Urteil des AG Herne vom 22.12.2003

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Amtsgericht Herne, 18 C 563/03
Datum:
22.12.2003
Gericht:
Amtsgericht Herne
Spruchkörper:
Abteilung 18
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 C 563/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreites.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 115 % des gesamten vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 %
des zu vollstre-
ckenden Betrages leisten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
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Die Klägerin ist Vermieterin und die Beklagten sind seit dem 01.01.1937 Mieter einer
Wohnung der Klägerin im Hause U-Hof ... in I.
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Mit ihrer Klage macht die Klägerin rückständige Ansprüche im Zusammenhang mit einer
Heizkostenabrechnung für das Abrechnungsjahr 2001 geltend. Die Heizkos- ten rechnet
die Klägerin mit Schreiben der von ihr beauftragten ... vom 10.12.2002 ab. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf das mit der Klageschrift überreichte Schreiben vom
10.12.2002 (Bl. 15 bis 16 d. A.) verwiesen.
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Die Klägerin trägt vor, vorliegend sei im Zuge der Modernisierung der sog. Teutoburgia-
Siedlung Anfang der 90er-Jahre u. a. die ...GmbH mit der Herstellung der
Wärmeversorgung der Siedlung beauftragt worden. Diese habe aus einem auf eigene
Kosten errichteten Heizwerk aufgrund eines entsprechenden Wärmelieferungsvertrages
mit der Klägerin diese mit Wärme beliefert und dafür einen Wärmelieferungspreis in
Rechnung gestellt. Diesen wiederum gebe die Klägerin gemäß § 7 Abs. 4
Heizkostenverordnung an ihre Mieter im Rahmen der Heizkostenabrechnung weiter,
und zwar seit dem Jahre 1991.
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Die Klägerin habe sich zulässigerweise für einen gewerblichen Wärmelieferanten
entschieden. Insoweit sei sie nach Ansicht der Klägerin auch berechtigt, den gesamten
ihr wiederum in Rechnung gestellten Wärmelieferungspreis an den Mieter
weiterzugeben. Zulässigerweise enthalte dieser Preis neben den reinen Betriebskos-ten
für die Wärmeerzeugung auch anteilige Gemeinschaftskosten wie etwa
Abschreibungen, Zinsen, Kosten für Versicherung und Instandhaltung. Im Übrigen
ergäben sich die tatsächlichen Kosten aus der Rechnung der ... GmbH vom 26.04.2002.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die mit Schriftsatz vom 19.12.2003
überreichte Rechnung der ... GmbH vom 26.04.2002 (Bl. 51 d. A.) verwiesen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie, die Klägerin,
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383,77 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen
Zentralbank seit dem 15.07.2003 zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie sind der Ansicht, die hier zu Grunde liegende Abrechnung sei nicht nachvollziehbar.
Unabhängig davon, dass durch etwaige Rechnungsbelege die tatsächlichen
Brennstoffkosten und Abrechnungsgebühren nicht nachgewiesen seien, sei nicht
erläutert worden, ob es sich um tatsächliche Brennstoffkosten oder um ein sog.
Wärmecontracting handele. Auch die nunmehr vorgelegte Rechnung der Firma ... vom
26.04.2002 sei nicht nachvollziehbar.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Parteivorbringens wird auf den
Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst allen Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagten für das Abrechnungsjahr 2001 kein
Nachzahlungsanspruch bezüglich der Heizkosten in der geltend gemachten Höhe von
383,77 EUR zu, da die zu Grunde liegende Abrechnung vom 10.12.2002 nicht die
formalen Anforderungen an eine ordnungsgemäße und für einen Mieter
nachvollziehbare Abrechnung erfüllt, so dass der von der Klägerin geltend gemachte
Nachzahlungsanspruch im Ergebnis nicht fällig ist, ohne dass es auf weitere etwaige
materielle Einwände ankommen würde.
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Die hier zu Grunde liegende Heizkostenabrechnung für den Zeitraum 01.01. bis
31.12.2001 vom 10.12.2002 ist nicht prüffähig.
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Eine Abrechnung muss den allgemeinen Anforderungen des § 259 BGB entsprechen
und damit eine geordnete Zusammenstellung der Ausgaben und übersichtliche
Aufgliederung in Abrechnungsposten enthalten.
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Danach muss die Nebenkostenabrechnung für den Mieter klar und aus sich heraus
verständlich sein, und ihn in die Lage versetzen, die Abrechnung gedanklich und
rechnerisch ohne juristische und betriebswirtschaftliche Kenntnisse einfach
nachvollziehen zu können. Diese Funktion erfüllt eine Abrechnung nur, wenn sowohl
die Einzelangaben als auch die Abrechnung selbst insgesamt klar, übersichtlich und
aus sich heraus verständlich sind. Soweit keine besonderen Abreden vorliegen, sind
deshalb insoweit als Mindestangaben erforderlich eine geordnete Zusammenstellung
der Gesamtkosten, die Angaben und Erläuterung des jeweiligen Verteilerschlüssels, die
nachvollziehbare und verständliche Berechnung des Anteils des Mieters sowie dann
der Abzug der von ihm geleisteten Vorauszahlungen (vgl. LG Bochum, Beschluss vom
06.01.1999 - 9 S 208/98; BGH, NJW-RR 2003, 442; OLG Schleswig, WuM 1991, 333;
Sternel, Mietrecht aktuell, 3. Auflage, Rn. 746).
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Notwendig, aber auch ausreichend ist es, dass der Mieter die ihm angelasteten Kos-ten
und den insoweit maßgeblichen Rechenweg bereits aus der Abrechnung selbst klar
ersehen und rechnerisch dann überprüfen kann, so dass die Einsichtnahme in die dafür
vorliegenden Belege nur noch zur Kontrolle und zur Behebung von Zweifeln oder für
materiell-rechtliche Einwände erforderlich ist (BGH, NJW 1982, 573, 574; OLG
Nürnberg, WuM 1995, 308, 309).
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Die einzelnen Rechenschritte müssen aus der Abrechnung als solche leicht und einfach
zu entnehmen sein. Die notwendigen Rechenschritte zur Ermittlung bestimmter Beträge
müssen aus der Gliederung der Abrechnung oder einer notwendigen Erläuterung
verständlich und für den Mieter ohne weiteres nachvollziehbar sein (vgl. Langenberg,
NZM, 2001, 283, 286).
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erfüllt die hier zu Grunde liegende
Abrechnung der Klägerin diese formalen Anforderungen nicht, da die Abrechnung
mehrere formale Mängel aufweist und aus sich heraus nicht ohne weiteres einfach und
leicht verständlich ist.
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Hier wird in die Betriebskostenabrechnung die Position "Brennstoffkosten" eingestellt,
ohne dass die Klägerin diese Position näher erläutert. Dies wäre jedoch bereits
erforderlich gewesen, da nicht ersichtlich ist, welche einzelnen Unterpositionen darin
enthalten sind.
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Im Weiteren ist die Abrechnung auch rechnerisch nicht nachzuvollziehen. Zwar wird
eine bestimmte Menge, nämlich 617.530 KWH ausgewiesen, ohne dass jedoch der
Preis für die Kilowattstunde im Einzelnen mitgeteilt wird. Es wird lediglich die Summe
(38.955,12 EUR) mitgeteilt. Insoweit ist dem Mieter bereits die Möglichkeit der
rechnerischen Überprüfung genommen. Eine solche Überprüfung kann von ihm
allenfalls unter Zuhilfenahme weiterer Abrechnungsunterlagen, hier etwa der ... vom
26.04.2002 (Bl. 51 d. A.) vorgenommen werden. Daraus ergibt sich erstmals der
überhaupt in Ansatz gebrachte Preis pro Megawattstunde, wobei diesem Schreiben
erstmals auch eine Differenzierung zwischen Grundpreis und Arbeitspreis
vorgenommen wird. Auch der jeweilige Grundpreis wird hier erstmals mitgeteilt. Erst
diese weiteren Unterlagen ermöglichen den Beklagten überhaupt die rechnerische
Überprüfung der in Ansatz gebrachten gesamten Brennstoffkosten, wobei nunmehr
darin zwischen Arbeits- und Grundpreis differenziert wird, ohne jedoch diese Positionen
näher zu erläutern. Im Übrigen hätte hier auch vor dem Hintergrund einer annähernd 40
%igen Steigerung (im Vergleich zum Vorjahreszeitraum) eine nähere Erläuterung der
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Position "Brennstoffkos-ten" und der eingetretenen eklatanten Kostenerhöhung erfolgen
müssen.
Insgesamt erfüllt die hier vorliegende Abrechnung im Hinblick auf Erläuterung und
nachvollziehbare Berechnungen nicht die o. g. Anforderungen an eine
ordnungsgemäße und für einen Mieter nachvollziehbare Abrechnung, so dass der von
der Klägerin in Ansatz gebrachte Saldo nicht fällig ist. Ein Nachforderungsanspruch
steht der Klägerin daher zurzeit nicht zu.
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Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache war hier gemäß § 511 Abs. 4
Satz 1 ZPO die Berufung zuzulassen.
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Der Streitwert für den Rechtsstreit wird auf 383,77 EUR festgesetzt.
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