Urteil des AG Mannheim vom 27.09.2007

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AG Mannheim Urteil vom 27.9.2007, 9 C 162/07
Aufwendungsersatz: Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Lieferung einer mangelhaften Kaufsache
Leitsätze
Zu den Aufwendungen iSd § 284 BGB rechnen die sog. Vertragskosten, insbesondere die für die Lieferung
vergeblich aufgewandter Kosten des Transports, die nur deshalb entstanden sind, weil der Verkäufer die
mangelhafte Kaufsache zu besichtigen wünscht.
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2185,60 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 5.05.2007 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Motors
Audi/VW TDI 1,9 (Motor-Nummer: 000, Motorkennbuchstabe) zu zahlen.
2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin EUR 143,22 an außergerichtlichen Anwaltskosten nebst
Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 5.05.2007 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte in Annahmeverzug befindet.
4. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt Rückzahlung des Kaufpreises nach Rücktritt vom Vertrag.
2
Der Kläger kaufte vom Beklagten über die Internetplattform eBay am 8.11.2006 zum Preis von EUR 2000 einen
Motor Audi/VW TDI 1,9 , den er sich für EUR 185,60 von einer Drittfirma nach Hause liefern ließ. Der Beklagte
verweigerte dem Kläger die Möglichkeit, sich die Kaufsache vor der Lieferung anzusehen. Am 11.01.2007
setzte der Kläger dem Beklagten eine Nachfrist zur Mängelbeseitigung bis zum 26.01.2007, die ergebnislos
verstrich. Am 5.02.2007 trat der Kläger vom Vertrag zurück.
3
Der Kläger behauptet, der mitgelieferte Kabelbaum stamme von einem Pumpen-Düsen-System und passe
weder zum Motor noch zum Steuergerät. Der Beklagte habe am 17.01.2007 die Nacherfüllung abgelehnt.
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Der Kläger beantragt:
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1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2185,60 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz
seit Rechtshängigkeit Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Motors Audi/VW TDI
1,9 zu zahlen.
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2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 143,22 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz
Rechtshängigkeit zu zahlen.
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3. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte in Annahmeverzug befindet.
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Der Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
10 Er trägt vor, es sei nie der Originalkabelbaum versprochen worden. Zudem habe der Kläger auf Anforderung
von Informationen, in welches Fahrzeug der Motor eingebaut werden solle und auf die Bitte der Übersendung
von Fotos der Schnittstellen lediglich handschriftliche Daten des Steuergerätes und des Kabelbaums
geschickt.
11 Der Beklagte ist daher der Ansicht, der Rücktritt sei wegen unterlassener Mitwirkungshandlungen des Klägers
unwirksam, da dieser zumindest die VW-Teile-Nr. des gewünschten Kabelbaums hätte mitteilen müssen.
12 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze samt
Anlagen Bezug genommen.
13 Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Dipl.
Ing. …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
14 Die zulässige Klage ist begründet.
15 Der Kläger hat aus §§ 437 Nr. 3, 434 Abs. 1 Satz 1, 446, 323 Abs. 1, 346 Abs. 1, 348, 322 BGB gegen den
Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von EUR 2000 Zug-um-Zug gegen
Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Motors.
16 1. Der mit Vertrag vom 8.11.2006 durch die Klägerin gekaufte Motor war nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB
mangelhaft, da er bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufwies.
17 In der bei der Internetplattform eBay durch den Beklagten eingestellten Artikelbeschreibung fand sich folgende
Passage:
18
„Audi/VW TDI Motor 1,9 AHF 110 PS BJ. 1997 erst 9150km!!!!! Aus Golf IV Komplett mit allen
Aggregaten (inkl. Klima!!!) + Steuergerät + Kabelbaum […] mit Motorkabelbaum mit original
Steuergerät […] bei diesem Motor ist wirklich alles vorhanden […] einfach einbauen, Stecker
zusammenstecken, Wegfahrsperre codieren und losfahren!!! […]!
19 Damit war vom objektiven Empfängerhorizont für einen Durchschnittskäufer klar, dass der Motor inklusive aller
für einen normalen Betrieb notwendigen Zusatzaggregate und Anschlüsse geliefert wird. Zwar wurde - wie der
Beklagte richtig einwendet - kein Originalkabelbaum versprochen, allerdings musste die Klägerin aufgrund der
Beschaffenheitsangaben „+ Kabelbaum“ davon ausgehen, dass damit zumindest ein solcher gemeint war, der
zu dem mitverkauften Motor passt. Gerade der als Verkaufsargument benutzte weitere Hinweis, man müsse
nicht mehr tun als die vorhandenen Stecker zusammenführen, weckte in der Klägerin die berechtigte
Erwartung, nach dem Einbau des Motors in ihr Fahrzeug könne er ohne Weiteres betrieben werden.
20 Dem war - wie der Sachverständige in seinem Gutachten ausführte - nicht so. Bei dem Motor handelte es sich
um ein mit einer Verteilereinspritzpumpe versehenes Fabrikat, welches bis 1997 von VW verwendet wurde.
Das mitgelieferte Steuergerät trug das Datum 30.05.1997 und konnte noch problemlos an den mit dem Motor
verbundenen und montierten Kabelsatz angeschlossen werden. Der mitversandte Kabelsatz stammte jedoch
nach dem Fertigungsschild (25.August 2000) aus einer Zeit, als VW bereits ein weiterentwickeltes
Einspritzsystem mit dem Namen PDS (Pumpen-Düsen-System) herstellte. Demgemäß war ein Anschluss
dieses für den Betrieb des Motors essentiellen Kabelsatzes an das noch zum Motor passende Steuergerät
unmöglich. Der Kabelsatz gehört vielmehr zu einem ab dem Herstellungsjahr 1998 gefertigten Motor, dessen
Kraftstoffversorgung mit der Einspritzung des PDS bedient wurde und war für die Kaufsache untauglich.
21 Damit wich der Kaufgegenstand für die Klägerin nachteilig von der vereinbarten Beschaffenheit ab und war
entgegen der den Beklagten nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB treffenden Pflicht zur mangelfreien Leistung mit
einem Sachmangel behaftet.
22 Daran ändert auch die Tatsache, dass der Beklagte die Artikelbeschreibung selbst von seinem Vorverkäufer so
wie bei eBay eingestellt übernommen hat, nichts.
23 2. Die Klägerin hat den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 11.01.2007 von dem Mangel unterrichtet
und ihm gem. § 323 Abs. 1 BGB eine Nachfrist zur Mängelbeseitigung gesetzt, die dieser ungenutzt
verstreichen ließ, woraufhin mit Schreiben vom 5.02.2007 gem. § 349 BGB der Rücktritt erklärt wurde.
24 3. Der Rücktritt ist auch nicht ausgeschlossen bzw. der Klägerin eine Berufung auf das erklärte
Gestaltungsrecht nicht nach § 242 BGB verwehrt, da sie keine Mitwirkungspflichten verletzt hat.
25 Zwar verlangte der Beklagte über seinen Anwalt nach Mangelanzeige von der Klägerin die Übersendung einer
Kopie des Fahrzeugscheines sowie von Fotos der Schnittstellen und kam dem die Klägerin nur unzureichend
nach, da sie lediglich handschriftlich notierte Daten des Steuergerätes und des Kabelbaumes lieferte.
Allerdings schließt dies die wegen der Mangelhaftigkeit der Sache gegebene Rücktrittsmöglichkeit nicht aus.
26 Zum einen sind Daten des Fahrzeugs, in das der Motor eingebaut werden sollte, für die Mangelhaftigkeit des
Motors irrelevant, da der mitgelieferte Kabelsatz schon nicht zu dem Motor passte. Zum anderen hätte der
Beklagte - wie der Gutachter auch - schon anhand der mitgeteilten Daten (Baujahr) des Steuergerätes und des
Kabelbaums erkennen können, dass die Komponenten nicht kompatibel sind.
27 4. Nach Umwandlung des Kaufvertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis steht der Klägerin ein Anspruch
auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung der Kaufsache zu.
28 Der Kläger kann darüber hinaus aus §§ 437 Nr. 3, 434 Abs. 1 Satz 1, 446, 323 Abs. 1, 325, 284 BGB vom
Beklagten Rückerstattung der Kosten der Lieferung des Motors in Höhe von EUR 185,60 verlangen.
29 1. Da auch die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, Abs.
3, 281 BGB vorlagen, insbesondere für ein fehlendes Verschulden des Beklagten an der Pflichtverletzung
keine Anhaltspunkte ersichtlich sind und die Geltendmachung eines solchen Schadensersatzanspruchs bzw.
eines an seine Stelle tretenden Aufwendungsersatzanspruches gem. 325 BGB nicht am gleichzeitig erklärten
Rücktritt scheitern, ist § 284 BGB anwendbar (BGH, Urteil vom 20.07.2005 - VIII ZR 275/04 - NJW 2005,
2848).
30 2. Die nach dieser Vorschrift zu ersetzenden vergeblichen Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer, die
der Gläubiger im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung erbracht hat, die sich aber wegen der Nichtleistung oder
der nicht vertragsgerechten Leistung des Schuldners als nutzlos erweisen. Aufwendungen des Käufers auf eine
gekaufte Sache, die sich später als mangelhaft herausstellt, sind demnach in der Regel vergeblich, wenn der
Käufer die Kaufsache wegen ihrer Mangelhaftigkeit zurückgibt oder sie jedenfalls nicht bestimmungsgemäß
nutzen kann und deshalb auch die Aufwendungen nutzlos sind (BGH a.a.O.).
31 Hierzu zählen auch die sog. Vertragskosten, insbesondere die für die Lieferung vergeblich aufgewandten
Kosten des Transports (Palandt/ Heinrichs , BGB, 66.Aufl. 2007, § 284 Rn. 5 m.w.N.), die im hier zu
entscheidenden Fall schon deshalb nicht angefallen wären, wenn der Beklagte nicht die von der Klägerin
gewünschte Besichtigung des Motors nach dem Kauf verweigert hätte.
32 Die Kosten wurden durch die Rechnung vom 15.12.2006 nachgewiesen.
33 Da der Beklagte mit klägerischem Schreiben vom 5.02.2007 zur Rücknahme des Motors aufgefordert wurde,
dem aber nicht nachkam, befand er sich nach §§ 293, 295 BGB in Annahmeverzug.
34 Die Verpflichtung zum Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden ergibt sich aus
§§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288, 249 BGB, da der Beklagte spätestens mit Ablauf der im Schreiben vom
11.01.2007 gesetzten Nachfrist mit der Nacherfüllung in Verzug war.
35 Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.
II.
36 Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709, 108 ZPO.