Urteil des AG Lüdinghausen vom 28.11.2007

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Amtsgericht Lüdinghausen, 19 OWi 89 Js 1767_07-183_07
Datum:
28.11.2007
Gericht:
Amtsgericht Lüdinghausen
Spruchkörper:
19. Abteilung für Strafsachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 OWi 89 Js 1767_07-183_07
Leitsätze:
Für die Feststellung eines drohenden Arbeitsplatzverlustes eines
Berufskraftfahrers infolge eines einmonatigen Fahrverbotes reicht
ausnahmsweise dann allein die Verlesung einer sog.
„Arbeitgeberbescheinigung“ aus, wenn der Arbeitgeber die Kündigung
ohne Angabe von Gründen in der Probezeit jederzeit aussprechen kann.
Hier bedarf es keiner Vernehmung des Arbeitgebers als Zeugen.
AG Lüdinghausen, Beschl. v. 12.11.2007 - 19 OWi-89 Js 1767/07-
183/07
Tenor:
Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 300 EUR verurteilt.
Ihm wird gestattet, die Geldbuße in monatlichen Teilbeträgen von EUR
50 jeweils bis zum 5. eines Monats, beginnend mit der Rechtskraft des
Urteils, zu zahlen. Diese Vergünstigung entfällt, wenn ein Teilbetrag
nicht rechtzeitig gezahlt wird.
Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der
Betroffene (§§ 41 II 49 StVO, 24 StVG).
G r ü n d e:
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Der Betroffene ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Er ist von Beruf Kraftfahrer. Zu
seinen wirtschaftlichen Verhältnissen hat er erklärt, dass diese der Art seien, dass er bei
der festgesetzten Geldbuße von mehr als 100 Euro eine Ratenzahlung hilfreich fände.
Raten von 50 oder 100 Euro seien dabei ausreichend.
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Straßenverkehrsrechtlich ist der Betroffene bislang nicht in Erscheinung getreten.
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Am 15.05.2007 um 12.52 Uhr befuhr der Betroffene in T-P1. die B 58 in Höhe der
Kreuzung mit der K 2 in Fahrtrichtung B als Führer des Lkw mit dem amtlichen
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Kennzeichen XXXXXXX Er fuhr hier mit einer vorwerfbaren Geschwindigkeit von 83
km/h und überschritt so die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 33 km/h.
Der Betroffene wurde mittels eines stationären Geschwindigkeitsmessgerätes des Typs
Traffiphot-S gemessen, und zwar mit einer Geschwindigkeit von 86 km/h, von der 3 km/h
Sicherheitsabschlag in Abzug zu bringen waren.
Der Betroffene hat den Vorfall eingeräumt. Die Richtigkeit der Messung wurde bestätigt
durch den Zeugen P., der das fragliche Messgerät am Tattage eingerichtet hat. Die
gefahrene Geschwindigkeit und die Tatzeit konnten anhand des Messfotos festgestellt
werden, welches für 12.52 Uhr ein Foto des Fahrzeuges des Betroffenen mit dem
Betroffenen als Fahrer zeigt, für das durch das Messgerät eine Geschwindigkeit von 86
km/h angezeigt wird. Dieses Foto wurde in Augenschein genommen.
Urkundsbeweislich verlesen wurden darüber hinaus das Messprotokoll, welches der
Zeuge P. am Tattage gefertigt hat und auch ein Eichschein, auf dem sich eine
ordnungsgemäße Eichung sowohl des Messgerätes selbst, als auch der dazu
gehörigen und in die Fahrbahn verlegten Sensoren ergibt.
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Dementsprechend war der Verstoß belegt und der Betroffene dementsprechend wegen
fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße
zu verurteilen nach § 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG.
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Der Bußgeldkatalog sieht hier eine Regelgeldbuße von 100 Euro für einen derartigen
Verstoß vor. Mangels Voreintragungen oder anderer besonderer Umstände war von
dieser Regelgeldbuße als für das Urteil maßgeblich auszugehen. Des weiteren sieht
der Bußgeldkatalog ein Regelfahrverbot von einem Monat für einen derartigen Verstoß
vor. Hier hat der Betroffene jedoch geltend gemacht und auch belegen können, dass
ihm für den Fall der Verhängung eines Fahrverbotes der Verlust seines Arbeitsplatzes
konkret droht. Er hat nämlich eine Arbeitgeberbescheinigung eines Arbeitgebers
vorgelegt, in der es heißt:
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".........hiermit möchten wir Ihnen mitteilen, dass Sie im Falle der Anordnung eines
Fahrverbotes mit einer Kündigung rechnen müssen. Wir können Sie nicht
anderweitig in unserem Betrieb einsetzen und müssten Ihnen leider die Kündigung
erteilen."
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Dieses Schreiben wurde mit Zustimmung des Betroffenen und seines Verteidigers zum
Zwecke der Ersetzung einer Zeugenaussage urkundsbeweislich verlesen. Zwar reicht
eine derartige Arbeitgeberbescheinigung nach ständiger Rechtsprechung des OLG I
(vgl. z.B. OLG I Beschluss vom 23.10.2003 - 4 Ss OWi 626/03) nicht allein aus, um von
einem Fahrverbot absehen zu können, doch war hier ausnahmsweise entgegen der
Rechtsprechung des OLG I die Vernehmung des Arbeitgebers nicht erforderlich. Der
Betroffene hat nämlich seinen aktuellen Arbeitsvertrag vorlegen können, der ebenfalls
urkundsbeweislich verlesen wurde. Es handelt sich hier um einen "befristeten
Arbeitsvertrag für Fahrpersonal". Hierin heißt es, dass der Betroffene ab dem
22.10.2007 bei einer Probezeit von sechs Wochen bis zum 21.04.2008 angestellt wird.
Während der Probezeit ist ausweislich des Vertrages jederzeit eine Kündigung möglich.
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Das Gericht glaubt insoweit, dass die Spedition, bei der der Betroffene angestellt ist,
durchaus ohne weitere Abwägungen sofort eine Kündigung aussprechen würde, falls
bekannt würde, dass beim hiesigen Gericht ein Fahrverbot festgesetzt wurde. Insoweit
kommt es auch nicht auf etwaige Möglichkeiten zur Abfederung eines Fahrverbotes an –
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die fehlende Ausführlichkeit der Arbeitgeberbescheinigung ist somit angesichts der
klaren arbeitsrechtlichen Rechtslage kein Hindernis, sie inhaltlich der
Überzeugungsbildung des Gerichts zugrunde zu legen.
Angesichts dieser beruflichen Härten hat sich das Gericht veranlasst gesehen, von der
Fahrverbotsanordnung abzusehen und die Geldbuße nach § 4 Abs. 4 BKatV
angemessen zu erhöhen, auch um hierdurch einen entsprechenden erzieherischen
Effekt zu erreichen. Das Gericht hat die Geldbuße so verdreifacht und auf 300 Euro
festgesetzt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 StPO, 46 Abs.1 OWiG.
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