Urteil des AG Kleve vom 17.12.1998

AG Kleve (vertragsschluss, abflug, ankündigung, reiseveranstalter, prospekt, angabe, flug, tag, minderung, flugzeug)

Amtsgericht Kleve, 3 C 617/98
Datum:
17.12.1998
Gericht:
Amtsgericht Kleve
Spruchkörper:
Zivilrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 C 617/98
Schlagworte:
Änderung von Abflugzeiten, Zwischenlandung
Normen:
BGB §§ 651 d, 651 c, AGBG § 10 Nr. 4
Leitsätze:
1. Ein Änderungsvorbehalt in den Reisebedingungen des Veranstalters,
nach denen die Abflugzeiten nach Vertragsschluss noch geändert
werden können, ist unwirksam.
2. Erfolgen im Reisekatalog keine gegenteiligen Angaben, kann der
Reisende davon ausgehen, dass Flüge ohne Zwischenlandung
durchgeführt werden.
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 83,67 DM nebst 4 %
Zinsen seit dem 13.11.1998 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 16 % und die
Klägerin zu 84 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß § 495 a Abs. 2 ZPO abgesehen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
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Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 50,20 DM gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2
erste Alternative BGB gegen die Beklagte.
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Der von der Klägerin gezahlte Reisepreis in Höhe von 3.514,-- DM für eine von der
Beklagte veranstalteten Flugreise in die Türkei in das Zielgebiet in die Anlage für die
Zeit vom 24.06. bis zum 15.07.1998 (3 Wochen) war insoweit gemäß §§ 651 d Abs. 1;
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472 BGB zu mindern.
Die Reiseleistung der Beklagten war fehlerhaft.
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Entgegen der Ankündigung der Beklagten in ihrem Reisekatalog fand der Hinflug zum
Urlaubsort nicht wie im Katalog angekündigt um 09.45 Uhr, sondern erst um 18.05 Uhr
statt. Dies begründet einen Fehler der Reiseleistung der Beklagten.
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Aufgrund ihrer Ankündigung in ihrem Reisekatalog, der Abflug werde zu einem
bestimmten Zeitpunkt erfolgen, bekundete die Beklagte die berechtigte Erwartung, dass
der Abflug tatsächlich zu dieser Zeit erfolgen würde. Durch die Angabe einer
bestimmten Abflugzeit verschafft sich die Beklagte gegenüber anderen
Reiseveranstaltern, die lediglich einen Abflugtag angeben, einen Wettbewerbsvorteil.
Für die entsprechenden Angaben in ihrem Reisekatalog muss die Beklagte einstehen.
Diese Auslegung folgt aus § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Informationspflichten von
Reiseveranstaltern. Danach sind die im Prospekt enthaltenen Angaben für den
Reiseveranstalter bindend. Er kann jedoch vor Vertragsschluss eine Änderung erklären,
soweit er dies in dem Prospekt vorbehalten hat. Die Klägerin hat auf der Grundlage des
Reisekataloges der Beklagten die Reise gebucht. Demnach waren die Ankündigungen
der Beklagten in ihrem Reisekatalog bindend. Bei Vertragsschluss hat die Beklagte
auch keine Änderung mehr vorgenommen. Mit der Übersendung der
Buchungsbestätigung vom 08.12.1997 ist der Reisevertrag mit dem Inhalt der
Ankündigungen der Beklagten in ihrem Reisekatalog zustande gekommen. Eine
Abflugzeit um 09.45 Uhr war demnach vereinbart.
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Die Beklagte war nach Vertragsschluss nicht mehr berechtigt, die Abflugzeiten zu
ändern. Der entsprechende Änderungsvorbehalt in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Beklagten ist gemäß § 10 Nr. 4 AGBG unwirksam. Nach
dieser Regelung ist eine Vereinbarung des Rechts des Verwenders, die versprochene
Leistung zu ändern dann unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung unter
Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar
ist. Besondere Anhaltspunkte dafür, dass dem Reisenden eine Änderung der
Abflugzeiten aufgrund besonderer Interessen des Reiseveranstalters zumutbar sein soll,
hat die Beklagte nicht vorgetragen. Zudem verstößt ihr Änderungsvorbehalt gegen § 1
der Informationsverordnung von Reiseveranstaltern. Denn nach § 1 Abs. 1 der
Informationspflichten von Reiseveranstaltern darf der Reiseveranstalter nur vor
Vertragsschluss eine Änderung des Reisevertrages erklären. Bei Übersendung der
Tickets, die andere Abflugzeiten enthielten, war jedoch der Reisevertrag bereits
geschlossen (siehe oben).
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Die Änderung der Abflugzeit brachte eine Verkürzung des Urlaubs um rund 8 Stunden
mit sich.
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Darüber hinaus war die Reiseleistung der Beklagten fehlerhaft, weil auf dem Hinflug
eine Zwischenlandung in G stattfand. Der Reisegast kann acuh ohne entsprechende
Ankündigung erwarten, dass Flüge ohne Zwischenlandung bzw. Umwege erfolgen.
Dies folgt auch aus den Angaben der Beklagten in ihrem Reisekatalog. Darin führt die
Beklagte es nämlich gesondert auf, wenn ein Flug mit einer Zwischenlandung an einem
anderen Ort erfolgt.
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Fehlt eine solche Angabe, kann der Reisegast demgemäß annehmen, dass ein Flug
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ohne Zwischenlandung stattfinden wird. Dieser Umweg brachte eine Verlängerung der
Flugzeit um rund 2 Stunden mit sich.
Die Reiseleistung der Beklagten war dagegen nicht fehlerhaft, weil die Maschine mit
Verspätung landete. Tritt eine Störung auf, ist stets zu fragen, ob es sich hierbei um
einen Fehler der Reiseleistung handelt, oder ob lediglich eine Reiseunannehmlichkeit
vorliegt, die im Zeitalter des Massentourismusses entschädigungslos hinzunehmen ist.
Flugverspätungen von bis zu 4 Stunden können einmal vorkommen und sind
demgemäß entschädigungslos hinzunehmen.
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Die Reiseleistung der Beklagten war auch nicht deswegen fehlerhaft, weil die Klägerin
und ihre Familie nicht die angekündigten Sitzplätze im Flugzeug erhalten haben . Denn
bestimmte Sitzplätze im Flugzeug hat die Beklagte nicht zugesichert. Allein daraus,
dass in den Flugtickets bestimmte Sitzplätze genannt waren, folgt kein vertraglicher
Anspruch auf Zuweisung dieser Sitzplätze. Im übrigen hat die Klägerin nicht dargelegt,
dass die Reise allein deswegen beeinträchtigt worden ist, dass sie andere Sitzplätze
erhielt, als in den Flugtickets angegeben.
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Der Fehler der Reiseleistung der Beklagten hat demnach insgesamt zu einer
Verzögerung des Hinfluges um 10 Stunden geführt. Bei der Bemessung der Minderung
orientiert sich das Gericht an der Frankfurter Tabelle zur Reisepreisminderung (NJW
1985 Seite 115). Danach besteht bei einem zeitlich verschobenen Abflug ein
Minderungsanspruch in Höhe von 5 % des anteiligen Reisepreises für einen Tag für
jede Stunde. Der anteilige Reisepreis für einen Tag betrug 167,33 DM. 5 % hiervon sind
8,37 DM. Für 10 Stunden ergibt dies 83,67 DM.
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Die Minderung war nicht für einen Zeitraum zu gewähren, der über eine Zeitspanne von
4 Stunden hinausging. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass grundsätzlich
Flugverspätungen von bis zu 4 Stunden bloße Reiseunannehmlichkeiten sind ,die im
Zeitalter des Massentourismusses entschädigungslos hinzunehmen sind. Die
Flugverspätungen, die hier im Streit stehen, beruhen jedoch nicht auf einer sogenannten
Reiseunannehmlichkeit. Dies sind nur solche Zustände, die im Zeitalter des
Massentourismusses einmal vorkommen können und deswegen entschädigungslos
hingenommen werden müssen. Die Verlegung der Abflugzeit und die Zwischenlandung
in G sind keine Störungen, die im Zeitalter des Massentourismusses immer einmal
vorkommen können. Die Beklagte hat hier vielmehr Wirtschaftlichkeitserwägungen
Rechnung getragen. Durch die Verlegung der Abflugzeiten und eine Zwischenladung in
G war es ihr möglich, ihre Kapazitäten besser auszuschöpfen. Es besteht keine
Veranlassung, dies mit dem Hinweis auf Phänomene des Massentourismusses zu
honorieren.
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Die Klägerin hat dagegen keinen weitergehenden Schadensersatzanspruch wegen
vertaner Urlaubszeit gemäß § 651 f Abs. 2 BGB. Ein solcher Anspruch setzt das
Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung voraus. Bei zeitweisen
Beeinträchtigungen muss ein Ersatzurlaub von mindestens 2 Tagen gerechtfertigt sein.
Selbst nach dem Vortrag der Klägerin ist ihr allenfalls ein Urlaubstag entgangen.
Demnach lag eine erheblich Beeinträchtigung noch nicht vor.
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Der Zinsausspruch beruht auf § 291 BGB.
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Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1; 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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Streitwert: 527,10 DM.
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