Urteil des AG Lichtenberg vom 14.03.2017

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Gericht:
AG Lichtenberg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 C 334/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 558 Abs 5 BGB, § 559a BGB
Neuabschluss eines Wohnraummietvertrages: Pflicht zur Angabe
und Anrechnung von Drittmitteln der Wohnungsmodernisierung
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des
jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist Vermieterin, der Beklagte seit dem 01. März 2001 Mieter einer im Hause
K ... in ... B belegenen Wohnung.
Im Jahre 1994/1995 erfolgte die Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes K ...,
für die die Klägerin Fördermittel erhalten hat.
Mit Schreiben vom 20. Juni 2005, dem Beklagten zugestellt am 01.07.2005, verlangte
die Klägerin von dem Beklagten die Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete
auf nunmehr 169,53 Euro im Monat mit Wirkung ab dem 01.09.2005. In dem
Mieterhöhungsschreiben heißt es unter anderem:
"Gemäß § 7 des Fördervertrages über die Durchführung von Modernisierungs- und
Instandsetzungsmaßnahmen (Vertrag nach Nummer 8 Abs. 5 ModInstRL90) dürfen
Mieterhöhungen nach § 558 BGB im Bindungszeitraum der Förderung (vom 2. bis 10.
Jahr nach Abschluss der geförderten Maßnahmen) einschließlich Mieterhöhungen aus
Abbau von Aufwendungszuschüssen zusammen jährlich höchstens 0,1023
Euro/qm/monatlich verlangt werden ...".
In dem Schreiben sind die gewährten Fördermittel weder angegeben, noch in die
Mietberechnung einbezogen worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Mieteerhöhungsverlangens wird auf das bei
den Akten befindliche Schreiben, Bl. 20 – 24 d. A, verwiesen.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass im vorliegenden Fall die Angabe von Fördermitteln im
Mieterhöhungsverlangen entbehrlich sei, da ein Abzug von vornherein nicht zu erfolgen
habe, wenn – wie hier – der Mietvertrag nach der Modernisierung geschlossen worden
sei.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, einer Erhöhung der Nettokaltmiete für die Wohnung im
Hause K ... in ... B, WE- Nr. 0301, VH, 2.OG links, auf nunmehr 169,53 Euro monatlich
zuzüglich Nebenkostenvorauszahlungen wie bisher, mit Wirkung ab dem 01.09.2005
zuzustimmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig.
Die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen des § 558 b Abs. 2 BGB liegen vorliegend
nicht vor, da das Mieterhöhungsverlangen vom 20.06.2005 formell unwirksam und daher
nicht geeignet war, die Überlegungs- und Klagefrist in Lauf zu setzen.
Gemäß § 558 b Abs. 2 BGB kann der Vermieter Klage auf Zustimmung zur
Mieterhöhung nach Ablauf von 2 Monaten nach Zugang eines – formell wirksamen, § 558
a BGB – Mieterhöhungsverlangens erheben. Der Fristablauf und damit der Zugang eines
ordnungsgemäßen Mieterhöhungsverlangens sind daher besondere
Zulässigkeitsvoraussetzungen (vgl. Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl.
2003, § 558 b Rdnr. 81 m. w. N.).
Das Mieterhöhungsverlangen vom 20.06.2005 genügt nicht den Anforderungen des §
558 a BGB, es ist mangels hinreichender Begründung formell unwirksam.
Nach § 558 a Abs. 1 BGB ist das Mieterhöhungsverlangen in Textform zu erklären und zu
begründen. Dazu gehört grundsätzlich auch die Mitteilung der nach § 558 Abs. 5 BGB
anzusetzenden Kürzungsbeträge. Denn mit dem Verfahren nach § 558 BGB soll dem
Mieter die Möglichkeit gegeben werden, die Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens
durch den Vermieter zu überprüfen. Damit sollen überflüssige Prozesse vermieden
werden. Diesem Regelungszweck ist aber nur dann Genüge getan, wenn dem Mieter die
abzusetzenden Kürzungsbeträge und deren Berechnungsgrundlagen bekannt gegeben
werden, da er nur dann nachvollziehen kann, ob er die vom Vermieter berechnete und
verlangte Miete zu zahlen hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2004, GE 2004, 883, 884).
Diesen Anforderungen wird das Mieterhöhungsverlangen nicht gerecht. Dazu, welche
Fördermittel die Klägerin erhalten hat und welche Kürzungsbeträge sich hieraus
errechnen, verhält sich das streitgegenständliche Mieterhöhungsverlangen, das lediglich
auf die in § 7 des Fördervertrages enthaltene Regelung verweist, nicht.
Es ist jedoch davon auszugehen, dass die der Klägerin gewährten Fördermittel nach §
558 Abs. 5 BGB jedenfalls teilweise bei der Berechnung der ortsüblichen Miete für die
von dem Beklagten innegehaltene Wohnung zu berücksichtigen und damit auch im
Mieterhöhungsverlangen anzugeben sind.
Nach § 558 Abs. 5 BGB in Verbindung mit § 559 a BGB kommt eine Anrechnung von
Fördermitteln immer dann in Betracht, wenn der Vermieter Zuschüsse zu
Baumaßnahmen im Sinne des § 559 BGB, mithin zur Durchführung von
Modernisierungsmaßnahmen erhalten hat. Denn Fördermittel, die für die Durchführung
von Modernisierungsmaßnahmen gewährt worden sind, sind Drittmittel im Sinne von §
559 a BGB. Dabei ist für die Frage, ob Fördermittel als für die Durchführung von
Modernisierungsmaßnahmen gewährt anzusehen sind, in erster Linie der vom
Fördermittelgeber benannte Verwendungszweck entscheidend (Börstinghaus in
Schmidt-Futterer, a. a. O., § 558 Rn. 216).
Da die ordnungsgemäße Begründung des Erhöhungsverlangens Voraussetzung der
Zulässigkeit der Klage ist, obliegt es der Klägerin nachvollziehbar darzulegen, dass von
ihr vereinnahmte Fördermittel nicht anrechnungspflichtig im Sinne des § 558 Abs. 5 BGB
sind. Dies hat die Klägerin hier nicht getan. Vielmehr folgt aus dem Verweis auf den
Fördervertrag über die Durchführung von Modernisierungs- und
Instandsetzungsmaßnahmen im Erhöhungsverlangen, dass die Klägerin Fördermittel
auch für die Modernisierung erhalten hat.
Insoweit hätte es somit einer Angabe nebst Erläuterung im Mieterhöhungsverlangen
bedurft, welche hier nicht erfolgt ist.
Die erforderliche Angabe im Mieterhöhungsverlangen und die entsprechende
Anrechnung der öffentlichen Mittel erübrigen sich auch nicht deswegen, weil der
Mietvertrag zwischen den Parteien erst nach Fertigstellung der Baumaßnahme
geschlossen worden ist. Denn die Verpflichtung des Vermieters zur Angabe und
Anrechnung von Kürzungsbeträgen ist nicht auf die Inanspruchnahme von Fördermitteln
im laufenden Mietverhältnis beschränkt.
Soweit teilweise die Ansicht vertreten wird, dass wegen des Verweises in § 558 Abs. 5
BGB auf die Regelung des § 559 a BGB und damit auf die Regelungen zur Mieterhöhung
nach Modernisierung, eine Anrechnungspflicht nach § 558 Abs. 5 BGB nur bei
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nach Modernisierung, eine Anrechnungspflicht nach § 558 Abs. 5 BGB nur bei
Mietverhältnissen besteht, die bereits vor der Modernisierung begründet wurden, da der
Gesetzgeber mit der Regelung des § 558 Abs. 5 BGB lediglich habe sicherstellen wollen,
dass der Vermieter nicht unter Verzicht auf eine Mieterhöhung nach Modernisierung
gemäß § 559 BGB die Miete nach § 558 BGB erhöht und dabei die Anrechnung von
Drittmitteln nach § 559 a BGB umgeht (vgl. Börstinghaus, in Schmidt-Futterer a. a. O.
Rn. 219; Schach, GE 2004, 278, 282) kann dem nicht gefolgt werden.
Aus dem Wortlaut der Norm lässt sich eine solche Einschränkung nicht herleiten. Die
Verweisung auf § 559 a BGB erfolgt lediglich zur Definition derjenigen Beträge, die bei
der Berechnung einer nach § 558 BGB zulässigen Miete zu berücksichtigen sind, d. h. die
Verweisung dient dazu, Art und Umfang der anrechnungsfähigen Beträge zu bestimmen
(vgl. ausführlich LG Berlin, ZK 61, GE 2004, 298 – 300, AG Lichtenberg, Urteil vom
01.02.2005, Az. 6 C 369/04, AG Lichtenberg, Urteil vom 10.11.2005, Az. 10 C 183/05 m.
w. N). Der Gesetzgeber hat auch nicht im Rahmen der Mietrechtsreform durch eine
eindeutige gesetzliche Regelung klargestellt, dass § 558 Abs. 5 BGB nur für
Mietverhältnisse gelten soll, die bereits vor der Modernisierung begründet waren.
Auch aus dem Sinn und Zweck der Norm lässt sich eine solche Einschränkung nicht
herleiten. Denn Zweck der Anrechnungspflicht ist, dass den Wohnwert und die
allgemeine Ausstattung der Wohnung verbessernde öffentliche Fördermittel
ausschließlich den jeweiligen Mietern als Teil der Allgemeinheit zukommen sollen (vgl. LG
Berlin, ZK 61, 299, 300 unter Hinweis auf die Begründungsmaterialien zu der
ursprünglichen Regelung in § 2 Abs. 1 MHG; BT-Drucks. 8/1861 S. 5).
Da jedoch die öffentlichen Mittel bei der Unterstützung der Wohnungsmodernisierung
nicht dem einzelnen Vermieter, sondern der Allgemeinheit durch die Sicherung
angemessenen und bezahlbaren Wohnraums zugute kommen soll, kann es gerade für
die Pflicht zur Anrechnung nicht darauf ankommen, wann das Mietverhältnis begründet
worden ist. Denn ansonsten würden dem Vermieter bei Neuabschluss eines
Mietvertrages wirtschaftlich alleine die Fördermittel zugute kommen, was jedoch dem
Gesetzeszweck zuwiderlaufen würde.
Da das Mieterhöhungsverlangen somit formell unwirksam ist, war die Klage als
unzulässig abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat.
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