Urteil des AG Köln vom 27.01.2011

AG Köln (kläger, treu und glauben, hausordnung, winterdienst, schnee, eis, mietvertrag, stand, zpo, mieter)

Amtsgericht Köln, 210 C 107/10
Datum:
27.01.2011
Gericht:
Amtsgericht Köln
Spruchkörper:
Abt. 210
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
210 C 107/10
Tenor:
Es wird festgestellt, dass der Kläger als Erdgeschossmieter des
Objektes R. Weg 1 in Köln, aus dem Dauermietvertrag vom 15.12.1964,
seinerzeit noch abgeschlossen mit der Gemeinnützigen F.
Wohnungsgesellschaft Köln mbH in Verbindung mit der Hausordnung,
Stand: Januar 1960, dort Ziff. 12., seit dem 12.5.2009 nicht mehr
verpflichtet ist, Bürgersteige und Hauszugänge des o.g. Objektes von
Schnee und Eis freizuhalten und bei Glätte zu bestreuen; jeweils von
seiner Grundstückshälfte aus soweit mehrere Wohnungen im
Erdgeschoss vorhanden sind.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers
tragen der Kläger zu 1/6 und die Beklagte zu 2. zu 5/6. Die Beklagte zu
2. hat ihre außergerichtlichen Kosten selbst, der Kläger die der
Beklagten zu 1. zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Parteien
dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Der Kläger ist Mieter der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung des Hauses R. Weg 1, in
Köln auf der Grundlage des Mietvertrages vom 15.12.1964; vgl. Bl. 6 ff.. Die Beklagte zu
2. trat nach Erwerb des Hauses und Eintragung in das Grundbuch am 19.11.2008 als
Vermieterin in das Mietverhältnis ein.
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Der Mietvertrag von 1964 nimmt in § 14 Bezug auf die Hausordnung, die auf dem Stand
von 1960 ist. Unter der Überschrift "Reinigung und Pflege" heißt es in Ziffer 12. der
Hausordnung, unter der Bezeichnung "Schnee und Eis":
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"Das Freihalten der Bürgersteige und der Hauszugänge von Schnee und Eis und
das Bestreuen bei Glätte ist Pflicht der Erdgeschossmieter; sind mehrere
Wohnungen im Erdgeschoss vorhanden, so führen diese ihre Arbeiten jeweils von
ihrer Grundstückshälfte aus. Die Polizei hält sich bei Vernachlässigung dieser
Pflichten an die Erdgeschossmieter".
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Mit Schreiben vom 11.05.2009 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er den
Winterdienst nicht mehr übernehmen könne und legte der Beklagten ein ärztliches Attest
vom 22.04.2009 vor, in dem es heißt, dass Schneeräumen für ihn eine akut bedrohliche
Herzbelastung darstelle (vgl. Bl. 21, 22 d.A.).
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Mit Schreiben vom 26.05.2009 und 10.11.2009 teilten Konzernunternehmen der
Beklagten zu 2. dem Kläger mit, dass daran festgehalten werde, dass der Kläger – wenn
auch nicht persönlich – verpflichtet sei, die Schneebeseitigung etc. zu übernehmen.
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Der Kläger hat ursprünglich nur die Beklagte zu 1. verklagt, die Klage aber insoweit mit
Schriftsatz vom 15.11.2010 zurück genommen.
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Der Kläger behauptet, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage
sei, den Winterdienst durchzuführen. Er ist der Meinung, dass die Regelung der
Hausordnung über das Verhalten bei Schnee und Eis nicht wirksam sei. Jedenfalls sei
er aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustands von dem Winterdienst zu
befreien.
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Der Kläger beantragt,
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festzustellen, dass er als Erdgeschossmieter des Objektes R. Weg 1 in Köln
aus dem Mietvertrag vom 15.12.1964, seinerzeit noch abgeschlossen mit der
Gemeinnützigen F. Wohnungsbaugesellschaft Köln mbH, in Verbindung mit der
Hausordnung, Stand: Januar 1960, dort Ziff. 12., seit dem 11.05.2009,
hilfsweise seit dem 01.10.2009, hilfsweise mit Rechtskraft der Entscheidung
nicht mehr verpflichtet ist, Bürgersteige und Hauszugänge des o.g. Objektes
von Schnee und Eis freizuhalten und bei Glätte zu bestreuen; jeweils von
seiner Grundstückshälfte aus soweit mehrere Wohnungen im Erdgeschoss
vorhanden sind.
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Die Beklagte zu 2. beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte zu 2. bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger aus gesundheitlichen
Gründen nicht mehr in der Lage sei, den Winterdienst zu erfüllen.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren
Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der baldigen Feststellung, dass er nicht mehr
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zur Durchführung des Winterdienstes vor dem Haus seiner Erdgeschosswohnung
verpflichtet ist, da mit dieser Verpflichtung erhebliche Haftungsrisiken verbunden sind
und die Beklagte zu 2. an der Verantwortung des Klägers in Bezug auf den Winterdienst
festhält.
Der Kläger ist durch die Mitteilung mit Schreiben vom 11.5.2009, dass er die
Schneeräumarbeiten aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr übernehmen könne,
von der Durchführung des Winterdienstes vor dem oben näher bezeichneten Haus frei
geworden.
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Die Regelung in der Hausordnung unter der Überschrift "Reinigung und Pflege" in Ziffer
12., die den Kläger als Erdgeschossmieter zur Beseitigung von Schnee, Eis und Glätte
auf den Bürgersteigen und Hauszugängen jeweils vor seiner Grundstückshälfte
verpflichtet, ist nicht wirksam Vertragsbestandteil geworden. Dies ergibt sich zwar nicht
aus den konkreten gesetzlichen Bestimmungen über die Inhaltskontrolle von
Formularverträgen (§§ 305 ff. BGB bzw. zuvor AGB-Gesetz), da diese Bestimmungen
zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht existiert haben. Die Unwirksamkeit
ergibt sich jedoch nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, aus dessen
Grundgedanken letztlich auch die heute anwendbaren Bestimmungen resultieren. Das
Gericht ist insofern der Auffassung, dass sich die Unwirksamkeit der Bestimmung aus
dem Gesichtspunkt des Überraschungseffekts ergibt (heute: § 305c Abs. 1 BGB):
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Zwar kann ein Wohnungseigentümer und –vermieter eine ihm obliegende
Verkehrssicherungspflicht auch auf seine Mieter übertragen, was zur Folge hat, dass die
Verkehrssicherungspflicht des ursprünglich verantwortlichen Vermieters sich auf eine
Kontroll- und Überwachungspflicht verkürzt. Der Mieter hingegen, der die
entsprechenden Pflichten übernimmt, wird dann seinerseits deliktisch voll
verantwortlich. Voraussetzung für eine solche Übertragung von
Verkehrssicherungspflichten ist dabei aber, dass sie klar und eindeutig erfolgt (vgl. BGH
WuM 2008, 235 ff.; Palandt, BGB, 69. Auflage, § 823 Rn. 50).
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Dies ist hier nicht der Fall, da in dem Mietvertrag zwar auf die Hausordnung verwiesen
wird, die konkrete Bestimmung zum Winterdienst sich aber lediglich – optisch nicht
besonders gekennzeichnet – unter der Überschrift "Reinigung und Pflege" in der
Hausordnung findet. Dies ist als überraschend anzusehen (so auch LG Frankfurt, WuM
1988, 120 f.; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., VI Rn. 277, Kraemer in Bub/Treier,
Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Rn. III 1082):
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Denn gerade für die Übernahme des Winterdienstes, der dem Kläger als
Erdgeschossmieter erhebliche zusätzliche Pflichten auferlegt und ein nicht
unerhebliches Haftungsrisiko begründet, bedeutet eine klare und eindeutige Regelung,
dass eine Verpflichtung in der Hausordnung nicht ausreicht, sondern die Übertragung
konkret und individuell im (Haupt-) Mietvertrag vereinbart werden muss (vgl. LG
Frankfurt, a.a.O.; Schmidt-Futterer, 10. Auflage 2011, § 535 BGB Rn. 145, 142). Soweit
vertreten wird, dass eine formularmäßige Regelung der Reinigungspflicht in der
Hausordnung ausreicht, wenn die Hausordnung zum Bestandteil des Mietvertrages wird
(so z.B. OLG Frankfurt NJW-RR 1989, 41; LG Karlsruhe ZMR 2006, 698), folgt das
Gericht dem nicht, da die Hausordnung nicht der Platz ist, um mietvertragliche Pflichten
von dieser Haftungsweite zu begründen (vgl. auch Sternel, a.a.O.).
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Der Umstand, dass der Kläger hier den Winterdienst in der Vergangenheit ausgeführt
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hat, ändert nichts daran, dass die Klausel unwirksam ist und eine zukünftige
Verpflichtung für den Kläger nicht mehr besteht. Zwar hat der Kläger die
Schneebeseitigung und die Streupflicht faktisch übernommen und die
Verkehrssicherungspflicht des Vermieters auf das Maß der Kontroll- und
Überwachungspflicht begrenzt. Hieraus kann die Beklagte zu 2. aber keine
Rechtsfolgen auch für die Zukunft herleiten. Denn durch die Mitteilung des Klägers, den
Winterdienst nicht mehr durchführen zu können, ist seine faktische Übernahme der
Verkehrssicherungspflicht beendet worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO und
die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert:
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