Urteil des AG Hagen vom 21.10.2002

AG Hagen: gutachter, begutachtungskosten, reparaturkosten, öffentlich, industrie, handelskammer, haftpflichtversicherung, verkehrsunfall, sachverständiger, verbraucher

Amtsgericht Hagen, 10 C 335/02
Datum:
21.10.2002
Gericht:
Amtsgericht Hagen
Spruchkörper:
durch den Richter am Amtsgericht Dr. C für Recht erkannt
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 C 335/02
Tenor:
1)
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 175,66
Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem
01.03.2002 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2)
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten zu
49 %, die Klägerin zu 51 %.
3)
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Nach einem unstreitig von dem Haftpflichtversicherten der beklagten Versicherung zu
vertretenen Verkehrsunfall vom 05. Mai 2000 verlangt der Kläger Ersatz der Kosten, die
er für die Begutachtung seines verunfallten Pkw’s gegenüber dem Sachverständigen A.
in H. gemäß dessen Rechnung vom 12. Mai 2000 über insgesamt 732,85 DM in
Rechnung gesetzt erhalten hat.
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Die zunächst erfolgte Sicherungsabtretung ist infolge Rückabtretung hinfällig geworden.
Die Rechnung spezifiziert sich nach Minutenaufwand für den Gutachter, Kalkulation,
Minuten für Hilfskräfte, Lichtbildkosten, Fahrtkosten, Kopien und pauschale
Nebenaufwendungen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 356,77 € nebst
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5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gem. § 1 des Diskont-
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Überleitungs-Gesetzes seit dem 01.03.2002 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hält dafür, dass der Sachverständige A. in H. nicht nach seiner Gebührentabelle
dem Kläger eine Rechnung stellen dürfte, jedenfalls nicht insoweit, als der Kläger diese
uneingeschränkt der Beklagten weiter aufgeben dürfe. Sie hält die
Gutachterkostenrechnung für - mit Rücksicht auf die Durchschnittskosten für
Begutachtungen - gänzlich überhöht und unbillig sowie unangemessen übersetzt. Ein
Bestimmungsrecht nach § 315 BGB stehe dem Sachverständigen nicht zu, so dass
auch der Kläger die entsprechenden Kosten nicht ohne weiteres weitergeben dürfe.
Auch seien die Vorschriften des § 3 des Zeugen- und
Sachverständigenentschädigungsgesetzes stattdessen entsprechend maßgeblich. Die
Honorarvereinbarung des Sachverständigen mit dem Kläger sei gem. § 9 AGBG
unwirksam. Die inhaltlichen Positionen, insbesondere die Zeittätigkeit des
Sachverständigen und seiner Hilfskräfte hält die Beklagte für überhöht, weil mittlerweile
im Sachverständigenbereich weitgehend computerunterstützte, automatische
Berechnungen stattfänden. Auch hält die Beklagte dafür, dass eine Schadenhöhe als
pauschales Abrechnungskriterium unmaßgeblich sei. Auch sei die Honorarforderung
des Sachverständigen gegen den Kläger nicht üblich. Ferner sei den Anforderungen der
§§ 315 ff. BGB zur billigen Bemessung der Honorarforderung nicht entsprochen.
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Das Gericht hat die Klägerin persönlich gehört; sie hat angegeben, dass der
Sachverständige A sie nicht darauf aufmerksam gemacht hat, dass seine Preise höher
seien als bei anderen Sachverständigen.
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Entscheidungsgründe:
12
Die Klage ist in dem zugesprochenen Umfang begründet, im übrigen unbegründet.
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Dem Kläger steht dem Grunde und in der ausgeurteilten Höhe Schadensersatz auch für
die Schadensermittlungskosten nach dem Verkehrsunfall, für den die Beklagte
ansonsten jedenfalls dem Grunde nach einstandspflichtig ist, nach allgemein
anerkannten Grundsätzen gem. §§ 3 Pflichtversicherungsgesetz, §§ 823 Abs. 1, 249
BGB zu. Die Sicherungsabtretung ist durch die Rückabtretung jedenfalls hinfällig
geworden. Dass dem Kläger grundsätzlich Kosten für die Beauftragung des
Sachverständigen entstanden sind, stellt die Beklagte nicht in Abrede. Schließlich ist
das Gutachten angefertigt und der Sachschadensregulierung zugrunde gelegt worden.
Unentgeltlich hat der Sachverständige jedenfalls das Gutachten nicht zu erstatten
gehabt. Das Gericht schließt sich der einheiligen Auffassung der bisherigen
Rechtsprechung an, dass Schadenermittlungskosten bei dem unstreitigen
Schadenumfang von voraussichtlichen Reparaturkosten einschließlich Mehrwertsteuer
in Höhe von 3870,51 DM jedenfalls oberhalb der derzeitig anzunehmenden, an den
üblichen Verhältnissen orientierten Bagatellgrenze, bei der eine Inanspruchnahme
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eines Sachverständigen zur Ermittlung des Schadensumfanges im Sinne des § 249, §
251 BGB unnötig wäre, zu erstatten sind. Auch die Schadensermittlungskosten sind
einem infolge einer Sachbeschädigung anspruchsberechtigten Kraftfahrzeugeigentümer
in Höhe des erforderlichen Geldbetrages zu ersetzen. Zum Schadensausgleich
erforderlich ist der Geldbetrag, wenn er die Aufwendungen umfaßt, die ein verständiger,
wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und
notwendig halten durfte (vgl. zuletzt etwa BGH NJW 1992, 1619). Aufwendung ist die
freiwillige Aufopferung von Vermögenswerten in der Regel im Interesse auch eines
anderen (BGHZ 59, 328, 329 f; 1960, 1568, 1569; 1989, 2816, 2818). Hierunter fallen
neben dem Einsatz von eigenen Vermögensbestandteilen auch die Übernahme, d.h.,
die Eingehung von Verbindlichkeiten (RGZ 151, 93,99). Aufwendungen des Verletzten
können unter den Schadenbegriff fallen (vgl. etwa Palandt - Heinrichs, BGB 60. Aufl.,
Vorbemerk. vor § 249 Rdn. 83 m.w.Nachw). Das Merkmal der Freiwilligkeit ist
konstitutiv. Danach ist die Aufwendung bei der Bestellung einer Reparaturleistung und
einer ihr vorangehenden Begutachtung die Eingehung der hierfür als Gegenleistung
begründeten Schuld der Werkvertragsvergütung. Die Zahlungen hierauf sind allerdings
im Rechtssinne keine Aufwendungen. Sie erfolgen nicht freiwillig, sondern in
geschuldeter Erfüllung der vorgenannten Vergütungsschuld. Schadensersatzfähige
"Kosten" sind die Schulden für die Reparatur und die Begutachtung, nicht die
Zahlungen hierauf. Mit Rücksicht auf die Vermeidung von Unsicherheiten, die bei einem
Vertrauen auf eine reine Reparaturkostenkalkulation einer entsprechenden Werkstatt für
den Geschädigten bei nicht nur unerheblichen oder geringfügigen Schäden bei
Geltendmachung des Ersatzanspruches entstehen, ist jedenfalls derzeit anerkannten
Rechtes (§ 249 BGB), dass auch Schadenermittlungskosten durch Einholung eines
Gutachtens über die Schadenhöhe von dem ansonsten ersatzpflichtigen Schädiger zu
erstatten sind, zumal dies zugunsten des Schädigers die erheblich höheren
Aufwendungen durch ein gerichtliches, selbständiges Beweisverfahren verringert. Es
kann dabei dahinstehen, ob der Kläger zu einer solchen Vorgehensweise, nämlich der
Vermeidung des selbständigen Beweisverfahrens im Sinne der §§ 485 ff. ZPO ohnehin
nach § 254 BGB verpflichtet wäre.
Die Rechtsfrage, ob die Gutachterkosten, die hier der Beklagten "weitergegeben"
werden sollen, berechtigt sind, richtet sich im Verhältnis zwischen dem
einstandspflichtigen Schädiger und dem ersatzberechtigten Geschädigten allerdings
nicht nach § 254 BGB, sondern nach § 249 BGB.
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Die Schadenermittlungskosten als Teil der Wiederherstellungskosten sind insoweit zu
ersetzen, wie sie in dem vorstehenden Sinne notwendig und angemessen sind. Wie bei
der Auswahl eines Reparaturunternehmens ist hierbei der Geschädigte nicht
verpflichtet, stets den billigsten Anbieter zu wählen. Es steht ihm frei, zwischen den
Prüfverbänden, die gutachterlich tätige Mitarbeiter beschäftigen, und freiberuflichen
Sachverständigen zu wählen. Das bedeutet aber nicht, dass der Anspruchsteller ihm
entstehende Kosten in beliebiger Höhe gegen den nur dem Grunde nach - wie hier -
verantwortlichen Schädiger bzw. seinen hier in Anspruch genommenen
Haftpflichtverrsicherung geltend machen könnte.
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Der Geschädigte ist also nur insoweit in der Auswahl des Sachverständigen frei. Hierbei
darf er jedoch von dem ansonsten eintrittspflichtigen Schädiger nicht mehr an
Gutachterkosten ersetzt verlangen, als er selbst verpflichtet ist, sie aufzuwenden.
Hierbei darf der Anspruchsteller dem Anspruchsgegner jedoch nicht mehr an
Gutachterkosten "weitergeben", als sie üblicherweise durchschnittlich notwendig sind.
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Nur insoweit ist dem Anspruchsteller ein ersatzfähiger Schaden entstanden. Denn nur
diese Aufwendungen würde ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Betroffener
auf eigene Kosten aufwenden.
Wie mittlerweile gerichtsbekannt ist, sind mehrfach Feldstudien über die praktisch
vorkommenden Begutachtungen, ihre Art und Weise und ihre Kosten durchgeführt
worden. Hieraus ergibt sich, dass die Prüfverbände wie etwa DEKRA und TÜV im
Durchschnitt kostenmäßig bei vergleichbarer Qualität erheblich niedriger liegen als die
freiberuflichen Sachverständigen.
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Auch die Durchschnittswerte auf Seiten der freiberuflichen Sachverständigen sind aus
Feldstudien bekannt geworden.
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Wenn es auch dem Geschädigten frei steht, zwischen einem verbandstätigen Gutachter
und einem freiberuflichen Gutachter zu wählen, bedeutet dies jedoch nicht, dass er stets
dem Schädiger den individuellen, ihm in Rechnung gestellten Betrag oder auch den
Durchschnittswert der freiberuflich tätigen Gutachter in Rechnung stellen kann. Aus §
249 BGB würde sich im allgemeinen ergeben, dass nur die niedrigeren Gutachterkosten
der vorgenannten Prüfverbände zu ersetzen wären. Ein wirtschaftlich denkender
betroffener Kraftfahrzeugeigentümer würde nämlich den preiswerteren und genauso
zuverlässigen Weg der Begutachtung durch entsprechende Prüfverbände wählen. Dies
trifft insbesondere dann zu, wenn er selbst - ggfs., auch nur zum Teil - selbst für die
Begutachtungskosten im Ergebnis aufkommen müßte. Nur mit Rücksicht auf die zur
Bewältigung der anfallenden Gutachenaufträge offensichtlich vorhandene und insoweit
am Markt notwendige Tätigkeit der sogenannten "freien Sachverständigen" ist bei
Durchschnittsbetrachtung überhaupt ein höherer Kostenaufwand, als er durch die
Prüfverbände in Rechnung gestellt wird, als zu ersetzendes Schadensausmaß zu
vertreten.
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Es handelt sich hier auch nicht um die Frage, ob ein öffentlich-rechtlich bestellter
Sachverständiger, der nach einer entsprechenden Prüfung durch die Industrie- und
Handelskammer bestellt worden ist, besondere Seriösität und Verlässigkeit genießt. Die
Tätigkeit der öffentlich-rechtlich bestellten Sachverständigen im Gerichtsverfahren
begründet ohnehin nur eine Entschädigung nach dem Zeugen- und
Sachverständigenentschädigungsgesetz. Dies schließt es jedoch entgegen der
Auffassung der Beklagten aus, auf die entsprechenden Entschädigungsrichtlinien -
eben keine Vergütungsrichtlinien des Zeugen- und
Sachverständigenentschädigungsgesetzes - zur Ermittlung des zu ersetzenden
Aufwandes abzustellen. Die Heranziehung als gerichtlich bestellter Sachverständiger
stellt entgegen vielfacher Fehlvorstellungen hierüber für die bestellten Gutachter nicht
eine werk- oder dienstvertragliche Leistung der Sachverständigen dar, sondern eine
staatlich ggfs., sogar erzwungene Heranziehung zur Durchführung von Hilfstätigkeiten
bei der Tätigkeit der Rechtspflegeorgane. Dementsprechend ist grundsätzlich die
Entschädigung als niedriger anzusehen, als eine vergütungspflichtige Entlohnung der
Honorierung entsprechender Tätigkeiten kraft privatrechtlichem Begutachtungsvertrag
darstellen würde.
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Aber auch soweit die öffentlich-bestellten und vereidigten Sachverständigen im
Privatauftrag - wie hier - tätig werden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die
von diesen Personen ihren Auftragnehmern in Rechnung gestellten Vergütungen
einseitig verbindlich gegenüber Dritten festgesetzt werden können, noch
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uneingeschränkt ersatzfähige Kosten im Sinne des § 249 zur Schadenermittlung und
damit als stets notwendig und angemessen erachtet werden dürfen. Auf die Höhe der
Forderungen, die für die Vergütung von Sachverständigen von diesen verlangt wird,
bezieht sich die Verleihung der besonderen Qualifikation durch die Industrie- und
Handelskammer - wie auch die sonstigen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen wie
Handwerkskammern und Landwirtschaftskammern - offensichtlich nicht.
Wie bei den Kosten für die Reparatur der Sache dürfen auch bei den
Schadenermittlungskosten nur die insoweit notwendigen und angemessenen Kosten in
Rechnung gestellt werden. Es ist allgemein anerkannt, dass Reparaturkosten nicht
schon deshalb ersetzt verlangt werden dürfen, weil sie von dem beauftragten
Reparaturunternehmen dem betroffenen Kraftfahrzeugnehmer in Rechnung oder als
Kostenvoranschlag gestellt werden. Nichts anderes gilt für Schadensermittlungskosten
in Form von Begutachtungsaufwand. Privilegien zugunsten einer Berufssparte bestehen
auch bei Schadensermittlungskosten nicht. Es gilt insbesondere, weil
gerichtsbekannterweise auf verschiedene Qualitäten der Gutachten und Vorbildung der
Gutachter bei Kraftfahrzeugschadensermittlungen festzustellen sind.
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Ohne Belang für die Befugnis, Schadensersatz für die Begutachtungskosten zu
erlangen, ist insoweit auch, ob ggfs. der beauftragte Gutachter gegenüber dem
betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer als Besteller einen Werklohnanspruch nach § 631,
§ 632 BGB, ggfs. in Verbindung mit § 315 BGB in Höhe des als Ersatz geltend
gemachten Betrages erworben hat. Dies betrifft nicht das Rechtsverhältnis zwischen
Schädiger und Geschädigten. Wie es dem Geschädigten frei steht, sein Kraftfahrzeug
teuer, zu durchschnittlichen oder niedrigen Preisen reparieren zu lassen oder nach
geltendem Recht davon abzusehen, der Geschädigte aber nur Ersatz in Höhe der
notwendigen Reparaturkosten verlangen kann, so kann der betroffene
Kraftfahrzeugeigentümer zwar einen teureren, einen durchschnittlichen oder niedrige
Kosten verursachenden Sachverständigen beauftragen. Ebenso wie bei den
Reparaturkosten kann er jedoch nur Ersatz der notwendigen und angemessenen
Begutachtungskosten ersatzweise vom Unfallgegner verlangen.
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Gegen diese Überlegungen steht nicht, dass in Konsequenz dieser Überlegung der
nicht fachkundige, durch einen Verkehrsunfall getroffene Kraftfahrzeugeigentümer
unbillig benachteiligt würde, weil er die von den Parteien auch in diesem Rechtstreit
aufgeführten Schwierigkeiten bei dem Ersatz der Begutachtungskosten im Einzelfall nur
schwer, jedenfalls nicht von vornherein sicher erkennen kann. Zum einen kann sich der
Kraftfahrzeugeigentümer stets bei der Industrie- und Handelskammer oder sonstigen
öffentlich-rechtlichen Kammern mehrere öffentlich-rechtlich bestellte Sachverständige
für das Schadenbild bezeichnen lassen und dementsprechend die Gutachter auch nach
ihren Preisvorstellungen vergleichend befragen, bevor die Begutachtung in Auftrag
gegeben wird. Auch die allgemein bekannten Prüfverbände etwa Dekra und TÜV
können ohne weiteres in die Auswahl der Sachverständigen einbezogen werden. Dies
ist auch mit Rücksicht auf die Notwendigkeit, etwaige Reparaturen unverzüglich
durchführen zu lassen angesichts des Vorhandenseins moderner Kommunikationsmittel
in der Bevölkerung in äußerst kurzer Zeit zu bewältigen.
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Vor allem aber wird eine rechtliche Lösung, die stets eine schlichte Weitergabe der dem
getroffenen Autofahrer in Rechnung gestellten Begutachtungskosten ohne Rücksicht auf
ihre Durchschnittlichkeit oder Üblichkeit Eingriffe dazu führen, dass
Kraftfahrzeugsachverständige nach Belieben ihre Preisvorstellungen realisieren
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könnten. Hierdurch wäre auch und gerade der durch einen Kraftfahrzeugunfall
geschädigte Kraftfahrzeugeigentümer selbst bleibend geschädigt, wenn er, wie mit
Rücksicht auf die grundsätzliche zur Mithaftung führende Betriebsgefahr sogar
regelmäßig der Fall ist, auf einem immerhin bedeutenden Anteil der
Begutachtungskosten ohne Ersatzmöglichkeit bei seinem Unfallgegner oder dessen
Haftpflichtversicherung selbst verbliebe. Damit erweist sich der vermeintlich soziale
Gedanke, der Kraftfahrzeugeigentümer als schützenswerte Verbraucher dürfe durch die
Streitigkeiten zwischen den Kraftfahrzeugsachverständigen, ihren Verbänden und den
Vertretern der Versichererbranche nicht in eine Zwangslage geraten, nicht im Vorfeld
beurteilen zu können, wie hoch die notwendigen und angemessenen
Begutachtungskosten sind, als irreführend. Der den Gutachter beauftragende
Kraftfahrzeugeigentümer wird vielmehr bereits gegenüber dem Gutachter durch die
Vorschriften der §§ 631, 632 Abs. 2 BGB und auch durch § 315 BGB hinsichtlich
überhöhter Preisvorstellungen rechtlich geschützt. Irreführend ist indessen
Zusammenhang bereits den Anspruchsteller, den vom Unfall betroffenen
Kraftfahrzeugeigentümer, als "Geschädigten" zu bezeichnen, dem "selbstverständlich"
Ersatz zu leisten ist. Diese Begriffswahl verschleiert, dass vorab festzustellen ist, ob ein
Anspruchsteller hinsichtlich einer weiteren Position als dem Reparaturaufwand
überhaupt einen Schaden erlitten hat und somit - dann - als auch insoweit
"Geschädigter" zu bezeichnen ist. Ansprüche werden insoweit gegen ihn von
vornherein nicht begründet, als die Honorarforderungen der Gutachter überhöht sind.
Dies gilt auch dann, wenn der Gutachter und der ihn beauftragende
Kraftfahrzeugeigentümer eine ausdrückliche Preisvereinbarung oder - wie hier - eine an
Tabellenwerten des Sachverständigen orientierte Vergütungsabrede geschlossen
haben. Eine solche Vergütungsabrede stellt, wenn nicht der Gutachter ausdrücklich auf
die Überhöhung seiner Gutachtenkosten gegenüber - wie im folgenden noch
auszuführen ist - marktüblichen Durchschnittswert hinweist, eine schuldhafte Verletzung
seiner Aufklärungspflichten bei den Vertragsverhandlungen über den Abschluss des
Begutachtungsauftrages dar, die den beauftragenden Kraftfahrzeugeigentümer insoweit
von seinen Verbindlichkeiten gegenüber dem Gutachter freistellt, als sie überhöht sind.
Der Gutachter muß den Auftraggeber darüber informieren, dass seine
Preisvorstellungen deutlich über die Grenze des Notwendigen und Angemessenen
hinausgeht, was ersatzfähig wäre. Denn der Gutachter weiß über den Vertragsschluß
relevanten Umstand Bescheid, dass das Gutachten und seine Kosten als Grundlage der
Regulierung eines Verkehrsunfalls dienen sollen. Die Schwierigkeiten mit dem Ersatz
von Vergütungen von Kraftfahrzeugsachverständigen mit Haftpflichtversicherungen sind
den Sachverständigen allgemein bekannt und damit offenbarungspflichtige
Vertragsumstände. Auch der hier tätige Sachverständige A. kennt diese Umstände aus
entsprechenden gerichtlichen Auseinandersetzungen.
Der unfallgeschädigte Kraftfahrzeugeigentümer kann auch nicht darauf verweisen, wie
bisweilen vertreten wird, dass nach "Weitergabe" der Begutachtungskosten an die
Haftpflichtversicherung seines Unfallgegners diese Rückgriff gegen den
Sachverständigen in Höhe des übermäßigen der in Rechnung gesetzten
Begutachtungspreise verlangen kann. Abgesehen von dieser nur als künstlich
anzusehenden und zu verwerfenden Rechtskonstruktion eines Vertrages mit
Schutzwirkung zugunsten der Versicherung hinsichtlich der Preisforderungen des
Gutachters wird der Verbraucher dann bei einem Anteil überhöhter
Begutachtungskosten selbst ohne Ersatzmöglichkeit bei Dritten verbleiben, wenn und
insoweit der geschädigte Kraftfahrzeugeigentümer dem Grunde nach nicht vollständig,
sondern nur anteilig Schadensersatz aus dem Kraftfahrzeugunfall verlangen kann.
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Vorzugswürdig ist allein die rechtliche Auffassung, dass bereits zwischen dem
Gutachter und dem von dem Kraftfahrzeugunfall betroffenen Eigentümer des Fahrzeugs
eine Vergütungspflicht nur insoweit besteht, als ersatzfähig Schadensermittlungskosten
in Rechnung gestellt werden.
Die Schadenermittlungskosten können insoweit nicht anders behandelt werden als etwa
in Rechnung gestellte Reparaturkosten. Dort wird - jedenfalls soweit ersichtlich -
nirgends die Auffassung vertreten, dass die Reparaturkosten ungeachtet ihrer
Notwendigkeit und Angemessenheit, soweit sie von einem Werkstattunternehmen dem
betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer in Rechnung gestellt werden, dem Unfallgegner
oder dessen Haftpflichtversicherung in Rechnung gesetzt werden können. Insoweit
genießen Schadenermittlungskosten in Form von Begutachtungsaufwand keinerlei
gerechtfertigte besondere Behandlung. Auch die Reparaturkosten sind vom
Kraftfahrzeugeigentümer als Nichtfachmann genausowenig objektiv zu beurteilen wie
die Höhe des Begutachtungsaufwandes. Unbeschadet dessen können auch
Reparaturkosten nur insoweit ersetzt verlangt werden, wie sie marktüblich notwendig
und angemessen sind, selbst wenn sie von Kfz-Sachverständigen notiert worden sind.
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Andererseits kann der den Gutachter beauftragt habende betroffene
Kraftfahrzeugeigentümer entgegen der aus der Auffassung der Beklagten folgenden
Auffassung nicht gänzlich ohne Ersatz der Kosten der Begutachtung verbleiben. Aus der
umfangreichen Argumentation der Beklagten würde sich nämlich ergeben, dass fast in
keinem Falle Begutachtungskosten ersetzt werden könnten, weil sie - nach Auffassung
der Beklagten - entweder nicht üblich, nicht angemessen oder nicht der Billigkeit im
Sinne von § 315 BGB entsprechend oder nicht entsprechend spezifiziert in der
Rechnung angegeben seien.
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Vielmehr stehen dem geschädigten Kraftfahrzeugeigentümer
Schadensermittlungskosten zu, die dem Durchschnittswert zwischen den
durchschnittlichen Begutachtungskosten der Prüfverbände und den durchschnittlichen
Begutachtungskosten der freiberuflichen Sachverständigen entsprechen.
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Angesichts der fehlenden Spezialgesetzgebung im Bereich der Gutachterhonorare,
insbesondere einer amtlichen Vergütungstabelle oder einem genehmigten
Konditionenkartell bleibt dem Gericht nur die Möglichkeit einer Vergütungsschätzung im
Sinne des § 287 ZPO nach dem Honorarmittelwert zwischen den Vergütungen der
Prüforganisationen inklusive Nebenkostenpauschalen und den Mittelwerten des
Grundhonorares des größten Verbandes freier Sachverständiger zuzüglich
Nebenkostenpauschale, jeweils einschließlich Mehrwertsteuer. Hieraus ist aus den
vorliegenden, gerichtsbekannten Tabellen der Durchschnittswert bei der vorliegenden
Klage - jeweils als Bruttobetrag - abzuleiten. Dies ergibt hier den ausgeurteilten Betrag,
wie ausführlich in der mündlichen Verhandlung erörtert. Auch bei Unterhaltstabellen hat
sich in der Gerichtspraxis bereits ein Durchschnittswert ohne gesetzgeberische
Maßnahmen gebildet.
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Eine erneute Ermittlung des Durchschnittswertes durch eine sachverständige
Begutachtung scheidet schon angesichts des notwendigen Aufwandes für eine neue
Feldstudie jedenfalls solange aus, wie die Parteien nicht bereit sind, die sehr hohen
Kosten hierfür zu tragen, worauf das Gericht schon mehrfach von sich aus auch
aufmerksam gemacht hat (§ 287 Abs. 2 ZPO). Eine von verschiedenen Gerichten bereits
durchgeführte Beauftragung von einzelnen lokal tätigen Kraftfahrzeugschaden- und
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Unfallursachengutachtern zur Ermittlung der üblichen und notwendigen
Begutachtungskosten scheidet - abgesehen von der Schwierigkeit, einen genügend
qualifizierten und neutralen Sachverständigen zu finden - mangels bereits absehbaren
genügenden besseren Erkenntniswert aus. Die dabei etwa durch eine lokale Umfrage
bei ortsansässigen freiberuflichen Gutachtern zu gewinnenden Daten über die üblichen
und notwendigen Begutachtungskosten sind nicht vergleichbar mit einer notwendig breit
angelegten Feldstudie, zu der ohnehin praktisch nur ein größeres
Wirtschaftsforschungsinstitut in der Lage wäre. Außerdem wäre eine
Mitberücksichtigung auch der Begutachtungstätigkeit der sogenannten "Prüfverbände"
und einer Auswertung der bei den Haftpflichtversicherern vorhandenen Daten über die
Art und Weise der Begutachtung und ihrer Kosten notwendig, aber von den genannten
Einzelgutachtern nicht zu bewältigen. Der Erkenntniswert wäre nicht höher als bei der
bereits vorliegenden durch eine breite Feldstudie gewonnenen
Honorardurchschnittstabelle.
Die Klägerin kann den abgewiesenen Teil der von ihr an den Sachverständigen A. in H.
erst nach der Ablehnung der Erstattungswürdigkeit durch die Beklagte als
Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer des Unfallgegners gezahlten Mehrbetrages auch
nach § 254 BGB im Einzelfall nicht verlangen. Sie hat schon bei der Auswahl des
Sachverständigen nicht die nötige Sorgfalt hinsichtlich der entstehenden Aufwendungen
für die Begutachtung walten lassen. Wie sie selbst angegeben hat, hat sie den
erstbesten Sachverständigen A. aus dem Telefonbuch ohne weitere Überlegung
beauftragt. Wenn auch einschlägig interessierte Sachverständigenkreise ihre
Vergütungsvorstellungen mit dem Anschein amtlicher Gebührentabellen oder
Honorarordnungen von freiberuflich verfassten Berufsständen wie Ärzten, Architekten
oder Rechtsanwälten versehen und dementsprechend vorgeben, anderes als eine
schlichte Dienst- oder Werklohnvergütung zu erhalten, so liegt es doch für den
durchschnittlich kenntnisreichen Kraftfahrzeugeigentümer auf der Hand, dass die Höhe
der Vergütung für entsprechende Begutachtungstätigkeiten nicht ins Belieben der mit
der Begutachtung beauftragten Personen gestellt werden dürfen. Jedem
durchschnittlichen Kraftfahrzeugeigentümer drängt sich die Überlegung auf, was im
Rahmen des § 254 BGB zu berücksichtigen ist, dass weder bei der Höhe der
Sachschadenbeseitigungsaufwendungen (Reparaturkosten) noch sonstigen
Schadenspositionen auf Kosten des Unfallgegners beliebig hohe Rechnungen
beglichen und dem Unfallgegner in Rechnung gesetzt werden können.
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Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass bei Sachverständigenhonorare genauso wie
andere Reparaturaufwendungen, seien es wie beim Kraftfahrzeugschädigungsfall die
Reparaturkosten, seien sie bei Beschädigung von sonstigen Gegenständen, die von
anderen Handwerkern instandgesetzt werden müssen, beispielsweise
Maleraufwendungen, nur die durchschnittlichen Preise für notwendig und angemessen
erachtet werden können. Erstattungsfähige Aufwendungen liegen nur soweit vor, wie sie
notwendig und angemessen sind. Überpreise hat jedenfalls derjenige nicht zu
bezahlen, der zum Schadensersatz nur für die notwendigen und angemessenen
Aufwendungen zur Wiederherstellung der getroffenen Sache verpflichtet ist.
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Die Klägerin hat auch nicht ohne eigene Schuld die Zahlung an den Sachverständigen
erbracht. Sie hat nämlich erst an den Sachverständigen A. die von diesem verlangte
Sachverständigenvergütung überwiesen, nachdem die Beklagte vorgerichtlich auf die
Überteuerung hingewiesen hat und angekündigt hat, den verlangten Betrag nicht zu
erstatten.
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Die Klägerin ist auch nicht schutzlos; sie kann ohne weiteres von dem
Sachverständigen den Betrag zurückverlangen, den die Beklagte zu Recht nicht zu
zahlen verpflichtet ist. Angesichts der Verletzung der vorvertraglichen Hinweispflicht
durch den Sachverständigen A. in H., dass er überteuerte, nicht erstattungsfähige Preise
für die Begutachtung in Rechnung setzt, kann die Klägerin auch Erstattung der
Prozesskosten, soweit sie sie als Unterlegene tragen muss, von dem Sachverständigen
verlangen.
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Wie die Klägerin selbst angegeben hat, hat der Sachverständige sie in dem Glauben
gelassen, die von dem Sachverständigen ihr in Rechnung gestellten Preise seien auf
einer amtlichen Tabelle aufgebaut, die es nicht gibt. Zu berücksichtigen ist nach § 242
BGB auch, dass es bei anderer Auffassung allein der Branche von freiberuflich tätigen
Kraftfahrzeugsachverständigen möglich wäre, ihre Preisvorstellungen und
Vergütungswünsche auf Kosten der Kraftfahrzeugeigentümer und ihrer Unfallgegner
beziehungsweise deren Versicherer durchzusetzen, was offensichtlich nicht rechtens
ist.
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Die Berufung war nicht zuzulassen, da die vorstehenden Rechtsauffassungen sowohl
mit der höchst richterlichen Rechtsprechung wie auch mit der Auffassung der anderen
Gerichte übereinstimmen, soweit dies ersichtlich ist.
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Der Verzugszins ist gem. § 286 BGB zuzusprechen, wobei nicht nachvollziehbar
erscheint, dass die Beklagte nicht wenigstens einen Betrag für
Schadenermittlungskosten gezahlt hat, der auch für sie erkennbar ohnehin zu zahlen
war.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
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Dr. C.
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