Urteil des AG Konstanz vom 11.09.2007

AG Konstanz: Beratungshilfe: Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen, Möglichkeit und Zumutbarkeit der Inanspruchnahme anderer Hilfsmöglichkeiten, nachträgliche bewilligung, jugendamt, rechtsberatung

AG Konstanz Beschluß vom 11.9.2007, UR II 81/07
Beratungshilfe: Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen; Möglichkeit und Zumutbarkeit der Inanspruchnahme anderer Hilfsmöglichkeiten
Leitsätze
1. Auf Anordnung des Gerichts sind weitere, über die im Vordruck zur Beantragung von Beratungshilfe aufgeführten hinausgehende Angaben zu
tätigen.
2. Die Behördenberatung stellt eine anderweitige Hilfsmöglichkeit dar.
3. Selbiges gilt für eine kostenlose Rechtsberatung eines Anwaltsvereines.
4. Ein Antrag auf nachträgliche Bewilligung bereits geleisteter Beratungshilfe ist erst nach Abschluss der Tätigkeit zusammen mit den erforderlichen
Unterlagen, dem erforderlichen Tätigkeitsnachweis sowie der Liquidation zu stellen.
Tenor
[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde vom Gericht nicht mitgeteilt.]
Gründe
1
Die Erinnerung ist zulässig aber unbegründet.
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Der Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe wurde zu Recht abgelehnt.
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1. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Antragsteller ausreichend glaubhaft gemacht hat, dass sie die erforderlichen Mittel nach ihren
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann.
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Zwar ist auf dem Vordruck zur Beantragung der Beratungshilfe aufgeführt, dass bei laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem
Bundessozialhilfegesetz weitere Angaben entbehrlich sind. Diese Aussage wird jedoch insoweit eingeschränkt, dass das Gericht etwas anderes
anordnen kann. Eine solche andere Anordnung kann in dem ablehnenden Beschluss des Amtsgerichts Konstanz vom 18.06.2007 gesehen
werden, indem Kontoauszüge der letzten zwei bis drei Monate sowie Einkommensnachweise und Mietvertrag für erforderlich erachtet werden.
Dennoch sind diese Unterlagen bislang nicht beigelegt worden.
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2. Beratungshilfe konnte bereits deswegen nicht gewährt werden, da der Antragstellerin zwei andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung
standen, deren Inanspruchnahme ihr zuzumuten waren.
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a) Zum einen wäre es der Antragstellerin zumutbar gewesen, Beratung durch die zuständige Behörde, hier das Jugendamt, in Anspruch zu
nehmen. Die Behörde ist verpflichtet, bei einem ablehnenden Bescheid die Gründe der Ablehnung bekannt zu geben, zu erläutern, Rechtswege
aufzuzeigen und bei der Formulierung des Rechtsmittels behilflich zu sein. Sinn und Zweck von Beratungshilfe ist es nicht, den
Rechtssuchenden jegliche zumutbare Eigenarbeit zu ersparen. Hier wäre es der Antragstellerin zumutbar gewesen, nach Erhalt des
ablehnenden Bescheides Kontakt mit dem Jugendamt aufzunehmen und sich direkt mit ihrem Auskunfts- und Beratungswunsch an die Behörde
zu wenden. Dass die Antragstellerin von dieser Hilfsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat, wurde - auch nach Erhalt des Beschlusses des
Amtsgerichts Konstanz vom 18.06.2007 - nicht vorgetragen.
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Die Inanspruchnahme dieser Hilfsmöglichkeit wäre der Antragstellerin auch dann zumutbar gewesen, wenn tatsächlich eine Falschberatung
durch eine Mitarbeiterin des Jobcenter erfolgt sein sollte. Auch für die Antragstellerin ist - bereits durch den unterschiedlichen Sitz der beiden
Behörden in verschiedenen Gebäuden - erkennbar, dass Jobcenter und Jugendamt getrennte Behörden sind. Das Vertrauensverhältnis zum
Jugendamt wäre durch eine Fehlberatung des Jobcenter nicht berührt worden.
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b) Darüber hinaus wäre es der Antragstellerin möglich und zumutbar gewesen, die kostenlose Rechtsberatung des Anwaltsvereins Konstanz in
Anspruch zu nehmen. Diese Beratung wäre auch innerhalb der Widerspruchsfrist möglich gewesen, nachdem dann zugreifende Verwaltungsakt
am 11.05.2007 erlassen wurde und die Widerspruchsfrist gemäß § 70 VWGO ein Monat beträgt.
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Eine Rechtsberatung des Anwaltsvereins Konstanz wäre auch ohne vorherige Akteneinsicht möglich gewesen, wenn die Antragstellerin, die ihr
zumutbar gewesen ist, zum Beratungstermin den ablehnenden Bescheid und alle im Zusammenhang mit diesem Bescheid stehenden
Unterlagen zur Beratung mitgebracht hätte.
10 Aus dem Inhalt der Widerspruchsbegründung des Rechtsanwalts der Antragstellerin ergibt sich im Übrigen, dass zur Begründung des
Widerspruchs kein Rechtsanwalt erforderlich gewesen wäre. Die in der einfachen Sachverhaltsschilderung bestehende
Widerspruchsbegründung hätte auch von ihr als natürliche Person geleistet werden können.
11 3. Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass der Rechtsanwalt der Antragstellerin bereits vor Eingang des Antrags auf
Beratungshilfe mit Einlegung des Widerspruchs tätig geworden ist. Ein Beratungshilfeschein kann der Antragstellerin somit nicht mehr gewährt
werden. Richtigerweise hätte ein Antrag auf nachträgliche Bewilligung der geleisteten Beratungshilfe gestellt werden müssen. Die nachträgliche
Antragstellung hat dabei nach Abschluss der Tätigkeit zusammen mit den erforderlichen Unterlagen, dem erforderlichen Tätigkeitsnachweis
sowie der Liquidation zu erfolgen. Im vorliegenden Fall ist die Angelegenheit, in der der Rechtsanwalt der Antragstellerin tätig geworden ist, noch
nicht abgeschlossen. Der Rechtsanwalt der Antragstellerin ist nach wie vor tätig, die Angelegenheit liegt beim Regierungspräsidium …. Bis zum
jetzigen Zeitpunkt ist somit unklar, ob gegebenenfalls die Kosten - bei Aufhebung eines rechtswidrigen Bescheides, nicht dann durch die
Verwaltungsbehörde übernommen werden. In diesem Fall bestünde kein Anspruch auf nachträgliche Bewilligung der geleisteten Beratungshilfe.
12 Die Erinnerung war somit zurückzuweisen. Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der angefochtenen
Entscheidung, deren Inhalt sich das Gericht voll umfänglich zu Eigen macht und die durch die Erinnerungsbegründung nicht in Frage gestellt
werde, verwiesen.