Urteil des AG Lichtenberg vom 13.03.2017

AG Lichtenberg: culpa in contrahendo, persönliches erscheinen, anfechtung, irrtum, internet, willenserklärung, erfüllungsinteresse, sammlung, anwaltskosten, link

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Gericht:
AG Lichtenberg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 C 218/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 119 Abs 1 Alt 2 BGB, § 651a
BGB
Reisevertrag: Abschluss über das Internet aufgrund eines falsch
in das elektronische Buchungssystem des Reiseveranstalters
eingegebenen Preises
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerinnen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO Abstand
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die Klägerinnen haben keinen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB gegen
die Beklagte, weil ein Reisevertrag zwischen ihnen nicht vorliegt. Die entsprechende
Willenserklärung der Beklagten auf das Angebot der Klägerin zu 1.) ist wirksam
angefochten worden und damit von Anfang an nichtig (§§ 119 Abs. 1, 120, 121 Abs. 1
BGB). Die Klägerin zu 1.) hat aufgrund der so genannten "invitatio ad offerendum" ein
entsprechendes Angebot gegenüber der Beklagten gemacht, welches diese
entsprechender vorgelegten Reisebestätigung auch angenommen hat. Mit Schreiben
vom 24. März 2006 hat sie dann die Anfechtung unter Hinweis auf einen zu niedrig
generierten Reisepreis im Zusammenhang mit der Eingabe des Reisepreises pro
Zimmer und nicht pro Person erklärt, wobei sie ausdrücklich auf den Irrtum dieses
Verhaltens hingewiesen hat. Die Beklagte konnte wirksam gemäß § 119 Abs. 1 BGB
anfechten, weil es sich bei dieser Bestätigung zu dem Preis von 499,00 Euro um einen
Irrtum in der Erklärungshandlung handelt. Ein solcher liegt auch dann vor, wenn bereits
vorher eine falsche Eingabe in einem falschen Feld zu einer irrtümlichen Preisangabe
geführt hat. Der Irrtum der Beklagten bezieht sich nicht nur auf das
Vorbereitungshandeln, sondern auch auf die im weiteren Verlauf dann automatisch
gefertigten Willenserklärungen der Reisebestätigung. Diese ist zwar gesondert erstellt
worden, ihr lagen jedoch die vorher irrtümlicher Weise falsch eingegebenen Daten
zugrunde, die dann ohne erneute Willensbildung übernommen wurden. Entscheidend für
die Beurteilung eines Irrtums sind die Vorstellungen und Absichten des Handelnden bei
der letzten so genannten "menschlichen Entscheidung", hier also der Eingabe in das
System.
Die Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen ... hat zur Überzeugung des
Gerichts ergeben, dass er als Mitarbeiterin der Beklagten unbeabsichtigt eine falsche
Eingabe gemacht hat, die dazu führte, dass ein Preis pro Doppelzimmer und nicht pro
Person im Internet erschienen ist. Weiterhin hat er dargelegt, dass er diesen Fehler nach
entsprechender Darstellung eines anderen Kunden und erfolgter Überprüfung des
Systems und dann auch festgestellt und sofort abgeändert hat.
Die Angaben des Zeugen sind nachvollziehbar und glaubhaft, weil Fehler der
beschriebenen Art, wie jede Lebenserfahrung zeigt, immer wieder vorkommen können.
Dass es sich hierbei um eine versehentlich fehlerhafte Angabe handelte, ergibt sich
insbesondere auch aus der unstreitigen Tatsache, dass im Katalog der Beklagten sich
der Preis von 499,00 Euro auf eine Person und nicht auf das Doppelzimmer bezogen hat.
Anhaltspunkte dafür, dass das Internetangebot hiervon abweichen sollte, sind nicht
erkennbar. Auch ergeben sich keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen, die
nicht allein aus seiner Stellung als Angestellter der Beklagten hergeleitet werden
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nicht allein aus seiner Stellung als Angestellter der Beklagten hergeleitet werden
können. Sein persönliches Erscheinen bei der Vernehmung lässt auch keine
Anhaltspunkte erkennbar werden, weil er gerade versucht hat, die Fragen richtig zu
beantworten und eventuell auftretende Missverständnisse, die ihre Ursache in der
zugrunde liegenden Materie der EDV-Technik hatten, auszuräumen bzw. zu erläutern.
Die Anfechtung erfolgte auch fristgerecht gemäß Sinne von § 121 Abs. 1 BGB.
Fristgemäß bedeutet unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, nach Kenntnis von
den Anfechtungsgründen, wobei entsprechend der einschlägigen Rechtsprechung und
Literatur eine Frist von zwei Wochen als Obergrenze anzusehen ist, die hier mit der
Erklärung vom 24. März noch nicht erreicht war, auch wenn man von einer Feststellung
schon am 14. März 2006 ausgehen wollte.
Bei Vorliegen einer wirksamen Anfechtung könnten die Klägerinnen Schadensersatz im
Rahmen von § 122 Abs. 1 ZPO verlangen. Hierzu ist jedoch von ihnen nichts vorgetragen
worden. In diesem Zusammenhang ist nur das negative Interesse zu ersetzen (Palandt-
Heinrichs, Kommentar zum BGB, 64. Aufl., § 122, Anm. 4), das heißt, die Aufwendungen,
die durch das Vertrauen auf die Gültigkeit der Willenserklärung entstanden sind. Die
Klägerinnen wären so zu stellen, wie sie stehen würden, wenn sie nicht auf die Gültigkeit
des Geschäftes vertraut hätten, das heißt, sie mussten zum Beispiel vortragen, dass sie
ohne das Verhalten der Beklagten gegebenenfalls einen anderen günstigen Vertrag
hätten schließen können.
Die Klägerinnen haben auch keinen Anspruch aus §§ 311 Abs. 2 BGB (culpa in
contrahendo). Es kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen für diesen
Anspruchsgrund vorliegen, denn auch hier haben die Klägerinnen keinen ersetzbaren
Schaden nachgewiesen. Zwar ist in diesem Rahmen durchaus der Ersatz des
Erfüllungsinteresses möglich. Die hierfür notwendigen Umstände liegen aber nicht vor.
Das Erfüllungsinteresse ist nur dann zu ersetzen, wenn der Vertrag ohne die culpa in
contrahendo mit dem Schädiger zu günstigeren Bedingungen zustande gekommen
wäre (Palandt-Heinrichs, Kommentar zum BGB, 64. Aufl., § 311 Anm. 58). Das ist hier
gerade nicht der Fall. Denn dann hätte die Beklagte den korrekten Preis in Höhe von
998,00 Euro ausgewiesen, und es hätte nur ein Vertrag mit einem solchen Kaufpreis
zustande kommen können.
Weil aus den oben genannten Gründen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte
nicht bestehen, können die Klägerinnen auch nicht die für die Geltendmachung
entstandenen Anwaltskosten ersetzt verlangen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Ziffer 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gem. § 511 Abs. 4 ZPO
nicht vorliegen. So hat die Rechtssache weder eine grundsätzliche Bedeutung noch ist
zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Berufungsgerichts erforderlich.
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