Urteil des AG Kleve vom 15.05.1996

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Amtsgericht Kleve, 2 C 92/96
Datum:
15.05.1996
Gericht:
Amtsgericht Kleve
Spruchkörper:
Zivilrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 C 92/96
Schlagworte:
Kündigung eines Reisevertrages wegen Überbuchung,
Alternativangebot
Normen:
BGB § 651 e Abs. 1
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2.
jeweils 2.176,-- DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 08.12.1995 zu
zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 23 % und die
Beklagte zu 77 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kläger jedoch nur gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 3.000,-- DM. Die Kläger dürfen
die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von
200,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistungen dürfen
durch Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse
erbracht werden.
Tatbestand:
1
Die Kläger buchten für die Zeit vom 09.11. bis zum 23.11.1995 bei der Beklagten eine
Flugpauschalreise nach Spanien, Insel Teneriffa, Zielgebiet Playa de las Americas. Die
Beklagte garantierte den Klägern die Zurverfügungstellung eines 4-Sterne-Hotels im
genannten Zielgebiet; die Unterbringung in einem bestimmten Hotel wurde nicht
zugesichert. Nach der Ankunft am Urlaubsort erfuhren die Kläger, dass sie nicht im
vereinbarten Zielgebiet untergebracht werden würden. Den Reisenden wurde das
Alternativhotel "La Paz" im ca. 150 km entfernt gelegenen Puerto de la Cruz angeboten.
Sie teilten der Reiseleiterin der Beklagten mit, dass sie das Ersatzquartier nicht
akzeptieren und deshalb zurückfliegen würden. Der Rückflug erfolgte am 11.11.1995;
die ersten 2 Urlaubstage vebrachten die Kläger im Alternativhotel. Nach Ankunft am
Flughafen E fuhren die Kläger mit der Bahn zurück nach C. Mit der vorliegenden Klage
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verlangen sie den im voraus gezahlten Reisepreis in Höhe von jeweils 1.299,-- DM
erstattet; darüber hinaus machen sie eine Entschädigung für nutzlos aufgewendete
Urlaubszeit sowie folgende Schadenspositionen geltend:
Fahrtkosten E – C 278,20 DM
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Flugplatzparkgebühren 30,00 DM
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Flugsicherheitsgebühren 16,00 DM
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Umbuchungskosten 100,00 DM
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Die Kläger behaupten, die Reiseleiterin der Beklagten hätte ihnen auf eine
entsprechende Rüge bereits unmittelbar nach der Ankunft mitgeteilt, dass eine
Unterbringung im gebuchten Urlaubsort Playa de las Americas nicht möglich sei. Alle
Hotels seien bis Weihnachten ausgebucht.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 5.620,20 DM nebst 10 %
Zinsen hieraus seit dem 08.12.1995 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die behauptet, ihre Reiseleiterin habe den Klägern am Ankunftstag offenbart, dass die
Unterbringung in einem 4-Sterne-Hotel in Playa de las Americas zunächst nicht möglich
gewesen sei. Die Reiseleiterin habe jedoch zugleich angeboten, nach einer
gleichwertigen Alternativunterkunft für den übernächsten oder einen späteren Tag
Ausschau zu halten. Die Kläger hätten sich damit nicht einverstanden erklärt und
verlangt, entweder am Freitag, den 10.11.1995 umziehen oder aber zurückfliegen zu
können.
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Zu den einzelnen Schadenspositionen erklärt sich die Beklagte mit Nichtwissen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist hinsichtlich eines Betrages von insgesamt 4.352,-- DM nebst Zinsen in
zuerkannter Höhe begründet; im übrigen ist sie unbegründet.
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Die Beklagte muss den Klägern gem. § 651 e Abs. 3 Satz 1 BGB den im voraus
gezahlten Reisepreis in Höhe von jeweils 1.299,-- DM erstatten. Die Reisenden
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waren gem. § 651 e Abs. 1 BGB zur Kündigung des Reisevertrages berechtigt. Sie
konnten unstreitig nicht in einem Hotel im gebuchten Zielgebiet untergebracht werden.
Die erzwungene Umquartierung in ein Ersatzhotel in einem ganz anderen Teil der
Urlaubsinsel Teneriffa mussten die Kläger nicht akzeptieren. Den durch diesen
Hotelwechsel wäre der Inhalt und der Gesamtzuschnitt der Reise so wesentlich
verändert worden, dass das Ersatzquartier in Puerto de la Cruz selbst dann nicht als
gleichwertiges Alternativhotel anzusehen wäre, wenn die Ausstattung und der Standard
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des Hotels den vertraglichen Zusicherungen der Beklagten und damit den berechtigten
Erwartungen der Reisenden entsprochen hätte (OLG E, NJW-RR 1989, 1078, OLG N,
NJW 1984, 132, mwM). Die Kläger waren also nicht gem. §§ 242, 254 BGB gehalten,
ein evtl. gleichwertiges Hotelzimmer im Hotel "La Paz" in Puerto de la Cruz
anzunehmen. Dass sie tatsächlich dort 2 Nächte verbrachte, gerechtigt ihnen nicht zum
Nachteil. Denn erst am 11.11.1995 bestand für die Kläger eine Möglichkeit, nach
Deutschland zurückzufliegen, so dass sie für die ersten 2 Urlaubstage ein Quartier
benötigten. Dass sie nicht bereit waren, die Unterbringung im Hotel "La Paz" als
vertragsgerechte Erfüllung der Reiseleistung anzusehen, haben sie der Reiseleiterin vor
ihrem Einzug in das Hotel mit hinreichender Deutlichkeit klargemacht.
Es liegt auf der Hand und bedarf keiner näheren Erläuterung, dass die Reise infolge der
von der Beklagten zu verantwortenden Überbuchung der Hotels im gewünschten
Zielgebiet erheblich beeinträchtigt war. Den Reisenden stand die vertraglich
geschuldete Unterkunft faktisch nicht zur Verfügung, so dass die Reise bei dem
Eintreffen der Urlauber am Urlaubsort nicht wie vertraglich vereinbart durchgeführt
werden konnte. Ohne Erfolg wendet die Beklagte hiergegen ein, die Kläger hätten ihren
Urlaub im Ersatzquartier "La Paz" verbringen können, ohne dass der Gesamtwert der
Reise im Ergebnis erheblich beeinträchtigt gewesen wäre. Den eine vergleichende
Bewertung der vertraglich geschuldeten Unterkunft mit dem Alternativquartier ist nur
dann zulässig, wenn der Reisende nach Treu und Glauben verpflichtet ist, das
Alternativangebot des Reiseveranstalters anzunehmen. Anderenfalls hätte es der
Reiseveranstalter in der Hand,
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seinen Kunden in den sogenannten Überbuchungsfällen jeden beliebige, annähernd
gleichwertige Ersatzhotel sogar außerhalb des von den Reisenden ausgewählten
Urlaubslandes aufzuzwingen. Dass dies nicht richtig sein kann, steht außer Zweifel.
Weil die Kläger hier nicht verpflichtet waren, das Alternativangebot der Beklagten
anzunehmen, waren sie wegen der Überbuchung zur Kündigung des Reisevertrages
gem. § 651 e Abs. 1 BGB berechtigt.
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Wenngleich die Kläger die Kündigung nicht ausdrücklich ausgesprochen haben, so
haben sie ihren Kündigungswillen doch mit hinreichender Deutlichkeit dadurch zum
Ausdruck gebracht, dass sie – wie auch die Beklagte einräumt – die Reiseleiterin
ultimativ aufforderten, für die Rückreise Sorge zu tragen. Diese Aufforderung konnte bei
objektiver Betrachtungsweise nur dahin verstanden werden, dass die Kläger mit der
Beendigung der Reise die sofortige Auflösung des Reisevertragsverhältnisses
wünschten. Hierin sieht das Gericht eine konkludente Kündigungserklärung gem. § 651
e Abs. 1 BGB.
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Die Kündigung des Reisevertrages scheitert nicht an der Vorschrift des § 651 e Abs. 2
BGB. Folgt man dem Tatsachenvorbringen der Kläger hierzu, so war die Bestimmung
einer angemessenen Abhilfefrist entbehrlich, weil die Reiseleiterin die ohnehin nicht
mögliche Abhilfe endgültig und unmissverständlich verweigerte. Nach dem Vorbringen
der Beklagten forderten die Kläger die Reiseleiterin am 09.11.1995 auf, bis zum
10.11.1995 eine Unterkunft im gebuchten Zielgebiet zu beschaffen. Die Reiseleiterin
hatte also einen Tag Zeit, für Abhilfe zu sorgen. Diese Abhilfefrist hält das Gericht unter
den gegebenen Umständen für ausreichend und angemessen. denn einerseits hatte die
Beklagte Gelegenheit, Erkundigungen über eine mögliche Umbuchung einzuholen;
andererseits konnte den Reisenden nicht zugemutet werden, länger als einen Tag un
Unklarheit darüber zu bleiben, ob der von der Beklagten zu verantwortende
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Reisemangel andern würde. Nach erfolglosem Ablauf der Abhilfefrist waren die Kläger
berechtigt, den Reisevertrag zu kündigen. Von diesem Recht haben sie Gebrauch
gemacht. Die BEKLAGTE MUSS DESHALB GEM: § 651 e Abs. 3 Satz 1 BGB den im
voraus gezahlten Reisepreis von 1.299,-- DM pro Person erstatten. Ein Entschädi-
gungsanspruch gem. § 651 e Abs. 3 Satz 2 BGB steht der Beklagten nicht zu. Nicht nur
hat sie zur Begründung eines solchen Anspruchs nichts Konkretes vorgetragen; die von
ihr bis zur Rückreise der Kläger erbrachten Leistungen –waren für diese im Ergebnis
ohne Interesse, so dass gem. § 651 e Abs. 3 Satz 3 BGB ein Einschädigungsanspruch
des Reiseveranstalters ohnehin nicht besteht.
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Die Kläger können von der Beklagten gem. § 651 f Abs. 2 BGB die Zahlung einer
Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit in Höhe von jeweils 700,-- DM
verlangen. Die Reise war aufgrund eines in den Verantwortungsbereich der Beklagten
fallenden Reisemangels vereitelt (OLG E, aa O), so dass der von den Klägern
angestrebte Urlaubsnutzen jeweils teilweise nicht erreicht wurde. An- und Abreise
sowie die beiden Tage am Urlaubsort waren nutzlos aufgewendet, weil die Kläger im
wesentlichen damit beschäftigt gewesen sein dürften, die Rückreise zu organisieren
und somit keine Gelegenheit hatten, die gewünschte Erholung und Entspannung zu
finden. Auch die von ihnen letztlich zu Hause verbrachten Urlaubstage verfehlten den
Urlaubszweck wenigstens teilweise. Zwar ist davon auszugehen, dass es den Klägern
auch in ihrem eigenen Heim in gewohnter Umgebung möglich war, Entspannung zu
finden. Sinn und Zweck einer Flugpauschalreise in südliche Länger ist allerdings –ach,
die Annehmlichkeiten eines Hotels zu nutzen und die vorhandene Freizeit mit
Badefreuden am Strand oder ähnlichen Unterhaltungen auszufüllen, deren Ausübung in
der Heimat nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Auf diesen Urlaubsgenuss mussten
die Kläger verzichten. Das Gericht hält es deshalb nach Abwägung aller Umstände des
Streitfalles für angemessen, ihnen einen Entschädigungsbetrag von 50,-- DM pro
Urlaubstag zuzubilligen, das sind 700,-- DM pro Person. Dabei geht das Gericht davon
aus, dass die Kläger in normalen Einkommens- und Vermögensverhältnissen leben.
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Die Beklagte ist gem. § 651 e Abs. 4 Satz 2 BGB verpflichtet, den Klägern zusätzliche
Umbuchungskosten von 50,-- DM pro Person sowie Flugsicherheitsgebühren von 8,--
DM pro Person zu erstatten. Die Flugsicherheitsgebühren sind
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während des vorzeitigen Rückfluges naturgemäß zusätzlich angefallen und müssen
deshalb ersetzt werden.
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Weil die Reise insgesamt vereitelt war, haben die Kläger Fahrtkosten von C zum
Flughafen nach E und von dort zurück nach C sowie Parkkosten für ihren PKW nutzlos
aufgewendet. Diese Aufwendungen können sie gem. § 651 f Abs. 1 BGB erstattet
verlangen. Das Gericht schätzt die bei den Klägern angefallenen Fahrtkosten auf der
Grundlage ihrer Angaben zur Entfernung zwischen ihrem Wohnort und dem Flughafen
gem. § 287 ZPO bei einer Kilometerpauschale von 0,50 DM auf insgesamt 208,-- DM,
also 104,-- DM pro Person. Die Beklagte stellt offenbar nicht in Abrede, dass die Kläger
mit ihrem PKW zum Flughafen gefahren waren. Der PKW musste geparkt werden,
wodurch Parkkosten entstanden. Diese Kosten schätzt das Gericht auf insgesamt 30,--
DM, wovon jeweils 15,-- DM auf die Kläger entfallen.
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Die Beklagte schuldet den Klägern nach alledem jeweils 2.176,-- DM. Die Kläger sind
entgegen ihrer Auffassung nicht Gesamtgläubiger, sondern Mitgläubiger i.S.d. § 432
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BGB.
Der geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich in zuerkannter Höhe aus §§ 284
Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Weitergehende Verzugszinsen stehen den Klägern nicht zu,
weil sie die Inanspruchnahme eines mit 10 % zu verzinsenden Bankkredites nicht durch
Vorlage einer entsprechenden Bankbescheinigung nachgewiesen haben.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen gem. §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709,
711 ZPO.
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Streitwert: 5.620,20 DM.
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