Urteil des AG Hagen vom 27.10.2008

AG Hagen: gutachter, mahnkosten, nebenkosten, sachverständiger, mangel, preiskontrolle, mittelwert, ausführung, abrechnung, prozess

Amtsgericht Hagen, 10 C 2/08
Datum:
27.10.2008
Gericht:
Amtsgericht Hagen
Spruchkörper:
Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 C 2/08
Schlagworte:
Schadensermittlungskosten - Kfz-Schadensgutachten, BVSK Tabelle
Normen:
§§ 249 BGB, 287 ZPO
Leitsätze:
In Anwendung des BGH-Urteils vom 23.01.2007, VI ZR 67/07 kann die
regionale Höhe der Begutachtungskosten, wenn im Einzelfall nicht
konkrete Einwendungen vorgebracht und ggf. durch durch gerichtliche
Gutachten nachgewiesen werden, jedenfalls bei geringen
Reststreitigkeiten anhand der jahresbezogenen BVSK Tabelle geschätzt
werden.
Tenor:
1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den
Kläger 10,00 EUR Mahnkosten zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als
Gesamtschuldner 60 %, der Kläger 40 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Ohne Darstellung des Tatbestandes gem. §§ 313 a, 495 a ZPO.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage auf Erstattung der Schadensermittlungskosten, die der Zedent des Klägers
durch die Beauftragung des Klägers mit der Erstattung des Gutachtens hinsichtlich der
Schadenhöhe an seinem bei dem Verkehrsunfall am 16.04.2004 entstandenen
Schadens begehrt, ist durch die Zahlung nach Rechtshängigkeit (291,44 EUR brutto bei
netto 1.044,34 EUR Sachschaden zuzüglich 16 % USt und 1.300,00 EUR
Wiederbeschaffungswert -) in der Hauptsache teilweise erledigt und von den Parteien
insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt worden; dies führt insoweit zur Kostenlast
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der Beklagten, da sie mit der Zahlung nach Zustellung des Mahnbescheides die
Klageforderung zum Teil anerkannt haben.
Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Ersatz von Gutachterkosten – verlangt sind
mit der Rechnung insgesamt 483,64 EUR – steht dem Geschädigten und entsprechend
dem allein aus Abtretung gegenüber den Beklagten berechtigten Kläger nicht zu.
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Maßgeblich ist allein die Entscheidung des Bundesgerichtshofsurteil vom 23.01.2007,
VI ZR 67/07, wonach für den getroffenen Kraftfahrzeugeigentümer die Höhe der
Erstattung von Schadensermittlungskosten durch beauftragte Gutachter mit dem Risiko
verbunden ist, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt,
der sich später im Prozess als zu teuer erweist. Eine bei der Beauftragung
offensichtliche Überteuerung der Preise des Gutachtens ist nach dieser BGH-
Entscheidung nicht erforderlich. Keinem sachgeschädigten Kraftfahrzeugeigentümer
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werden mehr an Reparaturaufwendungen erstattet als er in einer markengebundenen
Fachwerkstatt verausgaben müsste, etwa wenn er einen demgegen überhöhten
Reparaturpreis aus Mangel an näheren Erkundigungen bei jemand anderem bezahlt.
Nicht anders liegt es bei den Aufwendungen für die Einholung eines
Schadengutachtens nach einem Kfz-Unfall, wenn ohne nähere Erkundigungen über die
Preise, die selbstverständlich keine Markterforschung darstellen müssen, ein
Sachverständiger beauftragt wird.
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Nähere Erkundungen des Geschädigten nach Preisen und Leistungen eines
Schadengutachters hat der Kläger nicht vorgebracht.
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Dementsprechend liegt es nahe, es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass der
sachgeschädigte Kraftfahrzeugeigentümer zu den Preisen des Gesprächsergebnisses
der BVSK mit der I-D, also hier der Beklagten, einen Gutachter gefunden hätte, hätte er
auch nur nähere Erkundigungen eingeholt, wobei eine Marktanalyse nicht erforderlich
gewesen wäre. Schon ein zumutbarer Blick in die einschlägigen
Branchenverzeichnisse , etwa die Gelben Seiten, hätte jedermann Aufschluss über die
Verfügbarkeit und Erreichbarkeit von mehreren Kfz-Schadengutachtern gegeben, auch
dem konkret betroffenen Zedenten.
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Die von der Beklagtenseite vorgebrachte unstreitige Gebührentabelle im
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Gesprächsergebnis BFSK/I hat jedenfalls überzeugend gezeigt, dass die Beklagte bei
der Regulierung mit 291,44 EUR soviel gezahlt hat, wie die Tabelle ausweist, den die
BVSK- angehörigen Gutachter in der hiesigen Region von einem wirtschaftlich
vernünftig handelnden Geschädigten verlangen. Dabei ist die tatsächliche
Regulierungspraxis der Beklagten nicht ausschlaggebend; vielmehr zeigt das
Gesprächsergebnis, dass die hiesigen Gutachter weniger verlangen als der Kläger,
ohne sich qualitativ nach unten abzuheben. Auch der Kläger hat nicht dargelegt,
inwieweit er – außerdem notwendigerweise - bessere Gutachten fertigt und warum
andere hier tätige Gutachter, gar für den konkreten Fall schlechter arbeiten. Die Tabelle
zeigt auch, dass der sachgeschädigte Kraftfahrzeugeigentümer bei den von dem Urteil
des BGH vom 23.1.2007 verlangten näheren Erkundigungen bei anderen Gutachtern
preiswerter und gleichwertig das zur Schadenermittlung erforderliche Gutachten
erhalten hätte. Eine Preiskontrolle findet damit nicht statt; dem Kläger bleibt
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es unbenommen, einen ggfs. wirksam vereinbarten Preis von seinem Auftraggeber ggf
den nicht von den Beklagten zu erhaltenden (Mehr-)-Betrag vergütet zu erhalten.
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Zumindest zu dem von der Beklagten erstatteten Betrag ist parallel und unabhängig von
dem Vorstehenden nach Schätzung des Gerichts nach § 287 ZPO im regionalen
Bereich mit Rücksicht auch auf dem Kläger aus anderen Verfahren bekannte bereits
erhobene Gutachten über die regionalen Gutachtenpreise für einen wirtschaftlich
denkenden Geschädigten in der subjektiven Lage des Zedenten ein brauchbares
qualifiziertes Gutachten einzuholen gewesen.
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Nach § 287 ZPO, die bei der Schadenshöhe eine Schätzung nach vernünftigem
Ermessen anordnet, verbietet sich im Ergebnis für den konkreten Einzelfall die in der
o.a. BGH- Entscheidung aufgezeigte Möglichkeit, die Einholung eines
Sachverständigengutachtens zur Höhe der bei näheren Erkundigungen erforderlichen
Schadensermittlungskosten insbesondere mit Rücksicht darauf, dass hier nur der
Mehrbetrag im Raum steht und die Begutachtung das Mehrfache dieses
Differenzbetrages kosten würde; legt man das BVSK-Gesprächsergebnis und den vom
Kläger verlangten Preis zugrunde, so ist mit der
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Zahlung ein durchaus vertretbarer Mittelwert als Schätzungsergebnis akzeptabel ( § 249
BGB).
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Dasselbe ergibt sich aus der Sachverständigenäußerung des Verbandsvorsitzenden
des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das
Kraftfahrzeugwesen e. V. (BVSK) Elmar Fuchs. Dieser hat in einem durchaus
vergleichbaren Fall die Abrechnung des Klägers untersucht und sachverständig
dahingehend beurteilt, dass der Kläger im konkreten Einzelfall hinsichtlich der
Nebenkosten ein erheblich überhöhten Wert angesetzt hat. Nun mag das im Verhältnis
zwischen dem Kläger und seinem Auftraggeber nach Werkvertragsrecht zu beurteilen
sein; schadensersatzrechtlich deutet dies jedoch, dass der Kläger zur Ermittlung des
Schadenaufwandes sich durchaus eines preiswerteren, an den BVSK-
Vergütungssätzen orientierten freien und unabhängigen Sachverständigen bedienen
konnte.
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Dabei braucht nicht geklärt zu werden, ob außer auf den freiberuflichen
Sachverständigen
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der Geschädigte zur Ermittlung des notwendigen erforderlichen Aufwandes für die
Einholung des Schadengutachtens auch auf Gutachter zurückgreifen kann, zur
Wahrung der Erstattungsfähigkeit insoweit sich sogar verhalten muss, die in
Prüforganisation angestellt sind. Hier hat die Beklagte ihrerseits nach dem BVSK-
Tabellenwerten abgerechnet.
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Die Einwendungen des Klägers gegen die Verwertbarkeit der Stellungnahme des
BVSK-Vorsitzenden mit Schriftsatz vom 17.07.2008 greifen nicht durch. Eine besondere
Rabattierung im Prallelfall hat der Kläger von sich aus jedenfalls nach den Angaben im
Schriftsatz vom 17.09.2008 seinerseits nicht vorgenommen gehabt, obwohl er nach den
Angaben des Klägervertreter praktisch zwei Gutachten zu einem zusammengeheftet hat.
Versteht man den Argumentationsansatz in dem Schriftsatz vom 17.09.2008 überhaupt,
hätten geringere Nebenkosten berechnet werden müssen. Die Ausführung der
sachverständigen Stellungnahme lassen sich durchaus auf den vorliegenden Streitfall
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im Einzelfall übertragen, denn die angegebene Grundgebühr von 197,00 EUR wird
durch die Honorarstellung auf insgesamt 483,64 EUR mehr als verdoppelt. Nach der
Stellungnahme des BVSK-Verbandsvorsitzenden Fuchs ist dies durchaus als eine
höhere Preisgestaltung zu verstehen als sonstige auch im regionalen Raum
vorhandene BVSK-Sachverständige dem Geschädigten für die Einholung eines
Schadensermittlungsgutachtens abverlangen.
Die nicht näher erläuterten Mahnkosten in Höhe von 10,00 EUR – nicht 20,00 EUR (§
287 ZPO) – sind nach § 286 BGB zu erstatten, die Zinsen ebenfalls aus
Verzugsgründen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91a, 92 ZPO.
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Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar nach §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
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Die Berufung war nicht zuzulassen, da dieses Gericht nicht von der maßgeblichen
Entscheidung des Bundesgerichtshofs (siehe oben) abweicht; soweit andere Gerichte
oder andere Instanzen davon abweichen, obliegt ihnen die Rechtsmittelzulassung.
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