Urteil des AG Hagen vom 14.04.2008

AG Hagen: wohnung, zugesicherte eigenschaft, wohnfläche, mietvertrag, nebenkosten, zusicherung, rückzahlung, eigentümer, anzeige, vertragsschluss

Amtsgericht Hagen, 9 C 500/07
Datum:
14.04.2008
Gericht:
Amtsgericht Hagen
Spruchkörper:
Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 C 500/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages
abzuwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in derselben
Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Parteien streiten um die Rückforderung von Miete und Nebenkosten aus einem
Wohnungsmietverhältnis.
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Im Jahr 1998 schaltete der Beklagte eine Anzeige, um die X-Straße, 2. Obergeschoss
zu vermieten. Der Kläger besichtigte die Wohnung.
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Am 01.09.1998 schlossen die Parteien einen schriftlichen Mietvertrag über die
Wohnung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 zur Klageschrift, Bl. 8 bis 21
d. A., verwiesen.
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Seit dem 01.01.2007 ist der Beklagte nicht mehr Eigentümer des I-Straße in I.
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Der Kläger behauptet, wesentlich für die Kosten in Bezug auf den Mietvertrag und die
überlassenen Räume sowie Nebenkosten sei für ihn stets die Annahme gewesen, die
Wohnung weise 100 qm Wohnfläche auf. Dies habe der Beklagte bei der
Wohnungsbesichtigung bei Vertragsunterzeichnung zugesichert bzw. als sicher und
tatsächlich gegeben geäußert. Wesentlich sei die Größe für den Kläger deshalb
gewesen, weil er mit seiner kinderreichen Familie in die Wohnung habe einziehen
wollen. Der Kläger habe die Wohnung mit 100 qm inseriert. Der Kläger behauptet
insofern, der Beklagte habe bezüglich der streitgegenständlichen Wohnung ein
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Zeitungsinserat vom 26.08.1998 aufgegeben. Darin heißt es auszugsweise: "100 qm –
Whg., HA-City ...".
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 1a zur Klageschrift, Bl. 22 d. A.,
verwiesen.
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Der Kläger habe nur auf diese Anzeige hin die Wohnung überhaupt besichtigt.
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Der Kläger ist deshalb der Auffassung, dass Vertragsinhalt die Überlassung der
streitgegenständlichen Wohnung mit einer Fläche von 100 qm geworden sei. Dies
ergebe sich nach Ansicht des Klägers auch aus der vom Beklagten unterzeichneten
Mietbescheinigung vom 20.12.2006, worin der Beklagte bestätigt habe, dass die
Wohnung 100 qm aufweise.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 2 zur Klageschrift, Bl. 23 d. A., verwiesen.
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Nach dem Eigentümerwechsel zum 01.01.2007 und einer Renovierung des Gebäudes
durch den neuen Eigentümer sei dem Kläger durch Handwerker nahe gelegt worden,
die Quadratmeterzahl der Wohnung überprüfen zu lassen, da die Wohnung dem
betreffenden Handwerker eher kleiner erschienen sei.
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Aus dem Vermessungsprotokoll des Mietervereins I e. V. vom 15.05.2007 ergebe sich,
dass die tatsächliche Wohnfläche exakt 89,71 qm aufweise.
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Der Kläger ist der Ansicht, dass im gesamten Verlauf des Mietverhältnisses die
Nettomiete um ca. 10 % zu hoch gewesen sei.
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Ausgehend von einer Nettomiete von 489,00 Euro und einer Mietzeit von insgesamt 101
Monaten, in denen der Beklagte Eigentümer und Empfänger der Miete war, ergebe sich
folgende Rechnung:
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Der Quadratmeter-Mietpreis habe vereinbarungsgemäß netto bei 4,89 Euro gelegen.
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Bei einem Minus von 10,29 qm ergebe sich eine monatliche Überzahlung von 50,32
Euro. Für 101 Monate ergebe sich somit eine Überzahlung in Höhe von 5.082,32 Euro.
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Gleiches gelte für die gezahlten Nebenkosten. Diese seien anteilig berechnet auf die
vereinbarten Quadratmeter der Wohnfläche. Bei einer Nebenkostenvorauszahlung von
150,00 Euro monatlich ergebe sich ein Quadratmeter-Betrag von 1,50 Euro. Multipliziert
mit 10,29 qm geringere Wohnfläche ergebe sich eine monatliche Überzahlung in Höhe
von 15,44 Euro. Bei 101 Monaten ergebe sich eine Überzahlung von 1.559,44 Euro.
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Ferner ist der Kläger der Auffassung, ihm ständen für die überzahlten Beträge Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu. Es ergebe sich somit ein
Zinsanspruch in Höhe von 2.125,89 Euro. Wegen der Einzelheiten der Berechnung des
Klägers wird auf die Anlage K 5 zur Klageschrift, Bl. 28 bis 33 d. A., verwiesen.
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Schließlich begehrt der Kläger den Ersatz der Kosten für die Messung der Wohnung in
Höhe von 53,55 Euro.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.082,32 Euro an überzahlter Miete und
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1.559,44 Euro an überzahlten Nebenkosten und 2.025,89 Euro an Zinsen
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und 53,55 Euro Schadensersatz für die Kosten der Flächenmessung der
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Wohnung zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte behauptet, bei der Wohnungsbesichtigung sei nicht einmal ansatzweise
über die Größe der Wohnung gesprochen worden. Der Beklagte habe auch nicht für
eine bestimmte Fläche und Größe bei der Vermietung einstehen wollen. Die von
Klägerseite vorgelegte Zeitungsannonce betreffe nicht die hier streitgegenständliche
Wohnung. Der Beklagte könne sich nicht mehr daran erinnern, ob Bestandteil der
Zeitungsanzeige eine Flächenangabe gewesen sei. Der Vertragsschluss sei wegen des
gesamten Erscheinungsbildes der Wohnung und nicht wegen der Wohnungsgröße
erfolgt.
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Der Beklagte bestreitet, dass die Wohnung lediglich eine Größe von 89,71 qm
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aufweise. Die konkrete Größe der Wohnung sei dem Kläger nicht bekannt. Er sei immer
davon ausgegangen, dass die Fläche einschließlich Keller ca. 100 qm ausmachen
würde.
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Schließlich erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung. Außerdem beruft sich auf
Verwirkung.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Dem Kläger steht kein Anspruch gegen den Beklagten auf Rückzahlung überzahlter
Miete und Nebenkosten sowie Zahlung von Zinsen und Schadensersatz für die
Flächenmessung der Wohnung zu.
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Zwischen den Parteien ist unstreitig ein Mietvertrag über die streitgegenständliche
Summe zustande gekommen. Das Gericht geht jedoch nicht davon aus, dass die
Parteien die Fläche der vermieteten Wohnung mit 100 qm vereinbart haben. Vielmehr ist
der Mietvertrag über die Wohnung mit der Größe, wie sie sich am Besichtigungstag
dargestellt hat, zustande gekommen.
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Ein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete und Nebenkosten kann sich aus § 812
i.V.m. § 535 BGB ergeben, wenn die tatsächliche Wohnfläche von der vereinbarten
Wohnfläche abweicht, sofern dies einen Mangel der Wohnung darstellt. Das setzt
jedoch voraus, dass zwischen den Vertragsparteien eine bestimmte Wohnfläche
vereinbart war.
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Schweigt der schriftliche Mietvertrag über Umstände, die eine der Parteien für
bedeutsam hielt, ist das ein gewichtiges Indiz dafür, dass sich der Vermieter hinsichtlich
des bekannt gegebenen Umstandes gerade nicht binden wollte, und dass die andere
Partei auf die Aufnahme in den Mietvertrag letztlich keinen Wert legte, weshalb eine
vertragliche Bindung ausscheidet. Die Angaben in Anzeigen oder mündliche Angaben
vor Abschluss des schriftlichen Mietvertrages dienen in aller Regel dazu, die Mietsache
zu beschreiben.
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(vgl. Landgericht Mannheim, Urteil vom 08.11.2006 – 4 S 96/06 -, DWW 2007, 21 ff.)
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Ferner kann in der Größenangabe auch eine zugesicherte Eigenschaft liegen.
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Eine Zusicherung liegt hierbei nur vor, wenn der Vermieter für die angegebene
Quadratmeter-Größe auch einstehen will. Dies kann nur bei Vorliegen besonderer
Umstände angenommen werden, wie z. B. dann, wenn die Größe für den angestrebten
Vertragszweck bedeutsam ist. Daher liegt nicht in jeder Größenangabe einer Wohnung
eine Zusicherung. Keine Zusicherung ist dann anzunehmen, wenn der Wohnraummieter
sich bei seiner Entscheidung über den Vertragsschluss nicht nach der angegebenen
Wohnfläche, sondern nach dem Eindruck richtet, den er auf Grund der Besichtigung der
Wohnung gewonnen hat.
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(vgl. Schmidt/Futterer, Mietrecht, 9. Auflage 2007, § 536, Rn. 305 ff.)
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Im vorliegenden Fall enthält der Mietvertrag keine Angabe der Wohnfläche. Auch ist
dem Mietvertrag nicht zu entnehmen, dass die Miete und die Nebenkosten in
Abhängigkeit zu einer bestimmten Quadratmeter-Zahl berechnet wurden. Diese
Summen sind vielmehr pauschal in Ansehung der vorhandenen Wohnung vereinbart
worden.
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Selbst wenn der Beklagte im Bezug auf die streitgegenständliche Wohnung eine
Zeitungsannonce geschaltet hat, in der die Angabe von 100 qm enthalten ist, lässt sich
daraus aus vorgenannten Gründen keine Vereinbarung herleiten. Gleiches gilt für die
von dem Beklagten für Dritte ausgestellte Mietbescheinigung. Bei solchen Angaben
handelt es sich vielmehr um eine Beschreibung des Objekts.
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Ferner ist bereits auf Grund der verschiedenen und sehr weit ausdifferenzierten
Berechnungsmethoden für Wohnflächen die Annahme lebensfremd, dass eine
Wohnfläche exakt 100 qm betragen soll.
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Auch eine von Beklagtenseite etwaig getätigte Äußerung, dass die 100 qm-Wohnfläche
sicher und tatsächlich gegeben seien, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Zum einen spricht ein gewichtiges Indiz gegen einen Bindungswillen des Beklagten.
Nämlich der Umstand, dass der Mietvertrag hierzu schweigt. Wenn die Quadratmeter-
Angabe von solch herausragender Bedeutung gewesen wäre, wie der Kläger
behauptet, wäre diese im Mietvertrag festgehalten worden.
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Auch ist für eine zugesicherte Eigenschaft des Vermieters nichts ersichtlich.
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Besondere Umstände, aus denen folgt, dass die exakte Einhaltung der 100 qm für den
Kläger von besonderer Bedeutung war, liegen nicht vor.
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Dies ergibt sich aus der konkreten Art des Vertragsschlusses. Der Kläger trägt selbst
vor, dass die Größe der Wohnung wichtig war, damit er mit seiner kinderreichen Familie
dort einziehen konnte. Nach Besichtigung der Wohnung kam der Kläger offensichtlich
zu der Einschätzung, dass die Wohnung eine ausreichende Größe hat und ist
eingezogen. Erst 8 Jahre später wurde er durch Dritte auf eine mögliche
Flächenabweichung aufmerksam gemacht. Daraus ergibt sich, dass für den Entschluss
des Klägers, die Wohnung anzumieten, von entscheidender Bedeutung die
Besichtigung der Wohnung war, nicht eine bestimmte Quadratmeter-Angabe.
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Mangels Vereinbarung über eine Wohnfläche über 100 qm stehen dem Kläger keinerlei
Ansprüche auf Rückzahlung anteiliger Miete und Nebenkosten sowie darauf entfallende
Zinsen zu. Mangels Vertragsverletzung des Beklagten kann der Kläger auch die Kosten
für die Ausmessung der Wohnung nicht ersetzt verlangen.
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Nach alledem war die Klage vollumfänglich abzuweisen.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708, 711 ZPO.
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