Urteil des AG Lichtenberg vom 15.03.2017

AG Lichtenberg: vertrag zugunsten dritter, örtliche zuständigkeit, erfüllungsort, fluggast, pauschalreisevertrag, flughafen, sammlung, schlechterfüllung, link, quelle

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Gericht:
AG Lichtenberg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 C 184/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 29 ZPO, EGV 261/2004
Luftbeförderungsvertrag: Örtliche Zuständigkeit für Klagen aus
der europäischen Verordnung über eine gemeinsame Regelung
für Ausgleichsleistungen für Fluggäste
Tenor
In Sachen … erklärt sich das Amtsgericht Lichtenberg für unzuständig und verweist den
Rechtsstreit auf Antrag der Kläger und nach Anhörung der Beklagten an das örtlich
zuständige Amtsgericht Königs Wusterhausen.
Gründe
Das Amtsgericht Lichtenberg ist örtlich unzuständig.
Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Lichtenberg ist unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt ersichtlich.
Die VO (EG) 261/2004, auf welche sich die Kläger berufen, enthält selbst keine
Gerichtsstandsregelung (vgl. auch Schmid, NJW 2006, 1841; ders. in ZLW 2005, 373,
382).
Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Lichtenberg ergibt sich nicht aus Art. 16 Abs. 1 der
VO (EG) 44/2001 vom 22.12.2000 (im Folgenden: EuGVVO). Bei der Beklagten handelt
es sich nicht um den Vertragspartner der Kläger. Die Kläger haben mit der F GmbH
einen Pauschalreisevertrag gemäß §§ 651a ff BGB geschlossen. Bei einem
Pauschalreisevertrag steht der Reisende zu denjenigen, die die einzelnen
Reiseleistungen erbringen - den sogenannten Leistungsträgern - nicht in rechtlichen
Beziehungen (BGHZ 93, 271ff; MünchKomm/Tonner, BGB, 4. Aufl., vor § 651a Rn 14).
Unerheblich ist, dass die Verträge zwischen dem Reiseveranstalter und den
Leistungsträgern regelmäßig als Verträge zugunsten Dritter, nämlich der Reisenden
aufzufassen sind. Denn bei einem Vertrag zugunsten Dritter stellt das Vollzugsverhältnis
zwischen dem Versprechenden - hier dem Leistungsträger - und dem Dritten - hier dem
Reisenden - kein vertragliches Rechtsverhältnis dar; für den Dritten besteht lediglich ein
aus dem Vertrag zugunsten Dritter abgespaltenes Forderungsrecht und für den
Versprechenden eine damit korrespondierende Verpflichtung (Palandt/Grüneberg, BGB,
65. Aufl., Einf v § 328 Rn 5). Selbst wenn man dies hier anders beurteilen wollte, würde
sich die Verpflichtung der Beklagten jedoch auf die bloße Erbringung der
Beförderungsleistung beschränken. Zur Erbringung von Unterkunftsleistungen war sie
nicht verpflichtet. Auf bloße Beförderungsverträge ist Art. 16 EuGVVO jedoch nicht
anwendbar, Art. 15 Abs. 3 EuGVVO.
Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Königs Wusterhausen ergibt sich aus § 29
ZPO. Diese Norm findet bei Verträgen zugunsten Dritter nicht nur auf die
Vertragsparteien, sondern auch auf den Dritten Anwendung (Baumbach/Hartmann,
ZPO, 64. Aufl., § 29 Rn 3; Musielak/Heinrich, ZPO, 4. Aufl., § 29 Rn 3; Zöller/Vollkommer,
ZPO, 25. Aufl., § 29 Rn 7). Der Erfüllungsort für die von der Beklagten geschuldete
Leistung befindet sich auch am Ort des Flughafens Schönefeld. Der Erfüllungsort richtet
sich nach dem bürgerlichen Recht, mangels besonderer Vorschriften also nach § 269
BGB (Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 29 Rn 5; Zöller/Vollkommer, a.a.O. Rn 24).
Leistungsort ist der Ort, an dem der Schuldner die Leistungshandlung vorzunehmen hat
(Erman/Kuckuk, BGB, 10. Aufl., § 269 Rn 1; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 269 Rn 1).
Damit lag hier der Leistungsort im Sinne von § 269 BGB bzw. der Erfüllungsort im Sinne
von § 29 ZPO auch am Flughafen Berlin-Schönefeld, weil dort das Einchecken und der
Beginn der Luftbeförderung erfolgen sollte. Dies entspricht auch dem Urteil des OLG
Koblenz vom 29.03.2006 - 1 U 983/05 - (OLGR 2006, 485-487). Das OLG Koblenz erklärt
dort, dass es den Erfüllungsort hinsichtlich der Beförderungspflicht „auch“ im Transport
zum Zielflughafen und in der dortigen Abfertigung (Auschecken) sehe. Aus dieser
Formulierung ergibt sich jedoch, dass der Ort des Zielflughafens nicht der
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Formulierung ergibt sich jedoch, dass der Ort des Zielflughafens nicht der
ausschließliche Ort der Beförderungsleistung ist. Dies ist auch sachgerecht, weil es bei
der Flugbeförderung nicht nur darum geht, dass der Fluggast zum vereinbarten
Zielflughafen gebracht wird, sondern auch darum, dass der Start am vereinbarten
Abflugsort erfolgt, der Fluggast also dort - nicht an einem anderen Flughafen - abgeholt
wird. Danach würde es der Natur des Schuldverhältnisses widersprechen, ausschließlich
den Zielflughafen als Leistungs- und Erfüllungsort anzusehen.
Im Gerichtsstand des § 29 ZPO können nicht nur Klagen auf Erfüllung der Verpflichtung,
sondern - wie hier - auch die Klagen wegen Nicht- oder Schlechterfüllung der Haupt- und
Nebenpflichten erhoben werden (Baumbach/Hartmann, a.a.O., Rn 12;
Zöller/Vollkommer, a.a.O. Rn 20).
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