Urteil des AG Friedberg vom 11.03.2008

AG Friedberg: stand der technik, firma, balkon, sanierung, beweiswürdigung, auftragsvergabe, anhörung, ausführung, anfechtung, verwalter

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 218/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 15 Abs 1 FGG, § 42 WoEigG,
§ 43 Abs 1 WoEigG, § 411 Abs
3 ZPO
Sanierung von Wohnungseigentum: unterlassene Ladung
des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens
im Zusammenhang mit der Anfechtung von
Sanierungsbeschlüssen
Leitsatz
Im Rechtsbeschwerdeverfahren kann die Würdigung eines Sachverständigengutachtens
lediglich darauf geprüft werden, ob der Tatrichter das Ergebnis des Gutachtens kritiklos
hingenommen und unter Nachvollziehung der Argumentation des Sachverständigen
dessen Feststellungen und Schlussfolgerungen selbstständig auf ihre Tragfähigkeit
geprüft und sich eine eigene Überzeugung gebildet hat. Ob das Gutachten im Ergebnis
zutrifft oder nicht, ist grundsätzlich Sache der freien richterlichen Beweiswürdigung und
der Nachprüfung durch das Gericht der weiteren Beschwerde entzogen, weil diesem
eine eigene Beweiswürdigung verwehrt ist und der vom Tatgericht gezogene Schluss
nur rechtlich möglich, nicht aber zwingend sein muss.
Die für das diesbezügliche Verfahren für das Gericht maßgeblichen Normen der §§ 43
Abs. 1 WEG a. F., 15 Abs. 1 FGG erklären die Vorschriften der ZPO über den Beweis für
Sachverständige für entsprechend anwendbar. Nach § 411 Abs. 3 ZPO kann das
Gericht das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, um sein schriftliches
Gutachten zu erläutern. Die beantragte Ladung eines Sachverständigen ist
grundsätzlich auch dann erforderlich, wenn das Gericht selbst das schriftliche
Gutachten für überzeugend hält und keinen weiteren Erläuterungsbedarf sieht. Es ist
auch nicht notwendig, dass ein solcher von einer Partei nachvollziehbar dargetan
worden ist. Die Partei hat zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs grundsätzlich
einen Anspruch darauf, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur
Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorlegen kann.
Tenor
Auf die sofortige weitere Beschwerde wird der angefochtene Beschluss, soweit er
den Beschluss des Amtsgerichts Friedberg vom 03.11.2003 abändert,
aufgehoben.
Die Sache wird in diesem Umfang zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das
Landgericht Gießen zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Verfahrens der
sofortigen weiteren Beschwerde zu befinden haben wird.
Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde: 32.329,51 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligten bilden miteinander die sich aus dem Rubrum ergebende
Wohnungseigentumsgemeinschaft. Der Antragsteller ist Eigentümer der Wohnung
Nr. 6 mit einem Miteigentumsanteil von 65/1.000.
Die Wohnungseigentümer beabsichtigten, sämtliche sanierungsbedürftigen
Balkone zu sanieren. Am 01.10.1999 fasste die Eigentümerversammlung einen
Beschluss, wonach eine Fa. A die Balkonsanierung vornehmen sollte. Dieser
Beschluss wurde nach Anfechtung gerichtlich bestätigt (vgl. Amtsgericht Friedberg,
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Beschluss wurde nach Anfechtung gerichtlich bestätigt (vgl. Amtsgericht Friedberg,
3 II 24/99 WEG, Beschluss vom 08.08.2000).
Ausweislich des Eigentümerversammlungsprotokolls vom 25.05.2000, wegen
dessen Einzelheiten auf Bl. 27 ff d. A. Bezug genommen wird, wurde unter TOP 2
folgendes beschlossen:
" Der Verwalter stellt eine weitere Sanierungsmöglichkeit der Firma B vor....
Der Verwalter stellt 4 kostenmäßig verschiedene Möglichkeiten zur Balkon- bzw.
Betonsanierung vor (s. Bl. 47 d. A.), die sich aus den beiden Angeboten der Fa. B
ergeben. Die Kostenaufstellung wird den Versammelten überreicht. Die in dieser
Auflistung als Variante 3 bezeichnete Ausführung wird mit 7 Ja-Stimmen und einer
Nein-Stimme (Hr. C) gewählt. Sie beinhaltet die Balkonsanierung nach der im
Angebot der Fa. B vom 17.05.2000 (Bl. 58 ff d. A.) vorgeschlagenen Methode und
eine gründliche Betonsanierung unter Einsatz eines Sandstrahlers, wie im Angebot
der Fa. B vom 05.05.2000 (Bl. 48 ff d. A.) beschrieben. Mit dem gleichen
Abstimmungsergebnis wird die sofortige Auftragsvergabe an die Fa. B beschlossen
... Der Verwalter stellt 3 Fliesenmuster vor, ... Mit 7 Ja-Stimmen und einer Nein-
Stimme (Hr. C votiert für keines der vorgelegten Muster) wird die Verwendung der
mit Nr. 2 bezeichneten Musterfliese beschlossen. Hierbei handelt es sich lt.
Katalog der Fa. D um den Typ X mit der Bezeichnung … im Format 24 cm x 11,5
cm. Über die Gestaltungsmöglichkeit der Balkongeländer wird eingehend
diskutiert. Herr E wird 2 Angebote einholen. Der Kostenvoranschlag soll von der Fa.
F, O1 erstellt werden. Nach Vorliegen der 3 Angebote wird in einer
Eigentümerversammlung die Geländergestaltung bestimmt. Diese
Vorgehensweise bei der Geländerplanung wird mit 7 Ja-Stimmen und einer Nein-
Stimme (Hr. C) beschlossen ... "
Der Antragsteller hat unter dem 24.06.2000 unter anderem beantragt, die unter
TOP 2 des Protokolls in der Eigentümerversammlung vom 25.05.2000 gefassten
Beschlüsse bezüglich der Balkonsanierung für ungültig zu erklären. Nach
Zurückweisung bzw. Zurücknahme der übrigen gestellten Anträge hat das
Amtsgericht mit Beschluss vom 03.11.2003 (Bl. 147 ff d. A.), auf dessen
Einzelheiten verwiesen wird, den Antrag vom 24.06.2000 zu Ziffer 5
zurückgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem - unter Bezugnahme auf
die Entscheidung Senats vom 02.04.2003, Az.: 20 W 68/01 - ausgeführt, dass die
bei der Sanierung der Balkonanlage erforderliche Entfernung der Balkontröge
keine bauliche Veränderung darstelle, die der Zustimmung aller Eigentümer
bedürfe.
Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 20.11.2003 sofortige
Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er unter anderem vorgetragen, das
dem Beschluss der Eigentümerversammlung vom 25.05.2000 über die
Auftragsvergabe an die Fa. B zugrunde liegende Angebot der Fa. B vom
17.05.2000 bzw. vom 05.05.2000 beinhalte nicht fachgerechte Arbeiten, weil
anstelle einer Abdichtung aus Bitumenwerkstoffen bzw. aus Kunststoff-
Dichtungsbahnen eine Schlämme auf Zementbasis aufgebracht werden solle, die
weniger haltbar sei und nicht nach DIN zugelassen sei, und weil die Fliesen direkt
auf die Abdichtung geklebt werden sollen. Außerdem sei die verwendete
Musterfliese für Balkone nicht geeignet, weil eintretende Feuchtigkeit nicht wieder
entweichen könne.
Er hat beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts Friedberg vom 04.11.03 aufzuheben und den
angefochtenen Beschluss für ungültig zu erklären.
Die Antragsgegner haben beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kammer hat gemäß Beweisbeschluss vom 18.03.2004 Beweis erhoben durch
Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Dipl.-Ing. SV1 vom
09.12.2004 (Bl. 198 ff d. A.) Bezug genommen.
Durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 261 ff d. A.), auf dessen Einzelheiten
ebenfalls verwiesen wird, hat das Landgericht sodann den amtsgerichtlichen
Beschluss abgeändert und die unter TOP 2 des Protokolls über die
Eigentümerversammlung vom 25.05.2000 gefassten Beschlüsse bezüglich der
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Eigentümerversammlung vom 25.05.2000 gefassten Beschlüsse bezüglich der
Ausführungswahl der Balkonsanierung, der Auftragsvergabe an die Fa. B und der
Verwendung der Musterfliese für ungültig erklärt. Im Übrigen hat es den Antrag
vom 24.06.2000 zu Ziffer 5 und die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die bezeichneten
Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 25.05.2000 zu TOP 2 mangels
Einstimmigkeit für ungültig zu erklären seien. Denn die Beschlüsse beträfen
gemäß § 22 WEG eine bauliche Veränderung, die über eine ordnungsgemäße
Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums
hinausgingen, so dass sie nicht gemäß § 21 Abs. 3 WEG mit Stimmenmehrheit
hätten beschlossen werden können. Zu einer ordnungsgemäßen
Instandhaltung/Instandsetzung zähle nur eine ordnungsgemäße, mangelfreie und
fachgerechte Durchführung der erforderlichen Arbeiten. Nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme seien die angebotenen Arbeiten der Fa. B mangelhaft gewesen.
Die angebotene Abdichtung sei deutlich schadensträchtiger und weniger haltbar
als eine solche nach den einschlägigen Regeln der Technik und entspreche damit
schon nicht mehr einer ordnungsgemäßen Instandsetzung/Instandhaltung. Im
Hinblick auf den Balkon des Beschwerdeführers komme noch hinzu, dass die
angebotene Abdichtung generell unzulässig sei. Daher seien die Beschlüsse
bezüglich der Ausführungswahl der Balkonsanierung und der Auftragsvergabe an
die Fa. B für ungültig zu erklären. Gleiches gelte für den Beschluss betreffend die
Verwendung der Musterfliese. Wenn nämlich eine Abdichtung entsprechend der
DIN oder den Flachdachrichtlinien erfolgen müsse, könne eine solche Fliese nicht
verwandt werden. Der Beschluss betreffend die Geländerplanung sei hingegen
gültig. Die Gestaltung der Geländerplanung sei von der Art der Ausführung der
Abdichtung des Balkons unabhängig.
Gegen diesen am 25.04.2005 zugestellten Beschluss haben die Antragsgegner
mit am 02.05.2005 eingegangenem Schriftsatz sofortige weitere Beschwerde
eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 06.06.2005 (Bl. 286 ff d. A.), auf den
verwiesen wird, begründet haben. Sie rügen die Rechtsanwendung durch das
Landgericht. Insbesondere berufen sie sich darauf, dass das Landgericht eine
rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung vorgenommen habe. Eine Mangelhaftigkeit der
angebotenen Arbeiten der Firma B ließe sich dem Sachverständigengutachten
nicht entnehmen. Die Ausführungen des Sachverständigen zur
Schadensträchtigkeit und Haltbarkeit seien lediglich unverbindlich und hätten nicht
den Beweiswert einer Schätzung. Dies hätte – wie von den Antragsgegnern
beantragt – durch Anhörung des Sachverständigen näher aufgeklärt werden
müssen. Auch sei die Schlussfolgerung des Landgerichts rechtsfehlerhaft, dass
der Balkon unter demjenigen des Antragstellers einen Wintergarten darstelle.
Sie beantragen, den Beschluss des Landgerichts Gießen insoweit aufzuheben, als
die unter TOP 2 des Protokolls über die Eigentümerversammlung vom 25.05.2000
gefassten Beschlüsse bezüglich der Ausführungswahl der Balkonsanierung, der
Auftragsvergabe an die Firma B und der Verwendung der Musterfliese für ungültig
erklärt werden.
Der Antragsteller beantragt,
die sofortige weitere Beschwerde zurückzuweisen.
Hinsichtlich seines Vorbringens im Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf
den Inhalt des Schriftsatzes vom 07.07.2005 (Bl. 292 ff d. A.) Bezug genommen.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 45 Abs. 1 WEG a. F. statthaft und
auch ansonsten zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht eingelegt
worden.
Die sofortige weitere Beschwerde ist auch insoweit begründet, als sie zur
Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung im angefochtenen Umfang –
nämlich soweit die Erstbeschwerde des Antragstellers erfolgreich war - und
diesbezüglicher Zurückverweisung der Sache an das Landgericht führt. Die
angefochtene Entscheidung weist nämlich insofern einen Rechtsfehler auf, §§ 43
Abs. 1 WEG a. F., 27 FGG, 546 ZPO, als tragende Feststellungen des Landgerichts,
auf denen der angefochtene Beschluss beruht, nicht verfahrensfehlerfrei zustande
gekommen sind.
Zu Recht sind die Vorinstanzen noch von einem Rechtsschutzbedürfnis des
Antragstellers für die Anfechtung der Beschlüsse zur Balkonerneuerung
ausgegangen, selbst wenn die Baumaßnahme schon durchgeführt sein sollte.
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ausgegangen, selbst wenn die Baumaßnahme schon durchgeführt sein sollte.
Abgesehen davon, dass der Balkon des Antragstellers offensichtlich noch nicht
saniert ist, würde die Durchführung auch einem fortbestehenden
Rechtsschutzbedürfnis nicht entgegenstehen. Jedenfalls kann sich der
Antragsteller noch erfolgreich dagegen wehren, an den Kosten für die von ihm
bekämpfte Sanierung endgültig beteiligt zu werden (vgl. auch das Verfahren des
Senats, 20 W 217/05). Der Sanierungsbeschluss kann sich demnach noch für den
betroffenen Wohnungseigentümer auswirken (vgl. die Nachweise bei OLG München
ZMR 2007, 557). Dabei ist vorsorglich darauf hinzuweisen, dass sich die Gültigkeit
eines Wohnungseigentümerbeschlusses trotz § 62 Abs. 1 WEG n. F. im Rahmen
eines Beschlussanfechtungsverfahrens nach dem materiellen Recht im Zeitpunkt
der Beschlussfassung richtet (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 67. Aufl., § 62 WEG Rz.
1; Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., § 62 WEG Anm. c); Schmid
ZMR 2008, 181, 182 m. w. N.).
Danach ist allerdings festzuhalten, dass es im Rahmen des vorliegenden
Beschlussanfechtungsverfahrens nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG a. F. darauf
ankommt, ob die diesbezüglich unter TOP 2 des Protokolls über die
Eigentümerversammlung vom 25.05.2000 gefassten Beschlüsse nach ihrem
konkreten Inhalt den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen
bzw. sonstige Rechtsmängel aufweisen. Soweit das Landgericht also im
angefochtenen Beschluss, Seite 5, auf die in den verschiedenen Angeboten der
Firma B aufgeführten Abdichtungen auf Epoxydharzbasis oder alternativ mit
flexibler Dichtungsschwämme (gemeint wohl: Dichtungsschlämme) abstellt, kann
dies in diesem Zusammenhang nicht maßgeblich sein, sondern lediglich die
Variante, für deren Ausführung sich die Gemeinschaft letztendlich im
Beschlusswege entschieden hat. Dazu verhält sich der angefochtene
landgerichtliche Beschluss nicht, wohl deshalb, weil das Landgericht beide
Varianten für „mangelhaft“ angesehen hat. Soweit der Antragsteller Unklarheiten
des angefochtenen Eigentümerbeschlusses über die Ausführungsvariante gerügt
hatte, kann dies aber nicht durchgreifen. Eine Beschlussfassung über eine
Instandsetzungsmaßnahme, aus der sich nicht mit hinreichender Klarheit ergibt,
welcher Art und mit welchem Umfang die Instandsetzung durchgeführt werden soll,
entspricht zwar, sofern es - wie hier - mehrere Arten der Behebung des Mangels
gibt, nicht ordnungsgemäßer Verwaltung und ist deshalb für unwirksam zu erklären
(vgl. etwa OLG Hamm ZMR 2007, 131). An der erforderlichen Bestimmtheit hat der
Senat allerdings mit dem Amtsgericht keine durchgreifenden Bedenken, weil
ausweislich des Wortlauts des Eigentümerbeschlusses die Durchführung der sog.
Variante 3 beschlossen wurde, die die Balkonsanierung nach der im Angebot der
Firma B vom 17.05.2000 vorgeschlagenen Methode – mithin mit einer
zementgebundenen Abdichtung – zuzüglich einer gründlichen Betonsanierung
unter Einsatz eines Sandstrahlers beinhaltete. Diese Ausführungsvariante hat im
Übrigen der Antragsteller selber seiner Beschwerdebegründung vom 14.12.2003
zugrunde gelegt. Auch der Beweisbeschluss des Landgerichts vom 18.03.2004
geht davon aus. Ob im Nachhinein die Sanierungsarbeiten wie von den
Eigentümern beschlossen ausgeführt worden sind, was der Antragsteller in
anderem Zusammenhang in Zweifel zieht, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit
des Eigentümerbeschlusses unerheblich.
Dass die Wohnungseigentümer über die Sanierung der Balkone wiederholt und
unterschiedlich Beschlüsse gefasst haben (vgl. auch den dem Verfahren
Amtsgericht Friedberg, 3 II 24/99 WEG, zugrunde liegenden Beschluss), ist
unerheblich. Die Wohnungseigentümer sind grundsätzlich berechtigt, über eine
schon geregelte gemeinschaftliche Angelegenheit erneut zu beschließen, auch
dann, wenn ein Beschluss aufgrund gerichtlicher Zurückweisung eines
Anfechtungsantrags bestandskräftig ist (vgl. Staudinger/Bub, BGB, Stand Juli 2005,
§ 23 WEG Rz. 321; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 45 Rz. 121, m. w. N.). Die
Befugnis dazu ergibt sich aus der autonomen Beschlusszuständigkeit der
Gemeinschaft. Dabei spielt keine Rolle, aus welchen Gründen die Gemeinschaft
eine erneute Beschlussfassung für angebracht hält. Von Bedeutung ist nur, ob der
neue Beschluss aus sich heraus einwandfrei ist. Jeder Wohnungseigentümer kann
allerdings nach § 21 Abs. 3 und 4 WEG verlangen, dass der neue Beschluss
schutzwürdige Belange aus Inhalt und Wirkungen des Erstbeschlusses
berücksichtigt (vgl. BGHZ 113, 197; Staudinger/Bub, a.a.O., § 23 WEG Rz. 122 m.
w. N.). Dass hiergegen verstoßen worden wäre, lässt sich dem Vorbringen des
Antragstellers in der Erstbeschwerde nicht entnehmen.
Der Senat hat im Beschluss vom 02.04.2003 im Verfahren 20 W 68/01 im Hinblick
auf den seinerzeit angefochtenen Eigentümerbeschluss zur Balkonsanierung
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auf den seinerzeit angefochtenen Eigentümerbeschluss zur Balkonsanierung
ausgeführt, dass sich insbesondere Maßnahmen im Rahmen ordnungsgemäßer
Instandhaltung oder Instandsetzung halten, die das gemeinschaftliche Eigentum
pflegen und Schäden vorbeugen, sowie Maßnahmen, die den ursprünglichen
Zustand nach Beschädigung wiederherstellen. Dabei richtet sich die
Ordnungsmäßigkeit der Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen nach
der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der Maßnahme, der fachgerechten Art
und Weise der Ausführung und der Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer
Verwaltung, wobei eine Gesamtschau vorzunehmen ist. Verbleibt nach diesem
Entscheidungsfindungsprozess noch die Wahl zwischen mehreren
ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechenden Maßnahmen, so besteht
grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum, innerhalb dessen die
Wohnungseigentümer nach Zweckmäßigkeits- und Nützlichkeitskriterien
entscheiden können (vgl. Seite 4 des bezeichneten Beschlusses). Zu Recht hat
das Landgericht im angefochtenen Beschluss, Seite 5, auf eine objektive
Betrachtungsweise abgestellt (vgl. dazu auch BayObLG ZMR 2004, 607;
Riecke/Drabek, a.a.O., § 21 WEG Rz. 193).
Soweit das Landgericht im angefochtenen Beschluss, Seite 5, im Hinblick auf den
hier maßgeblichen Eigentümerbeschluss sodann bereits die fachgerechte Art und
Weise der Ausführung der (beschlossenen) Sanierungsarbeiten abgelehnt bzw.
„die angebotenen Arbeiten der Firma B“ nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
als mangelhaft bezeichnet hat, sind – wie erwähnt - die Feststellungen des
Landgerichts nicht verfahrensfehlerfrei zustande gekommen.
Die diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts sind für den
Senat als Rechtsbeschwerdegericht lediglich dann nach den §§ 43 Abs. 1 WEG a.
F., 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 559 Abs. 2 ZPO bindend, wenn sie frei von
Verfahrensfehlern getroffen worden sind. Der Senat als Rechtsbeschwerdegericht
kann in diesem Zusammenhang dann die tatsächliche Würdigung durch die
Tatsacheninstanzen gemäß den genannten Vorschriften nicht auf ihre sachliche
Richtigkeit, sondern nur daraufhin überprüfen, ob ihr Ergebnis auf einem
Rechtsfehler beruht (vgl. Senat, Beschluss vom 01.02.2007, 20 W 8/06 = ZWE
2007, 370). Die Würdigung eines Sachverständigengutachtens kann lediglich
darauf geprüft werden, ob der Tatrichter das Ergebnis des Gutachtens kritiklos
hingenommen und unter Nachvollziehung der Argumentation des
Sachverständigen dessen Feststellungen und Schlussfolgerungen selbstständig
auf ihre Tragfähigkeit geprüft und sich eine eigene Überzeugung gebildet hat. Ob
das Gutachten im Ergebnis zutrifft oder nicht, ist grundsätzlich Sache der freien
richterlichen Beweiswürdigung und der Nachprüfung durch das Gericht der
weiteren Beschwerde entzogen, weil diesem eine eigene Beweiswürdigung
verwehrt ist und der vom Tatgericht gezogene Schluss nur rechtlich möglich, nicht
aber zwingend sein muss (vgl. dazu Keidel/Kuntze/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 27
Rz. 43 m. w. N.).
Die für das diesbezügliche Verfahren für das Gericht maßgeblichen Normen der §§
43 Abs. 1 WEG a. F., 15 Abs. 1 FGG erklären jedoch die Vorschriften der ZPO über
den Beweis für Sachverständige für entsprechend anwendbar (OLG München DWE
2007, 136 = MDR 2008, 102). Nach § 411 Abs. 3 ZPO kann das Gericht das
Erscheinen des Sachverständigen anordnen, um sein schriftliches Gutachten zu
erläutern. Die beantragte Ladung eines Sachverständigen ist grundsätzlich auch
dann erforderlich, wenn das Gericht selbst das schriftliche Gutachten für
überzeugend hält und keinen weiteren Erläuterungsbedarf sieht. Es ist auch nicht
notwendig, dass ein solcher von einer Partei nachvollziehbar dargetan worden ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Partei zur
Gewährleistung des rechtlichen Gehörs einen Anspruch darauf, dass sie dem
Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält,
zur mündlichen Beantwortung vorlegen kann (vgl. zuletzt BGH NJW-RR 2007, 1294;
NJW-RR 2007, 212; VersR 2002, 120, je mit vielfältigen weiteren Nachweisen aus
der älteren Rspr.). Dieses Antragsrecht besteht unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO
(ständige Rspr. des Bundesgerichtshofs, vgl. BGH NJW-RR 2007, 1294; NJW-RR
2007, 212). Es kann von der Partei, die einen Antrag auf Ladung des
Sachverständigen stellt, nicht verlangt werden, dass sie die Fragen, die sie an den
Sachverständigen zu richten beabsichtigt, im Voraus konkret formuliert. Es
genügt, wenn sie allgemein angibt, in welcher Richtung sie durch ihre Fragen eine
weitere Aufklärung herbeizuführen wünscht (BGH NJW-RR 2007, 1294; NJW-RR
2007, 212). Beschränkungen des Antragsrechts ergeben sich allenfalls aus dem
Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs oder der Prozessverschleppung (BGH NJW-
RR 2007, 1294; NJW-RR 2007, 212).
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Die weitere Beschwerde rügt vor diesem Hintergrund zu Recht, dass das Verfahren
des Landgerichts insoweit nicht verfahrensfehlerfrei ist. Die Antragsgegner haben
sich in den Schriftsätzen vom 05.01.2005 und 14.03.2005 mehrfach auf die
Anhörung des Sachverständigen zu der Behauptung berufen, dass auch nach
dessen Gutachten nicht von einer „nicht fachgerechten“ Werkausführung
ausgegangen werden könne, sich dies insbesondere etwa nicht aus einer
„risikoträchtigeren Alternativabdichtung“ ergäbe. In der Tat hat sich der
Sachverständige hierzu jedenfalls nicht ganz eindeutig geäußert. Auf Seite 14
seines Gutachtens vom 09.12.2004 hat er ausgeführt, dass die Ausführungen
nach dem bezeichneten Merkblatt des deutschen Baugewerbes – um eine solche
handelt es sich hier offensichtlich – grundsätzlich als Stand der Technik, wenn nicht
sogar als anerkannte Regel der Technik angesehen werden könnten. Er hat diese
alternativen Abdichtungen jedoch als weniger haltbar als die Abdichtungen nach
DIN 18195 bzw. den Flachdachrichtlinien angesehen (Seite 17 des Gutachtens
vom 09.12.2004), das diesbezügliche Schadensrisiko als höher bezeichnet (Seiten
17, 18 des Gutachtens vom 09.12.2004) und im Hinblick auf die vorliegend
vorhandene Entwässerung zum Gebäude hin (Seite 14 des Gutachtens vom
09.12.2004) zusätzliche Risken gesehen, die allerdings durch andere bauliche
Umstände wieder minimiert bzw. verringert würden (Seite 17 des Gutachtens vom
09.12.2004). Ausgehend hiervon mag die Bewertung des Landgerichts, die
angebotenen Arbeiten seien „mangelhaft“ – also „nicht fachgerecht“ im Sinne des
Beweisbeschlusses vom 24.03.2004 - zwar zumindest vertretbar im oben
beschriebenen Sinne sein; dies mag auch noch für die weitere Bewertung gelten,
die Arbeiten entsprächen nicht den „einschlägigen Regeln der Technik“, wie sich
aus der Formulierung auf Seite 6, 2. Abs., Satz 2, des angefochtenen Beschlusses
offensichtlich ergeben soll. Dies kann jedoch dahinstehen, ebenso wie die Frage,
ob nicht zur Behebung eventueller Unklarheiten zur Frage der Mangelhaftigkeit,
auf die das Landgericht ausdrücklich abgestellt hat, eine Anhörung des
Sachverständigen oder Ergänzung des Gutachtens (vgl. zu dieser
Verfahrensweise: OLG München DWE 2007, 136 = MDR 2008, 102) von Amts
wegen erforderlich gewesen wäre. Angesichts der von den Antragsgegnern zur
diesbezüglichen Aufklärung ausdrücklich angebotenen Anhörung des
Sachverständigen hätte das Landgericht dem nach den obigen Ausführungen
jedenfalls nachgehen müssen, auch wenn es selbst – wie geschehen - das
schriftliche Gutachten für überzeugend hielt und keinen weiteren
Erläuterungsbedarf sah. Dass die immerhin anwaltlich vertretenen Antragsgegner
keinen ausdrücklich formulierten Antrag auf Ladung des Sachverständigen zum
Termin zur mündlichen Verhandlung gestellt haben, ist dabei unerheblich, da ihr
Begehren aus den bezeichneten Schriftsätzen hinreichend deutlich wird.
Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Antragsrechts aus dem Gesichtspunkt
des Rechtsmissbrauchs oder der Prozessverschleppung sieht der Senat nicht. Der
Senat kann als Rechtsbeschwerdegericht die erforderliche Ergänzung der
Beweisaufnahme nicht vornehmen, so dass lediglich eine Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das Landgericht in
Betracht kommt. Dabei wird ggf. auch Gelegenheit bestehen, auf die weiteren im
Erstbeschwerdeverfahren erhobenen Einwendungen des Antragstellers
insbesondere auch gegen die für ihn ungünstigen Feststellungen des Gutachtens
einzugehen.
Die Frage, ob die von der Firma B angebotenen und von der Gemeinschaft
beschlossenen Arbeiten mangelfrei bzw. fachgerecht sind, auf die das Landgericht
entscheidend abgestellt hat, kann auch nicht etwa dahinstehen, weil nicht
auszuschließen ist, dass der angefochtene landgerichtliche Beschluss darauf
beruht. Zwar mögen im Einzelfall grundsätzlich fachgerechte aber mit einer
erhöhten Schadensanfälligkeit behaftete Sanierungsmaßnahmen dennoch den
Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne von § 21 Abs. 4, Abs. 5 WEG
widersprechen (vgl. in anderem Zusammenhang: OLG Schleswig WuM 2002, 686;
KG WuM 1991, 128). Eine diesbezügliche Feststellung ist dem Senat als
Rechtsbeschwerdegericht aber versagt, weil auch das höhere Schadensrisiko von
den Antragsgegnern mit Einwendungen gegen das gerichtliche
Sachverständigengutachten in Zweifel gezogen wird.
Soweit das Landgericht lediglich ergänzend darauf verwiesen hat (vgl. Seite 6 des
angefochtenen Beschlusses), dass nach den Feststellungen des Sachverständigen
im Hinblick auf den Balkon des Antragstellers die „angebotene Abdichtung“
generell unzulässig sei, weil sich darunter ein als Wohnraum anzusehender
Wintergarten befinde, hat die weitere Beschwerde zu Recht darauf hingewiesen,
dass es dazu an tragfähigen Feststellungen fehlt, obwohl die Antragsgegner
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dass es dazu an tragfähigen Feststellungen fehlt, obwohl die Antragsgegner
bereits vor dem Landgericht vorgetragen hatten, dass sich am Balkon unter
demjenigen des Antragstellers lediglich ein Sichtschutz aus Glas befinde. Der
Sachverständige hat diesen als Wohnraum angesehen, wenn man davon ausgehe,
dass dieser planungsrechtlich genehmigt sei (Seite 16 des Gutachtens). Ob dies
der Fall ist, ist nicht festgestellt. Trotz auch zu diesem Punkt angebotener
Anhörung des Sachverständigen im Schriftsatz vom 05.01.2005 (Bl. 238 d. A.) hat
das Landgericht diese nicht für erforderlich erachtet. Damit kann auch der
landgerichtliche Beschluss, soweit er die Beschlussfassung der Gemeinschaft
hinsichtlich der Verwendung der Musterfliese betrifft, keinen Bestand haben, der
ausschließlich auf den Gesichtspunkt gestützt ist, dass diese bei einer Abdichtung
nach der DIN oder den Flachdachrichtlinien nicht in Betracht kommt und auf die
weitergehenden Einwendungen des Antragstellers nicht mehr eingeht.
III. Eine Kostenentscheidung ist an dieser Stelle nicht veranlasst. Bei seiner
erneuten Sachentscheidung wird vielmehr das Landgericht auch über die Kosten
des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu befinden haben, § 47 WEG a. F..
Für die Geschäftswertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde im
Sinne des § 48 Abs. 3 WEG a. F. ist – anders als beim Wert des Gegenstandes der
Beschwerde im Sinne des § 45 Abs. 1 WEG a. F. – das Interesse aller Beteiligten
maßgebend. Es entspricht einhelliger Auffassung, dass bei der Anfechtung eines
Eigentümerbeschlusses über eine konkrete Sanierungsmaßnahme der
Kostenaufwand in voller Höhe als Geschäftswert festzusetzen ist (vgl. die
Nachweise bei Niedenführ/Schulze, WEG, 7. Aufl., § 48 Rz. 43). Daraus errechnet
sich ein Geschäftswert von 32.329,51 EUR (= 63.231,02 DM lt. Variante 3). Anders
als im Verfahren des Senats 20 W 68/01 (vgl. die Seiten 3, 11 des Beschlusses
vom 02.04.2003) geht es hier nicht lediglich um einen Teilaspekt einer Sanierung;
die (teilweise) Durchführung des Beschlusses spielt im Zusammenhang mit der
Geschäftswertfestsetzung keine Rolle (BayObLG WuM 1993, 211;
Niedenführ/Schulze, WEG, 7. Aufl., § 48 Rz. 43).
Der Senat vermag in diesem Zusammenhang auch nicht davon auszugehen, dass
die nach diesem festgesetzten Wert zu berechnenden Kosten des Verfahrens zu
dem Interesse des Antragstellers an der Ungültigkeitserklärung der maßgeblichen
Beschlüsse nicht in einem angemessenen Verhältnis stünden, § 48 Abs. 3 Satz 2
WEG. Dessen Eigeninteresse steht hier unter hinreichender Berücksichtigung der
Interessen sämtlicher übrigen Wohnungseigentümer, die von einer erfolgreichen
Beschlussfassung betroffen sind, sowie der Interessen des Fiskus und der
beteiligten Rechtsanwälte (vgl. hierzu auch Senat, Beschluss vom 07.03.2003, 20
W 15/02; BayObLG WE 1997, 393; Staudinger/Wenzel, a.a.O., § 48 WEG Rz. 17, je
m. w. N.) durchaus noch in einem angemessenen Verhältnis zu den oben
errechneten Geschäftswerten. Die Werte sind absolut betrachtet auch nicht derart
hoch, dass zu befürchten wäre, dadurch könne der Zugang zu den Gerichten
erschwert werden. Die Verfahrenskosten auf der Grundlage dieses
Geschäftswertes erfordern bei Abwägung der Interessen des Antragstellers
gegenüber den Interessen der übrigen Beteiligten an einer wirksamen
Beschlussfassung keine weitere Ermäßigung wegen der aus dem
Rechtsstaatsprinzip folgenden Justizgewährungspflicht. Das Landgericht wird
Gelegenheit haben, nach den vorstehenden Maßstäben den Geschäftswert für
seine sowie für die erste Instanz ggf. neu zu bestimmen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.