Urteil des AG Köln vom 08.06.2010

AG Köln (kläger, zahlungsunfähigkeit, höhe, reiseveranstalter, erstattung, geschäftsführung, akte, verhandlung, türkei, betrug)

Amtsgericht Köln, 147 C 323/09
Datum:
08.06.2010
Gericht:
Amtsgericht Köln
Spruchkörper:
Abteilung 147
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
147 C 323/09
Tenor:
1.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 3.049,00 nebst Zinsen
in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
19.01.2010 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger buchte für sich und seine Familie am 04.08.2009 bei der S. GmbH in Köln
(HRB 00000) als Reiseveranstalter eine Pauschalreise in die Türkei für den Zeitraum
vom 23.10.2009 bis zum 06.11.2009 und zahlte den vereinbarten Reisepreis in Höhe
von EUR 3.049,00 sowie weitere EUR 103,00 für Reiserücktrittskostenversicherungen.
Er erhielt für die Reise einen Sicherungsschein der Beklagten als
Kundengeldabsicherer.
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Ab dem 22.09.2009 versandte die S. GmbH an ihre Kunden ein Schreiben, in dem sie
mitteilte, dass sie zahlungsunfähig sei. Die gebuchte Reise in die Türkei fand nicht statt.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 3.152,00 nebst Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2009 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, die S. GmbH habe keine Buchungen von Hotels oder Flügen bei den
jeweiligen Leistungsträgen zugunsten der Kunden vorgenommen. Der Reisepreis sei
nach Eingang auf Konten der S. GmbH in bar abgehoben worden. Die Geschäftsführung
habe gegenüber den Kunden als auch gegenüber der Beklagten in betrügerischer
Absicht gehandelt und auf dieser Grundlage ihr Geschäftsmodell betrieben.
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Die Akten der Staatsanwaltschaft Köln XXX sind zu Informations- und Beweiszwecken
beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt
der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen
Verhandlung vom 18.05.2010 (Bl: 70 d. A.) verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
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Der Kläger kann von der Beklagten die Erstattung des an die S. GmbH gezahlten
Reisepreises in Höhe von EUR 3.049,00 EUR aus den Sicherungsscheinen Nr.
44.077.307-309 verlangen.
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Mit Ausgabe der Sicherungsscheine an den Kläger hat sich die Beklagte verpflichtet,
den vom Reisenden an den Reiseveranstalter S. GmbH gezahlten Reisepreis zu
erstatten, wenn Reiseleistungen infolge von Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz des
Reisveranstalters ausfallen. Diese im Sicherungsschein und in § 651k Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 genannten Voraussetzungen sind erfüllt.
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Die S. GmbH ist zahlungsunfähig. Zum einen hat der Reiseveranstalter die Kunden im
September 2009 über seine Zahlungsunfähigkeit informiert, was bereits den Anschein
der Zahlungsunfähigkeit begründet. Zum anderen besteht ausweislich der Erklärungen
der Kreditinstitute im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens kein
nennenswertes Bankguthaben der S. GmbH (s. Bl. 415 ff., 428, 455 ff. der Akte StA Köln,
XXX), um auch nur einzelne der zahlreihen Forderungen von Reisenden (vgl. Bl. 436
bis 438 der Akte StA Köln, XXX) bedienen zu können. Auch die Beklagte bestreitet
nicht, dass die Geschäftsführung der S. GmbH sämtliche Konten abgeräumt hat und die
S. GmbH über kein weiteres Vermögen verfügt.
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Die versprochenen Reiseleistungen der S. GmbH sind auch infolge von
Zahlungsunfähigkeit ausgefallen. Zwar ist das Geschäftsmodell des Reiseveranstalters
möglicherweise auf Betrug gegründet. Dies steht nach Auffassung des Gerichts
entgegen von Stimmen in der Literatur (vgl. Staudinger/Eckert (2003) § 651k BGB Rn. 8;
Führich, Reiserecht, 5. Aufl. 2005, Rn. 575) einer Eintrittspflicht der Beklagten jedoch
nicht entgegen. Der Wortlaut des Gesetzes stellt nicht auf die Gründe der
Zahlungsunfähigkeit ab, sondern auf die Zahlungsunfähigkeit als Grund des Ausfalls
von Reiseleistungen. Es kommt demnach nicht darauf an, ob der Reiseveranstalter die
von ihm auszuführenden Buchungen für den Kunden vorgenommen hat, ebenso wenig
welche Zwecke der Reiseveranstalter mit dem Geld verfolgt hat. Des Weiteren legt auch
die Regelung des § 651k Abs. 3 Satz 2 BGB ein weites Verständnis der Einstandspflicht
der Beklagten nahe. Der Kundengeldabsicherer kann sich nicht auf Einwendungen aus
dem Kundengeldabsicherungsvertrag berufen. Durch § 651 k Abs. 3 BGB wird § 334
BGB ausdrücklich ausgeschlossen (Palandt/Sprau, 69. Aufl. 2010, § 651k BGB Rn. 6).
Dies spricht zugunsten des Verbrauchers für eine weitgehende Verlagerung von
Risiken auf den Kundengeldabsicherer, wenn infolge von Zahlungsunfähigkeit die
Durchführung der Reise unterbleibt.
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Der Kläger kann dagegen nicht die von ihm aufgewandten Kosten für eine
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Reiserücktrittsversicherung verlangen. Die Beklagte ist gemäß § 651k BGB nur für die
Erstattung des Reisepreises eintrittspflichtig. Dies ist der Gesamtpreis aller
Reiseleistungen (Palandt/Sprau, 69. Aufl. 2010, § 651a BGB Rn. 6). Eine vom
Reisenden abgeschlossene Reiserücktrittskostenversicherung zählt nicht zu den
Reiseleistungen, so dass die Beklagte für die Kosten in Höhe von EUR 103,00 nicht
einstandspflichtig ist.
Der Erstattungsanspruch des Klägers ist mit Ablauf des Jahres 2009 fällig geworden.
Nach der Vereinbarung im Versicherungsschein wird der Anspruch auf Erstattung des
Reisepreises mit Ablauf des Jahres fällig, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist.
Die getroffene Fälligkeitsregelung steht allerdings dem Eintritt des Verzugs der
Beklagten vor Ablauf des Jahres 2009 entgegen, so dass der Kläger eine Verzinsung
der Klageforderung gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB nur ab Rechtshängigkeit verlangen
kann.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2, 709 ZPO.
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Streitwert: EUR 3.152,00
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