Urteil des AG Gelnhausen vom 23.11.2007

AG Gelnhausen: grundbuch, dingliches recht, subjektives recht, verjährung, zwangsversteigerung, hof, inhaber, zukunft, verwirkung, unentgeltlich

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Gericht:
AG Gelnhausen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
55 C 245/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 9 ErbbauV, § 44 ZVG, § 52
ZVG
Zwangsversteigerung des Erbbaurechts:
Erbbauzinsanspruch des Eigentümers gegen den neuen
Erbbauberechtigten nach Zuschlag
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.806,08 Euro nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus
seit 19.03.2007 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte keinen Anspruch hat, für das
im Grundbuch von O Amtsgericht D, Blatt 6145, lfd.-Nr.: 6145,
Erbbaugrundbuch, eingetragenen Erbbaurecht, lfd.-Nr.: 1, eingetragen
zu Lasten des Flurstücks Grundbuch von O Amtsgericht D Blatt 6235
unter Nr. 5 des Bestandsverzeichnisses verzeichneten Grundstücks
Flur 42, Flurstück 54/5, Hof- und Gebäudefläche, Sstraße 20, 835 qm,
für die Dauer von 70 Jahren ab dem 04.10.1950, Erbbauzins von der
Klägerin zu verlangen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, 287,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 19.03.2007 zu
zahlen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
beitreibbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte Anspruch auf Zahlung von
Erbbauzins für die Vergangenheit und Zukunft bezüglich des im Antrag näher
bezeichneten Grundstücks hat. Die Klägerin erwarb mit ihrem damals noch
lebenden Ehemann jeweils hälftig aufgrund Zuschlagsbeschlusses vom 02.05.1990
das Erbbaurecht am streitgegenständlichen, im Eigentum des Beklagten
stehenden Grundstücks (Amtsgericht D Blatt 6235, Grundbuch von O Flur 42,
Flurstück 54/5) für die Dauer von 70 Jahren seit dem 04.10.1950. Ein Erbbauzins
wurde nach Zuschlag nicht ins Grundbuch eingetragen. Es blieben keine
eingetragenen Rechte nach Zuschlag im Grundbuch bestehen. Seit 10.04.2002 ist
die Klägerin als Alleineigentümerin des Erbbaurechts in testamentarischer
Rechtsnachfolge ihres Ehemannes eingetragen. Die Klägerin und der Beklagte
trafen miteinander keine Vereinbarung über die Entrichtung von Erbbauzins. Der
Beklagte verlangte einen Solchen in Höhe von jährlich 451,52 Euro von der
Klägerin mit der Rechtsauffassung, dass ihm dieser aufgrund des Urteils des
Landgerichts D vom 09.03.1989 zustehe. Das Landgericht D hatte damals
entschieden, dass der damalige Inhaber des Erbbaurechts an den Beklagten einen
jährlichen Erbbauzins in dieser Höhe zu zahlen hat. Die Klägerin zahlte bis zum
Jahr 2006.
Dann stellte sie die Zahlungen ein und beantragt nunmehr,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.806,08 Euro nebst Zinsen in
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.806,08 Euro nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.03.2007 zu zahlen
sowie festzustellen, dass der Beklagte keinen Anspruch hat, für das im Grundbuch
von O des Amtsgerichts D Blatt 6145 unter lfd.-Nr.: 6145 Erbbaugrundbuch
eingetragenen Erbbaurecht lfd.-Nr.: 1, eingetragen zu Lasten des Flurstücks
Grundbuch von O Amtsgericht D Blatt 6235 unter Nr. 5 des
Bestandsverzeichnisses verzeichneten Grundstücks Flur 42, Flurstück 54/5, Hof-
und Gebäudefläche, Sstraße 20, 835 qm, für die Dauer von 70 Jahren ab dem
04.10.1950, Erbbauzins von der Klägerin zu verlangen.
Sie beantragt weiter,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 287,80 Euro vorgerichtliche
Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er behauptet, das streitgegenständliche Grundstück habe einen Wert von ca.
200.000,00 Euro, ein Erbpachtzins von 8.000,00 Euro pro Jahr sei hierfür
gerechtfertigt. Er habe daher einen Anspruch auf Zahlung von 8.000,00 Euro für
das Jahr 2006. Mit dieser Forderung rechnet er auf. Gleichzeitig kündigt der
Beklagte ein möglicherweise zwischen den Parteien bestehendes
Vertragsverhältnis. Er erhebt die Einrede der Verwirkung und Verjährung sowie des
Widersprüchlichen Verhaltens. Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen
Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von 1.806,08
Euro gemäß § 812 Abs. 1 (1) 1. Alternative BGB zu, da die Leistung der jährlich
gezahlten 551,52 Euro in den Jahren 2003 bis 2006 ohne Rechtsgrund erfolgte. Ein
schuldrechtlicher Anspruch des Beklagten gegen die Klägerin besteht nicht, da ein
Vertrag über die Entrichtung von Erbbauzins zwischen den Parteien nicht
abgeschlossen wurde. Dieser hätte anstelle eines Erbbauzinses der als dinglich
subjektives Recht ins Grundbuch eingetragen wird, mit schuldrechtlicher Wirkung
vereinbart werden können, was jedoch ausdrücklich hätte geschehen müssen. Es
ist nicht zwingend, dass Erbbauzins gezahlt wird, die Erbbauverordnung hat es der
freien Parteivereinbarung überlassen, ob das Erbbaurecht entgeltlich oder
unentgeltlich gewährt wird und welche Art von Gegenleistung vereinbart wird.
Unstreitig haben die Parteien vorliegend keine schuldrechtliche Vereinbarung
getroffen. Für einen konkludenten Vertragsabschluss fehlt es auf Seiten der
Klägerin an eindeutig nachvollziehbaren Rechtsbindungswillen. Daß die Klägerin
aus eigener Tätigkeit vor Eintragung im Grundbuch überhaupt einen konkludent
wertbaren Akt, nämlich eine eigene Überweisung vorgenommen hat, die ihr allein
als Willenserklärung zugeordnet werden könnte, ist nicht ersichtlich. Unabhängig
von der Verpflichtung beider Erbbauberechtigter im Falle einer bestehenden
Zahlungsverpflichtung und der Zahlung mit schuldbefreiender Wirkung für beide
durch einen ist vorliegend kein Akt der Klägerin ersichtlich, der die Annahme eines
konkludenten schuldrechtlichen Vertragsschlusses rechtfertigte.
Mangels Eintragung ins Erbbaugrundbuch ist auch kein Anspruch auf Erbbauzins
als subjektiv dingliches Recht im Sinne des § 9 Erbbauverordnung entstanden. Eine
Einigung der Parteien ist ebenso wenig nachvollziehbar, wie eine daneben für die
Entstehung notwendige Eintragung gemäß § 9 Abs. 1 (1) Erbbauverordnung, 873,
874 BGB. Die Verpflichtung zur Leistung von Erbbauzins ist auch nicht vom
vorherigen Inhaber des Erbbaurechts auf die Klägerin übergegangen. Die Klägerin
ist gemeinsam mit ihrem Ehemann im Rahmen der Zwangsversteigerung durch
Zuschlag Erwerberin des Erbbaurechts geworden. Der Ersteigerer eines dinglichen
Rechts ist gerade nicht an die schuldrechtlichen Beziehungen des früheren
Erbbaurechtsnehmers gebunden. Für den Erbbauzins vor dem Jahre 1994, für den
§ 9 Abs. 3 Erbbauverordnung neuer Fassung nicht anwendbar war, bestand nicht
die Möglichkeit, ihn "versteigerungsfest" zu machen. Für ihn bleibt es bei der
Regelung des § 9 Abs. 1 Erbbauverordnung, dass die Vorschriften über die Reallast
anwendbar sind.
Der erbbauzinsberechtigte Grundstückseigentümer wird anderen dinglichen
Gläubigern insoweit gleichgestellt, als der Rang des Erbbauzinses maßgebend ist.
Versteigert der Grundstückseigentümer selbst aus dem erstrangigen Erbbauzins,
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Versteigert der Grundstückseigentümer selbst aus dem erstrangigen Erbbauzins,
so erlischt dieser gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5, § 52 Abs. 1 (2) ZVG und wird gemäß §
92 Abs. 1 kapitalisiert. Nachrangige Grundpfandrechte gehen möglicherweise leer
aus. Da kein Anspruch auf Erbbauzins überhaupt besteht, kommt es auf die
Einschätzung des Beklagten, für das Jahr 2006 stehe ihm wegen des Wertes des
Grundstückes sogar ein Erbbauzins von 8.000,00 Euro zu, nicht an. Eine
Aufrechnungsforderung ergibt sich hieraus nicht. Gleichfalls besteht kein Recht zur
Kündigung, da zwischen den Parteien kein Vertragsverhältnis besteht. Der
Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, dass die Klägerin sich
widersprüchlich verhalte. Dafür müsste sie zumindest positive Kenntnis der
tatsächlichen Rechtslage gehabt haben, wofür es keine Anhaltspunkte gibt. Aus
diesem Grund ist auch der Anspruch der Klägerin nicht gemäß § 814 BGB
ausgeschlossen. Die Einrede der Verwirkung, die einen Unterfall des
widersprüchlichen Verhaltens darstellt, steht auch aus diesem Grunde nicht.
Insbesondere durfte sich der Beklagte nicht darauf verlassen, dass die Klägerin
auch in Zukunft unabhängig von der Rechtslage zahlen würde. Dafür fehlt es
bereits am Zeitmoment, da wie ausgeführt vor 2002 eine eigene Willensbetätigung
der Klägerin zumindest nicht substantiiert dargelegt ist.
Die Ansprüche sind auch nicht verjährt, die am weitesten zurückliegenden zinsen
die die Klägerin geltend macht, stammt vom 03.01.2003, so dass die Verjährung
nicht vor dem 01.01.2004 zu laufen begonnen hat, §§ 194, 195, 199 Abs. 1 BGB.
Ein Rechtsirrtum hindert den Verjährungsbeginn insoweit nicht. Die Verjährung
wurde bereits durch den Mahnbescheid, den die Klägerin am 29.12.2006 beantragt
hat, gehemmt, die Zustellung erfolgte am 16.01.2007 und damit "demnächst", so
dass sie auf den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags zurückwirkt.
Auch hinsichtlich des Feststellungsantrags ist die Klage begründet. Das
Feststellungsurteil ist geeignet, die Unsicherheit zu beseitigen und insoweit für die
Klägerin Richtschnur künftigen Handelns zu sein. Wie sich bereits aus dem
Prozessvortrag ergibt, hat der Beklagte seinen bisherigen Standpunkt, die Klägerin
sei ihm verpflichtet Erbbauzins zu zahlen, nicht aufgegeben, so dass die Klägerin
zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten zu diesem Punkt ein
Rechtsschutzinteresse bezüglich der Feststellung hat. Als Verzugsschaden kann
die Klägerin die vorgerichtliche Geschäftsgebühr in Höhe von 287,80 Euro gemäß §
286 BGB geltend machen. Der Zinsanspruch ergibt sich in gesetzlicher Höhe nach
§§ 253, 286, 288 BGB. Die Kostenentscheidung fußt auf § 91 ZPO, die
Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.