Urteil des AG Lemgo vom 11.06.2008

AG Lemgo: fahrzeug, verbotene eigenmacht, anwaltskosten, parkplatz, einfahrt, vollstreckung, besitz, geschäftshaus, einfluss, auflage

Amtsgericht Lemgo, 20 C 2/08
Datum:
11.06.2008
Gericht:
Amtsgericht Lemgo
Spruchkörper:
Amtsrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 C 2/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die gegen sie gerichtete Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf bis zu 1.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
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Die Klägerin ist Eigentümerin des in pp., gelegenen Wohn- und Geschäftshauses. In
den Räumlichkeiten des Erdgeschosses betreibt der Ehemann der Klägerin eine
Zahnarztpraxis. Vor dem Haus zur Straße hin befinden sich 2 Pkw-Einstellplätze, die
durch sichtbare Schilder als Arzt- bzw. als Patientenparkplatz gekennzeichnet sind.
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Ob die Beklagte in der Vergangenheit den Parkplatz selbst unberechtigt benutzte, ist
zwischen den Parteien streitig.
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Unterlassung, diese Parkplätze zu
benutzen, sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten für ein Anwaltschreiben
vom 04.12.2007.
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Die Klägerin behauptet, am 16.10.2007 sei das Fahrzeug der Beklagten in der Zeit von
14.50 bis 15.30 Uhr auf dem Patientenparkplatz abgestellt gewesen. Der Zeuge pp.
habe den Parkverstoß festgestellt und eine für diese Fälle vorbereitete schriftliche
Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung durch die Zeugin pp. an der
Windschutzscheibe des Beklagtenfahrzeugs anbringen lassen. Derartige Parkverstöße
durch das Fahrzeug der Beklagten seien bereits mehrfach in der Vergangenheit
festgestellt worden.
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Am 22.10.2007 habe das Fahrzeug der Beklagten die Einfahrt zu den Parkplätzen
versperrt. Erst auf nachhaltiges Verlangen des Zeugen pp. habe die Beklagte die
Einfahrt freigegeben.
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Nachdem die Beklagte durch das Anwaltschreiben vom 04.12.2007 zur Unterlassung
und Erstattung von Anwaltskosten aufgefordert worden sei, habe sie sich telefonisch an
den Zeugen pp. gewandt und erklärt, sei habe lediglich einmal den Einstellplatz benutzt.
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Der Kläger beantragt nunmehr,
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1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, selbst oder durch Dritte ihren Pkw
pp. mit dem amtlichen Kennzeichen pp. oder ein andere auf sie zugelassenes
Fahrzeug auf einem der beiden vor dem Hause pp., befindlichen Einstellplätze zu
parken,
2. für den Fall der Zuwiderhandlung der Beklagten ein in das Ermessen des Gerichts
gestelltes Ordnungsgeld anzudrohen,
3. die Beklagte weiter zu verurteilen, an sie 125,77 Euro nebst 5% Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 17.12.2007 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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Der Kläger steht kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu. Ein solcher ergibt
sich insbesondere nicht aus §§ 862 Abs. 1 S. 2, 1004 BGB.
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Zwar steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Besitz der Klägerin an den
Einstellplätzen vor ihrem Wohn- und Geschäftshaus am 16.10.2007 durch das dort
abgestellt gewesene Fahrzeug vorübergehend gestört gewesen ist. Ihren Vortrag,
wonach die Beklagte selbst dort ihr Fahrzeug abgestellt hat, hat die insoweit
darlegungs- und beweisbelastete Klägerin zwar nicht beweisen können. Die Beklagte
hat aber hierzu auf entsprechende Nachfrage des Gerichts eingeräumt, dass ihr
Ehemann an diesem Tag auf den Parkplätzen der Klägerin geparkt hatte. Damit steht
eine Besitzstörung der Klägerin durch verbotene Eigenmacht fest.
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Es lässt sich aber nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen,
dass die Beklagte für diese Besitzstörung verantwortlich war, mithin Störerin war. In
Betracht kommt – weil die Beklagte nicht selbst dort geparkt hat – allenfalls eine
mittelbare Störereigenschaft der Beklagten. Hierbei ist von Bedeutung, inwieweit die
Beklagte als Halterin und Eigentümerin des Fahrzeugs Einfluss auf den Parkvorgang
als solchen hatte. Nur derjenige, von dessen Willensbetätigung abhängig die Störung
durch einen Dritten oder eine Sache adäquat verursacht ist, lässt sich als mittelbarer
Handlungsstörer qualifizieren (vgl. Palandt, BGB, 67. Auflage, § 862, Rn.8). Der
Umstand, dass die Beklagte ihr Fahrzeug ihrem Ehemann zur Nutzung überließ, reicht
für die Möglichkeit einer Einflussnahme auf den Parkvorgang allein nicht aus.
Erforderlich sind weitere Umstände, die auf die Möglichkeit einer Einflussnahme
schließen lassen; hierzu ist indes nichts vorgetragen.
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Anders wäre die Sachlage zu beurteilen, wenn die Beklagte selbst das Fahrzeug auf
dem Parkplatz der Klägerin abgestellt hätte, weil sie dann unmittelbare
Handlungsstörerin gewesen wäre, oder wenn die Beklagte ihrerseits durch ihr Verhalten
eine Aufklärung verhindert hätte; in einem solchen Fall hat das Amtsgericht Suhl am
13.09.2000 einen gegen den mittelbaren Handlungsstörer gerichteten
Unterlassungsanspruch bejaht (vgl. Urteil vom 13.09.2000 zu 1 C 745/00).
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Der weiter von der Klägerin vorgetragene Vorfall vom 22.10.2007 ist für die rechtliche
Beurteilung eines Unterlassungsanspruchs ohne Bedeutung, weil in diesem Fall eine
rechtswidrige Benutzung der Parkplätze der Klägerin nicht erfolgt ist.
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Mangels Hauptanspruchs ergibt sich keine Grundlage für die Androhung von
Ordnungsmitteln gemäß § 890 ZPO.
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Die Klägerin kann von der Beklagten demzufolge auch nicht die Erstattung
vorgerichtlicher Anwaltskosten gemäß §§ 823, 1004 BGB beanspruchen, weil die
Beklagte für die der anwaltlichen Beauftragung zugrundeliegende Besitzstörung nicht
verantwortlich ist; auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
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Die Klage ist mithin insgesamt mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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