Urteil des AG Köln vom 12.04.2010

AG Köln (check, höhe, treu und glauben, flug, tag, abflug, schalter, hotel, baustelle, zeitpunkt)

Amtsgericht Köln, 142 C 90/09
Datum:
12.04.2010
Gericht:
Amtsgericht Köln
Spruchkörper:
Abteilung 142
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
142 C 90/09
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 878,98 Euro nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
21.02.2008 sowie Rechtsanwaltskosten in Höhe von 120,67 Euro zu
zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites tragen die Klägerin zu 5 % und die
Beklagte zu 95 % mit Ausnahme der durch die Anrufung des AG
Bayreuth entstandenen Kosten, diese trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Beklagten wird nachgelassen,
die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte
zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe geleistet hat.
Tatbestand
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Die Klägerin nimmt die Beklagte, eine Reiseveranstalterin, auf Reisepreisminderung,
Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude und Schadenersatz in Anspruch.
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Die Klägerin buchte zusammen mit drei Mitreisenden, den Zeugen S. T, S. und E. C, bei
der Beklagten eine Reise nach Mexiko bestehend aus einem Hotelaufenthalt in dem
Hotel H. / Playa del Carmen sowie einer Rundreise auf der Halbinsel Yucatan in der
Zeit vom 03.01.2008 bis 19.01.2008. Der auf die Klägerin entfallende Reisepreis belief
sich auf 2.073,00 zzgl. Versicherungskosten in Höhe von 64,00 Euro. Die Klägerin hatte
für den Hinflug eine Sitzplatzreservierung für 10,00 Euro vorgenommen. In dem der
Klägerin von der Beklagten mit dem Flugticket übergebenen Voucherheft befindet sich
der Hinweis, dass sich der Reisende 2 Stunden vor der im Flugschein abgedruckten
Abflugzeit am Check-In Schalter einfinden soll und im Falle des verspäteten
Erscheinens der Beförderungsanspruch erlischt. Auf der Rückseite des Flugtickets
befindet sich auf dem Gepäckabschnitt der Hinweis, dass Meldeschlusszeit / Check-In
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Time 90 Minuten vor dem planmässigen Abflug ist. Der Hinflug sollte um 10.50 Uhr ab
Flughafen Frankfurt gehen, wurde jedoch auf 11.20 Uhr verschoben. Die Klägerin wurde
im Flughafen Frankfurt am 03.01.2008 der Check-In für den Flug verwehrt. Sie wandte
sich am selben Tag an die Beklagte und buchte einen Ersatzflug für den 04.08.2008 ab
Amsterdam für 528,83 Euro. Für eine Übernachtung in Amsterdam zahlte die Klägerin
anteilig 28,75 Euro. Die Klägerin erreichte das Reiseziel einen Tag später. Vom
06.01.2008 bis 13.01.2008 befand sich die Klägerin auf der Rundreise. Am 16.01.2008
rügte sie bei der Reiseleitung Mängel, worüber am selben Tag eine
Leistungsänderungsmitteilung erstellt wurde. Nach Reiseende machte sie mit Schreiben
vom 23.01.2008 bei der Beklagten Ansprüche geltend.
Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte in Hinblick auf die durch den am 03.01.2008
verwehrten Check-In entstandenen Kosten über 567,58 Euro (Sitzplatzreservierung,
Ersatzflug und Übernachtung) zum Schadenersatz verpflichtet sei, da der Klägerin der
Check-In zu Unrecht verwehrt worden sei. Die Klägerin habe sich mit ihren Begleitern
am 08.01.2008 bereits um 8.00 Uhr im Flughafen eingefunden. Der Check-In Schalter
sei noch nicht besetzt gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe man von der Verschiebung
des Fluges auf 11.20 Uhr erfahren. Um 9.45 Uhr habe man sich an dem Check-In
Schalter der Fluggesellschaft für den Flug nach Cancun angestellt. Es seien nur zwei
Check-In Schalter geöffnet gewesen und es habe lange Warteschlangen gegeben. Man
habe dann dem anwesenden Aufsichtspersonal mitgeteilt, dass man den Flug nach
Cancun um 11.20 Uhr gebucht habe. Daraufhin sei man aufgefordert worden, sich
wieder einzureihen. Als um 10.45 Uhr die Boarding Durchsage für den gebuchten Flug
erfolgte, habe man sich erneut an das Aufsichtspersonal gewandt. Daraufhin sei man zu
dem Check-In Schalter nach vorne gelassen worden. Am benachbarten Check-In seien
noch vier junge Männer für denselben Flug eingecheckt worden. Der Klägerin jedoch
sei erklärt worden sei, dass nichts mehr gehe. Die Klägerin ist weiter der Ansicht, dass
ihr in Hinblick auf den verlorenen Urlaubstag auf der Hinreise eine Entschädigung
gemäss § 651 f Abs. 2 BGB über 130,00 Euro zustehe. Weiter behauptet die Klägerin,
dass der Aufenthalt in dem Hotel H. mit Mängeln behaftet gewesen sei. So habe sich in
Richtung Strand rechts neben dem Hotel eine Baustelle befunden. Auf dieser sei am
14.01.2008 mit einer Bohrmaschine von morgens 7.00 Uhr / 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr und
vom 15.01.2008 bis 18.01.2008 jeweils von 7.00 / 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr durchgehend
unter Einsatz von bis zu 7 Bohrschlaghämmern, Mörtelmaschinen, Rüttlern und Baggern
gearbeitet worden. Hiervon sei eine erhebliche Lärmbeeinträchtigung ausgegangen, die
bis zu dem in Richtung Baustelle gelegenen Hotelzimmer der Klägerin, aber auch bis
zum Strand und den innerhalb der Anlage gelegenen Einrichtungen wie
Frühstücksraum, Rezeption und Pool gereicht habe. Einen ihr angebotenen
Hotelwechsel habe sie in Hinblick auf die kurze noch verbleibende Reisezeit und des
berechtigten Wunsches in der gewohnten Umgebung zu verbleiben zurückweisen
dürfen. Die Klägerin ist der Ansicht, dass hierfür eine Minderung in Höhe von 216,00
Euro gerechtfertigt sei. Weiter habe die Beklagte vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe
von 226,10 Euro zu erstatten.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 913,58 Euro nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.02.2008
sowie Rechtsanwaltskosten in Höhe von 226,10 Euro zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, dass die Klägerin erst um 10.55 Uhr beim Check-In erschienen sei und
selbst gesagt habe, sie sei zu spät. Darüber hinaus ist sie der Ansicht, dass die Klägerin
ihre eine vertragliche Mitwirkungspflichten verletzt habe, da sie auch nach ihrem Vortrag
später als zwei Stunden vor dem Abflug am Check-In gewesen. Der entsprechende
Hinweis sei auch in dem Hinweisteil des Kataloges der Beklagten enthalten gewesen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben gemäss Beweisbeschluss vom 07.09.2009 (Bl. 152 ff.
d.A.) durch schriftliche Vernehmung der Zeugen U, T., L., E. und S. C. Hinsichtlich des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Aussagen 163 bis 175 d.A.
verwiesen.
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Es wird weiter auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen,
insbesondere die Reiseanmeldung, die Leistungsänderungsmitteilung und die
eingereichten Lichtbilder Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist überwiegend begründet.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von
567,58 Euro gemäss § 651 f Abs. 1 BGB, ein Anspruch auf Entschädigung wegen
entgangener Urlaubsfreude gemäss § 651 f Abs. 2 BGB in Höhe von 130,00 Euro und
ein Anspruch auf Minderung des Reisepreises gemäss § 651 d Abs. 1 BGB in Höhe von
181,40 Euro zu.
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I.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte wegen der Verwehrung des Check-Ins am
03.01.2008 einen Schadenersatzanspruch gemäss § 651 f Abs. 1 BGB.
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Die Reise der Klägerin war mit einem Mangel behaftet, da die Beklagte sie nicht wie
nach dem Reisevertrag geschuldet am 03.01.2008 mit dem Flugzeug von Frankfurt nach
Cancun befördert hat, die Klägerin die Anreise vielmehr am nächsten Tag
selbstorganisiert via Amsterdam durchführen musste. Die Beklagte hat diesen Mangel
auch zu vertreten, da sie die Klägerin zu Unrecht beim Check-In zurückgewiesen hat.
Da nach § 651 f Abs. 1 bei Vorliegen eines Mangels das Verschulden des
Reisveranstalters vermutet wird, ist es Sache der Beklagten gewesen, darzulegen und
nachzuweisen, dass der Nichttransport der Klägerin am 03.01.2008 nicht von ihr oder
ihren Erfüllungsgehilfen, hier der Fluggesellschaft Condor und deren Mitarbeitern,
verschuldet worden ist. Diesen Beweis hat die Beklagte nicht zu führen vermocht.
Insbesondere ist nicht bewiesen, dass die Klägerin durch nicht rechtzeitiges Erscheinen
am Check-In für die Zurückweisung selbst verantwortlich ist.
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Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin jedenfalls vor Abflug des
Flugzeuges um 11:20 Uhr am Check-In war und ihr trotz des noch am Flughafen
befindlichen Flugzeuges der Zustieg verwehrt wurde. Soweit die Klägerin aber noch vor
Abflug am Check-In war, liegt eine zum Ausschluss der Beförderungspflicht führende
vertragliche Pflichtverletzung ihrerseits nicht vor.
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Aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Reisevertrag ergibt sich – abgesehen
von der eigentlichen Abflugzeit - kein bestimmter Zeitpunkt, zu dem der Reisende am
Check-In sein muss mit der Folge, dass die Beklagte berechtigt gewesen wäre, den
Reisenden bei Überschreitung dieses Zeitpunktes zurückzuweisen.
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Weder aus der Reiseanmeldung bzw. der Buchungsbestätigung noch aus etwaigen
Reisebedingungen ergibt sich, dass die Klägerin verpflichtet war, sich zu einem
bestimmten Zeitpunkt beim Check-In einzufinden. Soweit die Beklagte auf einen
entsprechenden Hinweis in ihrem Katalog verweist, nach dem sich der Reisende 2
Stunden vor der auf dem Flugschein abgedruckten Abflugzeit am Check-In einfinden
soll, ist bereits die Ausgestaltung als blosser Hinweis nicht geeignet eine vertragliche
Mitwirkungspflicht zu begründen, bei deren Verletzung die Beförderungspflicht der
Beklagten entfiele. Der Hinweis kann vielmehr nur dahingehend Bedeutung erlangen,
als dass der Reisende bei Missachtung des Hinweises die Gefahr läuft gemäss § 254
BGB ein Mitverschulden angelastet zu bekommen. Die Beklagte kann sich auch nicht
auf die Angaben in dem der Klägerin überreichten Voucher für die Flugtickets berufen.
Auch diese bestimmen keine konkrete vertragliche Mitwirkungspflicht dahingehend,
dass die Klägerin sich 120 Minuten vor dem Abflug am Abfertigungsschalter der
Fluggesellschaft einfinden muss; insoweit fehlt es bereits an einer vertragliche Abrede,
da der Reisende das Voucher mit diesen Hinweisen erst nach Abschluss des
Reisvertrages erhält. Für die Angaben in dem seitens der Klägerin eingereichten
Hinweis auf dem Gepäckabschnitt – Check In Time 90 Minuten vor dem planmässigen
Abflug gilt dementsprechend nichts anderes. Auf etwaige Beförderungsbedingungen
oder Hinweise der Fluggesellschaft kann sich die Beklagte ohnehin nicht berufen, da
diese nicht Vertragspartnerin der Klägerin ist.
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Eine das vermutete Verschulden der Beklagten ausschliessende Vertragsverletzung der
Klägerin liegt damit nicht vor.
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Die Klägerin muss sich aber auch kein eine Haftung der Beklagten ausschliessendes
Mitverschulden gemäss § 254 BGB anrechnen lassen.
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Das Fehlen eines vertraglich vereinbarten Meldezeitpunktes bedeutet nicht, dass der
Reisende ohne Nachteile befürchten zu müssen zu jeder Zeit beim Check-In ankommen
kann, solange es nur noch vor der Abflugzeit ist. Der Reisende muss sich vielmehr ein
Mitverschulden nach § 254 BGB anrechnen lassen, wenn er so kurzfristig vor Abflug am
Check In erscheint, dass das erforderliche Procedere nicht mehr durchgeführt werden
kann. Ist die verbleibende Zeit so knapp, dass eine Abfertigung schlechterdings nicht
mehr möglich ist, kann sein Verschulden so gross sein, dass das Verschulden des
Veranstalters dahinter zurücktritt. Die Beantwortung der Frage, ab welcher Ankunftszeit
des Reisenden am Check-In ein Mitverschulden in Betracht kommt, hängt dabei nicht
davon ab, ob der Reisende die ihm durch Hinwiese empfohlenen Ankunftszeiten
eingehalten hat, sondern auch von den konkreten Umständen des Einzelfalles. Hierzu
gehört insbesondere, ob unabhängig von der tatsächlichen Ankunft und den
empfohlenen Zeiten, ein rechtzeitiges Einchecken des Reisenden noch möglich
gewesen wäre. Ob dies der Fall ist, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, so etwa
von der Organisation der Abfertigung durch die Fluggesellschaft, von der Anzahl der
wartenden Fluggäste, von der erforderlichen Zeit, um das Flugzeug unter
Berücksichtigung des Boarding startklar zu machen, aber auch von dem Verhalten des
Fluggastes selbst.
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Unter Berücksichtigung dieser Umstände lässt sich ein Mitverschulden der Klägerin in
Hinblick auf den verweigerten Check-In nicht feststellen.
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Zunächst haben die vernommenen Zeugen übereinstimmend bestätigt, dass sie sich um
9.45 Uhr am Check.-in der Condor für den streitgegenständlichen Flug eingefunden
haben. Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage haben sich nicht ergeben.
Insbesondere ist es auch durchaus üblich, dass man sich bei Flugreisen am Flughafen
des öfteren über die genaue Uhrzeit informiert. Dass die Klägerin erst um 10.55 Ur am
Check-In gewesen sein soll, haben die von der Beklagten benannten Zeugen nicht
bekundet. Der Zeuge U. war zwar für die Abfertigung zuständig, aber kann sich nicht an
einzelne Passagiere erinnern, da er für den gesamten Bereich zuständig war. Der
Zeuge L. kann sich ebenfalls an die Klägerin nicht erinnern auch war er mit der
eigentlichen Abfertigung am konkreten Condor – Schalter nicht befasst. Die Zeugin O.
konnte ebenfalls nicht zur Aufklärung beitragen, dass sie ihren Platz am Rewe Schalter
in einem anderen Terminal hatte. Ausgehend von einer Ankunftszeit um 9.45 Uhr ist
jedoch festzustellen, dass bis zur unstreitig geänderten geplanten Abflugszeit um 11.20
Uhr noch ein Zeitfenster von 95 Minuten vorlag. Selbst bis zum Beginn des Boarding
verblieb noch eine Stunde. Diese Zeitspanne lag zwar unter den 120 Minuten gemäss
Hinweis in dem Katalog der Beklagten, aber noch über dem Zeitraum von 90 Minuten in
dem Voucher. Entscheidend ist aber, dass sich aus der Beweisaufnahme kein Umstand
ergeben hat, dass diese Zeiten nicht ausreichend gewesen sein sollten, um der Klägerin
den Check-In zu ermöglichen. Die Zeugen C. und der Zeuge T. haben glaubhaft
bekundet, dass sie sich an einer Warteschlange anstellen wollten, aber von einer
Mitarbeiterin der Condor – trotz des Hinweises, man habe den Flug um 11:20 Uhr -
aufgefordert worden sind, sich an das Ende der hinter einem freigelassenen Durchgang
sich fortsetzenden Schlange anzustellen. Sie haben weiter bekundet, dass sie bei der
Boarding Durchsage um 10:45 Uhr sich an einen Sicherheitsbeamten gewandt haben,
der sie dann an den Check-In Schalter geführt hat. Aus welchen konkreten sachlich
nachvollziehbaren Gründen um 10.45 Uhr ein Check-In der Klägerin dann nicht mehr
möglich gewesen sein soll, wird seitens der Beklagten nicht dargelegt. Auch die
Aussagen der Zeugen der Beklagten sind insoweit nicht ergiebig; im Gegenteil sind sie
in Hinblick auf den Zeitpunkt "ab dem nichts mehr geht" widersprüchlich: Der Zeuge U.
und der Zeuge L. geben 30 Minuten vor Abflug an, die Zeugin O. sagt 45 Minuten.
Ausgehend von 30 Minuten wäre die Klägerin daher sogar noch um 10:45 Uhr
rechtzeitig gewesen. Aber selbst wenn es zu diesem Zeitpunkt nachvollziehbare Gründe
gegeben hätte, würde dies die Beklagte im konkreten Fall nicht entlasten; denn auf
Grund der besonderen Umständen des vorliegenden Falles traf sie in Hinblick auf die
unstreitig anstehenden Fluggäste aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben die
Pflicht rechtzeitig vor Schliessung des Check-Ins in geeigneter Art und Weise zu klären,
ob und wenn ja welche und wieviele Gäste für den Flug nach Cancun noch in der
Schlange stehen (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1994, 377; AG Charlottenburg RRa 2009,
189 f.). Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier an den Schaltern mehrere Flüge zur
gleichen Zeit abgefertigt werden und daher von den Angestellten an den Schaltern nicht
zu erkennen ist, welche der Gäste welchen Flug gebucht haben. Aus den Aussagen der
seitens der Beklagten benannten Zeugen ergibt sich kein Hinweis darauf, dass solche
Massnahmen rechtzeitig ergriffen worden wären. Geeignete Massnahmen hätten etwa
darin bestanden, dass ein Mitarbeiter die noch in der Warteschlange Stehenden kurz
nach dem Flugziel fragt oder aber dadurch, dass man die namentlich ja bekannten
fehlenden Passagiere ausruft. Hierdurch hätte rechtzeitig geklärt worden, ob noch
jemand in der Schlange steht, um auf die Abfertigung für den Flug nach Cancun zu
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warten. Da die Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des
Gerichtes bereits seit 9.45 Uhr in der Schlange stand, hätte diese Massnahme auch
Erfolg gehabt. Es bleibt daher insgesamt beim Verschulden der Beklagten, die sich
auch die Verletzung der dargestellten Pflichten der Fluggesellschaft gemäss § 278 BGB
zurechnen lassen muss.
Der Klägerin stehen daher die im Zusammenhang mit dem Nichttransport
zusammenhängenden Kosten wie Ersatzflug für 528,83 Euro, anteilige
Übernachtungskosten in Amsterdam in Höhe von 28,75 Euro und verauslagte
Sitzplatzreservierungskosten für den nicht genutzten Flug über 10,00 Euro als
Schadenersatz zu. Einwendungen gegen die Höhe hat die Beklagte nicht erhoben.
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Die Klägerin hat weiter Anspruch auf Zahlung einer Reisepreisminderung gemäss § 651
d Abs. 1 BGB wegen einer Lärmbeeinträchtigung des Aufenthaltes m Hotel Grand Coco
Bay.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichtes fest,
dass ab dem 14.01.2008 neben der gebuchten Anlage Bauarbeiten durchgeführt
wurden, die spürbare und störende Lärmemissionen verursachten. Das ergibt sich aus
den glaubhaften Aussagen der Zeugen T. sowie E. und S. C.. Die Zeugen haben
detailliert beschrieben, dass am 14.01.2008 zunächst nur mit einem Bohrschlaghammer
gearbeitet wurde und das auch nur zeitlich begrenzt. Ab dem 15.01.2008 wurden dann
mehrere Bohrschlaghammer, Bagger, Mörtelmaschinen und weiteres Gerät eingesetzt.
Die Arbeitszeit erstreckte sich von morgens 7.00 Uhr bis ca. 20.00 Uhr. Diese
Darstellung korrespondiert mit den eingereichten Lichtbildern und den eingereichten
CD`s. Aus der ebenfalls vorgelegten Lageskizze ergibt sich zudem, dass die recht
grosse Baustelle in unmittelbarer Nachbarschaft zu der Hotelanlage lag und auch das
Zimmer der Klägerin in diese Richtung lag.
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Der Mangel wurde seitens der Klägerin ausweislich der Leistungsänderungsmitteilung
unstreitig am 16.01.2008 bei der Reiseleitung gemäss § 651 d Abs. 2 BGB angezeigt.
Diese Anzeige war auch nicht verspätet, da die Klägerin selbst einen störenden
Charakter der Bauarbeiten erst ab dem 15.01.2008 vorträgt und die Anzeige am
nächsten Tag daher rechtzeitig war.
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Die Klägerin muss sich nicht entgegenhalten lassen, dass sie ein ihr unterbreitetes
Umzugsangebot in ein anderes Hotel zu Unrecht ausgeschlagen hat. Angesichts des
nur noch bis zum 18.01.2008 reichenden Aufenthaltes – am 19.01.208 war der Rückflug
angesetzt - war der Klägerin ein Umzug jedenfalls in ein anderes Hotel angesichts des
damit verbundenen zeitlichen Aufwandes nicht mehr zumutbar. Zudem hat die Beklagte
auch nicht dargetan, um was für ein Hotel es sich bei der Alternative gehandelt hätte
und dass ein Umzug für die Klägerin mit keinen oder wenig Beeinträchtigungen
verbunden gewesen wäre. Das bedeutet nicht, dass die Klägerin jedes Abhilfeangebot
in Hinblick auf die bevorstehende Abreise hätte ablehnen dürfen. Es ist aber nicht
dargetan, dass die Beklagte der Klägerin etwa einen weniger beeinträchtigenden
Umzug etwa in ein Zimmer auf die andere Seite angeboten hätte.
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Bei der zur Bestimmung der Minderungshöhe erforderlichen Abwägung hat sich das
Gericht von folgenden Erwägungen leiten lassen: Baustellenlärm während eines
Erholungsurlaubes stellt sich als ein dem Reisezweck diametral zuwiderlaufender
Mangel dar. Vorliegend kommt erschwerend hinzu, dass sich die Baustelle gegenüber
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dem von der Klägerin bewohnten Zimmer befand mit der Folge, dass diese bei
Zimmeraufenthalten besonders beeinträchtigt war. Nachvollziehbar ist aufgrund des
Ergebnisses der Beweisaufnahme auch, dass die nähere Umgebung der Baustelle,
insbesondere auch der in der Nähe liegende Strandabschnitt Lärm ausgesetzt war.
Indes vermag das Gericht den Aussagen der Zeugen insoweit nicht zu folgen, als sie
bekunden, der Lärm habe sich über die gesamte Anlage erstreckt. Bereits aufgrund der
zwischen Baustelle und Anlage befindlichen Gebäude als auch aufgrund der
zunehmenden Entfernung dürfte ein gleichbleibender starker Lärmpegel in der Anlage
nicht vorhanden gewesen sein. Davon, dass daher die Nutzbarkeit der Einrichtung
nebst der weiter entfernt liegenden Teile des Strandes nicht mehr gewährleistet war, ist
das Gericht nicht überzeugt. Zudem ist festzustellen, dass jedenfalls der sensible
Bereich der Nachtruhe nicht beeinträchtigt war. Auch unter Berücksichtigung der im
Übrigen nicht beeinträchtigten Nachtruhe ist das Gericht der Ansicht, das eine
Minderung in Höhe von 35 % angemessen aber auch ausreichend ist. Da die Klägerin
darlegt, dass die Störung sie erst ab dem 15.01.2008 beeinträchtigte beschränkt sich die
Minderung auf den Zeitraum vom 15.01. bis 18.01.2008, entsprechend 4 Tage.
Ausgehend von dem bei einer Pauschalreise alleine massgebenden Gesamtreisepreis
von 2.073,00 Euro – Versicherungskosten sind nicht Teil des Reisepreises – und 16
Reisetagen ergibt sich ein Tagesgesamtpreis von 129,56 Euro. Bei 35 % und 4 Tagen
ergibt sich so eine berechtigte Minderung in Höhe von 181,40 Euro.
In Hinblick auf die von der Beklagten verschuldeten um einen Tag verspäteten Anreise
steht der Klägerin weiter ein Anspruch auf § 651 f Abs. 2 BGB auf Entschädigung wegen
entgangener Urlaubsfreude zu. Die Reise der Klägerin war dadurch, dass nicht der
03.01.2008 sondern der ersten Urlaubstag, der 04.01.2008 Reisetag geworden ist und
nicht der Erholung zur Verfügung stand erheblich beeinträchtigt. Ausgehend von dem
seitens des Gerichtes angewandten Tagessatzsystems ist für den insgesamt verlorenen
Tag eine Entschädigung in Höhe von 130,00 Euro angemessen. Dies entspricht dem
auf diesen Tag entfallenden Tagesgesamtpreis, ist aber auch unter Berücksichtigung
des Umstandes, dass es sich um eine Fernreise handelt und das Reiseziel zudem erst
unter Inkaufnahme eines zum Teil selbst organisierten Umweg über Amsterdam erreicht
wurde gerechtfertigt.
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II.
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Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäss §§
286, 288 BGB. Der Anspruch auf Erstattung aussergerichtlicher Anwaltskosten hat seine
Grundlage in § 286 BGB. Die Beklagte befand sich mit der Zahlung bereits auf Grund
des aussergerichtlichen Schreibens der Klägerin vom 23.01.2008 in Verzug. Die
Beauftragung eines Rechtsanwaltes nach Verzugseintritt stellt sich indes als
zweckentsprechend dar. Die Klägerin kann indes nur Erstattung von Gebühren nach
einem Streitwert bis 900,00 Euro entsprechend der Höhe der begründeten Forderung
und unter Ansatz einer 1,3 fachen Gebühr beanspruchen. Sie hat nicht dargelegt, aus
welchen Gründen eine 2,0 fache Gebühr angemessen sein soll. Damit ergibt sich ein
Erstattungsanspruch über 120,67 Euro.
34
III.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Nr.11, 711, 713 ZPO.
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Streitwert: 913,58 Euro
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