Urteil des AG Kleve vom 20.07.1998

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Amtsgericht Kleve, 3 C 239/98
Datum:
20.07.1998
Gericht:
Amtsgericht Kleve
Spruchkörper:
Zivilrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 C 239/98
Schlagworte:
Reiserücktrittsversicherung, Schadensersatzanspruch von Kindern
wegen vertaner Urlaubszeit.
Normen:
BGB §§ 651 e, 651 f
Leitsätze:
1. Die Reiserücktrittsversicherung ist nicht Bestandteil des Reisepreises.
2. Bei der Bestimmung, ob Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit
auch Kindern zu gewähren ist, ist nicht auf den Erholungswert, sondern
auf den Erlebniswert des Urlaubs abzustellen.
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 220,50 DM nebst 4
% Zinsen seit dem 25.05.1998 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 20 % und die
Kläger jeweils zu 40 % zu tragen.
Die Kläger machen Gewährleistungsansprüche aus einem Reisevertrag geltend.
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Sie buchten für sich und ihr 3jähriges Kind eine Flugreise nach M auf die J in das Hotel
L für die Zeit vom 08. bis zum 22.11.1997. Der Reisepreis mit Halbpension betrug
insgesamt 4.113,-- DM. Für eine Reiserücktrittsversicherung zahlten sie 69,-- DM.
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Bei Ankunft am Urlaubsort erfuhren die Kläger, dass das Hotel ausgebucht war. Ein
gleichwertiges Ersatzhotel konnte die Beklagte nicht zur Verfügung stellen. Auf
Verlangen der Kläger erfolgte am 10.11.1997 der Rückflug nach Deutschland.
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Vorprozessual zahlte die Beklagte insgesamt 5.372,-- DM.
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Die Kläger begehren die Erstattung des Reisepreises zzgl. Reiserücktrittsversicherung
in Höhe von insgesamt 4.182,-- DM und Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit für
beide Kläger in Höhe von jeweils 1.500,-- DM.
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Desweiteren begehren sie Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit für das 3jährige
Kind in Höhe von 500,-- DM. Hierzu tragen sie vor, es stelle für ein 3jähriges Kind eine
ausserordentliche Beeinträchtigung dar, wenn es anstelle eines unter freiem Himmel
verbrachten Badeurlaubes zwei Wochen in der Wohnung der Eltern im kalten
Deutschland verbringen müsse.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagten zu verurteilen, an sie jeweils einen Betrag in Höhe von 1.155,-- DM
nebst 4 % Zinsen seit dem 25.05.1998 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
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Die Kläger haben einen Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von
4.113,-- DM gem. § 812 Abs. 1 S. 2, 1. Alternative BGB.
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Die Kläger haben den Reisepreis an die Beklagten geleistet. Der Rechtsgrund für diese
Leistung ist nachträglich entfallen, da die Kläger den Reisevertrag wirksam gem. § 651
e BGB gekündigt haben. Die Reise war vereitelt, nachdem die Beklagte das gebuchte
Hotel nicht zur Verfügung stellen konnte.
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Die Kläger haben allerdings keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die
Reiserücktrittsversicherung. Die Reiserücktrittsversicherung ist nicht Bestandteil des
Reisepreises. Es handelt sich vielmehr um eine vermittelte Fremdleistung des
Reiseveranstalters (vgl.: Führich, Reiserecht, S. 128). Die damit verbundene Leistung,
die Möglichkeit des kostenlosen Rücktritts im Krankheitsfall, hätten die Kläger bei
Bedarf auch in Anspruch nehmen können.
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Die Kläger haben einen Schadensersatzanspruch wegen vertaner Urlaubszeit in Höhe
von 1.700,-- DM gem. § 651 f Abs. 2 BGB gegen die Beklagte.
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Wie oben ausgeführt, war die Reise für die Kläger vereitelt. Bei der Bemessung des
Schadensersatzes wegen vertaner Urlaubszeit orientiert sich das Gericht an der
Entscheidung des LG Frankfurt vom 19.09.1988 (NJW-RR 1988, S. 1451). Danach steht
dem Reisenden pro vertanem Urlaubstag ein Schadensersatzbetrag in Höhe von 100,--
DM zu. Bricht der Reisende den Urlaub vorzeitig ab, ist dieser Betrag wegen der
Möglichkeit, die Urlaubszeit am Heimatort sinnvoll zu nutzen, um 50 % zu reduzieren.
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Für die Zeit vom 08. bis zum 10.11.1997 (3 Tage) steht den Klägern demnach ein
Ersatzbetrag in Höhe von 100,-- DM pro Tag, insgesamt also 600,-- DM, zu. Für die
weiteren 11 Urlaubstage, die die Kläger in Deutschland verbracht haben, steht ihnen ein
Ersatzanspruch in Höhe von 50,-- DM pro Tag, insgesamt also weitere 1.100,-- DM, zu.
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Die Kläger haben dagegen keinen Schadensersatzanspruch wegen vertaner
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Urlaubszeit gem. §§ 651 f Abs. 2; 328 BGB für ihr dreijähriges Kind.
Grundsätzlich können allerdings auch Kinder einen Anspruch auf Schadensersatz
wegen vertaner Urlaubszeit haben (vgl.: BGH, NJW 1983, S. 218 (220); Führich,
Reisevertragsrecht, S. 297). Denn es handelt sich um einen immateriellen
Schadensersatzanspruch, der demgemäß nicht nur demjenigen zustehen kann, der den
Urlaub durch eine Arbeitsleistung und ein damit verbundenes Einkommen verdient hat.
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Ob und in welchem Umfang Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit zu zahlen ist,
richtet sich allerdings nach den Umständen des Einzelfalles. Maßgeblich ist, inwieweit
die Reise für den einzelnen Reisenden beeinträchtigt worden ist. Für Kinder haben viele
Urlaubserlebnisse eine andere Bedeutung als für Erwachsene. So mag sie etwa ein
Urlaub enttäuschen, bei denen die erwarteten Angebote für Spiel und Sport
ausgeblieben sind oder kaum Möglichkeiten bestanden haben, Gleichaltrigen zu
begegnen, während die Eltern die erholsame Ruhe genießen. Umgekehrt treffen andere
Reisemissbilligkeiten Kinder erfahrungsgemäß weniger schwer als Erwachsene (vgl.
dazu: BGH: NJW 1983, S. 218 (229)). Es erscheint angemessen zu sein, bei der
Bestimmung, ob Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit Kindern zu gewähren ist,
nicht auf einen Erholungswert, sondern auf einen Erlebniswert des Urlaubs abzustellen
(so Tonner in Münchner Kommentar zum BGB zu § 651 f Rdnr. 63). Aus der Sicht eines
3jährigen Kindes hatte schon der Hin- und Rückflug mit einem Flugzeug nach Spanien
und zurück nach Deutschland einen Erlebniswert. Am Heimatort wieder angekommen
hatte das Kind die Möglichkeit, die Tage mit seinen Eltern zur Freizeitgestaltung zu
verbringen. Dass diese Freizeitgestaltung nicht unter freiem Himmel stattfinden konnte,
sondern in der Wohnung der Kläger oder zum Beispiel in deutschen Hallenbädern
stattfand, schmälerte den Erlebniswert der Urlaubszeit für das Kind nicht so weitgehend,
dass hierfür eine Entschädigung in Geld angebracht wäre.
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Insgesamt bestehen demnach Zahlungsansprüche in Höhe von 5.813,-- DM Unter
Berücksichtigung der Zahlung der Beklagten in Höhe von 5.372,-- DM verbleibt ein
Restbetrag in Höhe von 441,-- DM. Für jeden der beiden Kläger ergibt dies den
zuerkannten Betrag in Höhe von 220,50 DM.
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Der Zinsausspruch beruht auf § 291 BGB.
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Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1; 100 Abs. 1; 708 Nr. 11,
711 ZPO.
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Streitwert: 2.310,-- DM.
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