Urteil des AG Kassel vom 15.09.2010

AG Kassel: polizei, parkplatz, vertrag zu lasten dritter, pause, anzeige, fahrzeug, ausfahrt, polizist, fahrverbot, fahren

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Gericht:
AG Kassel
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
281 Cs - 2631 Js
39636/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 17 StGB, § 32 StGB, § 44
StGB, § 240 StGB, § 127 Abs 1
StPO
Absichtliches Blockieren der Ausfahrt eines
Autobahnparkplatzes
Tenor
Der Angeklagte wird wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je
40,00 Euro verurteilt.
Dem Angeklagten wird für die Dauer von einem Monat verboten, im
Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Angewendete Vorschriften: §§ 240, 44 StGB.
Gründe
I.
Der 54 Jahre alte Angeklagte ist verwitwet und hat drei Kinder im Alter von 17, 20
und 22 Jahren, die bei seinem Hauptwohnsitz wohnen und für die er Unterhalt
leistet. Der Angeklagte ist Einzelunternehmer, er handelt mit Sekundärrohstoffen
und ist Inhaber einer Spedition. Er beschäftigt zwei Fahrer und eine 400 €-Kraft.
Sein Bruttoeinkommen liegt nach eigenen Angaben bei etwa 2.800,00 €.
Strafrechtlich ist der Angeklagte noch nicht in Erscheinung getreten.
Im Verkehrszentralregister bestehen Eintragungen:
1. Am 03.09.2007 erkannte die Bußgeldbehörde Viechtach wegen Überholens,
obwohl es durch Überholverbotszeichen verboten war auf eine Geldbuße von 40,00
€.
2. Am 25.07.2008 erkannte das Regierungspräsidium Kassel wegen
Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener
Ortschaften auf eine Geldbuße von 40,00 €.
3. Am 18.03.2009 erkannte die Bußgeldbehörde Viechtach wegen Überschreitung
der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften auf
eine Geldbuße von 70,00 €.
4. Am 10.07.2008 erkannte die Bußgeldbehörde Viechtach wegen Überschreitung
der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften auf
eine Geldbuße von 40,00 €.
5. Am 24.09.2007 erkannte die Bußgeldbehörde Kreis Steinfurt wegen
Nichteinhaltung des Mindestabstands auf eine Geldbuße von 50,00 €.
II.
Der Angeklagte wollte am 29.09.2009 auf seiner Tour nach Twist an der
holländischen Grenze eine große Pause von rund 40 Minuten machen. Im Vorfeld
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holländischen Grenze eine große Pause von rund 40 Minuten machen. Im Vorfeld
hatte er sich nicht ausreichend um geeignete Parkplätze für seine gesetzlich
vorgeschriebenen Pausen gekümmert.
Als er auf dem Parkplatz Brasselsberg keinen Parkplatz fand, stellte er sich gegen
21.26 Uhr demonstrativ und verkehrswidrig mit seinem LKW mit Anhänger,
amtliches Kennzeichen xxx/xxx auf die Ausfahrt des Parkplatzes Brasselsberg auf
der BAB 44 in Fahrtrichtung Dortmund und beschloss dort stehen zu bleiben und
die Ausfahrt für alle Kraftfahrer so lange zu blockieren, bis er seine
vorgeschriebene Pause vollständig erfüllte hatte. Dass er auf diese Weise andere
Kraftfahrer, die auf den Parkplatz gefahren waren, an der Weiterfahrt hinderte,
nahm er zumindest billigend in Kauf. Durch das Verhalten des Angeklagten wurden
die Fahrzeuge der xxx, xxx, xxx und xxx gegen ihren Willen gezwungen, zwischen
25 und 40 Minuten auf dem Parkplatz zu verweilen. Darüber hinaus wurden
weitere, namentlich nicht bekannte, Kraftfahrer durch den Angeklagten an der
Weiterfahrt gehindert. Da die Zufahrt auf den Parkplatz in einer Kurve lag, war die
Situation für die Verkehrsteilnehmer von weitem nicht erkennbar, sodass immer
weiter Fahrzeuge auf den Parkplatz auffuhren und festsaßen. Einige Kraftfahrer
setzten ihre Fahrzeuge rückwärts wieder auf die Autobahn, um nicht festzusitzen.
Glücklicherweise kam es hierbei zu keinen Verkehrsunfällen. Gegen 22.27 Uhr gab
der Angeklagte auf Geheiß der Polizei endlich den Weg frei.
III.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den Angaben
des Angeklagten sowie aus den verlesenen Auszügen aus dem
Bundeszentralregister und aus dem Verkehrszentralregister.
Zur Sache hat sich der Angeklagte dahingehend eingelassen, dass ihm sein
digitales Überwachungsgerät angezeigt habe, dass er eine Pause machen müsse.
Er habe eine große Pause machen wollen, aber keinen Parkplatz gefunden. Er
habe sich dann in die Auffahrt gestellt und sein Fahrzeug überprüft. Hinter sein
Fahrzeug sein ein weiteres Fahrzeug gefahren und der Fahrer habe ihn
angesprochen, ob er eine Panne habe. Er habe dem Fahrer geantwortet, er müsse
eine große Pause machen. Der andere Fahrer habe entgegnet, es sei nicht gut,
eine große Pause zu machen. Es seien dann noch andere Fahrer hinzugekommen
und man hätte sich über Pausen und Lkw-Fahrten unterhalten. Er habe sich mit
den Kollegen darüber geeinigt, dass er eine 15-minütige Pause machen könne,
denn unter 15 Minuten zeige sein Gerät gar keine Pause an. Damit seien alle
einverstanden gewesen.
Auf einmal, gegen 21.40 Uhr, habe es gegen seine Fahrertür gekracht und
getrommelt. Ein ca. 40 Jahre alter kahlköpfiger 1,78 m großer Mann habe ihn als
Drecksau und Schweinehund beschimpft und versucht, ihn durch das Fenster zu
schlagen und habe sein Fahrzeug mit einem Schlüssel oder einem Handy
beschädigt. Der Mann sei vor sein Fahrzeug getreten und habe gerufen, er werde
die Polizei rufen. Er sei im Führerhaus sitzen geblieben. Selbst habe er die Polizei
nicht gerufen. Einen Fotoapparat habe er im Auto gehabt, aber keine Fotos von
der Beschädigung gemacht auch nicht in dem Jahr, das seit dem Vorfall vergangen
ist. Das Kennzeichen des „Täters“ habe er nicht gehabt. Den Vorfall habe er weder
bei der Polizei noch bei der Versicherung zur Anzeige gebracht. Er habe seinen
vorherigen Anwalt beauftragt, Anzeige wegen Sachbeschädigung zu erstatten und
Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Polizisten. Nach der Vernehmung des
Zeugen xxx erklärte der Angeklagte, dieser sei der Mann, der ihn angegriffen und
beleidigt habe. xxx habe am Spiegel rumgedrückt und ihn beleidigt.
Gegen 21.45 Uhr sei er dann von einem Mann angeschrien worden, der behauptet
habe, Polizist zu sein. Der Mann sei als Polizist nicht erkennbar gewesen und habe
sich geweigert, sich auszuweisen und habe keine Anzeige von ihm
entgegengenommen. Er habe gesagt, wenn er nicht fahre, werde er ihm einen
reindrücken.
Auf Befragen des Gerichts räumte der Angeklagte ein, nicht alles richtig gemacht
zu haben.
Das Gericht schenkt den Begründungsversuchen des Angeklagten keinen
Glauben. Der Angeklagte wollte um jeden Preis seine Pause machen. Deswegen,
und vielleicht auch, um gegen die in seinen Augen mangelhafte Parkplatzsituation
aufmerksam zu machen, machte der Angeklagte die Zufahrt „dicht“. Die
Interessen und die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer sollten hinter
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Interessen und die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer sollten hinter
seinen Bedürfnissen zurückstehen.
Die Behauptung, nach 15 Minuten wieder wegfahren zu wollen, nimmt das Gericht
dem Angeklagten nicht ab.
Der Angeklagte stand auch nicht vor Ort, um Anzeige zu machen. In dieser
Richtung hatte der Angeklagte nie etwas unternommen. Erstmals im Rahmen der
mündlichen Verhandlung stellte er diese Behauptung auf, um sein Verhalten im
Nachhinein zu rechtfertigen. Es ist noch nicht einmal zur Überzeugung des
Gerichts erwiesen, dass der Angeklagte angegriffen und bedroht wurde.
Ebenso ist durch die Beweisaufnahme widerlegt, dass sich der Angeklagte
beabsichtigte, nach 15 Minuten mit dem Einverständnis der anderen LKW-Fahrer
wieder wegzufahren. Im Übrigen wurde durch das Verhalten des Angeklagten eine
Vielzahl von Verkehrsteilnehmern gegen ihren Willen an der Weiterfahrt gehindert.
Zu Lasten dieser Menschen hätte sich der Angeklagte mit einigen Fahrern nicht
rechtswirksam einigen können. Dies käme einem unzulässigen Vertrag zu Lasten
Dritter gleich.
Der Angeklagte rief nicht selbst die Polizei, wie es bei einem Geschädigten nahe
gelegen hätte. Zumal er behauptete, die Sache bei der Polizei anzeigen zu wollen.
Dem Polizeibeamten gegenüber bekundete er sein angebliches Anliegen mit
keinem Wort.
Zeuge xxx
Parkplatz auf der A 44 überfüllt sei. Es werde rückwärts wieder auf die Autobahn
gefahren, ginge knapp her und sei brenzlig. Sein Kollege Schönecker sei dann vor
Ort gefahren.
Der Zeuge xxx bekundete glaubhaft, sein Kollege xxx habe auf der Dienststelle
Anrufe bekommen. Ein Lkw-Fahrer sei uneinsichtig und blockiere die Ausfahrt. Er
sei allein zum Einsatzort gefahren, weil alle anderen Kollegen im Einsatz gewesen
22.07 Uhr
Grasnarbe des Parkplatzes halten müssen. Weiter habe er nicht einfahren können.
Er sei zum Angeklagten gegangen, habe sich auf Verlangen ausgewiesen und den
Angeklagten gefragt, warum er dort stehe. Der Angeklagte habe gesagt, er stehe
noch drei Minuten, dann fahre er weiter. Die anderen Lkw-Fahrer habe der
Angeklagte beschimpft, sie seien schuld, dass es jetzt so lange dauere, weil sie die
Polizei gerufen hätten. Der Zeuge xxx habe dann die anderen Fahrer ca. 10
Minuten befragt und die Personalien der Zeugen xxx, xxx, xxx und xxx
aufgenommen. Die Fahrer hätten ihm berichtet, dass er Angeklagte stehen blieb,
um seine Pause einzuhalten. Von der Auswertung der digitalen Fahrtenschreiber
habe er abgesehen, da ihm die Situation zu brenzlig gewesen sei. Ca. fünf
Kilometer vom Vorfallsort, am Lohfeldener Rüssel hätte der Angeklagten einen
Parkplatz finden können.
Auf Befragen des Gerichts erklärte der Zeuge xxx weiter, dass ihm nicht bekannt
sei, dass der Angeklagte eine Anzeige habe erstatten wollen. Er habe dem
Angeklagten im Gespräch angeboten, ihm auf einen anderen Parkplatz hinterher
zu fahren, falls noch war zu besprechen sei. Davon habe der Angeklagte keinen
Gebrauch gemacht. Zu einer Schadensdokumentation oder nachträglichen
Anzeige sei es nie gekommen. Auf Befragen des Gerichts erklärte der Zeuge
weiter, er habe während des Einsatzes seine Uniform getragen.
Das Gericht hat an der Glaubwürdigkeit des Zeugen xxx und der Glaubhaftigkeit
seiner Aussage keinen Zweifel. Er berichtete ruhig und sachlich. Die vom
Angeklagten behaupteten Versäumnisse kann sich das Gericht nicht vorstellen.
Die Angaben des Zeugen xxx stehen im Übrigen im Einklang mit den Zeugen xxx,
xxx und xxx.
Zeuge xxx
seinem Partner den Fahrerplatz zu tauschen. Als sie ankamen, hätte an der
Ausfahrt des Parkplatzes schon ein LKW mit Warnlichtern gestanden. Sie hätten
direkt hinter dem LKW gehalten. Der Fahrertausch habe ca. fünf Minuten gedauert
und sie hätten weiter fahren wollen. Weil sie Computer etc. geladen hatten, hatten
sie vom Chef die Anweisung, nur an Tankstellen zu verweilen, die
kameraüberwacht sind. Nach dem Fahrerwechsel hätte der LKW vor ihnen immer
noch da gestanden. Er habe versucht, den Herrn zu fragen, warum er dort steht.
Der Mann habe gesagt, er mache eine Pause. Wie lange die Pause dauern sollte,
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Der Mann habe gesagt, er mache eine Pause. Wie lange die Pause dauern sollte,
habe der Mann nicht gesagt. Er habe dann nichts mehr zu dem Mann gesagt und
neben seinem LKW gewartet, bis die Durchfahrt frei war. Auf Befragten erklärte der
Zeuge xxx weiter, er habe sich mit dem Fahrer nicht geeinigt, dass er noch 15
Minuten dort stehen dürfe. Er habe auch nicht mitbekommen, dass sich der Fahrer
mit den anderen geeinigt hätte. Er habe den LKW des Angeklagten die ganze Zeit
im Blick gehabt. Von hinten seien weitere Autos gekommen und hätten gehupt
und Lichthupe gegeben, damit weitergefahren wird. Die anderen Fahrer seien
genervt und verärgert gewesen und hätten wohl die Polizei gerufen. Keiner hätte
freiwillig gewartet. Nach dem Gespräch mit dem Angeklagten seien die Männer
nicht zufrieden gewesen. Das schließe er daraus, dass die Männer versucht
hätten, die Tür aufzumachen, einer der Männer hätte etwas mit dem Seitenspiegel
des Angeklagten gemacht. Wie der Mann aussah, wusste der Zeuge nicht.
Gekratzt oder geschlagen hätten sie nicht an die Tür. So, wie man an einem
Haken zieht, die Absicht, den Spiegel wegzureißen hätten sie nicht gehabt.
Auf weiteres Befragen erklärte der Zeuge xxx, Schimpfworte habe er nicht gehört.
Dass die Tür beschädigt worden sei, halte er nicht für möglich, dies sei mit der
Hand oder den Fingernägeln nicht möglich. Dass ein Mann mit einem Handy oder
Schlüsselbund an die Fahrertür gehauen habe, habe er nicht gesehen.
Nach ca. 35 bis 40 Minuten sei die Polizei gekommen. Der Polizist sei von hinten
bis nach vorn zu Fuß gegangen, weil er mit seinem Fahrzeug nicht
durchgekommen sei. Der Polizist habe dem Angeklagten seine Waffe zeigen
müssen, um ihn davon zu überzeugen, dass er Polizist sei. Der Angeklagte sei der
Aufforderung, die Tür aufzumachen, zunächst nicht nachgekommen und habe
auch seine Papiere nicht zeigen wollen. Der Fahrer sollte sich morgens irgendwo
melden. Auf weiteres Befragen bekundete der Zeuge xxx, er habe nicht
mitbekommen, dass der Angeklagten gegen jemand Anzeige erstatten wollte.
Bis der LKW vor ihnen weggefahren sei, hätte es ca. 45 bis 50 Minuten gedauert.
Außer den LKWs seien auch PKWs dort gewesen, die nicht weiterfahren konnten.
Eine Frau habe einen dringenden Termin gehabt, sei zu ihm gekommen und habe
ihn gefragt, wann es weiter gehe. Auch diese Frau habe sich nicht mit dem
Angeklagten geeinigt. Ein Spanier hätte hinter ihm gestanden und die ganze Zeit
Lichthupe gegeben, um zu zeigen, dass er weg will. Nach 2- 3 Minuten sei der
Spanier zu ihm gekommen und dann nach vorn zu Angeklagten. Nach der
Unterhaltung mit dem Angeklagten sei der Spanier wieder zu seinem Auto und
habe gehupt.
Das Gericht hat an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen xxx keinen Zweifel. Er
machte seine Aussage sehr gewissenhaft. Er konnte sich sehr authentisch an viele
Details erinnern.
Zeuge xxx
gefahren. Sie hätten einen Moment gestanden. Vor ihm hätten schon ein oder
zwei Kollegen gestanden und er sei gefragt worden, ob er den ersten Fahrer mal
ansprechen könne, der wolle nicht weiter fahren. Das habe er dann getan. Der
erste Fahrer habe ihm gesagt, er habe keine Panne, sondern müsse eine Pause
von 45 Minuten machen. Er habe dem Fahrer gesagt, dass er die anderen Fahrer
störe, weil diese weiterfahren müssten. Beim Auffahren auf den Parkplatz habe
man nicht sehen können, dass kein Platz mehr war. Er habe nicht raus fahren
können.
Der Angeklagte habe gesagt, er werde nicht wegfahren. Er habe ihm gesagt, er
könne ihn verstehen, aber es sei ungünstig, sich in die Parkplatzausfahrt zu
stellen. Er sei dann zurück zu seinem Lkw und habe eine geraucht. Ein LKW sei
dann noch auf den Parkplatz gefahren und sei dann wieder rückwärts auf die
Autobahn. Es seien dann noch weitere Kollegen zum Angeklagten gegangen und
hätten ihn angesprochen. Einer habe gesagt, der Angeklagte wolle nicht wegfahren
und er rufe jetzt die Polizei. Als die Polizei da war, habe der Angeklagte gesagt,
dass hätten sie sich sparen können, ohne die Polizei wäre er jetzt schon weiter
gefahren, jetzt habe alles viel länger gedauert.
Auf Befragten des Gerichts erklärte der Zeuge xxx, er habe nicht gesehen, ob
jemand den LKW beschädigt habe. Auf Befragen der Staatsanwaltschaft erklärte
der Zeuge, der uniformierte Polizist habe sich ohne Beanstandungen verhalten. Er
könne sich nicht erinnern, dass der Angeklagte eine Anzeige habe machen wollen.
Er selbst habe seine Fahrtzeit überschritten, habe ca. eine ¾ Stunde auf dem
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Er selbst habe seine Fahrtzeit überschritten, habe ca. eine ¾ Stunde auf dem
Parkplatz gestanden. Er habe eine Schichtpause machen müssen. An eine
Absprache über 15 Min habe er sich nicht erinnern können.
Das Gericht hat an der Aufrichtigkeit des Zeugen xxx keinen Zweifel. Er zeigte
Verständnis für den Angeklagten und erstattete seine Aussage ruhig und
gewissenhaft.
Zeuge xxx
gesucht, um Schichtpause zu machen. Als dieser besetzt gewesen sei, habe er
weiterfahren wollen. Es sei nicht weiter gegangen, da der Kollege xxx gestanden
hätte. Kollegen hätten Herrn xxx schon angesprochen und er habe ihnen gesagt,
er wolle 45-46 Minuten Pause machen. Er sei dann nach vorn und habe den
Angeklagten gefragt, was das soll. Der Angeklagte habe entgegnet, er bleibe
stehen, er könne die Polizei rufen, dass sei ihm egal. Er habe keinen Bock, seine
Zeit zu überschreiten und Geld zu zahlen.
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Uhr
Stunden hinzurechnen. Er habe ca. 38 Minuten gestanden.
Andere Pkw- und Lkw-Fahrer hätten auch weiter gewollt. Beim Auffahren auf den
Parkplatz sei nicht sichtbar gewesen, dass er blockiert sei, erst als man drauf war.
Es habe auch Fahrzeuge gegeben, die rückwärts wieder auf die Autobahn gefahren
seien. Vor kurzem habe es einen schweren Unfall mit Toten auf der Autobahn
gegeben, er habe deswegen die Polizei gerufen.
Auf Befragen erklärte der Zeuge xxx, er habe nicht versucht, den Fahrer aus dem
Lkw zu ziehen und habe sich auch nicht an dem Wagen zu schaffen gemacht. Er
sei nach hinten und habe die Polizei gerufen.
Das Gericht hat an der Glaubwürdigkeit des Zeugen xxx keinen Zweifel. Er
erstattete seine Aussage gelassen und gewissenhaft. Er machte in der
Hauptverhandlung einen glaubwürdigen Eindruck. Hätte er den Angeklagten
bedroht, hätte er wohl kaum die Polizei gerufen.
Die Feststellungen zur Standzeit des Angeklagten am 29.09.2009 beruhen auf der
in der Hauptverhandlung erörterten und vom Angeklagten als Anlage zum
Fahrerkarte, Bl. 71 d.A
Die Feststellungen zum Tatort beruhen auf den in der Hauptverhandlung in
Lichtbildern Bl. 7 – 11 d.A.
IV.
Der Angeklagte hat sich damit der Nötigung gemäß § 240 StGB schuldig gemacht.
Er hat die oben namentlich benannten LKW-Fahrer und darüber hinaus weitere
namentlich nicht bekannte Kraftfahrer vorsätzlich rechtswidrig gegen ihren Willen
am Verlassen des Parkplatzes gehindert, indem er durch seinen LKW ein
physisches Hindernis bildete. Die Zwangsausübung war dabei von einer zeitlichen
Intensität, die den Tatbestand des § 240 StGB erfüllt.
Der Angeklagte handelte verkehrswidrig, zumindest bedingt vorsätzlich und
rechtswidrig.
Rechtfertigungsgründe stehen dem Angeklagten nicht zur Seite.
Einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff i.S.d. § 32 StGB sah sich der
Angeklagte nicht gegenüber. Die vom Angeklagten behauptete Angriffssituation
war nach seinen eigenen Behauptungen beendet.
Auf ein etwaiges Festnahmerecht gemäß § 127 Abs. 1 StPO oder ein
Selbsthilferecht gemäß § 229 BGB kann sich der Angeklagte nicht berufen.
Nach § 127 Abs. 1 StPO ist jedermann gerechtfertigt, der einen auf frischer Tat
Betroffenen auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festnimmt, wenn er der
Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann.
Zunächst einmal ist zur Überzeugung des Gerichts nicht dargetan, dass gegen ihn
eine rechtswidrige Tat verübt wurde. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf
die Beweisaufnahme Bezug genommen.
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Zum anderen sind derartige Maßnahmen nur dann gerechtfertigt, wenn sie sich
gegen den wirklichen Täter richten. Der Angeklagte hat aber eine Vielzahl von
Menschen an der Weiterfahrt gehindert, nicht nur seinen vermeintlichen Angreifer.
Schließlich fehlt es am subjektiven Rechtfertigungselement. Der Angeklagte
handelte nicht, um einen vermeintlichen Angreifer dingfest zu machen, sondern
um seine vorgeschriebene Pause zu machen. Keiner der Zeugen bekundete, dass
der Angeklagte gegenüber dem Polizeibeamten eine Anzeige machen wollte. Im
Gegenteil die Zeugen Schönecker und Müller bekundeten, der Angeklagte habe
gegenüber den LKW-Fahrern geäußert, wenn sie nicht die Polizei gerufen hätten,
wäre es schon weiter gegangen. Im Übrigen hat der Angeklagte nicht selbst die
Polizei gerufen oder den Schaden in irgendeiner Art und Weise zeitnah
dokumentierte oder zur Anzeige gebracht.
Der Rechtfertigungsgrund der Selbsthilfe gemäß § 229 BGB steht dem
Angeklagten nicht zur Seite. Hiernach handelt nicht widerrechtlich, wer zum
Zwecke der Selbsthilfe einen Verpflichteten, welcher der Flucht verdächtig ist,
festnimmt, sofern obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne
sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruchs
vereitelt oder erschwert wird. Vorliegend fehlt es an einem Verpflichteten, weil eine
rechtswidrige Tat zum Nachteil des Angeklagten aus den o.g. Gründen bereits
nicht erwiesen ist. Außerdem wäre es dem Angeklagten sehr wohl möglich
gewesen, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dass ihm diese verweigert
wurde, ist nicht erwiesen. Vielmehr rief er nicht bei der Polizei an und erstattete
auch später keine Anzeige. Weiter durfte sich die Selbsthilfe nicht gegen
unbeteiligte Verkehrsteilnehmer richten und schließlich fehlt wie auch beim
Festnahmerecht das subjektive Rechtfertigungselement, da der Angeklagte aus
ganz anderen Beweggründen handelte.
Dem Angeklagten fehlte zur Überzeugung des Gerichts nicht gemäß § 17 StGB die
Einsicht, Unrecht zu tun. Ihm war klar, dass sein Handeln nicht rechtens ist, wollte
sich aber gleichwohl durchsetzen, um eine Geldbuße zu vermeiden. Der
Angeklagte hat nicht behauptet, im Recht zu sein, sondern im ersten
Verhandlungstag eingeräumt, nicht alles richtig gemacht zu haben.
Soweit der Angeklagte in der irrigen Annahme gewesen sein sollte, seine Tat sein
gerechtfertigt bzw. nicht verwerflich, weil LKW-Fahrern seiner Auffassung nach zu
wenig Parkplätze zur Verfügung stehen, so hat sich der Angeklagte allenfalls in
einem gemäß § 17 StGB vermeidbaren Verbotsirrtum befunden. Bei gehöriger
Anspannung hätte der Angeklagte mit seinen Fähigkeiten, Kenntnissen und seiner
Lebenserfahrung erkennen können, dass er gegen die Rechtsordnung verstößt.
Der Angeklagte ist ein 54 Jahre alter Unternehmer und Vater von drei Kindern mit
jahrelanger Berufserfahrung als Kraftfahrer. Die vom Angeklagten beklagte
Parkplatzsituation ist nicht von heute auf morgen eingetreten. Bei gehöriger
Gewissensanspannung hätte der Angeklagte das Unrecht erkennen können. Ihm
hätten in jedem Fall Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Handelns kommen und
zu Erkundigungen führen müssen. Wer als Berufskraftfahrer und wie der
Angeklagte auch noch als Transportunternehmer tätig ist, muss sich über die
insoweit geltenden Vorschriften informieren (vgl. allgemein: Fischer, Kommentar
zum StGB, § 17 Rn. 9).
Das Verhalten des Angeklagten war verwerflich i.S.d. § 240 StGB. Gemäß § 240
Abs. 2 StGB ist die Tat rechtswidrig, wenn die Anwendung der Gewalt zu dem
angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. Nach dieser
Verwerflichkeitsklausel sind Nötigungsmittel und Nötigungszweck einer
Gesamtwürdigung zu unterziehen. Verwerflichkeit i.S.d. Vorschrift ist als
Sozialwidrigkeit des Handelns zu begreifen (Fischer, Kommentar zum StGB, § 240
Rn. 41). Der Angeklagte hat sich selbstherrlich über den Willen einer Vielzahl von
Menschen hinweggesetzt und zur Durchsetzung seiner Belange die Sicherheit und
Leichtigkeit des Straßenverkehrs gefährdet. Eine derartige Handlungsweise ist
nach Auffassung des Gerichts sozialwidrig. Das Chaos, das eintreten würde, wenn
jeder seine persönlichen Bedürfnisse so rücksichtslos durchsetzte, wäre enorm
und hätte individuell und gesamtgesellschaftlich negative Folgen.
V.
Das Gesetz sieht für Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 StGB Freiheitsstrafe bis zu drei
Jahren oder Geldstrafe vor.
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Im Rahmen der Strafzumessung hat das Gericht zugunsten des Angeklagten
berücksichtigt, dass er strafrechtlich nicht vorbelastet ist und sich in einer
Drucksituation befand. Weiter sprach für ihn, dass er den groben Sachverhalt,
wenn auch mit Abweichungen, eingeräumte, zugab, nicht alles richtig gemacht zu
haben und seit der Tat bereits über ein Jahr vergangen ist und es in dieser Zeit zu
keinen weiteren Verfehlungen gekommen ist.
Gegen den Angeklagten sprach, dass er durch sein Verhalten die Sicherheit und
Leichtigkeit des Straßenverkehrs beeinträchtigte und nicht nur einen Menschen,
sondern eine Vielzahl von Menschen an der Weiterfahrt hinderte, einige bis zu 40
Minuten lang.
Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden
eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je
40,00 Euro
Bei der Höhe des Tagessatzes hat sich das Gericht an den
Einkommensverhältnissen des Angeklagten orientiert.
Darüber hinaus war es nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts geboten,
dem Angeklagten gemäß § 44 StGB ein Fahrverbot von einem Monat
aufzuerlegen. Gemäß § 44 StGB kann das Gericht dem Täter, der wegen einer
Straftat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs
oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, zu
einer Freiheitsstrafe oder Geldstrafe verurteilt, für die Dauer von einem Monat bis
zu drei Monaten verbieten, Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu
führen. Im Hinblick auf den erheblichen vorsätzlichen Verstoß gegen seine
Pflichten als Kraftfahrer, den der Angeklagte als Berufskraftfahrer und
Unternehmer mit Vorbildfunktion beging, erschien die Verhängung eines
Fahrverbots von einem Monat als erforderlich, aber auch ausreichend.
Bei der Bemessung der Dauer des Fahrverbots hat das Gericht zugunsten des
Angeklagten berücksichtigt, dass er beruflich auf seinen Führerschein angewiesen
ist und die Tat bereits rund ein Jahr zurück liegt. Die Folgen dürften aufgrund des
Umstands, dass der Angeklagte zwei Fahrer in seiner Firma beschäftigt,
abgemildert werden können. Ein Absehen vom Fahrverbot erschien im Hinblick auf
das Gewicht des Verkehrsverstoßes nicht als angemessen. Wer fahrlässig einen
qualifizierten Rotlichtverstoß begeht oder fahrlässig mit einem Kraftfahrzeug mit
einem zulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 t innerorts 26 km/h zu schnell fährt,
muss wegen grober Verletzung der Pflichten als Kraftfahrer in der Regel ein
Fahrverbot gewärtigen. Vergleicht man die vorsätzliche Straftat des Angeklagten
mit den vorgenannten fahrlässigen Ordnungswidrigkeiten, so erscheint die
Verhängung des Fahrverbots mehr als angemessen.
Das Fahrverbot wird gemäß § 44 Abs. 2 StGB mit Rechtskraft des Urteils wirksam.
Der Führerschein ist in amtliche Verwahrung zu geben. Die Verbotsfrist wird erst
von dem Tag an gerechnet, an dem der Führerschein in amtliche Verwahrung
gelangt.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.