Urteil des AG Konstanz vom 31.08.2006

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AG Konstanz Urteil vom 31.8.2006, 4 C 465/06
Unerlaubte Handlung: Abschleppen eines auf einem kostenpflichtigen Kundenparkplatz abgestellten
Fahrzeugs; Parken ohne Parkschein als verbotene Eigenmacht
Leitsätze
Verbotene Eigenmacht bei Parken auf bewirtschaftetem Parkplatz ohne einen Parkschein zu lösen. Deshalb ist
das Abschleppen wegen wegen verbotener Eigenmacht des Parkenden zulässig und führt nicht zu einem
Schadensersatz-anspruch des Parkenden.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die
Beklagte in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Im vorliegenden Fall besteht Streit darüber, ob die Beklagte als privatwirtschaftliches Unternehmen berechtigt
war, das Fahrzeug des Klägers abschleppen zu lassen, weil dieser auf dem bewirtschafteten Parkplatz der
Beklagten ohne Parkschein geparkt hatte.
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Am 04.12.2005 suchte der ortsunkundige Kläger das S-L-Center in Konstanz auf. Er parkte sein Fahrzeug auf
dem kostenpflichtigen Kundenparkplatz der Beklagten, ohne einen Parkschein zu lösen. Das Fahrzeug des
Klägers war auf einem normalen Parkplatz der Beklagten abgestellt. Es behinderte niemanden. Auch war der
Parkplatz nicht voll besetzt. Der Kläger hatte nicht wahrgenommen, dass er auf einem gebührenpflichtigen
Parkplatz parkt. Nach ca. einer Stunde wurde an dem Fahrzeug des Klägers von einem Mitarbeiter der
Beklagten ein vorgefertigtes Schreiben mit folgendem Wortlaut angebracht: „Sie haben ... auf unserem
Kundenparkplatz ordnungswidrig geparkt ... Für diesen Verstoß gegen die Parkordnung erheben wir eine
erhöhte Parkgebühr von 10,00 EUR (inkl. 16 % MwSt. pro Kalendertag) ... „ Als der Kläger ungefähr 4 Stunden
nachdem dieses Schreiben am Fahrzeug angebracht worden war, sein Fahrzeug wegfahren wollte, war dieses
auf Veranlassung der Beklagten abgeschleppt worden. Er konnte dieses gegen Bezahlung der erhöhten
Parkgebühr von 10,00 EUR sowie des geforderten Abschleppbetrages von 155,00 EUR „auslösen“.
Zwischenzeitlich wurden dem Kläger 10,00 EUR rückerstattet, so dass er noch 155,00 EUR ersetzt haben will.
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Mit Schreiben vom 24.02.2006 forderte der Kläger zur Rückzahlung des geltend gemachten Betrages bis zum
10.03.2006 auf.
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Der Kläger ist der Meinung, dass durch das Anbringen des Schreibens über die erhöhte Parkgebühr von 10,00
EUR ein Mietvertrag zustande gekommen sei. Deshalb habe seinerseits keine Verbotene Eigenmacht
bestanden. Im Gegenteil habe die Beklagte verboten eigenmächtig gehandelt, indem sie sich über den
abgeschlossenen Mietvertrag hinweggesetzt habe. Deshalb stünde dem Kläger ein Schadensersatzanspruch
aus positiver Vertragsverletzung des Mietvertrages zu.
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Selbst wenn kein Mietvertrag zustande gekommen sei, so habe der Kläger einen deliktischen
Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Dadurch, dass die Beklagte das Fahrzeug habe
abschleppen lassen, habe sie zu stark reagiert und darüber hinaus den Kläger doppelt sanktioniert. Zum einen
sei eine erhöhte Parkgebühr erhoben worden und zum anderen sei das Fahrzeug abgeschleppt worden.
Schließlich sei dieser Fall nach dem Zivilrecht zu beurteilen, weshalb die Rechtsprechung zu öffentlich-
rechtlich zu beurteilenden Abschleppfällen nicht einschlägig sei.
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Der Kläger beantragt:
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 155,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit
11.03.2006 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt:
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Die Klage wird abgewiesen.
10 Die Beklagte ist der Meinung, dass der Kläger hätte prüfen müssen, ob er auf einem gebührenpflichtigen
Parkplatz parkt. Sie ist auch der Meinung, dass die verbotene Eigenmacht auf der klägerischen Seite bestehe
und die Beklagte daher nur in Ausübung des Selbsthilferechtes gehandelt habe. Die Anbringung des
„Strafzettels“ sei ein Fehler gewesen, der behoben worden sei. Inwiefern tatsächlich ein anderer behindert
worden sei, sei unbeachtlich.
11 Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf deren wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
12 Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch aus positiver Vertragsverletzung
eines Mietvertrages noch nach dem Deliktsrecht.
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a) Ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung eines Mietverhältnisses gemäß §§ 535, 280 Abs. 1
BGB hat der Kläger nicht. Zwischen den Parteien kam kein Mietvertrag zustande. Eine
Willenserklärung auf Abschluss eines Mietvertrages hat der Kläger nie bewusst abgegeben. Er wollte
nicht durch das Abstellen des Fahrzeuges auf dem Parkplatz einen Stellplatz für kurze Zeit anmieten.
Der Kläger hatte nämlich gar nicht wahr genommen, dass der Parkplatz gebührenpflichtig ist.
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Im Gegensatz zu den Fällen der Beförderung durch öffentliche Verkehrsmittel kann hier auch nicht ein
solcher Vertragsschluss durch massentypisches Verhalten t konstruiert werden. Die Rechtsprechung
zu den „Schwarzfahrten“ mit Bus oder Bahn stellt darauf ab, dass eine wirksame Vertragsstrafe durch
AGB dadurch vereinbart worden sei, weil typischer Weise die Beförderung durch diese Verkehrsmittel
nur entgeltlich erfolgt und die AGB hierbei gleich mit einbezogen werden. Auf diesen Parkplatz-Fall
kann diese Rechtsprechung jedoch deshalb keine Anwendung finden, weil es sowohl bewirtschaftete
Parkplätze gibt als auch unentgeltliche. Schließlich kann auch nicht angenommen werden, dass
dadurch, dass der Kläger zur Auslösung seines Fahrzeuges die 10,00 EUR erhöhte Parkgebühr
bezahlt hat, ein Mietvertrag zustande gekommen ist. Dieser Vorgang kann nur als ein erzwungenes
Verhalten gewertet werden, weil andernfalls der Kläger, der mit seiner Familie zurück nach Esslingen
fahren wollte, sein Fahrzeug nicht erhalten hätte. Darüber hinaus lässt auch schon die Formulierung,
dass „für den Verstoß eine erhöhte Parkgebühr„ verlangt wird, gerade nicht auf einen Mietvertrag
schließen. Vielmehr sollte der Verstoß gegen die Parkordnung sanktioniert werden.
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b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Schadensersatz aus Delikt gemäß § 823 Abs. 1 BGB.
Wie soeben festgestellt, kam zwischen den Parteien kein Mietvertrag zustande. Da der Kläger keinen
Parkschein gelöst hatte, parkte er unerlaubt. Sein Verhalten stellt verbotene Eigenmacht dar, § 858
BGB. Grundsätzlich steht dem Besitzer eines privaten Abstellplatzes ein Selbsthilferecht zum
Abschleppen eines fremden auf dem Parkplatz abgestellten Pkws und ein Anspruch auf Ersatz der
Abschleppkosten zu (OLG Karlsruhe, Die Justiz 1978, 71, Landgericht Frankfurt, Urteil vom
22.06.1983, Aktenzeichen 2 / 1 S 59/83 und AG Neumünster DAR 1987, 387). Zum Teil wird der
Anspruch auf Ersatz der Abschleppkosten aus § 823 BGB hergeleitet, zum Teil wird eine
Geschäftsführung ohne Auftrag angenommen.
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Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit zunächst darin, dass die Beklagte gerade will, dass auf
ihren Stellplätzen geparkt wird, jedoch nur gegen Gebühr. Hinsichtlich des Willens, dass dort geparkt
wird, besteht allerdings eine Parallele zu den Hotel- und Restaurant-Fällen, bei denen der Gastwirt
ebenfalls kostenpflichtig die Fahrzeuge abschleppen lassen darf, deren Fahrer nicht Kunde des
Betriebes sind. Das Gericht ist hier der Auffassung, dass das Kriterium der Erforderlichkeit der
Selbsthilfe gemäß § 859 BGB im vorliegenden Fall gegeben ist (siehe hierzu allgemein Münchener
Kommentar zum BGB, 4. Auflage, § 859, 9, VG Aachen, Urteil vom 10.05.2006, Aktenzeichen 6 K
3362/04). In dem letztgenannten Urteil wurde entschieden, dass bei einem öffentlich bewirtschafteten
Parkhaus nach einem Zeitraum von mehr als drei Stunden es keinen rechtlichen Bedenken begegne,
aufgrund Verstoßes gegen die im Parkscheinautomaten verkörperte Verkehrsregelung, das Fahrzeug
durch Abschleppen beseitigen zu lassen. Es käme nicht entscheidend darauf an, ob während der
Dauer des verbotswidrigen Parkens eine konkrete Behinderung für andere Verkehrsteilnehmer
deswegen nicht eingetreten sei, weil zufällig noch andere Parkplätze im gleichen Zeitraum unbelegt
gewesen seien. Auch wenn bei den öffentlich-rechtlichen Fällen die Abschleppung nicht wegen eines
zivilrechtlichen Selbsthilferechtes erfolgt, sondern aufgrund eines Verstoßes gegen
Verkehrsvorschriften, so ist die Argumentation hinsichtlich der Erforderlichkeit doch die Gleiche. Eine
darüber hinausgehende Güterabwägung, insbesondere die Prüfung, ob der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt wurde, hat jedoch im Zivilrecht nicht zu erfolgen (Münchener
Kommentar, § 859, 10). Es gilt nur die allgemeine Schranke des Rechtsmissbrauchs, die hier nicht
greift.
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Hiernach durfte die Beklagte das Fahrzeug des Klägers wegen des verbotswidrigem Parkens auf
privatem bewirtschaftetem Grund abschleppen lassen und darüber hinaus die Abschleppkosten vom
Kläger verlangen.
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Da somit die Beklagte in der Sache ursprünglich einen Zahlungsanspruch hatte, wird auch nicht weiter
vertieft (wurde auch nicht vom Kläger vorgebracht), inwiefern das Verhalten der Beklagten rechtswidrig
war, indem sie die Herausgabe des Fahrzeugs von der Zahlung des Abschleppbetrages abhängig
machte.
19 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre
Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO. Die Berufung wurde gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz
1 Nr. 1 ZPO zugelassen. Der Fall dient der Fortbildung des Rechtes.