Urteil des AG Mannheim vom 06.06.2008

AG Mannheim: Benachteiligungsverbot: Unterschiedliche Tarife für Schüler und Senioren im öffentlichen Nahverkehr, Rechtsweg, Wahrung der Ausschlussfrist bei klageweiser Geltendmachung eines Anspruchs

AG Mannheim Urteil vom 6.6.2008, 10 C 34/08
Benachteiligungsverbot: Unterschiedliche Tarife für Schüler und Senioren im öffentlichen Nahverkehr; Rechtsweg; Wahrung der
Ausschlussfrist bei klageweiser Geltendmachung eines Anspruchs
Leitsätze
Für Streitigkeiten über die Tarifgestaltung des öffentlichen Nahverkehrs ist der Zivilrechtsweg eröffnet. Die Ausschlussfrist des § 21 Abs. 5 AGG kan
auch klageweise gewahrt werden; es ist dann die Zustellung der Klage maßgebend. Die unterschiedlichen Tarife von Schülertickets und für
Beförderungsgäste über 60 Jahre ist gemäß § 20 Abs. 1 AGG sachlich gerechtfertigt, wenn der Nahverkehrsbetreiber damit den sozial- und
wirtschaftspolitisch günstigen Effekt einer besseren Auslastung des Nahverkehrs in den Nebenzeiten verfolgt.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des
jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist Schülerin des ...-Gymnasiums in … und ist für ihren Schulweg auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Seit August 2004 nutzt
die Klägerin das von der Beklagten speziell für Schüler angebotene ...-Ticket. Die monatlichen Beiträge werden jeweils zum Monatsersten im
Lastschriftverfahren eingezogen. Die Beklagte bot im gleichen Zeitraum für Senioren eine vergünstigte Karte ab 60 an, die im Zeitraum
01.08.2004 bis 31.12.2004 monatlich 1,25 Euro und im Zeitraum 01.01.2005 bis 31.12.2007 monatlich 2,00 Euro günstiger war als das ...-Ticket.
Sowohl das ...X-Ticket als auch die Karte ab 60 lagen preislich unter dem Standardtarif ohne Ermäßigung.
2
Die Tarifpreise werden nicht von der Beklagten, sondern von der Unternehmensgesellschaft Verkehrsverbund ...-GmbH (... GmbH) festgesetzt, in
der die Muttergesellschaften der Beklagten Mitglied sind, nicht aber die Beklagte selbst. Nach Erhebungen der Beklagten besteht ein
unterschiedliches Nutzerverhalten zwischen Schülern und Auszubildenden einerseits und Senioren andererseits, da letztere den Nahverkehr
überwiegend in den Nebenverkehrszeiten nutzen.
3
Die Klägerin begehrt Rückzahlung des Differenzbetrages zwischen dem ...-Ticket und der Karte ab 60 für den Zeitraum 01.08.2004 bis
31.12.2007. Eine außergerichtliche Geltendmachung dieser Ansprüche gegenüber der Beklagten erfolgte vor Klageerhebung nicht.
4
Die Klägerin ist der Ansicht, die unterschiedlichen Tarife der Beklagten für Schüler und Senioren verstießen gegen Art. 3 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 6
Abs. 1 und 2 GG sowie gegen §§ 3 Abs. 1 und 3, 19 Abs. 1 Satz 1 AGG.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 78,25 Euro zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Preisdifferenz zwischen dem ...-Ticket und der Karte ab 60 sei gemäß § 39 Abs. 3 PBefG grundsätzlich
zulässig und verstoße auch nicht gegen § 19 AGG, da ein sachlicher Grund für eine Differenzierung vorliege. Die Vergünstigung der Karte ab 60
gegenüber dem Standardtarif sei aufgrund des unterschiedlichen Nutzerverhaltens und des Umstands, das die Personengruppe ab 60 in der
Regel nicht auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sei, dazu geeignet, diese Personengruppe dazu zu veranlassen, die öffentlichen
Verkehrsmittel besonders in den Nebenzeiten verstärkt zu nutzen und dadurch bei gleichbleibenden Kosten höhere Einnahmen zu erzielen. Die
Vergünstigung des ...-Tickets beruhe demgegenüber vor allem auf öffentlichen Zuschüssen für die erfasste Personengruppe. Die Beklagte
behauptet, die öffentlichen Zuschüsse für das ...-Ticket seien beträchtlich abgeschmolzen worden, so dass die Vergünstigung nicht mehr im
gleichen Umfang haltbar sei.
10 Der Beklagten war mit Beschluss vom 03.01.2008 eine Frist von drei Wochen zur Klageerwiderung gesetzt worden. Die Klage ist am 09.01.2008
zugestellt worden. Nach mündlicher Verhandlung am 19.03.2008 hat die Beklagte im Schriftsatz vom 25.04.2008 die Zulässigkeit des
Rechtswegs gerügt. Sie ist der Ansicht, der Zivilrechtsweg sei vorliegend nicht eröffnet, da - was unstreitig ist - die Beförderungs- und
Tarifbestimmungen der Beklagten auf der Verordnung über die allgemeinen Beförderungsbestimmungen für den Straßenverkehr sowie den
Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen beruhen, die aufgrund der Ermächtigung des § 58 Abs. 1 Nr. 3 des Personenbeförderungsgesetzes erlassen
wurden. Der Gesetzgeber habe in §§ 39, 45 PBefG ein gesondertes Tarif (Preis-)Recht normiert, welches dem allgemeinen Preis- und
Wettbewerbsrecht vorgehe. Das Aufstellen oder Ändern von Beförderungsentgelten bedürfe nach § 39 Abs. 1 PBerfG der Zustimmung der
zuständigen Genehmigungsbehörde. Dabei handele es sich um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt mit der Folge, dass mit
Genehmigungserteilung die Beförderungsentgelte im Verhältnis Unternehmer / Verkehrsnutzer nicht mehr frei verhandelbar seien. Der
Zivilrechtsweg sei aber ausgeschlossen, wenn die Vollstreckung eines stattgebenden zivilrechtlichen Urteils zur Aufhebung oder Änderung einer
hoheitlichen Maßnahme führen würde.
11 Für das weitere Parteivorbringen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Erklärungen in der mündlichen Verhandlung
verwiesen.
Entscheidungsgründe
12 Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
13 I. Die Klage ist zulässig.
14 Der Zivilrechtsweg ist gemäß § 13 GVG eröffnet. Zwar stellt die Genehmigung der Tarifbestimmungen durch die Genehmigungsbehörde gemäß §
39 Abs. 1 PBefG im Verhältnis zu dem Beförderungsunternehmen einen Verwaltungsakt dar und ist somit dem öffentlichen Recht zuzuordnen.
Dies hat jedoch keinen Einfluss auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Beförderungsunternehmen und dem Nutzer. Dieses Rechtsverhältnis ist
privatrechtlicher Natur. Die Beklagte erfüllt als Beförderungsunternehmen zwar öffentliche Aufgaben der Verwaltung im Sinne der
Daseinsvorsorge (Infrastruktur). Sie tritt dabei jedoch in der Rechtsform einer GmbH auf und bedient sich dadurch privatrechtlicher Mittel. Dass
die Beklagte selbst sich bei ihrem Handeln im öffentlich-rechtlichen Bereich betätigt, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, so dass von
einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis zwischen den Parteien auszugehen ist (vgl. Gummer in: Zöller, Zivilprozessordnung, GVG § 13 Rn 38
mit weiteren Nachweisen).
15 Einer Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs durch Beschluss gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG bedurfte es vorliegend nicht,
da die Beklagte die Rüge der Zulässigkeit des Rechtswegs nicht rechtzeitig im Sinne des § 282 Abs. 3 ZPO erhoben hat (siehe hierzu BGH NJW
1999, 651; OLG Köln NJW 1995, 3319; LAG Berlin NZA 1994, 912; Boin NJW 1998, 3747; Musielak/Wittschier § 17a GVG Rn 12; aA Bruckner
NJW 2006, 13, 14). Die Beklagte hat die Unzulässigkeit des Zivilrechtswegs erstmals mit Schriftsatz vom 25.04.2008 und somit nach Ablauf der
Klageerwiderungsfrist und nach mündlicher Verhandlung zur Sache erhoben.
16 II. Die Klage ist jedoch unbegründet.
17 1. Die Beklagte ist als Vertragspartnerin der Klägerin passivlegitimiert, auch wenn sie selbst keinen Einfluss auf die Tarifgestaltung hat.
18 2. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht aus §§ 21 Abs. 2, 19 Abs. 1 Nr. 1, 20 AGG zu.
19 a) Für den Zeitraum 01.08.2004 bis 31.12.2006 folgt dies bereits aus § 33 Abs. 3 Satz 1 AGG. Danach sind die §§ 19 bis 21 AGG bei einer
Benachteiligung wegen des Alters nicht auf Schuldverhältnisse anzuwenden, die vor dem 01.12.2006 begründet worden sind. Eine Anwendung
findet gemäß § 33 Abs. 3 Satz 2 AGG allerdings bei der späteren Änderung von Dauerschuldverhältnissen statt. Eine solche Änderung des
zwischen den Parteien bestehenden Dauerschuldverhältnisses über die Nutzung des ...-Tickets erfolgte mit Änderung der Tarife durch die
Beklagte zum 01.01.2007. Für die nach diesem Zeitpunkt entstandenen Ansprüche sind die §§ 19 ff. AGG daher grundsätzlich anwendbar.
20 b) Für den Zeitraum 01.01.2007 bis einschließlich 30.11.2007 ist ein Anspruch der Klägerin gemäß § 21 Abs. 5 AGG ausgeschlossen. Danach
kann ein Anspruch gemäß § 21 Abs. 2 AGG nur innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend gemacht werden. Die Ausschlussfrist ist von Amts
wegen zu beachten und beginnt mit der Entstehung des Anspruchs (Thüsing in: Münchener Kommentar zum BGB, § 21 AGG Rn 65;
Palandt/Gründeberg, Kommentar zum BGB, AGG § 21 Rn 8). Damit ist im Falle eines Schadensersatzanspruchs der Zeitpunkt gemeint, in dem
der erste Schaden entstanden ist (MüKo/Thüsing aaO Rn 66). Im vorliegenden Fall wurden die Beiträge für das ...-Ticket jeweils am Monatsersten
im Wege des Lastschriftverfahrens eingezogen. Für jeden Monat ist damit von einem gesonderten, jeweils am Monatsersten entstandenen
Schadensersatzanspruch auszugehen (vgl. MüKo/Thüsing aaO Rn 67; Palandt/Heinrichs, BGB, § 199 Rn 21).
21 Für die Geltendmachung im Sinne des § 21 Abs. 5 Satz 1 AGG ist es erforderlich, dass die entsprechende Erklärung dem Anspruchsgegner
gemäß § 130 BGB zugeht. Die Geltendmachung kann auch durch die klageweise Geltendmachung ersetzt werden. In diesem Fall muss die
Klage innerhalb der Ausschlussfrist dem Anspruchsgegner zugestellt werden, da die bloße Einreichung der Klage bei Gericht nicht ausreicht und
§ 167 ZPO keine Anwendung findet (MüKo/Thüsing aaO Rn 68 mit weiteren Nachweisen). Da die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag
vorgerichtlich keine Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat, ist von einer Geltendmachung erst mit Zustellung der Klage an
die Beklagte am 09.01.2008 auszugehen. Dass die Klägerin gemäß § 21 Abs. 5 Satz 2 AGG ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist
verhindert war ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Damit ist die Ausschlussfrist nur für Ansprüche gewahrt, die nach dem 09.11.2007
entstanden sind, mithin nur für den Monatsbeitrag Dezember 2007.
22 c) Hinsichtlich des am 01.12.2007 abgebuchten Differenzbetrages von 2,00 Euro für das ...-Ticket gegenüber der Karte ab 60 ist die objektiv
vorliegende Benachteiligung der Klägerin gegenüber den Begünstigten der Karte ab 60 durch einen sachlichen Grund im Sinne des § 20 Abs. 1
AGG gerechtfertigt. Differenzierungen anhand der Merkmale des § 19 Abs. 1 AGG sind im allgemeinen Zivilrecht in vielen Fällen akzeptiert und
teilweise sogar ausdrücklich erwünscht (vgl. die Erläuterungen des Gesetzgebers, abgedruckt in BT-Drucks. 16/1780 S. 43; MüKo/Thüsing, AGG,
§ 20 Rn 8, vgl. auch Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 20 Rn 6). Regelbeispiele zulässiger Differenzierungen sind in § 20 Abs. 1 Satz 2 AGG
aufgezählt. Danach liegt ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters insbesondere vor, wenn die
unterschiedliche Behandlung besondere Vorteile gewährt und ein Interesse an der Durchsetzung der Gleichbehandlung fehlt, § 20 Abs. 1 Satz 2
Nr. 3 AGG.
23 Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung hierzu beispielhaft die Fälle aufgezählt, in denen einem bestimmten Personenkreis wegen des
Alters ein besonderer Vorteil in Form eines Preisnachlasses gewährt wird. Damit sei notwendigerweise eine Benachteiligung aller anderen
verbunden. Gleichwohl bestehe kein Anlass, den Grundsatz der Gleichbehandlung durchzusetzen. Die gewährten Vergünstigungen reagierten
nämlich entweder darauf, dass bestimmte Gruppen typischerweise weniger leistungsfähig seien: Rabatte für Schüler und Studenten etwa seien
damit zu begründen, dass sie meist nicht über ein Erwerbseinkommen verfügen. Oder aber die Vergünstigungen bezweckten die gezielte
Ansprache von Kundenkreisen, die der Anbieter anlocken möchte. Diese Maßnahmen seien also nicht diskriminierend, sondern im Gegenteil
sozial erwünscht bzw. Bestandteil einer auf Wettbewerb beruhenden Wirtschaft. Ein Verbot dieser Praktiken würde auch den objektiv
benachteiligten Personenkreisen nicht helfen, denn der Anbieter würde nicht mit der Erstreckung der Vorteile auf alle Kunden reagieren, sondern
mit dem Verzicht auf jegliche Vergünstigung (BT-Drucks. 16/1780 S. 44). So liegt der Fall hier.
24 Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Preisdifferenz zwischen dem ...-Ticket und der Karte ab 60 schon aufgrund einer unterschiedlichen
Bezuschussung der beiden Nutzergruppen durch die öffentliche Hand gerechtfertigt ist. Das hat die Beklagte nicht bewiesen. Die Beklagte hat
trotz gerichtlichen Hinweises nicht hinreichend konkret dargetan, für welchen Zeitraum in welcher Höhe eine Bezuschussung für welche
Nutzergruppe erfolgt ist und sich anstelle der Darlegung konkreter Zahlen auf die Vorlage einer Antwort des Verkehrsverbundes ... vom
12.08.2005 auf eine Anfrage einer Landtagsabgeordneten beschränkt, in dem unter anderem die Preisentwicklung für die Tarife im
Ausbildungsbereich geschildert wird. Inwieweit sich die oben angesprochenen Angaben aus diesem Schreiben ergeben sollen, erschließt sich
dem Gericht nicht. Zu Seniorentarifen verhält sich das vorgelegte Schreiben nicht. Ungeachtet dessen ergibt sich allerdings schon aus der
gesetzlichen Regelung in § 45a Abs. 2 Satz 3 PBefG, dass eine stufenweise Absenkung der Ausgleichsbeträge für die Beförderung von
Personen mit Zeitfahrausweisen des Ausbildungsverkehrs für den Zeitraum ab 2004 vorgesehen ist. Diese Regelung bestätigt zumindest im
Grundsatz den Vortrag der Beklagten, dass in dem hier gegenständlichen Zeitraum die öffentlichen Zuschüsse für das Angebot des ...-Tickets
kontinuierlich verringert wurden.
25 Dieser Frage war jedoch nicht weiter nachzugehen, da die Preisdifferenz zwischen dem ...-Ticket und der Karte ab 60 jedenfalls aus einem
anderen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Vorab ist festzuhalten, dass sowohl die Klägerin als auch die Begünstigten der Karte ab 60
gegenüber den Nutzern des Standardtarifs begünstigt sind. Beide Nutzergruppen erhalten bereits einen gegenüber dem Standardtarif
ermäßigten Tarif. Die Klägerin bezieht sich somit nicht auf die allgemeine Vergleichsgruppe der Nutzer des Standardtarifs, sondern auf eine
ebenfalls begünstigte Vergleichsgruppe und beanstandet nicht eine Ungleichbehandlung im Vergleich zur Standardgruppe, sondern eine
Ungleichbehandlung zwischen zwei bereits privilegierten Nutzergruppen.
26 Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Begünstigten der beiden ermäßigten Tarife ein unterschiedliches Nutzerverhalten
zeigen. Nach der von der Beklagten vorgenommenen Erhebung nutzen Inhaber der Karte ab 60 die Angebote der Beklagten von Montag bis
Freitag relativ gleichmäßig auch in den Nebenzeiten, während Inhaber des ...-Tickets diese vor allem am Morgen und in der Mittagszeit, also
während der Hauptverkehrszeit, nutzen. Ein ermäßigter Tarif für Personen ab 60 soll für diese daher einen Anreiz schaffen, die öffentlichen
Verkehrsmittel besonders in den Nebenzeiten verstärkt zu nutzen und dadurch bei gleichbleibenden Kosten höhere Einnahmen zu erzielen.
Diese betriebswirtschaftliche Erwägung ist nicht zu beanstanden und stellt daher einen sachlichen Grund für eine zulässige unterschiedliche
Behandlung im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AGG dar.
27 3. Ein Anspruch auf Schadensersatz ergibt sich auch nicht aus einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 und 2 GG. Die
Grundrechte betreffen das Verhältnis zwischen Bürger und öffentlicher Gewalt, nicht aber das Verhältnis zwischen Privatrechtssubjekten
untereinander. Eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte kommt grundsätzlich nicht in Betracht (Palandt/Heinrichs, BGB, § 242 Rn 7 mwN).
28 III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.
29 IV. Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und der Fortbildung des Rechts dient. Zu
dem hier vorliegenden Sachverhalt liegt bisher keine obergerichtliche Rechtsprechung vor.