Urteil des AG Gelsenkirchen vom 18.07.2005

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Amtsgericht Gelsenkirchen, 36 C 311/05
Datum:
18.07.2005
Gericht:
Amtsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
36 C 311/05
Normen:
14 RVG, Nr. 2400 VV-RVG
Sachgebiet:
Sonstiges
Leitsätze:
Rechtskraft:
ja
Tenor:
hat das Amtsgericht Gelsenkirchen
im schriftlichen Verfahren gemäß § 495a ZPO am 18.07.2005
durch den Richter Dr. B.
für R e c h t erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger gesamtschuldnerisch 127,83
€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 04.04.2005 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung der restlichen
Anwaltsgebühren in Höhe von 127,83 € aus dem Verkehrsunfallereignis vom
27.02.2005 (§ 3 PflVG i.V.m. §§ 7 StVG, 823 BGB).
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Der Versicherungsnehmer, der bei der Beklagten haftpflichtversichert ist, hat am
27.02.2005 schuldhaft einen Verkehrsunfall verursacht, für den die Beklagte
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27.02.2005 schuldhaft einen Verkehrsunfall verursacht, für den die Beklagte
einstandspflichtig ist.
Es ist anerkannt, dass dem Geschädigten die bei der Verfolgung seines
Schadensersatzanspruchs entstandenen Rechtsanwaltskosten als adäquater, dem
Schädiger zurechenbarer Folgeschaden zu ersetzen sind.
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Nach der Kostennote des Rechtsanwalts des Klägers vom 30.11.2004 sind für das
Betreiben des Geschäfts einschließlich Telekommunikationspauschale und zuzüglich
gesetzlicher Mehrwertsteuer Gebühren in Höhe von insgesamt 436,04 € entstanden. Die
Beklagte zahlte hierauf jedoch nur 308,21 €, so dass noch der eingeklagte Betrag von
127,83 € EUR offen ist. Die Differenz resultiert daraus, dass die Beklagte die vom
Vertreter des Klägers in Höhe von 1,3 Gebühren angesetzte Geschäftsgebühr nicht
akzeptierte.
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Der Gebührenrahmen beträgt nach Nr. 2400 VV-RVG 0,5 bis 2,5. Er ist gem. § 14 RVG
auszufüllen, wobei die Anmerkung zum Gebührentatbestand Nr. 2400 vorschreibt, dass
ein Gebührensatz von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit
umfangreich oder schwierig war. Der Rechtsanwalt bestimmt die Gebühr im Einzelfall
nach billigem Ermessen. Hierbei sind alle Umstände, insbesondere der Umfang und die
Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die
Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers zu berücksichtigen. Die
vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung der Gebühr ist auch gegenüber einem
erstattungspflichtigen Dritten verbindlich, wenn sie nicht unbillig ist, § 14 Abs. 1 S. 4
RVG.
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Der Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr ist im vorliegenden Fall nicht unbillig; er ist
vielmehr berechtigt. Das Gericht ist überzeugt, dass es sich vorliegend um einen
üblichen Verkehrsunfall handelte, bei dessen Abwicklung es sich grundsätzlich um eine
durchschnittliche Angelegenheit handelt, bei der der in Ansatz gebrachte Regelwert von
1,3 zu Grunde gelegt werden kann (vgl. AG Gelsenkirchen, NZV 2005, 325; AG Brilon,
NJOZ 2005, 2285; AG Greifswald, NJOZ 2005, 1669; AG Landstuhl, NJW 2005, 161).
Es entspricht dem Wesen jeder Unfallabwicklung, dass der Rechtsanwalt im Vorfeld der
Bezifferung des Schadens vielfältige Tätigkeiten erbringt. In der Regel ist die
Haftpflichtversicherung des Schädigers zu ermitteln, es sind mit dem Geschädigten die
Vielzahl der möglichen Schadenspositionen mit jeweiligen Besonderheiten zu
besprechen und zu klären. Zudem ist der Rechtsanwalt gehalten, Hinweise auf
Verpflichtungen der Geschädigten zur Schadensminderung in verschiedenen Bereichen
zu erteilen. Danach erst erfolgt die Bezifferung des Schadens der jeweiligen
Haftpflichtversicherung gegenüber mit entsprechendem Schriftwechsel bis zur
endgültigen Schadensregulierung (AG Landstuhl, NJW 2005, 161).
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Diese Gesamttätigkeit rechtfertigt bei der Unfallabwicklung mindestens die Regelgebühr
von 1,3, wenn keine weiteren Besonderheiten hinzutreten. Diese Auffassung wird
gestützt durch ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer beim OLG Hamm vom
09.12.2004, welches des Amtsgericht Gelsenkirchen in einem anderen Verfahren
eingeholt hat. In jenem Verfahren hat die Rechtsanwaltskammer beim OLG Hamm
eindeutig festgestellt, dass in Fällen der vorliegenden Art eine 1,3 Geschäftsgebühr, wie
vom Kläger in Ansatz gebracht, zu Recht gefordert wurde.
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Besonderheiten, die ein Abweichen von diesen Grundsätzen rechtfertigen könnten, sind
vorliegend nicht ersichtlich. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob auch eine
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Ortbesichtigung durchgeführt wurde und weitere Rücksprache mit dem Kläger gehalten
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Tätigkeiten durch die oben genannten Tätigkeiten geprägt ist. Auch bei einem relativ
einfachen und zügig abgewickelten Vekehrsunfall kann von einer durchschnittlichen
Angelegenheit ausgegangen werden (vgl. AG Gießen, Urt. v. 08.02.2005, Az.: 43 C
2878/04; AG Köln, Urt. v. 15.03.2005, Az.: 123 C 654/04; AG Landstuhl, NJW 2005,
161).
Im vorliegenden Fall ist die Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer
nicht erforderlich. Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 RVG gilt ausschließlich für
Rechtsstreite zwischen dem Rechtsanwalt und dem Auftraggeber, nicht jedoch bei dem
Erstattungsprozess gegenüber einem Haftpflichtversicherer (Schneider, ZfS 2004, 396).
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Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
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Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO
nicht vorliegen. Der Gesetzgeber hat einen Gebührenrahmen festgesetzt, so dass nicht
eine allgemeine Regelung zu treffen war; nach neuem Gebührenrecht ist jeder Fall ein
Einzelfall.
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