Urteil des AG Köln vom 18.02.2004

AG Köln: gegen die guten sitten, treu und glauben, sittenwidrigkeit, unentgeltliche zuwendung, arglistige täuschung, erkenntnis, gewinnspiel, werbung, veranstalter, rückzahlung

Amtsgericht Köln, 112 C 551/03
Datum:
18.02.2004
Gericht:
Amtsgericht Köln
Spruchkörper:
Abteilung 112
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
112 C 551/03
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110
% des beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte
ihrer-seits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Ende des Jahres 2002 trat die Schwester der Beklagten, die benannte Zeugin Frau T,
an die Klägerin heran, um sie für eine Teilnahme an einem sog. Herzkreis, d.h. der
bestimmten Variante eines Geldsystemspiels zu gewinnen. Aufgrund der erteilten
Informationen zeigte sich die Klägerin interessiert und nahm anschließend bei einem
Treffen Anfang Dezember in dem Privathaus der Beklagten mit etwa zwanzig
ausschließlich weiblichen Personen teil, bei dem die Neuinteressenten durch eine
Anwesende über das Modell eines Herzkreises und seine Funktionsweise, zusätzlich
durch eine grafische Darstellung veranschaulicht, unterrichtet wurden.
2
Der einzelne Herzkreis wird bei dieser Variante eines Systemspiels hiernach in Form
einer Pyramide, bestehend aus 15 Herzen in vier Ebenen gebildet, wobei sich an der
Spitze der Pyramide ein Herz, in der zweiten Ebene zwei Herzen, in der dritten Ebene
vier Herzen und an der Basis acht Herzen befinden. Das oberste Herz wird als
"Empfangsposition", die acht Herzen in der untersten Ebene werden hingegen als
"Zahlpositionen" bezeichnet. Diese unterste Reihe muß nach dem Spielkonzept mit
Personen gefüllt werden, um die Person an der Spitze der Pyramide in eine tatsächliche
Empfangsposition zu versetzen. Sobald ein neu hinzutretender Mitwirkender seinen
Spieleinsatz, der gemäß dem Spielsystem als Schenkung deklariert wird, an den in der
Empfängerposition befindlichen Mitspieler gezahlt hat, wird er in die Herzpyramide auf
der untersten Ebene aufgenommen. Ist diese unterste Ebene vollständig aufgefüllt,
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scheidet der Empfänger der sog. Schenkungen an der Spitze der Pyramide aus. Die
Pyramide selbst teilt sich zugleich in zwei neue Pyramiden mit je sieben der
verbliebenen Teilnehmer auf, die hierdurch jeweils um eine Ebene höher rücken,
während die Basis der beiden neu gebildeten Pyramiden frei wird und durch jeweils 8
neue Teilnehmer zu ergänzen ist.
Diese Informationsveranstaltung im Hause der Beklagten veranlaßte die Klägerin, sich
für eine Teilnahme an einem derartigen Herzkreis zu beteiligen. Sie lieh sich nach ihren
Angaben einen Betrag von 5.000,-- EUR und zahlte ihn bei einem erneuten Treffen am
18.1.02, diesmal im Hause von Frau T, an die Beklagte, die sich an der Spitze der
entsprechenden Herzpyramide und damit in der Empfangsposition befand, während die
Klägerin in der Achter-Reihe an der Basis der Pyramide erfaßt wurde. Entgegen ihren
Erwartungen stieg sie jedoch in den folgenden Monaten nicht an die Spitze der
Pyramide auf, da nicht oder jedenfalls nicht genügend neue Mitspieler akquiriert werden
konnten. Mit Schreiben vom 11.6.03 verlangte sie daher von der Beklagten mit der
Begründung, es sei nichts passiert, obwohl ihr in kürzester Zeit (ca. 3-4 Monate) das
achtfache Geld in Aussicht gestellt worden sei, die Rückzahlung des von ihr geleisteten
Betrages. Die Beklagte lehnte dieses Ansinnen ab, wenngleich sie die Sittenwidrigkeit
des dem Herzkreis zugrundeliegenden Pyramidenspiels nicht in Frage stellt.
4
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Rückzahlung ihrer "Schenkung".
5
Die Klägerin behauptet, ihr sei die Sittenwidrigkeit des als Herzkreis bezeichneten
Pyramidenspiels, auch nicht durch vorherige Publikationen in Presse und Fernsehen,
bewußt gewesen. Weder sei sie vor noch bei ihrer so bezeichneten Schenkung an die
Beklagte über die Systematik dieses Spiels, insbesondere über die damit verbundene
negative Wirkung eines Schneeballeffektes, d.h. ein zwangsläufiges Totlaufen des
Systems zu einem späteren, wenn auch seinerzeit nicht absehbaren Zeitpunktes,
umfassend und wahrheitsgemäß aufgeklärt worden. Sie sei weiterhin nicht darauf
hingewiesen worden, daß sie neue Teilnehmer für das Spiel suchen müsse, vielmehr
sei erst nach ihrer Zahlung ein entsprechender massiver Druck auf sie ausgeübt
worden. Das einem Schneeballsystem immanente hohe Risiko habe man nicht
dargelegt, es habe auch jeder Hinweis dafür gefehlt, daß bei einer Schenkung keinerlei
Garantie für eine zumindest gleichhohe oder weit höhere Rückschenkung abgegeben
werde.
6
In ihrem nachgelassenen Schriftsatz trägt sie weiter vor, die Beklagte hätte an sie und
weitere Herzkreisteilnehmern eine 7-seitige Informationsschrift mit dem Titel
"Wiederkehrende Fragen - Was kann ich tun, wenn ..." verteilt. Die dort genannten
Argumente seien zugleich bei ihrem ersten Herzkreistreffen verwendet worden, um sie
zum Eintritt in der Kreis und damit zur Geldübergabe zu bewegen. Schon bei der ersten
telefonischen Kontaktaufnahme sei von Frau T erklärt worden, es gehe darum, ein
Frauennetzwerk aufzubauen, in dem man sich nicht nur gegenseitig finanziell
unterstütze, sondern auch seine persönlichen Probleme besprechen könne. Insgesamt
sei ihr nicht nur mittels einer raffinieren psychologischen Beeinflussung das
vermeintliche Gesamtkonzept eines Herzkreises "verkauft", sondern sie zugleich über
dessen wahre Systematik getäuscht worden.
7
Die Klägerin beantragt,
8
die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.000,-- EUR nebst 5 Prozentpunkte über
9
dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheides zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, bereits ihre Schwester, Frau T hätte die mit ihr privat über ihre
beiden jeweiligen Töchter bekannte Klägerin bei der ersten Kontaktaufnahme über die
Systematik des Spiels informiert, insbesondere erklärt, daß ein Herzkreis nur dann
funktioniere, wenn dem Schenkkreis weitere Personen zugeführt würden, die ihrerseits
wieder neue Teilnehmer suchen müßten, ansonsten sich der Schenkkreis totlaufe. Des
weiteren hätte Frau T darauf verwiesen, daß nach ihren Informationen die
Schenkkreises nicht strafbar seien, ihnen allerdings der Ruf des Unseriösen anhafte.
Darüber hinaus behauptet sie, die Klägerin habe bei dem Treffen am 18.12.02 selber
erklärt, sie kenne einige finanziell nicht schlecht ausgestattete Türkinnen, die sie zu dem
nächsten Treffen mitbringen werde.
12
Die Beklagte vertritt daher die Ansicht, ein Rückforderungsrecht der Klägerin sei
aufgrund der bei sittenwidrigen Vereinbarungen geltenden gesetzlichen
Kondiktionssperre ausgeschlossen, da die Klägerin sich bei ihrer Leistung der
Sittenwidrigkeit des Pyramidensystems bewußt gewesen sei.
13
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Parteivorbringen
in den gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen sowie die Erklärungen der Parteien
im Rahmen ihrer Anhörung gemäß dem Sitzungsprotokoll vom 21.1.04 Bezug
genommen.
14
Entscheidungsgründe
15
Die Klage ist nicht begründet.
16
Die Klägerin kann von der Beklagten aus keinem rechtlichen Grunde die Rückzahlung
ihrer sog. Geldschenkung, die sie als Voraussetzung für eine Mitwirkung an dem
Pyramidenspiel erbracht hat, verlangen.
17
I.
18
Ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte kommt nach den
gesetzlichen Regelun von Spiel- und Wettverträge im Sinne des § 762 BGB nicht in
Betracht, auch ohne dass in diesem Zusammenhang die Frage nach der Wirksamkeit
bzw. Nichtigkeit einer Teilnahmevereinbarung zu entscheiden wäre. Denn vorliegend ist
diese Vorschrift nicht einschlägig .
19
Nach § 762 Abs.1 Satz 1 BGB wird durch ein Spiel oder eine Wette im Sinne dieser
Norm zwar keine Verbindlichkeit begründet, jedoch gemäß Satz 2 dieser Bestimmung
u.a. eine Verweisung auf eine fehlende Verbindlichkeit nicht zugelassen, sofern zum
Zwecke der Erfüllung des Spielvertrage bereits die vereinbarte Leistung bereits erbracht
worden ist. In diesem Falle bietet nämlich die durch den Spiel- und Wettvertrag nur
unvollkommen begründete, als Naturalobligation bezeichnete Verbindlichkeit den
Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung.
20
Bei den Teilnahmevereinbarungen, die bei Systemgewinn"spielen" mit einem dem
Herzkreis im wesentlichen gleichartigen Funktionsprinzip getroffen werden, handelt es
sich nach wohl überwiegender Meinung nicht um ein "Spiel" im Sinne des Gesetzes,
wobei wohl auch die hierzu bisher ergangene Rechtsprechung überwiegend, teilweise
stillschweigend davon ausgeht, daß es sich bei derartigen Systemspielen weder um ein
Glück- noch um ein Geschicklichkeitsspiel handelt.
21
Bei einem Glückspiel hängen nämlich Gewinn und Verlust ganz oder doch ganz
überwiegend vom Zufall, nicht von der Einwirkung der Beteiligten ab (Palandt-Sprau 62.
Aufl. § 762 Rdr.2). Bei einem Systemspiel kann der einzelne Teilnehmer hingegen
durch sein persönliches Werbegeschick das Spiel für sich selbst mit Erfolg zu Ende
führen, ohne - jedenfalls theoretisch - auf die Akquisitionsbemühungen der übrigen
Teilnehmer angewiesen zu sein, unabhängig davon, ob und wieweit er selbst in der
Pyramide bereits aufgestiegen ist.
22
Der aleatorische Bestandteil eines Spiel- oder Wettvertrages, d.h. der Gesichtspunkt der
Ungewißheit oder des Zufalls, von denen der Eintritt des Geschäftserfolges nach der
einen oder anderen Seite abhängt, mag zwar bei einem weit fortgeschrittenen Verlauf
eines Schneeballsystems immer bedeutsamer werden, wird aber allein die Bewertung
eines Geldsystemspiels als Spiel im Sinne des § 762 BGB nicht rechtfertigen können.
23
Des weiteren kann ein Geldgewinnspiel nach Art des hier streitrelevanten
Pyramidenspiels nicht als gleichfalls von § 762 Abs.1 erfaßtes Geschicklichkeitsspiel
erfaßt werden, obwohl es, wie angeführt, durchaus mit von der persönlichen Fähig- oder
Geschicklichkeit des Einzelnen abhängt, ob eine genügend große Teilnehmerzahl
geworben werden kann, um die Pyramide soweit aufzufüllen, daß er an deren Spitze
gelangt. Insbesondere dann, wenn wie vorliegend, die Größe einer Pyramide sich aus
15 Teilnehmern zusammensetzt, bedürfte es bei dem Einstieg eines neuen
Teilnehmers, und zwar als erster auf einer noch leeren Achterebene, maximal der
Werbung von 23 Mitspielern, um die Empfangsposition einzunehmen und von der
Anwerbung weiterer Mitspieler nunmehr selbst profitieren zu können, ein zumindest
theoretisch nicht von vornherein hoffnungsloses Unterfangen. Die Einordnung des
Pyramidenspiels als Glücks- bzw. Geschicklichkeitsspiel gemäß § 762 BGB scheitert
jedoch daran, daß jedenfalls nach der Rechtsprechung Voraussetzung für ein Spiel ein
Einsatz ist, um den in der Hoffnung, im Falle eines Gewinnes eine gleiche oder
höherwertige Leistung zu erhalten, gespielt wird. Bei vorliegendem Herzkreis ist jedoch
der Einsatz der neueintretenden Mitspieler - jedenfalls auf der Grundlage des
Spielsystems - bereits unwiderruflich dadurch verloren, daß dieser Einsatz - sinngemäß
zum Erwerb einer Teilnahmeberechtigung - an den Inhaber der Spitzenposition
ausgezahlt wird, mithin nicht Gegenstand einer Ausspielung wurde (BGH JR 1987, 381f,
OLG Celle NJW 1996, 2660). Dies kommt sinnfällig besonders dann zum Ausdruck,
wenn der Empfänger mit dem Inkasso des Geldbetrages des letzten der Achter-Ebene
gänzlich aus der Pyramide ausscheidet, mithin in keiner der beiden neugebildeten
Pyramiden mehr als Mitspieler vertreten ist.
24
Da hiernach die gesetzliche Regelung eines Spiel- und Wettvertrag gemäß § 762 BGB
auf Systemgewinnspiele mit vorliegenden Funktionsprinzip nicht anwendbar ist (anders
OLG Celle NJW 1996, 2660), kann in diesem Zusammenhang mithin dahingestellt
bleiben, unter welchen ggfs. besonderen Voraussetzungen Spiel- oder Wettverträge sei
es illegal oder nach § 138 BGB sittenwidrig sind, insbesondere ob bzw. in welcher
Weise sich zumindest der gesetzgeberische Rechtsgedanke, der dem
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Rückforderungsausschluß des Abs.1 S.1 zugrunde liegt, auf die Anwendbarkeit der
Kondiktionssperre nach § 817 S.2 BGB auswirkt.
II.
26
Dem Grunde nach ist jedoch ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin gegen die
Beklagte aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs.1 S.1 BGB begründet,
da sie ohne rechtlichen Grund an die Beklagten den Betrag von 5.000,-- EUR gezahlt
hat.
27
1.
28
Diese rechtliche Folgerung läßt sich nicht schon mit der Erwägung herleiten, daß die
neuen Teilnehmer nach den Konzept des Herzkreises - Papier ist geduldig - gemäß
Ziff.2 der nach dem nachgelassenen Vortrag der Klägerin auch an sie verteilten
Informationsschrift ihre Zahlung als Schenkung an dem Empfänger leisten sollten,
gemäß § 518 BGB jedoch, um unter anderem den Schenker vor übereilten
Vermögensverfügungen zu schützen, ein Schenkungsversprechen grundsätzlich der
notariellen Beurkundungen bedarf, ein entsprechender Formmangel mithin das
Schenkungsversprechen unwirksam macht. Ein derartiger Formmangel wird jedoch
gemäß § 518 Abs.2 BGB durch die Bewirkung der versprochenen Leistung, d.h. durch
den Vollzug des Versprechens geheilt. Abgesehen hiervor wäre vorliegend wohl von
einer formfreien Real- oder Handschenkung, d.h. einer Schenkung ohne
vorangegangenes Schenkungsversprechen, auszugehen, wenn denn die Hingabe der
Klagesumme gemäß den propagierten Intentionen eines Herzkreises rechtlich
überhaupt als unentgeltliche Zuwendung gewertet werden könnte. Anhaltspunkte für die
Annahme, die Klägerin hätte sich bereits bei der Informationsveranstaltung im Hause
der Beklagten für eine Mitwirkung an dem Herzkreis entschieden und dieser eine
"Schenkung" zugesagt, sind auch ihrem Vorbringen nicht zu entnehmen.
29
2.
30
Der fehlende Rechtsgrund für die Zahlung läßt sich des weiteren nicht damit begründen,
daß es sich bei dem streitgegenständlichen Pyramidenspiel um ein gemäß § 284 ff.
StGB strafbares Glückspiel handele, sodaß die in diesem Zusammenhang getroffenen
Vereinbarungen gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen und aus diesem Grunde
zwangsläufig die Nichtigkeit der damit eingegangenen Verpflichtungen gemäß § 134
BGB zur Folge gehabt hätten. Auf den fehlenden Einsatz als Gegenstand der
Ausspielung, der nach der Rechtsprechung ein notwendiges Merkmal eines Glückspiels
ist, wurde bereits hingewiesen. Zudem sind vorliegend die Voraussetzungen einer
öffentlichen Veranstaltung der sog. Herzkreise nicht dargetan, sodaß im übrigen die in
der Informationsschrift erteilten Hinweise, bei dem Zirkel handele es sich rechtlich um
kein illegales, d.h. kein strafbares Glückspiel, weder als wahrheitswidrig noch als
irreführend anzusehen sind.
31
3.
32
Ein Rechtsgrund für die Zahlung der 5.000,-- EUR durch die Klägerin an die Beklagte
hatte hingegen aus dem Grunde gefehlt, weil sämtliche Vereinbarungen, die im
Zusammenhang mit einer Teilnahme an dem Pyramidenspiel des Herzkreises standen,
zwar nicht wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB,
33
wohl aber wegen Sittenwidrigkeit des "Spiels" gemäß § 138 BGB nichtig waren. Denn
auch derartige Geldsystemspiel sind sittenwidrig. Bei diesem Spielsystem ist auf der
Grundlage des Spielkonzeptes - abweichend von den Geldanlagespielen, die bisher,
soweit ersichtlich, Gegenstand ergangener gerichtlicher Entscheidungen waren - zwar
nicht erkennbar, daß die Klägerin mit der Beklagten in deren Eigenschaft als lediglich
passiv "Beschenkter", mit den bereits in die Pyramide eingetragenen Mitspielern oder
einem sonstigen Dritten als ursprünglichen Initiator oder Veranstalter rechtlich eine
Teilnahmevereinbarung getroffen hat. Der unmittelbaren Zahlung der Klägerin in Form
einer rechtllich tatsächlichen oder nur vermeintlichen Schenkung an die Beklagte lag
aber zumindest eine konkrete Zweckvereinbarung zwischen den Parteien, nämlich die
Erfassung der Klägerin in dem bereits angelegten Herzkreis mit der Beklagten auf der
Empfängerposition der Pyramide, d.h. also eine gegenseitige Absprache, zugrunde, die
wegen des sittenwidrigen Charakters des Herzkreis-Spiels naturgemäß gleichfalls
nichtig war.
Selbst von der Beklagten wird, und sei es nur aus taktischen Gründen, die Bewertung
von Spielsysteme wie dem vorliegenden Pyramidenspiel, die nach dem Prinzip des
Schneeballsystems aufgebaut sind, als sittenwidrig eingeräumt. Diese
übereinstimmende Bewertung beider Parteien entspricht jedoch zugleich der klägerseits
bereits zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung, die nach zuvor nicht einheitlicher
Beurteilung nunmehr in dieser Frage eine eindeutige Klarstellung getroffen hat (BGH
NJW 1997, 2314 f). Diese Rechtsauffassung läßt sich bereits aus der Erkenntnis
begründen, dass Schneeballsysteme in einem Teilbereich der Rechtsordnung, nämlich
dem Wettbewerbsrecht, wegen der von ihnen für den Verbraucher generell
ausgehenden Gefahren ausdrücklich gesetzlich erfaßt sind, da sie als Verkaufsysteme
konzipiert sind, die dem Käufer einen besonders verbilligten oder sogar kostenlosen
Warenbezug zusagen, wenn er dem Unternehmer neue Abnehmer zuführt, die unter den
gleichen Bedingungen beliefert werden. Eine derartige progressive Kundenwerbung ist,
wenn die Werbung sich an Nichtkaufleute richtet, verboten und gemäß § 6c UWG unter
Strafe gestellt. Das Typische derartiger Systeme, die im einzelnen vielfach variieren
mögen, liegt im wesentlichen darin, daß ein Unternehmen für Werbung und Vertrieb
Laien einsetzt, die zur Abnahme durch das Versprechen besonderer Vorteile für den
Fall veranlaßt werden, daß sie weitere Abnehmer zum Abschluß gleichartiger Geschäfte
gewinnen, denen ihrerseits wiederum derartige Vorteile für eine entsprechende
Werbung weiterer Abnehmer versprochen werden. Die durch diese Kettenreaktion
ausgelöste Werbung erreicht einen von Stufe zu Stufe fortschreitenden progressiven
Charakter. In der Regel vertrauen hierbei die Einsteiger, die Bedingungen zur Erzielung
des in Aussicht gestellten Vorteils ohne größere Schwierigkeiten erfüllen zu können. Je
rascher die Progression steigt, um so geringer werden jedoch die Aussichten, neue
Teilnehmer finden zu können (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22.Aufl., UWG
§ 6c). Genau die gleichen Erwägungen lassen sich regelmäßig auch auf die
Systemgewinnspiele allerdings mit der Abweichung übertragen, daß diese Spiele nicht
ausdrücklich gesetzlich verboten sind und eine analoge Anwendung nicht in Frage
kommt. Sie begründen jedoch für ein Spielsystem, daß darauf angelegt ist, den ersten
Mitspielern eines solchen Systems die Erzielung eines zumeist sicheren Gewinn zu
ermöglichen, während die systembedingt ständig anschwellende Masse der späteren
Teilnehmer ihren zur Systemeinstieg zu leistenden Beitrag verlieren muß, weil
angesichts der Progressionswirkung keine neuen Mitspieler mehr geworben werden
können, schon aus diesem Grunde das Verdikt der Sittenwidrigkeit (so BGH aaO). Denn
nicht alles, was nach der bestehenden Rechtsordnung gesetzlich verboten ist, bedeutet
zwangsläufig, daß es von ihr gebilligt oder gar von ihr als schützenswert erachtet wird,
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wie sich unschwer allein schon aus der gesetzlichen Regelung der Sittenwidrigkeit als
eigenständiger Kategorie gemäß § 138 BGB entnehmen läßt. Darüber hinaus wurde
durch die genannte Entscheidung klargestellt, daß derartige Spielsysteme, die darauf
abzielen, die Leichtgläubigkeit, Spielleidenschaft oder Unerfahrenheit der Teilnehmer
auszunutzen und sie hierdurch zur Zahlung des Spieleinsatzes zu bewegen, generell
sittenwidrig sind, ohne daß es im Einzelfall darauf ankäme, ob und ggfs. in welcher
Weise Mitspieler konkret getäuscht oder irregeführt worden sind.
Die in der genannten Entscheidung angeführte Begründung für den sittenwidrigen
Charakter der auf dem Schneeballsystem aufbauenden Geldgewinnspiele wird noch
durch weitere Gesichtspunkte verstärkt. Denn aufgrund der bereits angeführten,
zwangsläufig eintretenden Marktverengung besteht die generelle Gefahr, daß zu einem,
wenn auch zeitlich nicht vorhersehbaren Zeitpunkt gerade finanziell schlechter gestellte
oder unerfahrene Personen sich dazu veranlaßt sehen können, sich aufgrund einer
unrealistischen Gewinnerwartung vorzugsweise an Freundes- oder Verwandtenkreise
zu wenden, um ihre finanzielle Situation mit einem Schlage zu verbessern oder gar zu
diesem Zwecke wegen der scheinbare einfachen Geldmaximierung einen
entsprechenden Kredit aufzunehmen, den sie wegen der gescheiterten Gewinnaussicht
nicht mehr zurückzahlen können (vgl. OLG Celle NJW 1996, 2660 f.).
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Die generelle Sozialschädlichkeit derartige Geldanlagespiele beruht zudem auf der
weiteren Gefahr, daß schon allgemein, vor allem aber bei zunehmender
Marktverstopfung, ein neu hinzugewonnener Teilnehmer bestrebt sein könnte, ohne
Rücksicht auf ein ggfs. bereits drastisch erhöhtes Risiko unwahre Aussagen zu den
Gewinnaussichten des Systems zu machen, um auf diese Weise andere zu möglichen
Verlierern zu machen (vgl. OLG Köln BB 1971, 1209 f.).
36
4.
37
Der sich aus § 812 Abs.1 S.1 BGB dem Grunde nach bestehende
Rückforderungsanspruch der Klägerin wird allerdings aufgrund der in vorliegendem
Rechtsstreit gemäß § 817 S.2 BGB eingreifenden Kondiktionssperre ausgeschlossen.
Nach dieser Bestimmung ist dem Leistenden (hier dem Mitspieler eines
Geldsystemspiels) das Recht zur Rückforderung verwehrt, wenn er mit seiner Leistung
gleichfalls gegen die guten Sitten verstoßen hat und zwar unabhängig davon, ob
lediglich das Grundgeschäft (hier die Zweckvereinbarung) oder auch das
Erfüllungsgeschäft (hier die als "Schenkung" vollzogene Zahlung) trotz deren abstrakten
Charakters von der Vorwurf der Sittenwidrigkeit erfaßt wird und aus diesem Grunde
auch die Voraussetzungen der Vorschrift des § 817 Abs.1 BGB als spezieller,
zusätzlicher Anspruchsgrundlage erfüllt sind.
38
a.
39
Bei der Anwendung des § 817 Satz 2 BGB ist zunächst festzustellen, daß diese
Bestimmung ebenso wie Satz 1 nach ihrem Wortlaut einen Ausschluß der Kondiktion
allein von einem objektiven Verstoß gegen das Gesetz oder die guten Sitten abhängig
macht, ohne weder bei dem Empfänger noch dem Geber auf deren Bewußtseinslage,
d.h. ihre Kenntnis oder vorwerfbare Unkenntnis der objektiven Sittenwidrigkeit, mithin
auf subjektive Merkmale abzustellen. Diese gesetzliche Regelung wird vielfach als
gesetzgeberisch verfehlt angesehen, weil hiernach bei zweiseitigen Rechtsgeschäften
der Vorleistenden auf das hohe eigene Risiko handelt, seine Leistung nicht
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zurückfordern zu können, ohne selber jedoch seinen Anspruch auf die vereinbarte
Gegenleistung durchsetzen zu können, diese Regelung mithin leicht zu unbilligen
Ergebnissen führen kann (vgl. Palandt-Sprau, 62.Aufl., § 817 Rdr.14). Aus diesem
Grunde entspricht es einhelliger Rechtsmeinung, den Anwendungsbereich dieser
Vorschrift mittels bestimmter Anforderungen an gewisse subjektive Voraussetzungen in
der Person des Leistenden einzuschränken, wobei angesichts des Fehlens einer
entsprechenden gesetzlichen Vorgabe das Meinungsspektrum sehr breitgefächert ist.
Soweit, wie ganz überwiegend, zur Begründung für den Kondiktionsausschluß der
Aspekt der Rechtschutzverweigerung angeführt wird, weil derjenige, der sich außerhalb
der Rechts- bzw. Sittenordnung stellt, für die Rückabwicklung eines zweifelhaften
Rechtsgeschäftes keinen Rechtsschutz verdiene (Palandt-Sprau aaO m.N.; Lieb, MüKo,
§ 817 Rdr.42), müßte konsequenterweise das Bewußtsein des Gesetzes- oder
Sittenverstoßes, mithin Vorsatz, für eine Sperrwirkung gefordert werden. Abgesehen
davon, daß das innere Tatbestandsmerkmal des Bewußtseins der Sittenwidrigkeit
praktisch jedoch kaum nachweisbar wäre, würde bei der Anforderung eines Vorsatzes
derjenige benachteiligt, der über das sensiblere Gewissen und das ausgeprägtere
moralethische Empfinden verfügt als derjenige, dem derartige Eigenschaften gänzlich
fremd sind oder der gar völlig sittenblind ist (vgl. Staudinger-Lorenz, 13. Aufl., § 817
Rdr.21). Im vorliegenden Falle würden insoweit beispielsweise alle Teilnehmer des
Herzkreises von einer derartigen Rechtsauffassung profitieren, die sich trotz ihrer
berufsmäßig zu unterstellenden Kenntnis vom Stand der BGH-Rechtsprechung
weigerten, sich deren Beurteilung von Geldsystemen, die auf dem Schneeballprinzip
aufgebaut sind, unter Berufung auf ihre Meinungsfreiheit, anzuschließen und weiterhin
die gegenteilige These vertreten würden.
Um diesen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen, soll nach anderer gewichtiger
Meinung für den Kondiktionsausschluß die Kenntnis des Gebers von den die
Sittenwidrigkeit begründenden relevanten Umstände ausreichen, da eine derartige
Kenntnis den Schluß rechtfertige, der Leistende müsse sich des Sittenverstoßes bewußt
gewesen sein (Lieb aaO Rdr.43). Ob eine derartige Schlußfolgerung zwingend oder
widerlegbar sei, wird hierbei offengelassen.
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Die überwiegende, auch höchstrichterliche Rechtsprechung trägt den angeführten
Bedenken insoweit Rechnung, als sie gleichfalls nicht die Feststellung des positiven
Bewußtseins einer möglichen Sittenwidrigkeit fordert, sondern für ausreichen hält, daß
sich der Leistende dieser Einsicht leichtfertig verschlossen hat. Durch das zusätzliche
Merkmal der Leichtfertigkeit werden zwar an sich höhere Anforderung an die
Begründetheit einer Kondiktionssperre gestellt als bei einem bloßes "Sichverschließen",
doch kommt diesem, auf einen erhöhten Schuldvorwurf hinauslaufenden Merkmal in der
Praxis letztlich keine entscheidende Bedeutung zu, soll doch zu seiner Verwirklichung
bereits die unstreitige Kenntnis von der Konzeption des Spiels genügen (OLG Celle
aaO).
42
Im Ergebnis ist jedenfalls vorliegend festzustellen, daß auch nach der von der
Rechtsprechung entwickelten Formel eines "Leichtfertigen Verschließens von der
Erkenntnis der Sittenwidrigkeit" in der Person der Klägerin bereits nach dem
unstreitigen Parteivorbringen in Verbindung mit der persönlichen Anhörung der Parteien
die Voraussetzungen der gesetzlichen Kondiktionssperre erfüllt sind.
43
b.
44
Unabhängig nämlich von der Frage, ob und in welchem Umfang die Klägerin gemäß der
unter Beweis gestellten Behauptung der Beklagten bereits durch die benannte Zeugin
Frau T über die Systematik des Schenkkreises, seine Risiken, insbesondere ein
zwangsläufiges Totlaufen aufgrund einer Erschöpfung des potentiellen
Mitspielerreservoirs sowie den Ruf des Unseriösen, der den Schenkkreisen anhafte,
unterrichtet worden ist, ist jedenfalls die Systematik des Gewinnspiels der Klägerin
spätestens anläßlich der ersten Informationsveranstaltung im Hause der Beklagten
anschaulich erläutert worden. Unwidersprochen hat die Beklagte bei ihrer Anhörung
darlegt, die Funktionsweise des Herzkreises sei an einer Schautafel mit einem
Reißverschluß in der Mitte den Interessenten demonstriert worden. Danach war
zweifelsfrei der Aufbau des einzelnen aus 15 Positionen pyramidal zusammengesetzten
Herzkreises, die Erfassung des Neueinsteigers auf der untersten Ebene, die
Notwendigkeit der Akquisition von neuen Mitspielern für einen Aufstieg auf eine
Empfängerposition sowie insbesondere auch die Zellteilung jeder Pyramide bei
vollständiger Auffüllung der Basisteilnehmer, verbunden mit dem Ausscheiden des
Inhabers auf der Empfängerpositionen, der Anhebung der unteren drei Ebenen auf die
jeweilige höhere Ebene sowie die zusätzlich notwendige Auffüllung der freigewordenen
untersten Ebene der beiden neu entstandenen Pyramiden um je 8 neue Teilnehmer für
jeden Anwesenden erkennbar. Zugleich war aus einer derartigen Demonstration der
Funktionsweise eines Herzkreises jedem auch mathematisch weniger Begabten das
diesem Gewinnspiel zugrundeliegende Schneeballprinzip ohne weiteres verdeutlicht,
wonach für jeden ausscheidenden Teilnehmer nicht lediglich ein einziger Nachfolger,
sondern wegen der Zellteilung der Pyramide insgesamt 16 neue Teilnehmer gefunden
werden mußten, um in den beiden neu gebildeten Pyramiden ein Aufrücken um jeweils
eine Ebene bewerkstelligen zu können. Hiernach mußte an sich jedem bei nüchterner,
von eigener Gewinnsucht nicht getrübter Betrachtung die Erkenntnis aufdrängen, daß
ein derartiges als Selbstläufer konzipiertes Spielsystem eines laufend überproportional
anwachsenden, immer größerer werdenden Kreises von mitwirkungsbereiten
Ansprechpartnern bedürfte, je früher es bereits in Gang gesetzt worden bzw. je länger es
im Zeitpunkt des Beitrittes "am Laufen" war. Damit war an sich schon durch eigene
Reflexion das Problem der Marktverengung erkennbar, nämlich die unausweichliche
Tatsache, daß zu einem bestimmten Zeitpunkt angesichts der progressiven Entwicklung
der Teilnehmer das System zwangsläufig kollabieren würde, wobei gerade in erster
Linie im Hinblick auf die Verlustgefahr für die später in das Pyramidenspiel
Eingestiegenen dessen Sittenwidrigkeit gesehen wird. Dabei wird das Verwerfliche
dieser Spiele besonders daran deutlich, daß bei einer Kollabierung des Systems die
Zahl der leer ausgegangenen Mitspielern, die, wie die frustrierte Klägerin sich "über den
Tisch gezogen" fühlen, um so größer ist, je erfolgreicher das Spiel zunächst nach seiner
Ingangsetzung ist und aufgrund der damit verbundenen positiven Werbewirkung
wiederum anfänglich einen immer größer werdenden Mitspielerkreis anlockt, bis es
letztlich zu dem unvermeidbaren Crash kommen muß. Bei dem zwangsläufigen Ende
jeden Herzkreises in der beschriebenen Form stehen sich, wie bereits eine einfache
Überlegung zeigt, der Anzahl der Gewinner stets die Achtfache Anzahl von Verlierern
gegenüber, die für die Gewinner die "Zeche" zu zahlen hatten.
45
c.
46
Vorliegend kommt hinzu, daß der Klägerin entgegen ihrem Bestreiten der Spruch "die
letzten beißen die Hunde", mit dem das Risiko der Markterschöpfung ebenso laienhaft
wie treffend und anschaulich angesprochen ist, zweifelsfrei bekannt war. Denn sie hat -
entgegen ihrer Erklärung in der mündlichen Verhandlung - in ihrem nachgelassenen
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Schriftsatz vortragen lassen, von den ihrer anwaltlichen Replik vom 12.1.04 beigefügten
Unterlagen - die unstreitig überwiegend mit dem streitgegenständlichen Herzkreis nicht
zusammenhängen und insoweit nur irreführten - hätte die Beklagte ihr die nachträglich
vervollständigte 7-seitige Informationsschrift zur Verfügung gestellt, zudem seien die in
dieser Schrift aufgeführten Argumente bei dem ersten Herzkreistreffen verwandt wurden,
um sie, die Klägerin, zum Eintritt in den Kreis zu verlocken.
In dieser Schrift wird jedoch unter Ziff.3) der angeführte Spruch wortwörtlich zitiert.
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Zutreffend ist zwar insoweit, daß mit der zugleich erteilten - vermeintlichen -
Argumentationshilfe das Problem der Markterschöpfung wohl unverhohlen
angesprochen, jedoch verharmlost wird und durch diese Verharmlosung zugleich die
Bedenken gegenüber einer Teilnahme an einem Herzkreis zerstreut werden sollten. Der
Zynismus dieser Argumentshilfe ist jedoch so offensichtlich, daß er, sofern nicht jegliche
Kritikfähigkeit aussetzt, bei jedem durchschnittsbegabten Menschen genau das
Gegenteil von dem, war die scheinheilige Argumentation bezweckte, bewirken müßte.
Denn mit dem Hinweis, daß mathematisch die Welt irgendwann alle - will heißen
bevölkerungsmäßig vollständig erfaßt - sei, bis zu diesem Zeitpunkt jedoch
Generationen vergehen würden, wird konsequenterweise bewußt nicht nur die
Spielfolge in Kauf genommen, daß auf Kosten einer späteren Generation sich die
gegenwärtigen Menschheit oder zumindest ein Teil von ihr bereichern könne. Noch viel
anstößiger erscheint die mit dieser Argumentation suggerierte Vorstellung, für ein
derartiges Geldsystemspiel kämen als Teilnehmerinnen nicht nur mehr oder weniger
betuchte Bundesbürgerinnen, sondern beispielsweise auch die übergroße Anzahl
einkommensloses, in grenzenlosem Elend lebenden Menschen in den Armutszonen
dieser Erde als potentielle Mitwirkende an einem Herzkreis in Betracht, die bereit und in
der Lage seien, eine mit einer Spielteilnahme verbundene vermeintlich realistische
Chance auf eine achtfache Vervielfachung des Einsatzes realisieren zu können.
49
d.
50
Hinzu tritt weiterhin, daß unter Ziff.2 der Informationsschrift der ausdrückliche Hinweis
enthalten ist, wonach die juristischen Einschätzungen zu dem Zirkel nicht ganz
eindeutig seien, deshalb ein sensibler Umgang mit dem Zirkel in der Öffentlichkeit nötig
und im Zweifel immer erst mit den Zirkel-Frauen zu sprechen sei.
51
Eines deutlicherer Hinweis auf die Anrüchigkeit des Systems in dieser schriftlich
dokumentierten Empfehlung, sich bei Bedenken an eine durch ihre eigene
Teilnehmerschaft, zudem durch ihr eigenes Gewinninteresse befangene Zirkel-Frau,
nicht jedoch an eine neutrale, unvoreingenommen die Rechtslage prüfenden Instanz zu
wenden, bedarf es an sich nicht, um zu der Feststellung zu gelangen, daß derjenige, der
sich trotz solcher Ratschläge zu einer Teilnahme an einem Herzkreis entschlossen ,
leichtfertig der Erkenntnis der Sittenwidrigkeit verschlossen hat.
52
e.
53
Auch die übrigen in der Informationsschrift erteilten Auskünfte, Empfehlungen und
Ratschläge sind nicht geeignet, im vorliegenden Fall die Erkenntnismöglichkeit von der
Sittenwidrigkeit des Pyramiden-Geldgewinnspieles hinreichend zu verschleiern, sofern
nicht allein schon die Zahl und Art der Fragen das Dubiose und Unseriöse des Spieles
hinreichend indizierten. U.a. bei der Berufung der Klägerin auf das Kapitel Sponsoring
54
gemäß Ziff.13 der Informationsschrift ist beispielsweise nicht ersichtlich, inwieweit diese
hierzu gemachten Ausführungen die Notwendigkeit, neue Teilnehmer für das Spiel zu
akquirieren, um eigene Gewinnerwartungen zu verwirklichen, vernebelt werden. Daß
Anwerbungen für eine Realisierung der eigenen Gewinnchance notwendig waren, da
nicht damit gerechnet werden konnte, daß sich neue Interessenten von selber um eine
Teilnahme bemühen würden, lag auf der Hand. Das wußte die Klägerin bereits aufgrund
ihrer eigenen Anwerbung aus eigener Erfahrung. Eigene Bemühungen um
Neueinsteiger waren zwar zweckmäßig, um seine Gewinnchancen zu verbessern, nach
dem Funktionsprinzip hingegen nicht zwingend erforderlich, da die erforderliche
Rekrutierung auch von den übrigen Mitspielern veranlaßt werden konnte. Ein
klägerseits behaupteter, jedoch erst nachträglich ausgeübter Druck ist rechtlich
irrelevant, da er sich jedenfalls nicht kausal auf die Entscheidung der Klägerin zu einer
Teilnahme an dem Herzkreis ausgewirkt haben kann. Soweit darüber hinaus in der
Informationsschrift oder mündlich mit den Vorzügen geworben wird, die sich daraus
ergeben würden, daß mit der Teilnahme an einem Herzkreis zugleich eine Einbindung
in ein Frauennetzwerk verbunden sei, das seinerseits Kommunikationsmöglichkeiten,
emotionale Geborgenheit und sonstige immateriellen Werten böte, mag hierin ein
zusätzlichen Motiv für die Entscheidung der Klägerin, sich an dem Herzkreis-
Systemspiel zu beteiligen, gewesen sein. Nicht ersichtlich ist jedoch, inwieweit die
Darstellung der propagierten Zielvorstellungen eines Frauenkreises die Erkennbarkeit
der Sittenwidrigkeit des eigentlichen Gewinnspiels hätten beeinflussen können. Auch
hier muß der allgemeine Erfahrungssatz in einer Konsumgesellschaft gelten, daß je
vollmundiger, prätentiöser oder pathetischer die Anpreisung und verbale Verpackung
eines Produktes ist, um so sorgfältiger und mißtrauischer die Beschreibung dieses
Produktes bzw. das Produkt selbst zu prüfen ist.
f.
55
Schließlich kann nicht der Auffassung gefolgt werden, ohne positive Kenntnis über die
Dauer des Spiels vor dem Eintritt und damit die eigenen Plazierung im Spielsystems
könne kaum dem Teilnehmer vorgeworfen werden, er habe dessen Sittenwidrigkeit
leichtfertig übersehen (so Willingmann, VuR 1997, 299(306)). Denn der Makel der
Sittenwidrigkeit haftet den Systemgewinnspielen nicht aus dem Grunde an, weil der
einzelne Teilnehmer sein eigenes Risiko, ggfs. leer auszugehen, ohne entsprechende
Aufklärung über die bisherigen Laufzeit nicht richtig einschätzen könne, sondern, wie
bereits ausführt auf dem Umstand, daß zwangsläufig eine noch unübersehbare Vielzahl
von späteren Teilnehmern systembedingt nicht nur einer Verlustgefahr ausgesetzt ist,
sondern unvermeidbar bei dem Kollabieren des Systems einen Verlust tatsächlich
erleiden wird, mithin die generelle Sozialschädlichkeit das Gewinnspiel prägt und ihm
dem Makel der Sittenwidrigkeit verleiht.
56
Im übrigen dürfte es zwar bei organisierten Systemspielen dessen Veranstalter möglich
sein, konkrete Angaben über die bisherige Ausbreitung des Spiels zu machen, nicht
jedoch dem einfachen Teilnehmer bei seine Suche nach neuen Mitwirkenden im Falle
der sich ohne kontrollierende Organisation jeweils verselbständigenden Pyramiden, da
von ihm ein entsprechender Überblick nicht erwartet werden kann.
57
5.
58
Die Feststellung, die Klägerin hätte sich gemäß der Formel der Rechtsprechung der
Erkenntnis der Sittenwidrigkeit des Herzkreis-Gewinnspiels leichtfertig verschlossen,
59
wäre allerdings wohl dann nicht gerechtfertigt, wenn sie sich aufgrund der äußeren
Umstände der Anwerbung in einer Streßsituation befunden hätte, in der ihr
verständigerweise die fehlende Wahrnehmung der oben dargestellten Warnzeichen
nicht vorgehalten werden könnte. Von einer derartigen Streßsituation ist aber nur dann
auszugehen, wenn, wie wohl zumindest bei einem Teil der früher entschiedenen
Sachverhalte geschehen, der einzelne Teilnehmer gegenüber dem Veranstalter sich
unter Vertragsstrafendrohung schriftlich zur Verschwiegenheit gegenüber
Außenstehenden verpflichten mußte, sich bereits bei der Informationsveranstaltung
unter Verweisung auf die Einmaligkeit der angebotenen Teilnahmemöglichkeit und
zugleich unter dem Eindruck der aggressiver Kundenwerbung sofort für eine Teilnahme
zu entscheiden hatte, unter diesem Entscheidungsdruck keine Gelegenheit hatte, in
Ruhe die Chancen und Risiken einer Mitwirkung abzuwägen sowie sich hinsichtlich der
Unbedenklichkeit des Systems Klarheit zu verschaffen und, sofern er sein
Teilnehmentgelt nicht sofort entrichten konnte, mit einen sogenannten Betreuer
vereinbart hatte, in Anschluß an die Veranstaltung, spätestens am ersten nachfolgenden
Werktag, seine Bank oder einen Dritten aufzusuchen, um sich das notwendige Geld zu
beschaffen und auszuhändigen bzw. auf das Konto des Veranstalters einzuzahlen (vgl.
Sachverhalt u.a.in AG Nürtingen NJW-RR 1996, 40; allgemein Willingmann VuR 1997,
299(300)).
Eine derartige Streßsituation lag im Falle der Klägerin zweifelsfrei nicht vor. Denn sie
wurde zunächst durch die benannte Zeugin Frau T, wenn auch in streitigem Umfang,
über das Spiel und die Teilnahmebedingungen informiert. Anschließend fand eine
Informationsveranstaltung im Hause der Beklagten dar, ohne daß sie zu diesem
Zeitpunkt bereits genötigt gewesen wäre, sich umgehend für eine Teilnahme zu
entscheiden. Ob und inwieweit sie, wie sie behauptet, bei dieser Gelegenheit auf eine
"sehr esoterische und emotionale Weise", was immer man darunter verstehen mag, in
das Spiel hineingelockt wurde, kann dahinstehen. Denn sie hatte genügend
Gelegenheit, in den folgenden zwei Wochen von der angeblich ausgeübten
psychologischen Beeinflussung Abstand zu gewinnen, sich insbesondere über das
Spiel selbst anhand der ihr auch schriftlich vorliegenden Unterlagen Gedanken zu
machen und ggfs. den Rat eines Dritten einzuholen. Soweit sie bei ihrer Anhörung
erklärt hat, anläßlich der Informationsveranstaltung hätte sie sich nicht getraut, Fragen
zu stellen, ist nicht ersichtlich, weshalb sie nicht Frau T, die sie geworben hatte und die
ihr über ihre jeweiligen Töchter bekannt war, nicht im Anschluß an das Treffen um eine
Beantwortung der für sie noch offenen Fragen gebeten hat. Schließlich muß davon
ausgegangen werden, daß die Klägerin sich mit dem Dritten, der ihr die 5.000,-- EUR
nach ihren Angaben geliehen hat, noch hätte beraten lassen können, sie sich
unabhängig hiervon zudem selbst erst nach durchaus reiflicher eigener Überlegung zu
den Risiken eines Einsatzes für diese Form der Geldanlage und zu Gründen des
Risikos entschieden hat. Dabei ist allgemein, sozusagen als "Binsenweisheit" bekannt,
dass die Risiken einer Geldinvestition umso höher sind, je unverhältnismäßiger die
damit in Aussicht gestellten Gewinnerwartungen sind. Dass der Klägerin ein derartiger
Erfahrungssatz aufgrund mangelnder Lebenserfahrung völlig fremd gewesen ist, kann
ihr kaum unterstellt werden.
60
6.
61
Die hiernach zu Lasten der Klägerin eingetretene Kondiktionssperre kann ihrerseits
nicht durch eine Abwägung der Schwere des von beiden Parteien einer sittenwidrigen
Vereinbarung begangenen Sittlichkeitsverstoßes umgangen werden. Zwar wird ua mit
62
dem Bemühen, eine im Einzelfall als gerechter erscheinende Lösung zu finden, die
vereinzelt gebliebene Auffassung vertreten, der Anspruch des Leistenden auf
Gewährung von Rechtsschutz zu seinen Gunsten könne nur dann verwirkt sein, wenn
sein Verstoß gegen die guten Sitten mindestens ebenso schwer wie der des
Leistungsempfängers wiege (so LG Trier NJW-RR 1990,313 f.). Mit der für diese Ansicht
gegebenen Begründung, die Bestimmung des § 817 S.2 BGB sei eng auszulegen, weil
der Zweck dieser Vorschrift nicht in einer Strafsanktion gesehen werden, andernfalls nur
der Leistende einseitig benachteiligt werde, läßt sich diese Auffassung allerdings
aufgrund der bestehenden Gesetzeslage nicht rechtfertigen. Denn im
Bereicherungsrecht ist die Abwägung des beiderseitigen Grades des Sittenverstoßes
weder vorgesehen noch zulässig (OLG Celle NJW 1996, 2660 (2661); Staudinger-
Lorenz, aaO, Rdr.21 m.N.).
7.
63
Schließlich kann bei vorliegendem Systemgewinnspiel die Kondiktionssperre des § 817
S.2 BGB nicht, wie klägerseits angedeutet, mit einer Berufung auf den Gesichtspunkt
von Treu und Glauben ausgehebelt werden, selbst wenn im Einzelfall aufgrund der
gänzlich unterschiedlichen Gewichtung des jeweiligen Fehlverhaltens ein derartiger
Lösungsansatz möglicherweise wünschenswert wäre.
64
Zum einen erscheint es nämlich schon im Ansatz widersprüchlich, demjenigen, dem
selber ein Verstoß gegen die Sittenordnung als Inbegriff der unerläßlichen Grundregeln
menschlichen Zusammenlebens vorzuwerfen ist, die Berufung auf den Grundsatz von
Treu und Glauben zu gestatten und der Gegenseite unzulässige Rechtsausübung
vorzuhalten. Zum anderen kommt hinzu, daß der Rechtsgrund, der nach herkömmlicher
Auffassung der Bestimmung des § 817 S.2 BGB zugrunde liegt, dem Leistenden
nämlich aufgrund seines eigenen Sittenverstoßes die Inanspruchnahme der Gerichte
zur Durchsetzung seiner Ansprüche zu versagen, nicht dadurch obsolet wird, daß dem
Leistungsempfänger ein wenn auch vergleichsweise gewichtigerer Verstoß gegen die
guten Sitten zur Last gelegt werden kann.
65
Gleichwohl hat die Rechtsprechung insbesondere bei Verstößen gegen ein
gesetzliches Verbot den Anwendungsbereich des § 817 S.2 BGB aus dem
Gesichtspunkt des § 242 BGB eingeschränkt, um keine Vermögensverschiebung als
endgültig zu sanktionieren, bei der ansonsten eine von der Rechtsordnung als unbillig
angesehener Zustand durch Ausschluß des Rückforderungsanspruches legalisiert
werden würde (Palandt-Sprau, BGB, § 817 Rdr.20 m.N.) Wie jedoch eingangs
ausgeführt, handelte es sich bei dem Herzkreisspiel, an dem die Parteien sich
beteiligten, um kein gesetzlich verbotenes Glückspiel im Sinne des § 284 ff StGB.
Ebensowenig läßt sich eine Strafbarkeit des als "Selbstläufersystem" konzipierten
Spielsystems aus der wettbewerbsrechtlichen Vorschrift des § 6c UWG herleiten, bei
denen der Einstieg und die Fortschreibung der einzelnen Herzkreispyramiden allein in
der Verantwortung der privaten Teilnehmer liegt und eine von außen auf den Spielfluß
einwirkende Kontrolle nicht stattfindet (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht,
22.Aufl., § 6c Rdr.4). Etwaige anderweitige Behauptungen entsprechend den von der
Klägerin in ihrem nachgelassenen Schriftsatz aufgestellten Vermutungen sind in keiner
Weise durch vorgetragene Tatsachen belegt.
66
Bei einem Verstoß gegen die guten Sitten hingegen hat die Rechtsprechung zwar in
einem besonders krassen Fall, nämlich bei bestimmten Bordell-Geschäften, ein
67
zwingendes Bedürfnis gesehen, dem allgemeinen Arglisteinwand gegenüber der
Berufung auf die Kondiktionssperre zur Vermeidung eines untragbaren Ergebnis
Rechnung zu tragen. Ob dieser rechtliche Ansatzpunkt auf schon kommerziell initiierte
Systemgewinnspiele mit einer entsprechend geschulten Werbe-, Vertriebs- und
Betreuungs- und Überwachungsorganisation übertragen werden kann, kann vorliegend
dahingestellt bleiben, zumal unter den genannten Umständen wohl ein Sittenverstoß
des Teilnehmer gemäß der für diese Fallgestaltung ergangenen Rechtsprechung in der
Regel zu verneinen sein dürfte, weil diesem unter den genannten, besonderen
Voraussetzungen eine eigenständige Prüfung und Willensbildung mit dem hierfür
erforderlichen zeitlichen Abstand und ohne äußeren, wenn auch nur psychologisch
erklärbaren Druck nicht möglich wäre.
Eine derartige Streßsituation lag für die Klägerin, wie ausgeführt, nach dem unstreitigen
Ablauf ihres Informations- und Entscheidungsprozesses jedoch nicht vor. Bei einem
eigenen vorwerfbaren Sittenverstoß des erfolglos gebliebenen Mitwirkenden erscheint
im übrigen der Ausschluß eines Rückforderungsrechtes nicht schlechthin unbillig und
untragbar, da nach der Bestimmung des § 762 Abs.1 S.1 BGB Spielvereinbarungen
grundsätzlich nicht rückabgewickelt werden sollen, diese Vorschrift zwar nicht nach
ihrem Wortlaut, wohl aber nach ihrem zugrundeliegenden Rechtsgedanken durchaus
auf den streitgegenständlichen Herzkreis übertragen werden kann (OLG Celle aaO). Bei
sittenwidrigen Geldgewinnspielen wird dieser Rechtsgedanke von seinem Ansatz her
nach der gesetzlichen Wertung in der Kondiktionssperre des § 817 S. BGB fortgeführt.
68
Deshalb ist unerheblich, daß die Beklagte, die - mangels gegenteiligen Vortrages -
weder das Systemspiel initiiert noch die Klägerin für das Spiel geworben noch
nachweislich anläßlich des Treffens in ihrem Hause das Gewinnspielsystem selber
erläutert hatte, konkludent in ihrer Klageerwiderung eingeräumt hat, durch die
umfangreiche Presseberichterstattung über die zuvor ergangene höchstrichterlichen
Entscheidungen und damit auch über deren Beurteilung des Charakters vergleichbarer
Gewinnsystemspiele informiert gewesen zu sein, wenngleich im übrigen nicht
feststellbar ist, daß sie über weitergehende Informationen als diejenigen verfügte, die in
der auch der Klägerin zugänglich gemachten 7-seitigen Informationsschrift enthalten
gewesen sind. Dabei tritt vorliegend noch der weitere Gesichtspunkt hinzu, daß die
Klägerin mit ihrer Zahlung, auch soweit diese als Eintrittsentgelt für ihre Erfassung in
einer bestimmten Herzkreispyramide zu werten ist, keine einseitige Vorleistung erbracht
hat, da sie den "Gegenwert" für diese Zahlung, nämlich die Chance für eine achtfache
Geldvermehrung ihres Einsatzes, tatsächlich erhalten hatte. Der Umstand, daß sich dies
tatsächliche Chance nachfolgend nicht realisieren ließ, muß im Zusammenhang mit der
Prüfung eines Rechtsmißbrauchseinwandes außer Betracht bleiben.
69
8.
70
Schlußendlich entfällt das Eingreifen der Kondiktionssperre gemäß 817 S.2 BGB nicht
deshalb, weil die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 11.6.03 ihre Geldübergabe vom
18.12.02 widerrufen hat und dieser Widerruf als rechtzeitige Anfechtung der
Übereignung des Geldbetrages als abstraktes Erfüllungsgeschäftes wegen arglistiger
Täuschung gemäß § 123 BGB gewertet werden könnte. Dabei braucht die wohl zu
bejahende Frage, ob die Anfechtung eines bereits wegen Sittenwidrigkeit nichtigen
Rechtsgeschäfte möglich und bei einem tatsächlich bestehenden Anfechtungsrecht die
Sperrwirkung des § 817 S.2 BGB aufgehoben wird, vorliegend keiner näheren
Erörterung. Denn eine arglistige Täuschung der Klägerin durch die Beklagte selbst oder
71
einen Dritten im Sinne des § 123 Abs.2 BGB, sei es durch die benannte Zeugin Frau T,
die sie für die Informationsveranstaltung Anfang Dezember 2002 geworben hat, sei es
durch diejenige Person, die bei diesem Treffen das System erläutert hat, ist nicht
feststellbar. Eine die Arglistanfechtung begründende Täuschung erfordert nämlich das
Vorspiegeln oder Entstellen von Tatsachen, die sich auf objektiv nachprüfbare
Umstände beziehen, reine subjektive Werturteile oder reklamehafte Anpreisungen sind
insoweit irrelevant (Palandt-Heinrichs, BGB, § 123 Rdr.3). Eine Garantie oder zumindest
ein sicheres Erfolgsversprechen wurde jedoch erkennbar nicht gegeben. Eine derartige
konkrete Erfolgszusage wird von der Klägerin selber nicht behauptet. In ihrem
Widerrufsschreiben vom 11.6.03 räumt sie nämlich selber ein, ihr sei das Achtfache
ihres Geldes innerhalb von 3-4 Monaten in Aussicht gestellt worden, mithin nichts
versprochen worden ist. Unstreitig blieb darüber hinaus das persönliche Vorbringen der
Beklagten im Termin, bei dem Treffen in ihrem Hause hätte eine Teilnehmerin bemerkt,
"das Geld sei wie im Spielkasino verzockt, wenn man nicht durchkomme". Mit dieser
Bemerkung wurde unmißverständlich und unwidersprochen die Erkenntnis zum
Ausdruck gebracht, daß dem Herzkreis-Spiel wie beim Roulettespiel, wenn auch ggfs.
mit einer größeren Gewinnchance, ein nicht unerhebliches Verlustrisiko hinsichtlich des
Einsatzes anhafte. Angesichts derart eindeutiger und unmißverständlicher
Diskussionsbeiträge scheidet die Annahme einer zudem arglistigen Täuschung über
das mit einem Spielbeitritt verbundene Verlustrisiko von vornherein aus. Ebensowenig
lassen sich aus der 7-seitigen Informationsschrift, die nach ihrem Vortrag in dem
nachgelassenen Schriftsatz bei dem Informationstreffen im Hause der Beklagten verteilt
und auf deren Grundlage die Teilnehmer zusätzlich mündlich argumentativ unterrichtet
wurden, entstellende Tatsachen herausfiltern, die den Vorwurf einer
Täuschungshandlung begründen könnten. Konkrete unzutreffende Fakten hinsichtlich
des Spiels, seiner Gewinnaussichten sowie den Bedingungen für eine Inganghaltung
durch die Notwendigkeit ständig neuer Mitgliederwerbung, auch in Form des
Sponsoring, sind dieser Schrift nicht zu entnehmen. Die äußerst zweifelhafte Frage, ob
und wieweit die erteilten Argumentationshilfen bei näherer Betrachtung überhaupt
stichhaltig und überzeugend waren, unterlag hingegen einer rein subjektiven
Bewertung. Eine generelle Behauptung, das Pyramidenspiel eines Herzkreises sei nicht
sittenwidrig, ist jedenfalls in dieser Schrift nicht enthalten.
Die Äußerung einer derartigen Rechtsansicht ,die nach dem nachgelassenen Vortrag
der Klägerin von zwei namentlichen genannten Rechtsanwältinnen vertreten sein soll,
wird zwar nach der Rechtsprechung als Vorspiegelung einer Tatsache gewertet, wenn
dadurch - wie vorliegend - die materielle Rechtslage unrichtig dargestellt wird (Palandt-
Heinrichs, BGB, § 123 Rdr. 3 m.N.). Vorliegend behauptet die Klägerin jedoch nicht,
diese unzutreffende Rechtsansicht sei von irgendeiner Teilnehmerin bereits bei der
Informationsveranstaltung im Hause der Beklagten oder vor der Geldübergabe im Haus
von Frau T geäußert worden, eine ihr später bekanntgewordene Äußerung dieser
verfehlten Rechtsansicht hat sich daher nicht ursächlich auf ihre "Schenkung" an die
Beklagte ausgewirkt.
72
Ebensowenig läßt sich feststellen, die Klägerin sei durch unzutreffende Angaben von
Tatsachen zu den Zielsetzungen und Vorzügen des sog. Frauennetzwerkes, in das
jeder am Herzkreis Teilnehmende eingebunden werde, arglistig getäuscht worden.
Einer näheren Begründung durch ein detailliertes Eingehen auf dieses angeblich
Kommunikation, Geborgenheit und Hilfestellung bietende Frauenbeglückungsprogramm
bedarf es nicht, da die Klägerin nicht einmal vorträgt, sich an dem Herzkreis beteiligt zu
haben, um in den Genuß der in Aussicht gestellten immateriellen Werte des
73
Frauennetzwerkes zu gelangen. Die Annahme, derartige Erwartungen seien für ihre
Entscheidung zur Teilnahme an dem Herzkreis-Gewinnspiel ausschlaggebend, d.h.
kausal gewesen, ist offenkundig gegenstandslos, hat die Klägerin doch die von ihr
gezahlten 5.000,-- EUR von der Beklagten in ihrem Schreiben vom 11.6.03
ausschließlich mit der rein materiellen Begründung zurückgerufen, sie fühle sich völlig
überrumpelt, da trotz des in Aussicht gestellten Achtfachen Gewinnbetrages nichts
passiert sei.
III.
74
Ihr Klagebegehren kann die Klägerin schließlich nicht auf einen deliktsrechtlichen
Schadenersatzanspruch stützen.
75
1.
76
Für einen Schadenersatzanspruch aus unerlaubter Handlung wegen Verletzung eines
Schutzgesetzes gemäß § 823 Abs.2 iVm § 263 StGB sind die Voraussetzungen eines
von der Beklagten begangenen Betruges nicht dargetan. Bereits bei der Erörterung
eines etwaigen Anfechtungsrechtes wurde ausgeführt, daß bei vorliegend zu
beurteilendem Herzkreis der Vorwurf einer arglistigen Täuschung gegenüber keinem
der Beteiligten, geschweige denn gegenüber der Beklagten erhoben werden kann. Als
aktiver Beitrag ist dieser nur die in dem nachgelassenen Schriftsatz vorgetragene
Verteilung der Informationsschrift zuzurechen, der jedoch keine täuschende
Vorspiegelung oder Entstellung von Fakten zu entnehmen ist. Im übrigen hatte die
Beklagte vor ihrem Ausscheiden mangels gegenteiliger Feststellungen lediglich die
Stellung als einfaches Mitglieder innerhalb der die Herzkreis-Pyramide bildenden
Interessengemeinschaft, eine Stellung, wie sie auch von der Klägerin nach ihrer
Erfassung in dieser Pyramide eingenommen wurde.
77
2.
78
Ein Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Vermögensschädigung gemäß § 826 BGB
scheitert daran, daß bereits allgemein kein besonders verwerfliches Handeln gegenüber
Klägerin feststellbar ist, war sie doch u.a. anhand der Grafik anschaulich über die
wesentlichen Merkmale des Spielsystems, d.h. die Notwendigkeit der Anwerbung neuer
Teilnehmer zur Realisierung der eigenen Gewinnchance sowie den systembedingten
Verlust ihres Einsatzes bei ihrer Erfassung in der von ihr gewählten Herzpyramide
informiert. Auf das gleichfalls systemimmanente Problem wurde sie zwar nicht
ausdrücklich hingewiesen, immerhin war es nicht nur, wie angeführt, aufgrund der
mündlichen Diskussion, sondern gleichfalls in der Informationsschrift angedeutet. Von
dem ihr bei dem ersten Treffen eingeräumten Fragerecht wie auch der fortbestehenden
Aufklärungsmöglichkeit bis zu ihrem Beitritt bei dem zweiten Treffen hatte die Klägerin
keinen Gebrauch gemacht. Unter diesen Umständen käme der Vorwurf einer
vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Klägerin nur in Betracht, wenn eine
etwaige geistige Schwäche oder Unerfahrenheit bei ihr rücksichtslos ausgenutzt worden
wäre (OLG Celle aaO). Zu einer derartigen Annahme besteht hinsichtlich der Klägerin,
die Mutter einer wohl bereits volljährigen Tochter ist, allein aus dem Grunde, daß sie
sich auf das Herzkreisspiel eingelassen hat, kein zureichender Anlaß.
79
Es kommt daher nicht einmal darauf an , daß die Beklagte, wie offenkundig, weder
Initiatorin noch Veranstalterin des Herzkreises noch, wie von der Klägerin in ihrem
80
nachgelassenen Schriftsatz erstmals, zumal ohne Beweisantritt, behauptet Moderatorin
bei dem Treffen in ihrem Hause gewesen ist, sondern lediglich ihre Wohnung für die
Informationsveranstaltung durch eine dritte Person zur Verfügung gestellt hat.
Angesichts ihrer auf eine als einfache Teilnehmerin an dem Gewinnspiel beschränkten
Rolle wäre es nämlich verfehlt, ihren eigenen Eintritt in die Pyramide als Tatbeitrag zu
einer gemeinschaftlich begangenen unerlaubten Handlung gegenüber der Klägerin mit
der Folge ihrer Mithaftung nach § 830 Abs.1 oder Abs.2 BGB zu bewerten (vgl. LG
Düsseldorf NJW-RR 1997, 306 f.). Denn in diesem Falle liefen konsequenterweise alle
Teilnehmer einer Pyramide, so auch die Klägerin, die Gefahr, gegenüber allen
Neueintretenden als Mittäter bzw. Gehilfen auf Rückzahlung haften zu müssen, da sie
sich prinzipiell dem Vorwurf ausgesetzt sähen, mit ihrem eigenen Eintritt die notwendige
Anwerbung neuer Teilnehmer zu einem sittenwidrigen Gewinnspiel nicht nur billigend in
Kauf genommen, sondern sogar gezielt angestrebt zu haben, auch wenn es bei ihnen
selbst lediglich bei dem Versuch einer eigenen "Abzockerei" geblieben wäre.
Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, die Beklagte hätte die
Informationsveranstaltung in Absprache mit anonymen, den Spielfluß organisierenden
und steuernden Hintermännern durchgeführt, demgemäß durch ihre Einbindung in eine
solche Organisation in Vergleich zu der Klägerin nicht nur eine gewichtige Rolle
gespielt, sondern zugleich über weit überlegenere Kenntnisse hinsichtlich der Risiken
des Herzkreisspiels verfügen würde, sind klägerseits, wie bereits mehrfach angeführt,
weder vorgetragen noch ansatzweise erkennbar.
81
3.
82
Schlußendlich ist ein teilweise diskutierter Schadenersatzanspruch aus § 823 Abs.2
BGB i.V.m. § 6 c UWG oder § 284 f StGB von vornherein ausgeschlossen.
83
Der gesetzgeberische Zweck der rein wettbewerbsrechtlichen Strafbestimmung liegt in
der Unterbindung eines unredlichen Wettbewerbes im geschäftlichen Verkehr, nicht
aber in dem Rechts- oder Rechtgüterschutz des Einzelnen, während es bei einem
Pyramiden-Gewinnspiel weder einen schützenswerten Mitbewerber oder überhaupt
einen schützenswerten Wettbewerb gibt (OLG Rostock JR 1998, 389 f.). Abgesehen von
den weiteren besonderen Voraussetzungen des § 6 c UWG fehlt es zudem bei den
Systemspielen, die sich nach ihrem Konzept im Anschluß an ihre Ingangsetzung ohne
eine von außen kommende Steuerung oder Organisation im Wege einer stetigen
Zellteilung in selbständigen Pyramideneinheiten fortsetzen, an einem Veranstalter im
Sinne dieser Vorschrift.
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Auf den Umstand, daß derartige "Selbstläufersystem" zumal im ausschließlich privaten
Bereich zudem kein Glückspiel im Sinne des § 284 f. StGB und daher auch nach dieser
Strafvorschrift nicht strafbar sind, wurde bereits hingewiesen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Ziff.11, 711 ZPO.
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