Urteil des AG Hamm vom 11.05.2005

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Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Schlagworte:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Amtsgericht Hamm, 17 C 89/05
11.05.2005
Amtsgericht Hamm
Zivilabteilung
Urteil
17 C 89/05
Parabolantenne
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Eine ohne Genehmigung errichtete Parabolantenne ist abzubauen, weil
türkische Miete ihr Informationsbedürfnis durch eine ausreichende Anzahl
türkischer Programme im Kabelnetz gegen ein zumutbares Entgelt
befriedigen können.
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner die auf dem
Balkon des Hauses Herringer I 1, #### I2, im Dachgeschoss links,
errichtete Parabolantenne sowie sämtliche Zuleitungen zu entfernen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 900,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitwert: 700,00 €.
T a t b e s t a n d
Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung im Dachgeschoss des Hauses Herringer I 1,
#### I2. Vermieterin ist die Klägerin. In § 4 Abs. 1 des Mietvertrages zwischen den Parteien
heißt es: "Der Mieter verzichtet auf ein ihm etwaig zustehendes Recht, an dem Gebäude
oder auf dem Grundstück der Vermieterin eine Antenne zu errichten." Inhalt des
Mietvertrages sind gleichfalls die allgemeinen Vertragsbestimmungen der Klägerin. In
Nummer 7 der allgemeinen Vertragsbestimmungen heißt es unter der Überschrift
"Zustimmungsbedürftige Handlungen des Mieters": Mit Rücksicht auf die Gesamtheit der
Mieter und im Interesse einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Hauses und der
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Wohnung bedarf der Mieter der vorherigen Zustimmung des Wohnungsunternehmens,
wenn er ... f) Antennen aufstellt, anbringt oder verändert.
Die Beklagten schlossen am 15.03.2002 weiter mit der Firma N GmbH einen Mietvertrag
über einen auf diese Wohnung bezogenen Anschluss an das Breitbandkabelnetz oder an
eine Satellitenempfangsanlage, die über die Grundversorgung hinausgeht. Die Beklagten
errichteten auf dem Balkon ihrer Wohnung eine Satellitenantenne.
Die Klägerin behauptet, die Beklagten könnten über ihren Breitbandkabelanschluss
insgesamt 16 türkische Programme und gegen ein Entgelt in Höhe von 6,95 € weitere 6
türkische Programme empfangen. Das äußere Erscheinungsbild des Hauses werde durch
die Antenne beeinträchtigt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die auf dem Balkon des Hauses
Herringer I 1, #### I2 im Dachgeschoss links errichtete Parabolantenne sowie sämtliche
Zuleitungen zu entfernen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten halten die Regelungen des Mietvertrages in § 4 Abs. 1 und in den
allgemeinen Vertragsbestimmungen unter Nr. 7 für widersprüchlich.
Sie behaupten, der Beklagte zu 2) sei erst vor 3 Jahren aus der Türkei nach Deutschland
gezogen. Sie hätten die Antenne im Verlaufe des Rechtsstreits wesentlich tiefer gesetzt,
sodass sie nur noch geringfügig sichtbar sei.
Die Beklagten sind der Auffassung, sie müssten sich nicht auf 6 Programme gegen ein
Entgelt von 6,95 € verweisen lassen.
Wegen des Parteivorbringens im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin kann von den Beklagten nach den Regelungen des Mietvertrages die
Entfernung der Parabolantenne auf dem Balkon nebst der Zuleitungen verlangen.
Die Beklagten haben sich bereits in § 4 Abs. 1 des Mietvertrages verpflichtet, auf dem
Grundstück der Klägerin keine Antenne zu errichten. Nach Auffassung des Gerichts handelt
es sich dabei um die im Mietvertrag für das konkrete Mietverhältnis getroffene
Vereinbarung, welche der Regelung in Nr. 7 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen
vorgeht, weil letztere ersichtlich allgemein auf alle Mietverhältnisse der Klägerin
zugeschnitten sind. Eine solche Regelung ist auch nicht unwirksam, wenn die
fremdsprachigen Mieter sich hinreichend aus Fernsehprogrammen ihrer Heimatsprache
unterrichten können, wie dies hier der Fall ist. Auch bei der für die Beklagten günstigeren
Regelung in den Allgemeinen Vertragsbestimmungen hätten diese keinen Anspruch auf
Aufstellung einer Parabolantenne.
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Bei der Frage, ob die Klägerin ihre Zustimmung zum Aufstellen einer Antenne erteilen
müsste, ist dem Grundrecht des Mieters aus Art. 5 GG, sich aus allgemein zugänglichen
Quellen ungehindert zu unterrichten, Rechnung zu tragen. Den Beklagten ist die
Möglichkeit einzuräumen, sich durch verschiedene türkischsprachige Programme zu
unterrichten. Bei der Abwägung, ob der Mieter deshalb einen Anspruch auf Errichtung einer
Parabolantenne hat, ist andererseits das Grundrecht des Eigentümers aus Art. 14 GG zu
berücksichtigen. Insofern macht die Klägerin geltend, dass das äußere Erscheinungsbild
des Hauses beeinträchtigt wird und ihr durch die Überwachung der Antennen
verschiedenster Mieter nicht unerhebliche Kosten entstehen. Auch wenn eine optische
Beeinträchtigung nur geringfügig ist, ist in diesem Spannungsverhältnis ein Vermieter aus
verfassungsrechtlicher Sicht nicht gehindert, seine Zustimmung zum Aufstellen einer
Parabolantenne zu versagen, wenn der Mieter sich aus 6 Programmen in seiner
Heimatsprache informieren kann, die er mit Zusatzkosten empfangen kann, welche einen
nutzungswilligen Interessenten typischerweise nicht davon abhalten, das Programmpaket
zu beziehen (vgl. BVerfG NZM 05, 252; BGH, Urt. vom 02.03.05, VIII ZR 118/04, bei 5
russischsprachigen Programmen).
Der Zeuge L hat bekundet, dass die Beklagten neben verschiedensten Radioprogrammen
in türkische Sprache folgende digitale Fernsehprogramme in türkischer Sprache
empfangen können, die sich aus 4 Programmpaketen ergeben:
Programmpaket
Sparte
ATV AVRUPA
A-TV Avrupa
Allgemein
Yeni TV
Allgemein
Kanal 7 International
Kanal 7 international
Allgemein
TVT
Musik
Slayt TV
Allgemein
Kanal D Paket
CNN Türk
Nachrichten
Dream TV
Musik
Kanal D Fun
Allgemein
Besiktas TV
Sport
Fenerbahce
Sport
Halay TV
Musik
DHA
Nachrichten
MMC Eurotürk
Musik
Star TV Paket
Kral TV
Musik
STAR TV
Allgemein
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Dizi TV
Kino
SineKlassik 2
Kino
Metro +
Musik
Yesilcam TV
Kino
Habertürk TV
Nachrichten
Diese Programme können aufgrund des Vertrages über den Kabelanschluss, wie mit der
Firma N GmbH vereinbart, ohne Zusatzkosten empfangen werden.
Zusätzlich können gegen ein Entgelt von 6,95 € die türkischen Programme Kanal 7, Show
TV, TGRT, ATV 2, Kanal D und Jetix Play empfangen werden.
Damit können sich die Beklagten umfassend in türkischer Sprache informieren. Sie können
sich nicht darauf berufen, ihre Verpflichtung zur Nichterrichtung einer Antenne sei
unwirksam oder die Klägerin müsse die Zustimmung zur Errichtung einer Parabolantenne
erteilen. Die von den Beklagten ohne Zustimmung der Klägerin errichtete Antenne müssen
die Beklagten beseitigen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.