Leitungen. Nur
die Kosten für die Reparatur dieser Ersatzteile habe die Beklagte zu ersetzen. Wenn in einem Einzelfall aus
technischen Gründen eine durch einen Marderbiss beschädigtes Kabel nicht allein ausgetauscht werden könne,
sondern bauartbedingt der Austausch eines ganzen damit zusammenhängenden weiteren Fahrzeugteils
notwendig sei, liege allein zu Lasten des Versicherungsnehmers ein durch die technischen Bedingungen des
Fahrzeugs bedingter Umstand und Nachteil für den Versicherungsnehmer vor. Bei dem erforderlichen
vollständigen Ausbau der Lambdasonde handele es sich daher eindeutig um einen nicht versicherten
„Folgeschaden aller Art“ im Sinne des § 12 der AKB. Die Beklagte habe daher lediglich den Anteil der auf den
Austausch des Kabels entfallenden Kosten zu ersetzen. Dieser Anteil liege unter der vereinbarten
Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 EUR.
14 Mit Beschluss vom 22.2.2008 wurde das schriftliche Verfahren gemäß § 495a ZPO angeordnet, der 31.3.2008
entsprach dem Ende der mündlichen Verhandlung, bis zu dem Schriftsätze berücksichtigt wurden.
15 Auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird hingewiesen.
Entscheidungsgründe
16 Die zulässige Klage ist in voller Höhe begründet. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch (auf
Zahlung der Rechnung vom 22.6.2007) in Höhe von 654,37 EUR abzüglich der vertraglich vereinbarten
Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 EUR, somit ein Anspruch auf Zahlung von 504,37 EUR zu, §§ 12 Abs. 1
Nr. I e , 13 Abs. 9 AKB 2001.
17 Danach ist die Beklagte zum Ersatz des durch Marderbiss an den Kabeln entstandenen Schadens verpflichtet;
dieser Schadensersatzanspruch erfasst die Rechnung der Daimler Chrysler AG in voller Höhe (abzgl. der
vereinbarten Selbstbeteiligung).
18 Unstreitig wurden durch Marderbiss Kabel am versicherten Fahrzeug des Klägers beschädigt, die zur
Lambdasonde des Fahrzeugs führen.
19 Unstreitig war ebenfalls zum Austausch dieser Kabel ein Austausch der Lambdasonde/eine Erneuerung
derselben erforderlich.
20 Es ist für das Gericht nicht erkennbar, von Beklagtenseite auch nicht dargetan, dass ein separater Austausch
der beschädigten Kabel ohne einen Austausch der Lambdasonde technisch möglich bzw. wirtschaftlich sinnvoll
(mit Kosten, die unter den hier geltend gemachten Kosten hätten liegen müssen), gewesen wäre.
21 Auch das Gericht erachtet in einem solchen Fall § 12 AKB 2001 für eindeutig; danach sind durch Marderbiss
(unmittelbar) verursachte Schäden von dem Versicherungsschutz erfasst, (unmittelbar) verursachte Schäden
an den Kabeln, Schläuchen und Leitungen sind von Beklagtenseite zu ersetzen; dieser und nur dieser
Schadensersatzanspruch wird vorliegend vom Kläger geltend gemacht.
22 Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat grds. den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der
zum Ersatz verpflichtende Schaden nicht eingetreten wäre, § 249 BGB; im Ergebnis hat also die Beklagte die
Kosten zu ersetzen, die erforderlich sind, um den entstandenen Schaden zu beheben.
23 Sind für eine derartige Schadensbehebung jedoch technisch zwingend weitere Teile auszutauschen und zu
erneuern, besteht ein derartiger, untrennbarer Zusammenhang, dann gehört auch dieser Austausch und diese
Erneuerung zu den unmittelbaren Schadensbehebungskosten, sind diese Kosten damit ebenfalls von
Beklagtenseite zu ersetzen.
24 Vorliegend ist der geltend gemachte Schaden weder bei der Reparatur, noch bei den entstehenden Kosten
gerade nicht teilbar, auch die Beklagte trägt zu einer Teilbarkeit nichts vor - mit Interesse wäre einer derartigen
Berechnung entgegengesehen worden, die die Beklagte mit dem einfachen Hinweis unterlässt, der Schaden
liege mit Sicherheit unter der vereinbarten Selbstbeteiligung.
25 Für die Entscheidung spielt es letztlich auch keine Rolle, dass diese Austausch- bzw.
Erneuerungsnotwendigkeit ggfs. eine Eigenart des betreffenden Fahrzeugtyps darstellt (was von Klägerseite
jedoch bestritten wird), da die Beklagte diesen konkreten Typ auch versichert hat und es als Versicherer in der
Hand hat, bei Typbesonderheiten höhere Prämien zu vereinbaren.
26 Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite macht der Kläger hier gerade keinen „Folgeschaden aller Art“ im
Sinne des § 12 AKB 2001 geltend, sondern eben den unmittelbar durch den Marderbiss an den Kabeln
verursachten Schaden, für dessen Behebung eben die durchgeführten Maßnahmen / Reparaturleistungen mit
den damit verbundenen Kosten erforderlich sind.
27 Es ist darüber hinaus nicht ersichtlich, weshalb technische Entwicklungen, die dazu führen, dass in immer
stärkerem Umfange ganze Teilbereiche bei einem Schaden ausgetauscht und gewechselt werden müssen und
eine separate Reparatur gerade nicht mehr möglich ist, einseitig zu Lasten des Versicherungsnehmers gehen
sollen. Derartige Entwicklungen dienen in aller Regel der Vereinfachung von Arbeitsvorgängen bei der
Reparatur und damit im Versicherungsfall durch die damit verbundene Zeit- und Kostenersparnis auch den
Versicherungen.
28 Vor diesem Hintergrund erachtet das Gericht die von Beklagtenseite zitierte Entscheidung des Amtsgerichts
Regensburg sowie die Stellungnahme des Ombudsmann für Versicherungen vom 8.3.2006 für falsch; zu folgen
war im Ergebnis der von Klägerseite zitierten Entscheidung des AG Zittau (r+s 2007, 318).
29 Der Klage war damit statt zu geben, die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 286, 288 BGB, 708 Nr. 11,
711 ZPO.
30 Die Berufung gegen das Urteil war zuzulassen, um in dieser grundsätzlichen Rechtsfrage eine einheitliche
Rechtsprechung zu erreichen, § 511 Absatz 4 ZPO.