Urteil des AG Hagen vom 24.03.2009

AG Hagen: tod, schmerzensgeld, widerruf, rechtswidrigkeit, zukunft, subjektiv, vollstreckung, ehrverletzung, laie, beleidigung

Amtsgericht Hagen, 11 C 505/08
Datum:
24.03.2009
Gericht:
Amtsgericht Hagen
Spruchkörper:
Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 C 505/08
Schlagworte:
Allgemeines Persönlichkeitsrecht
Normen:
§§ 823, 1004 BGB
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Klägerin und ihr Ehemann sind ehemalige Patienten des Beklagten.2005 erkrankte
der Ehemann an Bauspeicheldrüsenkrebs, woran er am 06. Oktober 2006 verstarb. Im
Zusammenhang mit der Behandlung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin wurde
ab Januar 2008 überprüft, ob und inwieweit ein Behandlungsfehler des Beklagten zu
einem vorzeitigen Tod des verstorbenen Ehemannes der Klägerin geführt hatte. Anfang
April 2008 wurde insoweit ein konkreter Vorwurf erhoben. Daraufhin antwortete der
Beklagte mit Telefaxschreiben vom 12. Mai 2008, er habe die Unterlagen an die
Ärztekammer gesandt. Er teilte weiter mit:
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"Ferner teile ich vorsorglich mit, dass ich Frau T anzeigen werde, da diese für den Tod
des Herrn T verantwortlich ist".
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Die Klägerin hat in der Folgezeit Zivilklage beim Landgericht Hagen erhoben.
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Die Klägerin trägt vor, bei der Behauptung des Beklagten, sie sei verantwortlich für den
Tod ihres Ehemannes, handele sich um eine ehrkränkende Behauptung, die zudem
auch unzutreffend sei. Die Rechtswidrigkeit des Eingriffs liege auf der Hand. Sie könne
zum einen Beseitigung durch Widerruf in Form einer schriftlichen Widerrufserklärung
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verlagen und zudem Unterlassung derartiger beleidigender Behauptungen für die
Zukunft. Die Wiederholungsgefahr sei schon aufgrund des stattgefundenen Eingriffs
begründet. Aufgrund der Beleidigung und Ehrverletzung sei ein Schmerzensgeld in
Höhe von 1000,00 Euro angemessen und gerechtfertigt. Die Höhe des
Schmerzensgeldes rechtfertige sich insbesondere auch aufgrund der Tatsache, dass sie
die Behauptung des behandelnden Arztes, sie selbst als Laie und Ehefrau des
verstorbenen Ehemannes solle für dessen Tod verantwortlich sein, fassungslos
gegenüber stehe.
Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, seine unter dem 12.05.2008 abgegebene
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Behauptung, sie sei für den Tod ihres verstorbenen Ehemannes verant-
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wortlich, durch schriftliche Erklärung ihr gegenüber zu widerrufen,
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den Beklagten zu verurteilen, es in der Zukunft zu unterlassen, derartige
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Äußerungen bzw. Behauptungen ihr gegenüber zu tätigen,
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den Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung
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gegen den Antrag zu 2) ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 50.000,00
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Euro oder eine Ersatzhaft bis zu 3 Monaten gegen ihn festgesetzt wird,
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den Beklagten zu verurteilen, ein angemessenes Schmerzensgeld an
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sie zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt vor, die Klägerin hätte aufgrund der gelblichen Gesichtsfarbe und des deutlichen
Gewichtsverlustes ihres Ehemannes erkennen müssen, dass dieser ernsthaft erkrankt
war und hätte ihn auffordern müssen, einen Arzt aufzusuchen. Dies habe er in dem
Schreiben vom 12.05.2008 zum Ausdruck bringen wollen. Im übrigen habe er unter
Wahrung berechtigter Interessen gehandelt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die wechselseitigen
Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Erörterungen im Termin zur mündlichen
Verhandlung am 17. Februar 2009 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Der Klägerin stehen die gegen den Beklagten gemachten Ansprüche auf Widerruf und
Unterlassung der am 12. Mai 2008 schriftlich gemachten Äußerung sowie auf Zahlung
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eines Schmerzensgeldes nicht zu.
Entsprechende Ansprüche könnten sich aus der Verletzung des allgemeinen mag das
Gericht das Verhalten des Beklagten angesichts der Tatsache, dass die Klägerin erst
vor kurzem ihren Ehemann verloren hatte, unsensibel erscheinen, doch lassen sich die
von der Klägerin gemachten Ansprüche daraus nicht herleiten. Bei beleidigenden
Äußerungen in förmlichen Verfahren fehlt materiellrechtlich häufig bereits die
Rechtswidrigkeit, so bei subjektiv redlicher Einleitung gerichtlich oder behördlicher
Verfahren. Darüber hinaus versagt die Rechtsprechung verfassungsrechtlich
unbedenklich bei Äußerungen eines Beteiligten zur konkreten Vorbereitung oder
während eines gerichtlichen Verfahrens dem hiervon Beeinträchtigten und
Verfahrensbeteiligten im Grundsatz bis zur Beendigung des Verfahrens mangels
Rechtsschutzbedürfnis gegen die Äußerung gerichtete Unterlassungs- Widerrufs- und
Schadensersatzklagen. Dadurch wird das sachgerechte Funktionieren der Rechtspflege
geschützt. Auch kann wegen des Grundsatzes rechtlichen Gehörs keinem
Prozessbeteiligten eine subjektiv redliche Äußerung verboten werden (Palandt-Sprau,
Kommentar zum BGB, § 823 Rdnr. 104). Die Äußerung erfolgte in der Vorbereitung
eines gerichtlichen Verfahrens. Die entsprechende Klage ist zur Zeit beim Landgericht
anhängig. Der Beklagte hat hier ausgeführt, dass er aufgrund des äußerlich
erkennbaren schlechten gesundheitlichen Zustandes des Ehemannes der Klägerin der
Ansicht war, die Klägerin hätte dies erkennen und früher auf eine ärztliche
Inanspruchnahme drängen müssen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese
Sichtweise aus seiner Perspektive unredlich gewesen wäre, wenn auch krass formuliert.
Da die Äußerung in unmittelbarer Vorbereitung eines gerichtlichen Verfahrens gefallen
ist, hat die Klägerin daher keine Widerrufs-, Unterlassungs- und
Schmerzensgeldansprüche gegen den Beklagten.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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