Urteil des AG Mannheim vom 28.03.2003

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AG Mannheim Urteil vom 28.3.2003, 10 C 117/02
Sachmängelhaftung beim Gebrauchtwagenkauf via Internet: Beschaffenheitsvereinbarung durch Fahrzeugbeschreibung bei einer
Internetauktion
Leitsätze
Gibt der Verkäufer bei einer Internetauktion keine Mängel der Kaufsache an, ist dies dahingehend auzulegen, dass eine
Beschaffenheitsvereinbarung mit dem Inhalt getroffen wurde, dass die Kaufsache keine vertragswesentlichen Mängel aufweist.
Tenor
Tatbestand
1
Der Kläger macht einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Abnahmepflicht einer Kaufsache geltend.
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Über den Internetanschluß eines Bekannten, Herrn Patrick P., bot der Kläger im Internetauktionshaus E-Bay einen PKW, Marke Nissan Patrol in
der Zeit vom 21.03. bis 28.03.2002 zum Verkauf an. Dabei wurde das Fahrzeug wie folgt beschrieben: "EZ 12/90, 120 Tkm gelaufen, Diesel 85
Kw, 2826 ccm, Rammschutz vorne und hinten aus Alu, Klimaanlage, Ladeluftkühler/Turbolader, Breitreifen, Anhängerkupplung, max. 7 Plätze, E-
Bay trägt Käufer ." Der Beschreibung war ein elektronisches Lichtbild des Fahrzeuges beigefügt. Wegen der Einzelheiten der Beschreibung und
des Lichtbildes wird auf AS. 19 und 20 verwiesen.
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Der Beklagte ersteigerte das Fahrzeug zu einem Kaufpreis von 6850,00 EUR am 28.03.2002 um 22.58 Uhr. Gegen 23.17 Uhr gab ein weiterer
Bieter ein Angebot über 7000,00 EUR ab. Da die Auktion jedoch bis um 22.58.01 Uhr begrenzt war, kam allein der Beklagte zum Zuge. Am
02.04.2002 begab sich der Beklagte mit seinem Schwager, Herrn Abbas D. zur Wohnung des Klägers nach E., um das Fahrzeug zu besichtigen
und abzuholen. Zu einer Abnahme seitens des Beklagten kam es jedoch nicht.
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Mit Schreiben seines Anwaltes vom 08.04.2002 forderte der Kläger den Beklagten zur Abnahme auf und setzte ihm hierfür eine Frist bis zum
15.04.2002. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf AS. 10 - 11 Bezug genommen. Mit Schreiben seines Anwaltes vom 15.04.2002
erklärte der Beklagte Wandelung/Rücktritt vom geschlossenen Kaufvertrag und machte Mängel an dem Fahrzeug geltend (wegen der
Einzelheiten dieses Schreibens wird auf AS. 8-9 Bezug genommen). Nachdem der Beklagte das Fahrzeug nicht abnahm, verkaufte seine
Ehefrau, Inge J., den PKW am 26.05.2002 an den Zeugen G. zum Kaufpreis von 4800,00 EUR. Der Kaufvertrag enthält folgende Regelung: "Das
Kraftfahrzeug ist unfallfrei/hat nachstehend aufgeführte Vorschäden Lack -und Rostschäden, Niveauregulierung defekt" (wegen der Einzelheiten
des Kaufvertrages wird auf AS. 27 verwiesen).
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Der Kläger behauptet, das Fahrzeug sei mängelfrei gewesen, allenfalls habe sich eine geringe Ölbildung gezeigt. Der Kläger macht einen
Schadenersatz in Höhe der Differenz des vereinbarten Kaufpreises mit dem Beklagten und dem niedrigeren Kaufpreis aus dem Ersatzverkauf
geltend.
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Der Kläger beantragte,
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den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2050,00 EUR zuzüglich 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1
Diskontsatzüberleitungsgesetz seit dem 16.04.2002 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragte,
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Klageabweisung.
10 Der Beklagte macht geltend, das Fahrzeug sei stark mängelbehaftet gewesen. Bei der Besichtigung des Fahrzeuges habe er zu seinem
Erschrecken feststellen müssen, dass das Fahrzeug nachfolgend benannte Mängel aufweise, welche zur Verkehrsuntauglichkeit geführt hätten:
11 Im Motoren- und Getriebebereich zeigte sich eine starke Ölbildung.
12 Der rechte Scheinwerfer zeigte starke Rostbildung; der Reflektor war durchgerostet.
13 Sämtliche 4 Reifen waren and den Reifenseitenwänden stark porös, so dass diese zwecks Verkehrstauglichkeit hätten gewechselt werden
müssen.
14 Das sogenannte Ausdrucklager der Kupplung war defekt, so dass eine neue Kupplungsscheibe erforderlich gewesen wäre (dies darf bei den
nach dem Tachostand abgelesenen 111.000 Kilometern in technischer Hinsicht nicht vorkommen).
15 Die Spurverbreiterung hinten links war gebrochen sowie die Federbeine und Radaufhängungen waren fehlerhaft/das Schutzgummi fehlte
jeweils.
16 Wegen dieser Mängel habe er es abgelehnt, das Fahrzeug abzunehmen und den Kaufpreis zu zahlen. Der Kläger habe bei der Besichtigung
ausdrücklich erklärt, er werde keine Mängel beseitigen, weshalb er zum sofortigen Rücktritt berechtigt gewesen sei.
17 Der Kläger bestreitet die Mangelhaftigkeit des Fahrzeuges. Er trägt vor, das Fahrzeug sei im Dezember 2001 von der Firma Auto-E. dem TÜV
vorgeführt worden. Das Fahrzeug sei vom TÜV abgenommen worden. Dabei seien die vom Beklagten genannten Mängel nicht festgestellt
worden. Zwischenzeitlich sei das Fahrzeug maximal 1000 km gefahren. In dieser Zeit könnten die von der Gegenseite behaupteten Mängel nicht
auftreten. Zur Bestätigung seines Vortrages legte der Beklagte ein Schreiben der Firma Auto-E. vom 09.09.2002 vor. Wegen des genauen Inhalts
des Schreibens wird auf AS. 42 verwiesen.
18 Wegen der Einzelheiten des gegenseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Vorbringen in
den Terminen zur mündlichen Verhandlung verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschlusses vom 25.10.2002 (AS. 47 -
50) durch Vernehmung der Zeugen Abbas D. und Ryszard G. Insoweit wird auf die Protokolle über die Vernehmung der Zeugen (As. 71 - 74 und
84 - 86) verwiesen. Der Kläger hat auf die Vernehmung der Zeugin J. verzichtet.
Entscheidungsgründe
19 Der Kläger macht einen Schadenersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB n.F. geltend. Voraussetzung hierfür ist, dass der Beklagte
eine vertragliche Pflicht verletzte, hier die Abnahmepflicht aus § 433 Abs. 2 BGB.
20 Eine derartige Abnahmepflicht des Beklagten bestand jedoch nicht, da das verkaufte Fahrzeug mängelbehaftet war. Die Abnahmepflicht des
Käufers setzt die Mangelfreiheit der Kaufsache voraus (vgl. Palandt, 62. Aufl., § 433 Rdnr. 46 und § 437 Rdnr. 49), wobei bis zum
Gefahrenübergang der Verkäufer, hier also der Kläger, die Beweislast für die Mangelfreiheit der Kaufsache trägt (vgl. Palandt, a.a.O., § 434 Rdnr.
57/59).
21 Gemäß § 434 Abs. 1 BGB ist eine Sache dann frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrenübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat.
Hierbei ist zu beachten, dass eine derartige Vereinbarung auch konkludent und stillschweigend zustande kommen kann (vgl. Palandt, a.a.O., §
434 Rdnr. 17). Ob und mit welchem Inhalt eine Vereinbarung zustande kommt, richtet sich nach den allgemeinen Auslegungsregeln (§§ 133, 157
BGB). Beim Verkauf einer Sache in einer Internetbörse ist dem Verkäufer klar, dass der Käufer die Sache nicht besichtigen kann und daher in
besonderem Maße auf die Angaben des Verkäufers über die Beschaffenheit der Kaufsache angewiesen ist. Die von dem Kläger abgegebene
"Beschreibung" des Fahrzeuges ist daher unter Berücksichtigung der gegenseitigen Parteiinteressen und des objektiven Empfängerhorizontes
dahingehend auszulegen, dass das Fahrzeug einerseits die in der Beschreibung genannten Eigenschaften besitzt und andererseits nicht mit
technischen Mängeln behaftet ist, es sei denn, unwesentlichen Mängeln, die beim Gebrauchtwagenkauf weder für die Kaufentscheidung als
solche noch für die Preisbildung von Bedeutung sind. Jede andere Beurteilung würde zu einer unzumutbaren Benachteiligung des Käufers bei
derartigen "Ferngeschäften" führen, da dem Käufer eine Prüfung der Kaufsache i.d.R. nicht möglich wäre und er die "Katze im Sack" kaufen
müsste. Er wäre hierdurch zwar nicht rechtlos gestellt, weil er bei Mängeln i.S.d. § 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB ebenfalls die Annahme verweigern
könnte. Jedoch ist gerade bei gebrauchten Sachen die Grenze zum noch tolerierbaren hin zum schon fehlerhaften fliesend und die Käufer laufen
Gefahr Ware zu einem überhöhten Preis abnehmen zu müssen, den der Verkäufer nicht erzielt hätte, wenn der Käufer die Kaufsache hätte
besichtigen können. Der Käuferschutz erfordert daher die dargestellte weite Auslegung einer Beschaffenheitsvereinbarung.
22 Das Fahrzeug war nicht von dieser Beschaffenheit, wie der Kläger selbst einräumen musste. So gab er selbst an, dass im Motoren- und
Getriebebereich eine geringe Ölbildung festzustellen war. Eine derartige Ölbildung ist für die Kaufentscheidung jedoch durchaus von Bedeutung,
da dies auf erhebliche technische Mängel wie Risse und Undichtigkeiten hinweisen kann.
23 Darüber hinaus hat der Beklagte weitere erhebliche technische Mängel substantiiert vorgetragen, welche der Kläger nicht widerlegen konnte.
Das von ihm vorgelegte Schreiben der Firma Auto-E. kann die Mangelfreiheit des Fahrzeuges nicht belegen. Nach dem Inhalt dieses Schreibens
wurde das Fahrzeug der Firma im Dezember 2001 vorgeführt. Die Besichtigung seitens des Beklagten erfolgte jedoch erst Anfang April 2002,
mithin etwa 4 Monate später. Das Gericht weiß aus eigener Sachkunde, dass in einem derartigen Zeitraum durchaus negative technische
Veränderungen an einem gebrauchten Fahrzeug eintreten können, selbst wenn dieses zwischenzeitlich nur 1000 km gefahren wurde. Bei einem
Fahrzeug dieses Alters (EZ 12/90) und dieser Fahrleistung (120.000 km) können sich jederzeit Verschleißerscheinungen bemerkbar machen.
Zudem ist gerade bei einem Geländefahrzeug weniger die zurückgelegte Strecke als die Art und Weise des Fahrzeuggebrauchs entscheidend.
Soweit ein Fahrzeug über schwieriges Gelände gefahren wird, können selbst bei kurzen Strecken erhebliche Schäden bzw. technische Mängel
auftreten. Das Gericht brauchte daher dem Beweisangebot der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht nachzukommen, da es
insoweit über die eigene Sachkunde verfügte. Es bedarf keines technischen Sachverstandes um beurteilen zu können das Reifen durch starke
und strapaziöse Benutzung in auch in kurzer Frist porös oder schadhaft werden können. Zudem ist es jederzeit möglich ist, die Reifen zu
wechseln, so dass auch ein Sachverständiger nicht feststellen kann, ob es sich bei den jetzt aufgezogenen Reifen um dieselben handelt, mit
denen das Fahrzeug dem TÜV vorgeführt wurde. Ein Kupplungsschaden kann ebenso bei einem gebrauchten Fahrzeug jederzeit eintreten.
Gleiches gilt für einen Wassereintritt und ein Rostansatz in den Lampen.
24 Der Kläger hat weiteren Beweis für die Mangelfreiheit des Fahrzeuges nicht angeboten und ist damit beweisfällig geblieben. Darüber hinaus hat
der Gegenbeweis des Beklagten sogar zur Feststellung der Mangelhaftigkeit des Fahrzeuges geführt. Übereinstimmend und unabhängig
voneinander gaben sowohl der Zeuge D. als auch der Zeuge G. an, dass sich das Fahrzeug in einem stark ungepflegten Zustand befunden
habe. Beide gaben an, dass an der Spurverbreiterung ein Teilstück abgebrochen und zumindest ein Scheinwerfer defekt war. Die
Mangelhaftigkeit des Fahrzeuges wird auch durch die Angaben im Kaufvertrag vom 26.05.2002 belegt, in dem Lack- und Rostschäden sowie ein
Defekt an der Niveauregulierung genannt werden. Auch der Umstand, dass ein Käufer der das Fahrzeug besichtigen konnte nicht bereit war den
gleichen Preis wie der Beklagte zu zahlen, spricht für eine Mangelhaftigkeit des PKW.
25 Der Beklagte hat damit wegen Mangelhaftigkeit der Kaufsache zu Recht die Abnahme verweigert, so dass eine Pflichtverletzung seinerseits nicht
festgestellt werden konnte und damit der Schadenersatzanspruch des Klägers nicht besteht.
26 Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 711 Nr. 11, 711 ZPO.