Urteil des AG Köln vom 07.12.2004

AG Köln: mrt, aufzählung, orthopädie, facharzt, nachzahlung, befund, versicherungsnehmer, versicherer, nichtigkeit, kernspintomographie

Amtsgericht Köln, 146 C 243/03
Datum:
07.12.2004
Gericht:
Amtsgericht Köln
Spruchkörper:
Abteilung 146
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
146 C 243/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte
durch Si-cherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckungsfähigen
Betrages abzuwen-den, sofern nicht die Beklagte ihrerseits Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Krankheitskostenversicherung.
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Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Tarifbedingungen des Tarifs B.
waren vereinbart. Der Kläger befand sich in der Zeit von September 2001 bis Juni 2002
in Behandlung bei Herrn Dr. T.wegen verschiedener orthopädischer Probleme.
Während der Behandlungen führte Herr Dr. T. eine MRT-Untersuchung durch. Er stellte
seine Leistungen in diesem Zeitraum insgesamt mit einem Betrag von 5504,14 € in
Rechnung. Auf diesen Gesamtbetrag erstattete die Beklagte einen Betrag von 1959,95
€. Den Restbetrag in Höhe von 3544,19 € begehrt der Kläger mit der vorliegenden
Klage.
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Der Kläger trägt vor, daß sämtliche Behandlungen medizinisch notwendig gewesen
seien. Die MRT-Untersuchungen seien zu einem Zeitpunkt begonnen worden, als die
jetzt zum Standard erhobenen Voraussetzungen noch gar nicht existiert hätten. Im
übrigen habe die Beklagte durch eine Zahlung einer solchen Untersuchung akzeptiert,
daß Herr Dr. T. die Untersuchung so wie er sie durchgeführt habe, auch berechnen
könne.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3544,19 € nebst 5 % Zinsen über dem
jeweiligen Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit dem 11.2.2003 zu
zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte stützt ihre Leistungsablehnung auf § 1 Abs. 2 AVB und das ärztliche
Gebührenrecht. Im einzelnen wird insoweit auf die Ausführungen in der
Klageerwiderung vom 8.12.2003 Bezug genommen. Neben dem Bestreiten der
medizinischen Notwendigkeit bestehe kein Anspruch auf Erstattung der MRT-
Untersuchung, da Herr Dr. T. diese fachfremd ausgeführt habe. Durch die in der
Vergangenheit liegende Gewährung von Versicherungsschutz im Einzelfall trete auch
keine rechtliche Bindung des Versicherers für zukünftige Fälle ein. Im übrigen sei eine
Nachzahlung von 25,20 € in der Rechnung vom 14.3.2002 bei der Berechnung der
Klageforderung durch den Kläger nicht berücksichtigt worden.
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Aufgrund des Beschlusses vom 10.2.2004 hat das Gericht Beweis erhoben.
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Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten
des Herrn Dr. H. vom 6.8.2004 Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen
Akteninhalt verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nicht begründet.
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Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erstattung der Behandlungskosten des Dr. T. für
die Behandlungen in der Zeit von September 2001 bis Juni 2002 aus dem zwischen den
Parteien bestehenden Versicherungsvertrag zu.
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Im einzelnen gilt folgendes:
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Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erstattung derr Kosten für die MRT-
Untersuchungen, die in den Rechnungen vom 15.10.2001 und 5.2.2002 aufgeführt sind,
zu. Insoweit hat die Beklagte zu Recht eine Erstattung verweigert.
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Denn gem. § 1 Abs. 2 GOÄ darf der Arzt Vergütungen nur für Leistungen berechnen, die
nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche
Versorgung erforderlich sind. Voraussetzung ist weiter, daß der Arzt die
abzurechnenden Leistungen auf seinem Fachgebiet erbracht hat. Der behandelne Arzt
Dr. T. ist Orthopäde. Gem. Art. 34 Abs. 1 des Bayerischen Heilberuf-Kammergesetzes ist
er verpflichtet, grundsätzlich nur in diesem Gebiete tätig zu werden. Die Durchführung
von MRT-Untersuchungen zählt jedoch nicht zum Gebiet der Orthopädie. Gem. Art. I Nr.
27 der Weiterbildungsverordnung für die Ärzte Bayerns gehört zum Fachgebiet der
Orthopädie u.a. die Erkennung von Formveränderungen und Funktionsstörungen,
Erkrankungen, Verletzungen und Verletzungsfolgen der Stütz- und Bewegungsorgane.
Zum Aufgabenbereich des Orthopäden gehört u.a. die Indikationsstellung und
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Befundbewertung durch CT, MRT, Szintigrathie und Angiographie. Die Durchführung
der MRT ist ausdrücklich nicht aufgeführt. In derselben Weiterbildungsverordnung ist
jedoch unter Nr. 6 die diagnostische Radiologie angegeben. Dort wird ausdrücklich die
MRT und die Kernspektroskopie angegeben, wozu eine Mindestzahl selbständig
durchgeführter Untersuchungen gehört. Es ist nicht nachvollziehbar, daß bei genauer
Beschreibung der Leistungen in den einzelnen Fachgebieten ein Arzt Tätigkeiten
selbständig ohne entsprechende Vorbildung auf einem anderen Fachgebiet ausüben
kann, das ausweislich der Weiterbildungsverordnung einem anderen Fachgebiet
zugewiesen ist. Dabei enthält gerade die Beschreibung des Fachgebiets der Orthopädie
nicht die Durchführung von MRT sondern lediglich die Indikationsstellung und
Befundbewertung.
Die Durchführung der MRT fällt in das Fachgebiet der diagnostischen Radiologie.
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Der Kläger hat nicht vorgetragen, daß Herr Dr. T. insoweit eine Zusatzqualifikation im
Bereich Radiologie erworben hat. Er hat lediglich vorgetragen, daß dieser mit diesen
Untersuchungen bereits zu einem Zeitpunkt begonnen hat, als die jetzt zum Standard
erhobenen Voraussetzungen noch gar nicht existierten. Im übrigen habe Herr Dr. T. an
Fortbildungsveranstaltungen teilgenommen. Dies belegt jedoch nicht, daß er eine
Zusatzqualifikation im Bereich der Radiologie erworben hat. Allein die Behauptung, daß
er bereits seit mehreren Jahren diese Untersuchungen durchgeführt hat, reicht auch für
eine Zusatzqualifikation nicht aus.
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Denn es ist nicht ersichtlich, welche Vorkenntnisse der Arzt für diese speziellen
Untersuchungsverfahren besaß, um die Durchführung einer solchen Diagnostik
beurteilen zu können. Durch die Aufzählung der verschiedenen medizinischen
Fachgebiete in der Weiterbildungsverordnung für die Ärze Bayerns, die der Facharzt
erworben haben muß, wird durch die Abgrenzung der einzelnen Gebiete deutlich, daß
die dort vorgenommene Aufzählung der Kenntnisse bezüglich der einzelnen
Fachgebiete abschließend geregelt werden soll. Wie bereits in dem Urteil des
Bundessozialgericht vom 31.1.2001 ausgeführt wurde, beinhaltet die Ausbildung zum
Facharzt der Orthopädie keine ausreichende Qualifikationsvoraussetzung nach der
Kernspintomographieverordnung. Diese ist allein in der Weiterbildungsverordnung der
Bayerischen Landesärztekammer für die Durchführung von Kernspinuntersuchungen für
den Radiologen vorgeschrieben. Obwohl diese Entscheidung im Bereich der
gesetzlichen Krankenversicherung ergangen ist, kann entgegen der Ansicht der
Klägerin jedoch nicht gefolgert werden, daß es eine entsprechende einschränkende
Regelung im privatärztlichen Bereich nicht gebe. Denn es ist kein Grund ersichtlich, daß
im privatärztlichen Bereich Ärzte fachfremde Leistungen erbringen und diese auch
berechnen dürfen. Denn der Privatpatient ist ebenso schutzwürdig wie der gesetzlich
versicherte. Nur bei fachgerechter und entsprechender Erfahrungen voraussetzender
Anwendung der Kernspintomographie wird gewährleistet, daß verwertbare Aufnahme
entstehen. Es war daher davon auszugehen, daß die verschiedenen medizinischen
Fachgebiete, die in der Bayerischen Weiterbildungsverordnung genannt sind, durch die
Aufzählung der einzelnen Kenntnisse, die der Facharzt erworben haben muß, sorgfältig
gegeneinander abgegrenzt sein sollen und daß die dort vorgenommene Aufzählung der
Kenntnisse das Fachgebiet des Arztes abschließend regelt.
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Mithin war die Durchführung der MRT-Untersuchung bei dem Kläger für den
behandelnden Arzt Dr. T. fachfremd, so daß der Verstoß gegen § 21 Satz 1 der
Weiterbildungsverordnung für die Ärzte Bayerns gem. § 134 BGB die Nichtigkeit des
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Rechtsgeschäfts zur Folge hat.
Ein Ausnahmefall des § 21 Abs. 1 Satz 2 der Weiterbildungsverordnung der Ärzte
Bayerns ist insoweit vom Kläger nicht vorgetragen.
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Auch die Erstattung einer dieser Untersuchungen, die Herr Dr. T. durch Rechnung vom
26.9.2001 berechnet hat, ändert an dem vorliegenden Ergebnis nichts. Denn der
Versicherer ist berechtigt, jeden Versicherungsfall erneut zu prüfen. Eine Leistung an
den Versicherungsnehmer bindet ihn nicht.
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Nach alledem war die Beklagte berechtigt, eine Erstattung bezüglich der in den
Rechnungen vom 15.10.2001 und 5.2.2002 berechneten MRT-Untersuchungen zu
verweigern.
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Die Klage war weiter in Höhe eines Betrages von 25,20 € abzuweisen, da der Kläger
insoweit unstreitig eine Nachzahlung in Höhe dieses Betrages zur Rechnung vom
14.3.2002 bei der Klageforderung nicht berücksichtigt hatte.
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Wegen der weiteren in Rechnung gestellten Leistungen kommt der Sachverständige zu
dem Ergebnis, daß aufgrund der Röntgenbilder vom 18.9.2001, die u.a. Grundlage für
die Behandlungen durch den Orthopäden gewesen sind sowohl die Halswirbelsäule als
auch die linke Schulter einen altersentsprechenden unauffälligen Befund zeigen. Ferner
hat er angegeben, daß er das von Herrn Dr. T. diagnostizierte Impingement-Syndrom
der linken Schulter nicht habe erkennen können. Mithin lag bezüglich der Schulter keine
Erkrankung vor, die eine Heilbehandlung erforderlich machte. Dies hat der
Sachverständige auch im übrigen angegeben. Er hat ausgeführt, daß schon beim
Verdacht einer Erkrankung mit massiver Therapie begonnen wird, ehe überhaupt eine
Diagnose feststeht. An den Knien haben nach Angaben des Sachverständigen geringe
Patelladysplasien bei sonst unauffälligem Befund vorgelegen. Für die Behandlung
dieser Erkrankung kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, daß die isokinetische
apparative Muskelaufbautherapie oder das Aufbautrainung auf einem Fahrradergometer
durchaus vom Kläger zuhause oder in einem Fitnesstudio als Eigentherapie hätte
durchgeführt werden könne, so daß die Behandlung insoweit durch den Orthopäden Dr.
T. nicht medizinisch notwendig war.
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Grundsätzlich hält der Sachverständige insoweit die von der Beklagten
vorgenommenen Änderungen bzw. Kürzungen der Rechnungen für gerechtfertigt. Da
aufgrund der Geringfügigkeit der Erkrankung des Klägers der Sachverständige zu dem
Ergebnis kommt, daß ein apparatives Muskelaufbautraining durchaus zuhause und in
Eigentherapie hätte durchgeführt werden können, waren diese Behandlungsmethoden
mithin nicht medizinisch notwendig. Die Beklagte war mithin berechtigt, die Erstattung
der derZiffer 558 GOÄ zugrunde liegenden Behandlung zu verweigern. Es war mithin
auch nicht wie vom Sachverständigen empfohlen, erforderlich, 10 solcher Übungen
durchführen zu lassen, da es bereits an der medizinischen Notwendigkeit fehlte.
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Da, wie bereits zuvor festgestellt worden ist, eine Erkrankung an der Schulter und der
Halswirbelsäule nicht vorlag, waren die Übungsbehandlungen, die gem. Ziffer 510 GOÄ
abgerechnet werden, im vorliegenden Fall ebenfalls nicht medizinisch notwendig.
Insoweit ist auch die vom Sachverständigen angegebene Anzahl von 10 Sitzungen
nicht erforderlich gewesen mangels Erkrankung.
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Die Kürzungen, die die Beklagte im Hinblick auf Ziffer 551 GOÄ betreffend
Reizstrombehandlung vorgenommen hat, waren zu Recht erfolgt. Entgegen der Ansicht
des Sachverständigen kann unabhängig von der Art des Verfahrens, der Zahl der
behandelten Körperregionen oder des zeitlichen Ablaufes der einzelnen Behandlungen
innerhalb einer Sitzung die Ziffer 551 GOÄ nur 1 x abgerechnet werden (vgl. Lang,
Schäfer, GOÄ, Ziffer 551).
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Der Sachverständige kommt weiter zu dem Ergebnis, daß die Ziffer 555 insgesamt zu
streichen sei und insoweit die von der Beklagten vorgenommene Kürzung zu Recht
erfolgt ist, weil bei den beim Kläger vorliegenden Krankheitsbildern weder schlaffe noch
spastische Lähmungen vorlagen oder vorliegen.
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Soweit die Beklagte Kürzungen im Hinblick auf die Ziffer 506 GOÄ betreffend
Krankengymnastik vorgenommen hat, so hat der Sachverständige in seinem Gutachten
ausgeführt, daß er im vorliegenden Fall 10 Sitzungen für gerechtfertigt halte. Es ist
jedoch insoweit nicht ersichtlich, ob in dem erstatteten Betrag von der Beklagten bereits
Erstattungen im Hinblick auf die 10 Behandlungen erfolgt ist. Mithin scheidet auch ein
weiterer Anspruch aus.
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Nach alledem war die Klage abzuweisen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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