Urteil des AG Kempen vom 13.11.2001

AG Kempen: verfügung, beweislast, tarif, informationspflicht, vollstreckung, unangemessenheit, mensch, totalschaden, wagen, halter

Amtsgericht Kempen, 13 C 252/01
Datum:
13.11.2001
Gericht:
Amtsgericht Kempen
Spruchkörper:
13. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 C 252/01
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Si-
cherheitsleistung in Höhe von 500,00 DM abwenden, wenn nicht die
Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Den Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung in Form ei-ner
Bürgschaft einer Bank oder Sparkasse zu erbringen.
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 14.11.2001
gegen 17.15 Uhr in St. Tönis, Ringstraße, ereignet hat. Zu diesem Zeitpunkt stand ein
von der Klägerin
2
geleaster Pkw vor einem Zebrastreifen, als die Fahrerin des bei den Beklagten
versicherten Pkw Marke P, amtliches Kennzeichen VIE-XT 173, auf das Fahrzeug
auffuhr.
3
Ein Schreiben der Beklagten vom 15.11.2000 wies die Angabe
4
" Mietwagen Beauftragung 252,00 DM pro Tag" auf.
5
Wegen der Einzelheiten wird auf die zu den Gerichtsakten gereichte Kopie dieses
Schreibens (Blatt 31 der Akten) Bezug genommen. Bis dahin hatte die Klägerin der
Beklagten mitgeteilt, noch nicht zu wissen, ob Nutzungsausfall geltend gemacht oder
ein Mietwagen in Anspruch genommen werde.
6
Die Klägerin mietete von der B Autovermietung ein Mietfahrzeug, für das ihr für die
7
Mietzeit vom 27.11.2000 bis 01.12.2000 ein Betrag in Höhe von 3.213,20 DM in
Rechnung gestellt wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnungskopie vom
01.12.2000 (Blatt 12 der Akten) Bezug genommen. Ansprüche aus dem
Fahrzeugmietvertrag trat die Klägerin zunächst an die B ab.
In der Folge zahlte die Beklagte auf die 3.213,20 DM lediglich 1.260,00 DM.
8
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Zahlung des Restbetrages, den sie
in der Weise errechnet, daß sie von den 3.213,20 DM aufgrund ihrer
Vorsteuerabzugsberechtigung die Mehrwertsteuer in Höhe von 443,20 DM abzieht und
sich den gezahlten Teilbetrag in Höhe von 1.260,00 DM anrechnen läßt.
9
Sie trägt vor, die Firma B habe eine Rückabtretung hinsichtlich der Ansprüche aus dem
Mietvertrag vorgenommen. In diesem Zusammenhang hat sie eine
Rückabtretungserklärung vom 21.09.2001 (Blatt 40 der Akten) zu den Akten gereicht.
10
Sie beantragt,
11
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.510,00 DM zu zahlen nebst 10 % Zinsen seit
dem 01.01.2001.
12
Die Beklagte beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14
Sie trägt vor, am 20.11.2000 habe die zuständige Sachbearbeiterin, Frau H, mit dem
Fahrzeugführer des klägerischen Fahrzeugs telefoniert und diesem mitgeteilt, daß ein
dem klägerischenb Fahrzeug entsprechender Mietwagen für 252,00 DM netto pro Tag
zur Verfügung gestellt werden könne; diesen angebotenen Mietwagen habe der
gleichen Mietwagengruppe entstammt, wie das beschädigte klägerische Fahrzeug,
wobei sowohl der Telefonanruf als auch der Umstand, daß ein Fahrzeug der gleichen
Mietwagengruppe für 252,00 DM zur Verfügung gestellt werden konnte, klägerseits mit
nicht Nichtwissen bestritten wird.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten und zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen nebst
Anlagen Bezug genommen.
16
Entscheidungsgründe:
17
Die Klage ist unbegründet.
18
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der geltend
gemachten Mietwagenkosten gemäß den §§ 7, 18 StVG, 823 BGB in Verbindung mit § 3
Nr. 1, Nr. 2 Pflichtversicherungsgesetz.
19
Maßgeblich für die Frage, ob Mietwagenkosten zu erstatten sind oder nicht, ist § 249
Satz 2 BGB, nicht etwa § 251 Abs.1 BGB. Mietwagenkosten gehören nämlich nach
ständiger Rechtsprechung zum Herstellungsaufwand (BGH, NJW, 1996, 1958). Sie sind
erstattungsfähig, wenn und soweit sie objektiv erforderlich sind (BGH, NJW, 1996,
1998). Als erforderlich sind dabei diejenigen Mietaufwendungen anzusehen, die ein
20
verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen
würde (BGH, a.a.O.). Dabei muß der Geschädigte darlegen und beweisen, daß die von
ihm geltend gemachten Mietkosten objektiv erforderlich waren, er sich also in seiner
konkreten Situation wirtschaftlich vernünftig verhalten hat (BGH, NJW, 1985, 793; NJW,
1993, 3321). Soweit es um die Ermittlung des notwendigen Geldbetrages geht, trifft
daher grundsätzlich den Geschädigten die Beweislast. Das gilt nach herrschender
Auffassung selbst für die Frage, ob die Unangemessenheit des Vertragspreises bei
Einholung von Vergleichsangeboten erkennbar gewesen wäre (Eggert,
Mietwagenkosten im Rahmen der Unfallregulierung, ZAP, Fach 9, Seite 550). Nach
diesen Grundsätzen kommt vorliegend eine Erstattung der Mietwagenkosten nicht in
Betracht. Auszugehen ist allerdings davon, daß der Verkehrsunfallgeschädigte im
Regelfall nicht gegen seine Pflicht zur Geringhaltung des Schadens verstößt, wenn er
ein Ersatzfahrzeug zu einem im Rahmen der sogenannten Unfalltarife günstigen Tarif
anmietet (BGH, NJW, 1996, 1958), so daß der Klägerin nicht ein Vorwurf dahingehend
gemacht werden kann, sich nicht nach günstigeren Tarifen erkundigt zu haben. Hierum
geht es vorliegend indessen auch nicht. Der Vorwurf, der gegen die Klägerin erhoben
wird, geht vielmehr dahin, daß sie trotz eines ihr unterbreiteten günstigeren Angebotes
gleichwohl einen Mietwagen zu einem teueren Tarif angemietet hat.
Wie sich eine Kenntnis von einer günstigeren Anmietungsmöglichkeit auswirkt, hat der
BGH bisher offen gelassen.
21
Nach Auffassung des Gerichts bietet sich in diesem Zusammenhang eine Parallele zu
der BGH-Rechtsprechung Restwertabrechnungen bei Totalschaden betreffend an. Hier
wie dort geht es nämlich um die Frage, ob der Geschädigte zunächst verpflichtet ist, von
finanziell günstigeren Möglichkeiten gebrauch zu machen bzw. sich nach solchen
Möglichkeiten zu erkundigen.
22
Insoweit hat der BGH aber entschieden (DAR 2000, 159), daß etwa der bloße Hinweis
auf eine preisgünstigere Verwertungsmöglichkeit, um deren Realisierung sich der
Geschädigte erst bemühen muß, nicht ausreichen kann. Vielmehr muß ein verbindlich
konkretes Angebot vorliegen.
23
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, führt dies zu einer
Verneinung des geltend gemachten Anspruches. Dabei kann auf sich beruhen, ob das
Schreiben vom 15.11.2000 schon ein ausreichendes Angebot darstellt; dies erscheint
insoweit fraglich, als daß dort lediglich von einer "Mietwagenbeauftragung, 252,00 DM
pro Tag" die Rede ist.
24
Jedenfalls der Telefonanruf der Sachbearbeiterin der Beklagten beim Führer des
klägerischen Fahrzeugs vom 20.11.2000 stellte nämlich ein ausreichendes Angebot
dar, da nach Beklagtenvorbringen insoweit in diesem Telefonat mitgeteilt wurde, daß
ein dem klägerischen Fahrzeug entsprechender Mietwagen für 252,00 DM netto pro Tag
zur Verfügung gestellt werden könne. Dies war aber ein ausreichend konkretes
unverbindliches Angebot im Sinne obiger Rechtsprechung und nicht ein bloßer Hinweis
auf eine günstigere Anmietungsmöglichkeit, um die sich die Klägerin noch selbst
kümmern mußte.
25
Dabei ist von diesem Beklagtenvorbringen auch als unstreitig im Sinne von § 138 ZPO
auszugehen.
26
Es ist klägerseits zwar mit nicht Wissen bestritten worden, § 138 Abs. 4 ZPO. Dieses
Bestreiten mit nicht Wissen war indessen unzulässig, so daß der entsprechende
Beklagtenvortrag als unstreitig anzusehen war. Nach der Rechtsprechung hat eine
Partei nämlich eine Informationspflicht dahingehend, sich das Wissen über
Geschehnisse im Bereich ihrer eigenen Wahrnehmungsmöglichkeit zu beschaffen
(BGHZ, 109, 205). So darf sich der Kfz-Halter pflichtversicherer im Prozeß des
Unfallgeschädigten nicht zulässiger Weise mit Nichtwissen erklären (OLG Frankfurt,
VersR, 1974, 585). Gleiches muß aber auch für den vorliegenden Fall gelten, in dem
sich das Bestreiten mit Nichtwissen auf ein Telefonat bezieht, daß mit dem Führer des
von der Klägerin geleasten Fahrzeuges geführt wurde. Warum dieser Fall nämlich
anders behandelt werden soll, als der Fall eines Bestreitens mit Nicht- wissen durch
einen Kfz-Haftpflichtvericherer im Prozeß des Unfallgeschädigten ist nicht ersichtlich.
Daß die Klägerin ihrer demnach bestehenden Informationspflicht nachgekommen ist,
läßt sich aber ihrem Vorbringen nicht entnehmen.
27
Aus Gründen der Beweislast ist auch davon auszugehen, daß tatsächlich ein Fahrzeug,
das zur gleichen Mietwagengruppe wie das klägerische Fahrzeug für 252,00 DM zur
Verfügung gestellt werden konnte. Daß dies nämlich nicht möglich gewesen wäre, ist
klägerseits nicht unter Beweis gestellt worden, was zu ihren Lasten geht, da sie nach
dem oben Gesagten gerade die Beweislast für die Ermittlung des notwendigen
Geldbetrages trägt, hierfür aber gerade der Umstand, ob ein deutlich billigerer Wagen
hätte angemietet werden könne, von Bedeutung ist.
28
Die prozeßualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11,
711 ZPO.
29
Streitwert: 1.510,00 DM
30