Urteil des AG Köln vom 09.04.2010

AG Köln (höhe, kläger, grobe fahrlässigkeit, verordnung, flug, hamburg, grund, zahlung, umstände, flughafen)

Amtsgericht Köln, 124 C 407/09
Datum:
09.04.2010
Gericht:
Amtsgericht Köln
Spruchkörper:
Abteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
124 C 407/09
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) 600,00 € nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
14.11.2008 sowie an den Kläger zu 2) 600,00 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.11.2008 zu
zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) außergerichtliche
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 155,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.04.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der
Beklagten tragen die Klägerin zu 1) 36 % und die Beklagte 64 %. Von
den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) tragen die Beklagte 47
% und 53 % die Klägerin zu 1) selbst. Die außergerichtlichen Kosten des
Klägers zu 2) trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige
Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
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Die Kläger begehren Ausgleich für die Annullierung eines Fluges durch die Beklagte
und Schadensersatzansprüche für Zusatzkosten.
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Die Klägerin zu 1) und ihr Sohn, der Kläger zu 2), buchten bei der Beklagten einen Flug
von Hamburg nach Lanai (Hawai). Der Flug sollte planmäßig am 10.08.2008 um 07:15
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Uhr in Hamburg starten und nach Zwischenstopps in Frankfurt, Los Angeles und
Honolulu am 13.10.2008 um 08:15 Uhr landen. Die Kläger checkten am Abflugtag am
Flughafen in Hamburg ein und bestiegen das Flugzeug. Nach einiger Wartezeit wurden
sie aufgefordert, das Flugzeug wieder zu verlassen, da es auf Grund eines Defekts nicht
starten konnte. Der Flug nach Frankfurt mit der Flugnummer xxx wurde annulliert und
die Kläger wurden auf einen Flug für den nächsten Tag umgebucht. Sie konnten
deshalb die Anschlussflüge nicht mehr erreichen.
Mit Schreiben vom 29.10.2008 wandten sich die Kläger an die Beklagte und machten
Ansprüche in Höhe der Klageforderung geltend. Mit Schreiben vom 14.11.2008 teilte die
Beklagte mit, dass sie jegliche Zahlungsansprüche ablehne, da der Grund für die
Annullierung ein unvorhersehbares technisches Problem gewesen sei. Unter dem
25.03.2008 erfolgte eine erneute Zahlungsaufforderung durch ein anwaltliches
Schreiben der Kläger mit einer Frist bis zum 16.04.2009.
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Die Kläger sind der Ansicht, dass ihnen jeweils ein Ausgleichsanspruch aus der EG
Verordnung Nr. 261/2004 in Höhe von 600,00 € zustehe auf Grund der Annullierung.
Zudem sei der Klägerin zu 1) ein Schaden in Höhe von 678,51 € entstanden. Dazu
behauptet sie, dass ein 3-tägiger Zwischenstopp in Honolulu geplant gewesen sei vom
10. Bis 13.10.2008, wovon sie eine Übernachtung wegen der Annullierung nicht habe
nutzen können. Da so kurzfristig keine Stornierung des Hotelzimmers mehr möglich
gewesen sei, habe sie Kosten in Höhe von 345,96 $ (ca. 447,33 €) gehabt. Des
Weiteren habe sie Kosten für ein Taxi vom Flughafen in Honolulu zum Hotel in Höhe
von 35,00 $ (ca. 45,26 €) aufwenden müssen, die ihr bei der planmäßigen Durchführung
der Reise nicht entstanden wären. In diesem Fall hätte sie sich mit einem
Arbeitskollegen einen Mietwagen geteilt, was auf Grund der verspäteten Anreise aber
nicht möglich gewesen sei. Zudem habe sie ihrem Kollegen absprachegemäß die Hälfte
der Mietwagenkosten (143,79 $ = ca. 185,92 €) zahlen müssen, hätte den Wagen aber
nicht nutzen können. Die Kläger sind der Ansicht, dass für die Berechnung des
Ausgleichsanspruchs die Gesamtstrecke von Hamburg nach Honolulu zu Grunde zu
legen sei, da der Flug durchgehend gebucht worden sei und die sie bereits in Hamburg
bis nach Honolulu eingecheckt worden seien.
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Die Kläger beantragen,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 1.278,50 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.11.2008 sowie an den
Kläger zu 2) 600,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 14.11.2008 zu zahlen.
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) außergerichtliche
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 229,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.04.2009 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie sind der Ansicht, dass den Klägern kein Anspruch auf Ausgleichszahlung zustehe,
da vorliegend der Ausschlusstatbestand des Art. 5 Abs. 3 EG Verordnung Nr. 261/2004
eingreife. Dazu behauptet sie, dass der Grund für die Annullierung ein unerwarteter
technischer Defekt gewesen sei, der trotz regelmäßiger Wartungsarbeiten aufgetreten
sei. Es handele sich dabei um eine unvorhergesehene, plötzlich auftretende
Kraftstoffleckage am rechten Treibwerk, wobei die Leckage an einem Feststellventil
eines luftgekühlten Ölkühlers festgestellt worden sei. Sie behauptet des Weiteren, dass
der Wechsel eines solchen Ventils einen erheblichen Arbeitsaufwand von mindestens 4
Stunden mit sich bringe. Der außergewöhnliche Umstand hätte sich auch dann nicht
vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Die
Beklagte ist außerdem der Ansicht, dass den Klägern – wenn überhaupt – nur ein
Ausgleichsanspruch in Höhe von 250,00 € pro Person zustehe, da nur der Flug von
Hamburg nach Frankfurt annulliert worden sei, bei dem die Entfernung weniger als
1.500,00 km betrage (Art. 7 Abs. 1 lit. a) EG Verordnung Nr. 261/2004). Etwas anderes
ergebe sich auch nicht daraus, dass die Kläger einen einheitlichen Flug gebucht hätten.
Sie ist der Ansicht, dass der Klägerin zu 1) die weiteren Schadensersatzansprüche nicht
zustehen, weil in Art. 14.1. der Allgemeinen Beförderungsbedingungen (ABB) eine
Haftungsbeschränkung vereinbart worden sei, die vorliegend eingreife.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze
der Parteien sowie auf die eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
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Beide Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von jeweils
600,00 €. Die Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c), Art.
7 Abs. 1 EG Verordnung Nr. 261/2004 (Amtsblatt Nr. L 046 vom 17.12.2004, S. 1 ff.)
liegen vor.
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Die EG Verordnung Nr. 261/2004 ist vorliegend anwendbar, da die beiden Kläger einen
Flug von einem Flughafen in einem Mitgliedstaat, nämlich Deutschland, angetreten
haben (Art. 3 Abs. 1 lit. a). Die Beklagte hat am 10.10.2008 den Flug von Hamburg nach
Frankfurt (xxx) annulliert, was sich auch eindeutig aus der vorgelegten Bestätigung
ergibt. Der Ausgleichsanspruch ist damit grundsätzlich entstanden gemäß Art. 5 Abs. 1
lit. c), Art. 7 Abs. 1 EG Verordnung Nr. 261/2004. Der Anspruch besteht in Höhe von
600,00 € pro Person (Art. 1 Abs. 1 lit. c) EG Verordnung Nr. 261/2004). Annulliert
worden ist zwar nur der Flug von Hamburg bis Frankfurt, der eine Strecke von unter
1.500 km betrifft. Abzustellen ist jedoch gemäß Art. 1 Abs. 1 letzter Satz EG Verordnung
Nr. 261/2004 auf den letzten Zielort. Auf Grund der Annullierung des Zubringerfluges
nach Frankfurt war es den Klägern nicht möglich, die Anschlussflüge nach Los Angeles
und Honolulu zu erreichen. Sie haben den letzten Zielort, der mehr als 3.500 km vom
Abflugort entfernt ist, deshalb erst einen Tag später als ursprünglich geplant erreicht.
Dem steht wegen der klaren Regelung in der Verordnung nicht entgegen, dass die
Flüge jeweils eigene Flugnummern haben und deshalb von Seiten der Beklagten
jeweils als separate Flüge behandelt werden.
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Die Ausnahme des Art. 5 Abs. 3 EG Verordnung Nr. 261/2004 greift vorliegend nicht ein,
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da die Annullierung bzw. Verspätung nicht auf "außergewöhnliche Umstände" i.d.S.
zurückzuführen ist. Die Beklagte hat die Voraussetzungen von dieser Ausnahme nicht
hinreichend dargetan. Für die Annahme eines befreienden außergewöhnlichen
Umstandes i.S.d. Art. 5 Abs. 3 EG Verordnung Nr. 261/2004 hat das
Luftfahrtunternehmen darzutun und zu beweisen, dass es unter Einsatz aller ihm zur
Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel offensichtlich nicht
möglich gewesen wäre, ohne angesichts der Kapazitäten des Unternehmens zum
maßgeblichen Zeitpunkt nicht tragbare Opfer, die außergewöhnlichen Umstände zu
vermeiden, mit denen es konfrontiert war und die zur Annullierung des Fluges geführt
haben (EuGH, Rechtssache C-549/07, Wallentin-Herman./.Alitalia – Linee Aeree
Italiana SpA, NZV 2009, 435, Rn. 41). Technische Probleme können grundsätzlich
außergewöhnliche Umstände darstellen, jedoch nur dann, wenn sie ein Vorkommnis
betreffen, das wie die im 14. Erwägungsgrund der EG Verordnung Nr. 261/2004
aufgezählten nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen
Luftfahrtunternehmens ist und auf Grund seiner Natur oder Ursache von ihm tatsächlich
nicht zu beherrschen (EuGH, a.a.O., Rn. 23; BGH Urteil vom 12.11.2009, Az.: Xa ZR
76/07, Rn. 13). Technische Probleme, die sich bei der Wartung des Flugzeugs zeigen
oder infolge einer unterbliebenen Wartung auftreten, können folglich keine
außergewöhnlichen Umstände darstellen (EuGH, a.a.O., Rn. 25).
Vorliegend hat die Beklagte vorgetragen, dass die Ursache für die Flugverspätung eine
plötzlich auftretende Kraftstoffleckage am rechten Triebwerk gewesen sei. Ein solcher,
auch plötzlich auftretender Defekt, gehört jedoch zu denjenigen Ereignissen, die beim
Betrieb eine Luftfahrtunternehmens typischerweise auftreten können. Sie sind deshalb
Teil des betrieblichen Alltags, auch wenn die Flugzeuge regelmäßig gewartet worden
sind (BGH Urteil vom 12.11.2009, Az.: Xa ZR 76/07, Rn. 14). Die Beklagte hat nicht
einmal vorgetragen, dass die Ursache für den Defekt in einem Umstand zu sehen war,
der im 14. Erwägungsgrund der der EG Verordnung Nr. 261/2004 genannt ist. Sie hat
außerdem nicht vorgetragen, wann genau der Defekt bemerkt worden sein soll (vgl.
dazu LG Köln, NJW-RR 2008, 2129). Die Beklagte hat mitgeteilt, dass die Reparatur
mindestens 4 Stunden in Anspruch nehmen würde. Dies erklärt jedoch nicht, warum der
Flug letztendlich annulliert worden ist und nicht lediglich mit eine Verspätung starten
konnte. Im Ergebnis konnte das Gericht vorliegend nicht annehmen, dass die Ausnahme
des Art. 5 Abs. 3 EG Verordnung Nr. 261/2004 eingreift.
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Die Kläger haben einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.11.2008 aus §§ 286, 288 Abs. 1 S.
2 BGB. Die Beklagte befand sich in Verzug seit sie mit Schreiben vom 14.11.2008 die
Zahlung endgültig abgelehnt hat.
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Der Anspruch auf Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus
dem Gesichtspunkt des Verzuges (§§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB). Er besteht in Höhe von
155,30 € und berechnet sich anhand eines Gegenstandswertes von 1.200,00 € (1,3-
Gebühr zzgl. Auslagenpauschale und MwSt.).
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Dieser Anspruch ist gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 S. 2 BGB ab dem 17.04.2009 zu
verzinsen. Der Beklagten wurde durch die Prozessbevollmächtigten der Kläger
außergerichtlich eine Frist zur Zahlung bis zum 16.04.2009 gesetzt. Der Verzug trat mit
dem Ablauf dieser Frist ein.
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Die Klägerin zu 1) hat hingegen keinen Anspruch auf Zahlung von weiteren 678,51 €
22
gegen die Beklagte. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 241 Abs. 2, 280 Abs.
1 BGB. Es fehlt vorliegend am Verschulden der Beklagten. In Art. 14.1.7 ABB wurde
wirksam einen Haftungsbeschränkung für mittelbare oder Folgeschäden auf grobe
Fahrlässigkeit und Verschulden vorgenommen. Die insoweit darlegungs- und
beweisbelasteten Kläger haben nicht vorgetragen, woraus sich die grobe Fahrlässigkeit
der Beklagten ergeben soll. Es wurde nicht dargetan, dass die im Verkehr erforderliche
Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist. Es kann somit dahinstehen,
ob der Klägerin zu 1) der Schaden tatsächlich entstanden ist.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1; die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert: Bis 2.000,00 €
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