Urteil des AG Freiburg vom 25.08.2006

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AG Freiburg Urteil vom 25.8.2006, 2 C 1484/05
Tenor
1. Die Widerklage wird abgewiesen.
2. Die Beklagte/Widerklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte/Widerklägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 450,00 EUR,
sofern nicht die Klägerin/Widerbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Am 7.12.2004 suchte die Vertriebsmitarbeiterin der Widerklägerin, die Zeugin ..., die Widerbeklagte zuhause
auf und warb für den Kauf einer Brockhaus-DVD. Zuvor war der Widerbeklagten eine unverbindliche
Präsentation telefonisch angeboten worden. Die Widerbeklagte unterzeichnete sodann eine „Bestell-Urkunde“ in
der als Liefertermin der 20. Dezember 2004 vermerkt wurde. In der entsprechenden Zeile für den Liefertermin
sind die Worte „ca. am“ bereits vorgedruckt.
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Am unteren Ende des violett eingefassten Textteiles ist - farblich grau unterlegt - folgende Belehrung enthalten:
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„Der Käufer kann die Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angaben von Gründen in
Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt
frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung
des Widerrufs oder der Sache. Der Widerruf ist zu richten an: .....“
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Der Text der vorgenannten Belehrung ist in etwas größeren und fetter gedruckten Buchstaben, als der
überwiegende Teil des Vertragstextes abgedruckt.
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Die DVD wurde der Klägerin am 23. Dezember 2004 zugesandt. Unmittelbar nach den Weihnachtsfeiertagen,
also am 27.12.2004, sandte die Widerbeklagte die DVD an die Widerklägerin zurück.
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Die Widerbeklagte ist der Ansicht, sie habe den am 7.12.2004 in einer Haustürsituation zustande gekommenen
Kaufvertrag durch Rücksendung der DVD am 27.12.2004 widerrufen.
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Insoweit folge aus § 355 Abs. 3 Satz 2 BGB, dass die Widerrufsfrist vorliegend nicht schon am 8.12.2004,
sondern erst am 24.12.2004 zu laufen begann.
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Die am Ende des Vertrages enthaltene Belehrung genüge nicht den Anforderungen des § 14 BGB - InfoV. Dies
bereits deshalb, weil die zwingend erforderliche Überschrift „Widerrufsbelehrung“ fehle. Auch aus diesem Grund
habe die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen, § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB.
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Die Widerbeklagte behauptet, es sei mit Sicherheit kein Zufall gewesen, dass die DVD exakt an dem Tag
eintraf, an dem auch eine postwendende Rücksendung der Ware - wie vorgenommen - die formale Zwei-
Wochen-Frist nicht habe einhalten können. Vielmehr beruhe das Geschäftskonzept der Beklagten gerade auf
der Ausnutzung dieser Rechtsunsicherheit,
10 Beweis: Parteivernehmung der Geschäftsführer ... der Widerklägerin/Beklagten, zu laden über die Beklagte.
11 Aus dem vorgenannten Grunde müsse sich die Widerklägerin/Beklagte jedenfalls nach § 312 f Satz 2 BGB so
behandeln lassen, als sei der Widerruf der Klägerin/Widerbeklagten rechtzeitig erfolgt.
12 Die Klägerin/Widerbeklagte hatte zunächst eine negative Feststellungsklage erhoben. Nach Erhebung der
Widerklage haben die Parteien die Feststellungsklage in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
13 Die Widerklägerin beantragt,
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1. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 1.798,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 2.6.2005 und 10,00 EUR Mahnkosten zu zahlen, Zug um Zug gegen
Übergabe des Werkes „Die Brockhaus Enzyklopädie Multimedial, bestehend aus einer DVD“.
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2. Festzustellen, dass sich die Klägerin mit der Annahme der im Widerklageantrag zu 1. näher
bezeichneten DVD in Annahmeverzug befindet.
16 Die Klägerin/Widerbeklagte beantragt,
17
die Widerklage abzuweisen.
18 Die Widerklägerin ist der Ansicht, die Widerbeklagte habe ihr Widerrufsrecht nicht rechtzeitig ausgeübt. Im
Zeitpunkt der Lieferung der Ware sei die Widerrufsfrist bereits abgelaufen gewesen.
19 Die erteilte Widerrufsbelehrung auf der Vertragsurkunde entspreche exakt dem Muster gemäß § 14 BGB InfoV.
Dementsprechend habe die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 BGB mit Aushändigung der Belehrung bei
Vertragsschluss zu laufen begonnen. § 355 Abs. 3 BGB betreffe lediglich Fälle, in denen keine
ordnungsgemäße Belehrung vorliege.
20 Die Widerklägerin behauptet, der eigentliche Liefertermin sei zwischen den Vertragsparteien frei verhandelbar
gewesen. Die Klägerin habe eine vertragliche Lieferung aber erst nach Ablauf der Widerrufsfrist gewünscht.
Insoweit obliege es dem einzelnen Kunden, den Liefertermin festzulegen.
21 Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugin ....
22 Bezüglich des Beweisergebnisses wird insoweit auf die Sitzungsniederschrift vom 13.1.2006 verwiesen.
23 Mit Beschluss vom 17.2.2006 wurde gemäß § 445 ZPO die Einvernahme der Geschäftsführer der
Widerklägerin angeordnet.
24 Die Einvernahme wurde jedoch verweigert mit der Begründung, es solle über eine nicht
entscheidungserhebliche Tatsache vernommen werden. Ferner sähen sich die Geschäftsführer zeitlich nicht in
der Lage, den Beweistermin vor dem Amtsgericht Gütersloh wahrzunehmen.
25 Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
26 Die zulässige Widerklage ist unbegründet.
27 Die Widerklägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Kaufpreis, § 433 Abs. 2 BGB.
28 Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die Widerrufsbelehrung nicht exakt mit dem Muster für die
Widerrufsbelehrung (Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3) übereinstimmt.
29 Denn insoweit fehlt unstreitig die Überschrift mit der Bezeichnung als „Widerrufsbelehrung“.
30 Zu sehen ist jedoch, dass, unabhängig davon, die Widerrufsbelehrung drucktechnisch hervorgehoben wurde.
31 So wurde der entsprechende Text in Fettdruck und etwas größeren Buchstaben als der ganz überwiegende Teil
des Vertrages gehalten.
32 Auch wurde die Belehrung selbst violett eingefasst und grau unterlegt.
33 Insoweit ist insgesamt von einer rechtswirksamen Widerrufsbelehrung auszugehen, weshalb gemäß § 355 Abs.
2 BGB die entsprechende Frist grundsätzlich mit dieser Belehrung, mithin am 7. Dezember 2004 zu laufen
begann.
34 Entgegen der Ansicht der Widerbeklagten fand für den Fristbeginn auch nicht die Vorschrift des § 355 Abs. 3
Satz 2 BGB Anwendung.
35 Denn nach richtiger Ansicht setzt § 355 Abs. 3 BGB voraus, dass keine ordnungsgemäße Belehrung erfolgt ist
(vgl. hierzu LG Dortmund, NJW 2003, 3355).
36 An dieser Voraussetzung fehlt es jedoch, wie bereits oben festgestellt.
37 Die Widerbeklagte hat den streitgegenständlichen Kaufvertrag gleichwohl durch Rücksendung der Ware
wirksam widerrufen, §§ 312, 312 f Satz 2, 355 BGB.
38 Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts fest, dass
die Ware bewusst erst nach Ablauf der Frist versandt wurde.
39 In diesem Zusammenhang ist zunächst einmal zu sehen, dass die Behauptung der Widerklägerin, die
Widerbeklagte habe eine vertragliche Lieferung erst nach Ablauf der Widerrufsfrist gewünscht, bereits durch
den Text der Vertragsurkunde widerlegt wird.
40 Denn als Liefertermin wurde insoweit der 20. Dezember 2004 eingetragen.
41 Die Zeugin ... gab im Rahmen ihrer Einvernahme an, dass zwar auch Liefertermine innerhalb von 14 Tagen
nach dem Kundentreffen vereinbart werden könnten, doch müsse sie hierfür Rücksprache halten. Die Zeugin
führte jedoch auch aus, dass „in der Regel“ ohnehin erst nach vier bis sechs Wochen geliefert werde. Die
Möglichkeit der Prüfung des Produkts sei auch nicht machbar, da bei der DVD die Möglichkeit besteht, alle
Informationen direkt auf den Rechner zu ziehen, was einen Unterschied zu Büchern darstelle.
42 Aufgrund der vorstehenden Angaben der Zeugin ist davon auszugehen, dass die Widerklägerin ein Interesse
daran hat, dass das Produkt den Kunden nicht vor Ablauf der Widerrufsfrist zugeht. Dies ergibt sich vor allen
Dingen aus den Aussagen der Zeugin, dass die Prüfung des Produkts „nicht machbar sei“.
43 Der Antrag der Widerbeklagten auf Einvernahme der Geschäftsführer der Widerklägerin zu diesem
Beweisthema war deshalb auch nicht als Ausforschungsbeweis anzusehen.
44 Gemäß § 446 ZPO war die erfolgte Weigerung der Einvernahme - unter Berücksichtigung der hierzu
vorgetragenen Gründe - frei zu würdigen.
45 Insbesondere die Auffassung der Widerklägerin, es handele sich um eine nicht entscheidungserhebliche
Tatsache, stellt keinen anerkennenswerten Grund für die Verweigerung dar. Dies gilt gleichermaßen für den im
übrigen nur ganz pauschal vorgetragenen Einwand, wonach die Geschäftsführer der Widerklägerin „beruflich
stark eingebunden seien“.
46 Die Einvernahme des von der Widerklägerin angebotenen „bevollmächtigten Vertreters“ sieht die ZPO nicht vor.
47 Unter Würdigung aller Umstände gelangt das Gericht zur Auffassung, dass die Versendung der Ware bewusst
nach Ablauf der Widerspruchsfrist erfolgt.
48 Hierdurch wurde der Widerbeklagten die Möglichkeit genommen, den Widerruf durch Rücksendung der Ware
auszuüben, §§ 312, 355 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts stellt dies eine
teilweise Umgehung der Vorschriften der §§ 312, 355 ff. BGB dar, weshalb der Widerruf durch Rücksendung
der Ware am 27.12.2004 als rechtzeitig anzusehen ist.
49 Die Widerklage ist deshalb vollumfänglich abzuweisen.
50 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91 a ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf
§§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.