Urteil des AG Grevenbroich vom 10.08.1994

AG Grevenbroich (sterilisation, antrag, voraussetzung, schwangerschaft, genehmigung, leiter, einwilligung, anhörung, abstand, werkstatt)

Amtsgericht Grevenbroich, 3 XVII 23/93 A
Datum:
10.08.1994
Gericht:
Amtsgericht Grevenbroich
Spruchkörper:
Einzelrichter
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 XVII 23/93 A
Tenor:
wird der Antrag der Betreuerin, die Sterilisation der Betroffenen
vormundschaftsgerichtlich zu genehmigen, zurückgewiesen
Der Antrag ist unbegründet, da nicht sämtliche Voraussetzungen des § 1905 Absatz 1
BGB vorliegen, so daß das Gericht von der gemäß § 1899 Absatz 2 BGB vorgesehenen
Bestellung eines besonderen Betreuers abgesehen hat.
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Gemäß § 1905 Absatz 1 Ziffer 3 BGB kann der Betreuer nur dann in eine Sterilisation
einwilligen, wenn anzunehmen ist, daß es ohne die Sterilisation zu einer
Schwangerschaft kommen werde. Diese Voraussetzung setzt die konkrete und
ernstliche Annahme voraus, daß ohne die Sterilisation eine Schwangerschaft zu
erwarten wäre. Eine "vorsorgliche" Sterilisation aufgrund allgemeiner Erwartungen, daß
eines Tages Partnerschaften eingegangen werden und sexuelle Kontakte stattfinden,
reicht nicht aus (vgl. Bienwald, Kommentar zum Betreuungsrecht, § 1905 Rdn. 35;
Jürgens/Kröger, "Das neue Betreuungsrecht", Rdn. 217). Aus dem eingehenden und
detaillierten Bericht des Verfahrenspflegers vom 22. April 1994 ist indessen zu
entnehmen, daß sowohl die Sozialarbeiterin der Werkstatt für Behinderte in
Hemmerden, wo die Betroffene beschäftigt ist, wie auch der Leiter der Wohnstätte, in der
die Betroffene lebt, die Frage, ob eine konkrete Schwangerschaftserwartung bestehe,
verneint haben. Eine bloße Möglichkeit reicht jedoch - wie vorstehend dargestellt - nicht
aus. Da jedoch nur bei Vorliegen aller Voraussetzung des Absatz 1 von § 1905 BGB die
Einwilligung des Sterilisationsbetreuers und deren Genehmigung durch das
Vormundschaftsgericht möglich ist, muß von der beabsichtigten Sterilisation der
einwilligungsunfähigen Betroffenen, die dem Gericht aus der Anhörung vom 16. August
1993 bekannt ist, Abstand genommen werden mit der Konsequenz, daß der Antrag der
Betreuerin zurückzuweisen ist.
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