Urteil des AG Frankfurt am Main vom 14.03.2017

AG Frankfurt: pachtzins, öffentliche ausschreibung, verbundenes unternehmen, bewirtschaftung, akte, leistungsfähigkeit, vertragsschluss, zupacht, gefahr, pachtvertrag

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Gericht:
AG Frankfurt (Oder)
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 Lw 37/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 4 Abs 1 Nr 3 LPachtVG
Leitsatz
1. Der Schutz der Agrarstruktur, wie er durch § 4 Abs. 1 Nr. 3 des Landpachtverkehrsgesetzes
erfolgt, ist kein Schutz in einem umfassenden Sinne vor jedweder Gefahr für die
Agrarstruktur, sondern auf den Schutz des jeweiligen Pächters vor einem gerade für seinen
Betrieb nachteiligen Pachtvertrag beschränkt.
2. Die Vorschrift hat vorrangig die Leistungsfähigkeit der einzelnen Betriebe, nicht die
einzelnen Pachtflächen im Auge. Entscheidend ist deshalb das Verhältnis von nachhaltig
erzielbarem Ertrag und Pachtpreis für den entsprechenden Betrieb. Es kommt hierbei unter
Bewertung aller Umstände des Einzelfalles auf die Leistungsfähigkeit des Betriebes des
Pächters und dessen betriebswirtschaftliche Situation an. Bei der Zupacht von Flächen
kommt es in einem ersten Schritt auf den Einkommensbeitrag als betriebswirtschaftlicher
Kennzahl zur Beurteilung einzelner Produktionsverfahren (erste Prüfungsstufe), in einem
zweiten Schritt auf etwaige betriebliche Sondereffekte (zweite Prüfungsstufe) und schließlich
in einem dritten Schritt in Ansehung der Ergebnisses der Schritte eins und zwei auf die
Schätzung an, ob die Anpachtung für den gesamten Betrieb des Pächters einen
betriebswirtschaftlichen Nutzen erbringt, das heißt, ob bei einer Gesamtschau aller
betriebswirtschaftlichen Faktoren der Pachtzins untragbar hoch ist oder nicht (dritte
Prüfungsstufe).
3. Maßgeblicher Zeitpunkt hinsichtlich der Grundlagen der gerichtlichen Entscheidung in
tatsächlicher Hinsicht ist der Zeitpunkt des Abschlusses des zu prüfenden Pachtvertrages. Es
muss auch den Erkenntnisstand abgestellt werden, den die handelnden Personen bzw. ein
durchschnittlicher Marktteilnehmer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses haben bzw. haben
können. Entwicklungen, die später eingetreten sind, aber bei Vertragsschluss nicht erkennbar
waren, bleiben außer Betracht.
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass der Landpachtvertrag vom 17. September 2007 … und der
Landpachtvertrag vom 25. September 2007 … nicht zu beanstanden sind; die in den
Bescheiden des Landkreises Märkisch-Oderland vom 30. November 2007 und vom 3.
Dezember 2007 diesbezüglich erfolgten Beanstandungen sind daher wirkungslos.
II. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet
nicht statt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin (Verpächterin) verwertet und verwaltet auf der Grundlage eines mit
der ehemaligen Treuhandanstalt geschlossenen Treuhand- und
Geschäftsbesorgungsvertrages land- und fortwirtschaftliche Flächen zur Erfüllung des
ursprünglich der Treuhandanstalt übertragenen Privatisierungsauftrages. Sie
verpachtete die hier in Rede stehenden landwirtschaftlichen Flächen an die
Agrargesellschaft G. mbH (Pächterin). Die Verpachtung erfolgte nach im Jahr 2007
durchgeführter öffentlicher Ausschreibung auf das jeweilige Höchstgebot.
Vorliegend wendet sich die Antragstellerin mit ihren zulässigen Anträgen auf gerichtliche
Entscheidung gegen zwei Bescheide, mit denen der Landkreis Märkisch-Oderland die
Pachtverträge beanstandet hat:
Mit Bescheid vom 30. November 2007 (Blatt 121 ff. der Akte) hat der Landkreis den
Landpachtvertrag … vom 17. September 2007 (Pachtdauer: fünf Jahre vom 1. Oktober
2007 bis 30. September 2012; jährliche Pacht: 760,00 €; Pachtfläche: 5,0880 ha
Ackerland in der Gemarkung … mit der Ackerzahl 9; Pachtzins je ha: 149,37 €; Pachtzins
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Ackerland in der Gemarkung … mit der Ackerzahl 9; Pachtzins je ha: 149,37 €; Pachtzins
je Bodenpunkt: 16,60 €; vergleiche wegen der weiteren Einzelheiten des Pachtvertrages
Blatt 113 ff. der Akte) mit der Anordnung beanstandet, dass von den Vertragsparteien
ein durchschnittlicher Pachtzins von 33,20 € je ha zu vereinbaren ist. Zur Begründung
führte der Landkreis einzelfallsbezogen insbesondere aus, dass der gezahlte Pachtzins
in der Gemarkung … bei Böden mit durchschnittlichen Ackerzahlen von 22 zwischen 2,10
€ bis maximal 2,95 € je Ackerzahl liege, was maximal 26,55 € je ha ergebe. Der um 25
Prozent erhöhte Betrag von 33,20 € berücksichtige das Interesse der Verpächterin an
einer größtmöglichen Gewinnmaximierung ausreichend; wegen der weiteren
Ausführungen des Landkreises wird auf den Bescheid verwiesen.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2007 (Blatt 14 ff. der Akte) hat der Landkreis den
Landpachtvertrag … vom 25. September 2007 (Pachtdauer: vier Jahre vom 1. Oktober
2007 bis 30. September 2011; jährliche Pacht: 1.350,00 €; Pachtfläche: 9,6582 ha,
davon 6,1280 ha Ackerland und 3,5302 ha Ödland, in der Gemarkung … mit der
Ackerzahl 15 für das Ackerland; Pachtzins je ha: 139,78 €; Pachtzins je Bodenpunkt für
das Ackerland: 9,32 €; vergleiche wegen der weiteren Einzelheiten des Pachtvertrages
Blatt 4 ff. der Akte) mit der Anordnung beanstandet, dass von den Vertragsparteien ein
durchschnittlicher Pachtzins von 57,00 € je ha Ackerland und von 25,56 € je ha Ödland
zu vereinbaren ist. Zur Begründung führte der Landkreis einzelfallsbezogen
insbesondere aus, dass der gezahlte Pachtzins in der Gemarkung … bei Böden mit der
Ackerzahlen von 15 zwischen 2,54 € bis maximal 3,53 € je Ackerzahl anzusetzen sei,
was maximal 45,60 € je ha ergebe. Der um 25 Prozent erhöhte Betrag von 57,00 € je ha
Ackerland und ein Betrag von 25,56 € je ha Ödland berücksichtige das Interesse der
Verpächterin ausreichend; wegen der weiteren Ausführungen des Landkreises wird auf
den Bescheid verwiesen.
Die Antragstellerin und der Landkreis haben sich im gerichtlichen Verfahren ausführlich
zur Höhe des nach dem Landpachtverkehrsgesetz rechtlich möglichen Pachtzinses
geäußert. Das Gericht hat hierzu ein Gutachten des Sachverständigen Dr. K. vom 26.
April 2009 (Blatt 208 ff. der Akte) eingeholt, zu dem sich die Verfahrensbeteiligten
äußern konnten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Die Anträge der Antragstellerin, sinngemäß der obigen Beschlussformel entsprechend
zu beschließen, sind erfolgreich. Das beschließende Gericht geht davon aus, dass der
vom Landkreis in den angefochtenen Bescheiden herangezogene Beanstandungsgrund
nicht vorliegt. Zu diesem Ergebnis ist das Gericht nach einer umfassenden Prüfung zur
Sach- und Rechtslage gelangt; ob die Bescheide, wie von der Antragstellerin
angenommen, bereits aus von der Antragstellerin angenommenen anderen Gründen
(Ermessenfehler des Landkreises) hätten aufgehoben werden müssen, bedarf daher hier
keiner Entscheidung.
a) Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über die Anzeige und Beanstandung von
Landpachtverträgen (Landpachtverkehrsgesetz - LPachtVG -) kann die zuständige
Behörde einen anzuzeigenden Landpachtvertrag oder eine anzuzeigende
Vertragsänderung beanstanden, wenn die Pacht nicht in einem angemessenen
Verhältnis zu dem Ertrag steht, der bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nachhaltig zu
erzielen ist.
Zur Prüfung der Frage, ob die Pacht in einem angemessenen Verhältnis zum Ertrag
steht, der bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nachhaltig zu erzielen ist, ist von
folgenden Rechtsgrundsätzen auszugehen:
aa) Die Vorschrift ist auch in Fällen Prüfungsmaßstab, in denen dem Abschluss des
Pachtvertrages eine öffentliche Ausschreibung vorausgegangen ist. Weder der Wortlaut
des § 4 LPachtVG noch der unten erläuterte Schutzzweck der Vorschrift (Schutz des
Pächters) geben eine Begründung dafür her, dass nach einer Ausschreibung eine
Prüfung nach dem Landpachtverkehrsgesetz allgemein zu unterbleiben hat oder
jedenfalls stets zu dem Ergebnis führen muss, dass ein Pachtvertrag unbeanstandet zu
bleiben hat.
bb) § 4 Abs. 1 Nr. 3 LPachtVG hat Aufbau und Systematik von § 9 Abs. 1 des
Grundstücksverkehrsgesetzes (GrdstVG) übernommen und verfolgt wie dieses Gesetz
ein agrarstrukturelles Ziel. Insoweit geht es einen Ausgleich zwischen den Interessen des
Grundstückseigentümers an der privatnützigen Verwertung seines Grundstücks
(Veräußerung bzw. Verpachtung) und den öffentlichen Interessen an einer zu sichernden
bzw. zu verbessernden Agrarstruktur. Ähnlich wie bei der Auslegung von § 9 GrdstVG
muss auch die Beanstandungsmöglichkeit von Pachtverträgen vor diesem Hintergrund
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muss auch die Beanstandungsmöglichkeit von Pachtverträgen vor diesem Hintergrund
gesehen werdenEine Beanstandung muss damit im Zusammenhang mit dem Schutz
der Agrarstruktur stehen und durch sie gerechtfertigt sein.
Der Schutz der Agrarstruktur, wie er durch § 4 Abs. 1 Nr. 3 LPachtVG erfolgt, ist
allerdings kein Schutz in einem umfassenden Sinne vor jedweder Gefahr für die
Agrarstruktur, sondern nach dem System des § 4 LPachtVG auf den Schutz des
jeweiligen Pächters vor einem gerade für seinen Betrieb nachteiligen Pachtvertrag nach
Maßgabe der nachfolgenden Grundsätze beschränkt. Ein weitergehender Schutz
allgemeiner Art für eingesessene Betriebe im Oderbruch, die mit Zusatzaufwendungen
belastet sind (Altschulden; massive Investitionen nach der Wende, die die Bilanzen
belasten; Vermessungskosten im Rahmen notwendiger Bodenordnungsverfahren oder
wegen fehlender Grenzsteine; usw.), vor kapitalstarker Konkurrenz bzw. vor der
Marktmacht der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH als Verpächterin durch die
Vereinbarung eines Pachtzinses, der allenfalls moderat über dem in Ansehung der
Pachtverträge im Bestand angemessenen („ortsüblichen“) Entgelt liegt, wie ihn der
Landkreis mit den angefochtenen Bescheiden gewähren will, ist mit den Instrumenten
des Landpachtverkehrsgesetzes nicht mit Hilfe des § 4 Abs. 1 Nr. 3 LPachtVG, sondern
allenfalls nach Maßgabe des § 4 Abs. 6 LPachtVG zu verwirklichen. Gemäß § 4 Abs. 6
LPachtVG können die Länder bestimmen, dass in bestimmten Teilen des
Landesgebietes ein anzuzeigender Landpachtvertrag über die in Absatz 1 genannten
Gründe hinaus beanstandet werden kann, soweit dies in dem betroffenen Teil des
Landesgebietes zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die Agrarstruktur zwingend
erforderlich ist. Auf die letztgenannten Vorschriften kann eine Beanstandung derzeit
indessen schon deshalb nicht gestützt werden, weil es an einer landesrechtlichen
Regelung fehlt, wonach die gesetzlichen Beanstandungsgründe des Absatzes 1 erweitert
werden. Ob überhaupt die rechtlichen Voraussetzungen für eine Erweiterung der
Beanstandungsgründe vorliegen, ist daher hier nicht zu erörtern.
Das so konkretisierte Schutzziel des § 4 Abs. 1 Nr. 3 LPachtVG hat andererseits nach
dem Inhalt der zitierten Vorschriften vorrangig die Leistungsfähigkeit der einzelnen
Betriebe, nicht die einzelnen Pachtflächen im Auge. Entscheidend ist deshalb das
Verhältnis von nachhaltig erzielbarem Ertrag und Pachtpreis für den anpachtenden
Betrieb. Es kommt hierbei unter Bewertung aller Umstände des Einzelfalles auf die
Leistungsfähigkeit des Betriebes des Pächters und dessen betriebswirtschaftliche
Situation an.
Ungeachtet dessen ist jedenfalls im hier interessierenden Fall der Zupacht einzelner
Flächen (sog. Anpachtung von Stückeländereien im Unterschied zur Anpachtung ganzer
Betriebe) in einem ersten Schritt auf den sog. Einkommensbeitrag als der
betriebswirtschaftlichen Kennzahl zur Beurteilung einzelner Produktionsverfahren, wie er
nachfolgend noch ausführlich zu erläutern ist, bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung der
Pachtflächen abzustellen (erste Prüfungsstufe).
Der sog. Einkommensbeitrag im Sinne der obigen Ausführungen (erste Prüfungsstufe)
errechnet sich in Ansehung der Ausführungen des Gutachters zu den
betriebswirtschaftlichen Grundlagen (Seiten 25 ff. des Gutachtens), denen das Gericht
ebenso folgt wie die Verfahrensbeteiligten dies im Grundsatz tun, hier nach folgendem
Prüfungsschema: Zuerst ist der Deckungsbeitrag zu bestimmen (Kalkulation mit
Grenzkosten), der sich aus der Naturalleistung (Naturalertrag multipliziert mit dem
Erzeugerpreis) abzüglich bestimmter Kosten (Direktkosten, variable Maschinenkosten,
Trocknung) errechnet. Dem Deckungsbeitrag sind in Fällen, in denen der Verpächter
dem Pächter Zahlungsansprüche nach dem System der Direktzahlungen der
Europäischen Union an Landwirtschaftsbetriebe überlassen hat, Prämien aus der
Aktivierung von Zahlungsansprüchen hinzuzurechen, danach sind etwaige Kosten für
den Zahlungsanspruch, flächenabhängige Festkosten sowie die Positionen Lohn
Feldarbeit und Lohn Sonstiges abzuziehen; Ergebnis ist der Einkommensbeitrag vor
Pachtzahlung. Nach Abzug der Pacht und sonstiger flächenbezogener Leistungen des
Pächters steht der Einkommensbeitrag nach Pachtzahlung fest.
In einem zweiten Schritt sind etwaige betriebliche Sondereffekte zu bewerten und
einzustellen. Es ist zu prüfen, ob die Anpachtung gerade für den Betrieb des Pächters
einen besonderen betriebswirtschaftlichen Nutzen erbringt (sog. betrieblicher
Sondereffekt). Insoweit können alle Umstände des Einzelfalles Bedeutung gewinnen,
etwa die Erlangung steuerlicher Vorteile für den Betrieb durch Zupacht, die bessere
Ausnutzung vorhandener Maschinenkapazitäten oder die Vorhaltung von
zugepachtetem Land zur Aufbringung der im Betrieb anfallenden Gülle oder von
Festmist (zweite Prüfungsstufe). Ergebnis ist der Einkommensbeitrag nach Pachtzahlung
und unter Berücksichtigung von Sondereffekten, wie er Grundlage für die abschließende
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und unter Berücksichtigung von Sondereffekten, wie er Grundlage für die abschließende
Bewertung ist.
Die abschließende Bewertung erfolgt schließlich in Ansehung des Ergebnisses der
Schritte eins und zwei als Schätzung, bei der es darauf ankommt, ob die Anpachtung für
den gesamten Betrieb des Pächters einen betriebswirtschaftlichen Nutzen erbringt, das
heißt, ob aus einer Gesamtschau aller betriebswirtschaftlichen Faktoren der Pachtzins
untragbar hoch ist oder nicht (dritte Prüfungsstufe).
Nachhaltig erzielbare Erträge lassen sich allerdings nicht feststellen, indem man die
Betrachtung auf ein Pachtjahr beschränkt, sondern es ist bei allen Prüfungsschritten die
gesamte Laufzeit des Vertrages in den Blick zu nehmen (vergleiche zu allen oben
aufgeworfenen Fragen: Bundesgerichtshof, Beschluss vom Beschluss vom 29.
November 1996, BLw 48/95, und Beschluss vom 5. März 1999, BLw 53/98, jeweils zur
Anpassung des vereinbarten Pachtzinses wegen veränderter Verhältnisse nach § 593
Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches oder nach vertraglicher
Anpassungsklausel, wobei in diesem Zusammenhang § 4 Abs. 1 Nr. 3 LPachtVG in der
Weise herangezogen worden ist, dass ein Pachtzins nicht auf eine solche Höhe neu
festgesetzt werden darf, die nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 LPachtVG beanstandet werden
müsste).
Auf Umstände ohne Bezug zu den dargestellten Faktoren, wie etwa der Beispielswirkung
eines Pachtvertrages für die Entwicklung des Pachtzinsniveaus, kommt es aus den
erläuterten Gründen bei der Prüfung am Maßstab des § 4 Abs. 1 Nr. 3 LPachtVG nicht
an.
cc) Maßgeblicher Zeitpunkt hinsichtlich der Grundlagen der gerichtlichen Entscheidung in
tatsächlicher Hinsicht ist der Zeitpunkt des Abschlusses des zu prüfenden
Pachtvertrages. Es muss auf den Erkenntnisstand abgestellt werden, den die
handelnden Personen bzw. ein durchschnittlicher Marktteilnehmer im Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses haben bzw. haben können. Entwicklungen, die späten eingetreten
sind, aber bei Vertragsschluss nicht erkennbar waren, bleiben außer Betracht.
b) Unter Heranziehung der erläuterten Kriterien geht das Gericht davon aus, dass
hinsichtlich der hier in Rede stehenden Pachtverträge der herangezogene
Beanstandungsgrund nicht vorliegt. Der vereinbarte Pachtzins ist bei einer Gesamtschau
aller betriebswirtschaftlichen Faktoren nicht untragbar hoch. Die vereinbarten
Pachtzahlungen bewegen sich in Anbetracht der im Zeitpunkt des Abschlusses der
Verträge gegebenen Umständen und der erkennbaren weiteren Entwicklung (noch) im
Bereich dessen, was wirtschaftlich vertretbaren ist (Seite 47 des Gutachtens); das ergibt
sich in Ansehung des Einkommensbeitrages nach den Kalkulationsansätzen sowohl für
die Bewirtschaftung der Flächen mit Winterroggen als auch für den Fall der Stilllegung.
Das Gericht folgt insoweit dem Gutachten und den Bewertungen des Sachverständigen;
dass in dem Gutachten teilweise nicht von Werten für die Verpächterin, sondern für
einen mit ihr verbunden Betrieb ausgegangen wird, wirkt sich im Ergebnis nicht aus.
aa) Es ergibt sich in Ansehung der Kalkulationen sowohl für die Bewirtschaftung mit
Winterroggen als für die Stilllegung bei einer Gesamtschau im Ergebnis der Bewertung
zur ersten Prüfungsstufe für die Pächterin eher ein noch positiver, jedenfalls aber kein
negativer Einkommensbeitrag.
Bei den vorzunehmenden Kalkulationen werden die beiden Pachtverträge, wie sich oben
ihrem Inhalt nach näher erläutert werden, als Einheit betrachtet. Dies ist unter
wirtschaftlichen Gesichtspunkten möglich, die Verträge, die Abschlussdaten und die
Laufzeiten beziehen sich auf sehr ähnliche Zeiträume, die Nutzungsmöglichkeiten
(Sandböden an der Grenze der ackerbaulichen Nutzungseignung für anspruchslose
Fruchtarten) und die vereinbarten Pachten sind ebenfalls hinreichend ähnlich (Seite 17
des Gutachtens). Bei den einschlägigen landwirtschaftlichen Daten ist von den Werten in
der Datensammlung für die Betriebsplanung und die betriebliche Bewertung
landwirtschaftlicher Produktionsweisen im Land Brandenburg, 5. Auflage, herausgegeben
im Jahr 2008 (Datensammlung 08), auszugehen, da die darin genannten Daten den bei
Vertragsschluss im Jahr 2007 als bekannt vorauszusetzenden Erkenntnisstand am
ehesten beschreiben (Seite 42 des Gutachtens). Anzunehmen ist, dass die Verpächterin
der Pächterin für die zu betrachtenden Flächen ohne weiteres Entgelt
Zahlungsansprüche durch entsprechende Vereinbarungen mit den Vorpächtern für die
Dauer der Pachtzeit zur Verfügung stellt (Seite 23 bis 25 des Gutachtens); das
entspricht der damaligen Praxis der Verpächterin, die dem Gericht aus anderen
Verfahren bekannt ist. Ergänzend zur Berechnung durch den Gutachter sind in Fällen der
vorliegenden Art außer der Pacht noch sog. öffentliche Lasten abzusetzen. Letzteres ist
in Ansehung des § 5 Abs. 1 der Pachtverträge erforderlich, wonach der Pächter sich
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in Ansehung des § 5 Abs. 1 der Pachtverträge erforderlich, wonach der Pächter sich
verpflichtet, alle auf dem Pachtgegenstand ruhenden laufenden Abgaben (Steuern,
Gebühren und Beiträge) zu tragen, ausgenommen solche, die aus der Substanz der
Pachtsache zu erbringen sind (beispielsweise Erschließungs- und Ausbaubeiträge).
Ausgehend von dem bei Abschluss der Verträge zu unterstellenden Erkenntnisstand der
Vertragsparteien verbleibt dem Pächter bei einer Bewirtschaftung mit Winterroggen nach
Zahlung der Pacht ein zwar geringer, aber positiver Einkommensbeitrag (die
nachfolgenden Werte beziehen sich jeweils auf einen ha Fläche) von ca. 40 € (Seiten 41
bis 44 des Gutachtens): Es ergibt sich ein Deckungsbeitrag in Höhe von 111 €, der sich
ausgehend von einer Naturalleistung von 320 € (= Ertrag von 20 dt/ha x Erlös von 16,00
€/dt) und abzüglich der Summe der Direktkosten von 112 €, der variablen
Maschinenkosten von 91 € und der Kosten der Trocknung von 6 €. Nach Hinzurechnung
der aus der Aktivierung von Zahlungsansprüchen resultierenden Prämie von 251 € ergibt
sich eine Zwischensumme von 362 €. Hiervon sind für flächenabhängig Festkosten 23 €,
für Festkosten Maschinen 90 € und für Lohn Sonstiges 35 € abzuziehen, so dass sich der
Einkommensbeitrag vor Pachtzahlung in Höhe von 214 € darstellt. Neben der
Pachtzahlung in Höhe von 143 € sind die öffentlichen Lasten abzusetzen, die der
Landkreis in den Beanstandungsbescheiden mit 30 € angesetzt hat. Im Ergebnis
verbleibt dem Pächter der oben genannte Betrag von 41 €.
In Anbetracht des bei Abschluss der Verträge zu unterstellenden Erkenntnisstandes der
Vertragsparteien ergibt sich für den Pächter bei einer sog. Stilllegung der Flächen
(Selbstbegrünung von Flächen mit jährlichem Mulchen, wobei der Auswuchs auf den
Flächen verbleibt) weder ein positiver noch ein negativer Einkommensbeitrag (Seiten 45
und 46 des Gutachtens): Es ergibt sich ein Deckungsbeitrag in Höhe von - 32 €
(Direktkosten von 6 € und variable Maschinenkosten von 26 €). Nach Hinzurechnung der
aus der Aktivierung von Zahlungsansprüchen resultierenden Prämie von 251 € ergibt
sich eine Zwischensumme von 219 €. Hiervon sind für flächenabhängig Festkosten 15 €,
für Festkosten Maschinen 16 €, für den Zinsansatz 6 € und für Lohn Feldarbeit 10 €
abzuziehen, so dass sich der Einkommensbeitrag vor Pachtzahlung in Höhe von 172 €
darstellt. Außer der Pachtzahlung in Höhe von 143 € sind die öffentlichen Lasten
abzusetzen, die der Landkreis in den Beanstandungsbescheiden mit 30 € angesetzt hat.
Im Ergebnis besteht weder ein positiver noch ein negativer Einkommensbeitrag. Die
einkommensneutrale Stilllegung der Flächen stellt sich für die Laufzeit der Pachtverträge
bis 2011 bzw. 2012 als vergleichsweise sichere Kalkulation dar; sie hängt wesentlich vom
Wert eines Zahlungsanspruchs ab, der bis zum Jahr 2013 (frühestes Ende der
Gewährung von Direktzahlungen aus dem Haushalt der Europäischen Union)
vergleichsweise hohe Planungssicherheit bietet (Gutachten Seiten 39 und 40).
In einer Gesamtschau der Kalkulationen ist nach dem Erkenntnisstand bei Abschluss der
Pachtverträge davon auszugehen, dass sich, je nach Bewirtschaftung bzw. Stilllegung
der Flächen über die Laufzeit der Pachtverträge, ein noch positiver, jedenfalls aber kein
negativer Einkommensbeitrag ergibt.
bb) Unter Einbeziehung betrieblicher Sondereffekte (zweite Prüfungsstufe) erbringt die
Anpachtung für den gesamten Betrieb des Pächters einen zusätzlichen
betriebswirtschaftlichen Nutzen; bei einer Gesamtschau aller betriebswirtschaftlichen
Faktoren der Pachtzins nicht untragbar hoch ist (dritte Prüfungsstufe).
Als betrieblicher Sondereffekt zur Rechtfertigung des Pachtzinses ist in die Bewertung
der Pachtverträge einzustellen, dass ein Landwirtschaftsbetrieb bei bestehender
Pachtkonkurrenz verhindern kann, dass andere Landwirte durch Anpachtung in von ihm
sonst genutzten Bewirtschaftungseinheiten bestehende Arrondierungs- und
Größeneffekte negativ beeinflussen könnten (Gutachten Seite 46). Solche Größen- und
Arrondierungseffekte können beträchtliche betriebswirtschaftliche Auswirkungen haben
(etwa den Anstieg variabler Maschinenkosten). Das Zerfallen eines Schlages kann zu
negativen betriebswirtschaftlichen Auswirkungen führen. Daher kann auch für große
Betriebe die Anpachtung kleiner Flächen zu vergleichsweise hohen Pachten über den
unmittelbar auf die weitere Fläche zu beziehenden Einkommensbeitrag hinaus
betriebswirtschaftlich sinnvoll sein.
Der erläuterte Vorteil ist mit dem Gutachten auch im vorliegenden Fall anzunehmen.
Allerdings beziehen sich die vom Sachverständigen übernommen Betriebsdaten (Betrieb
mit ca. 1.300 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche) nicht auf den Betrieb der Pächterin,
sondern auf ein mit der Pächterin verbundenes Unternehmen. Der im Gutachten
beschriebene Effekt tritt indessen auch bei Heranziehung der Daten für den Betrieb der
Pächterin (Fläche von 241,17 ha) ein. In Ansehung der Betriebsfläche und der engen
Kooperation der Pächterin mit insgesamt elf weiteren landwirtschaftlichen und
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Kooperation der Pächterin mit insgesamt elf weiteren landwirtschaftlichen und
landwirtschaftsnahen Gesellschaften, mit denen vielfältige wirtschaftliche Verflechtungen
bestehen (Seite 6 des Gutachtens), ist von dem erläuterten Größenvorteil auszugehen.
Nach alledem ist der Pachtzins im hier in Rede stehenden Sinne möglicherweise bereits
nach dem Ergebnis der Kalkulationen, jedenfalls aber unter Einbeziehung des erläuterten
Sondereffektes (noch) nicht untragbar hoch, so dass den Anträgen der Antragstellerin
zu entsprechen war.
cc) Liegt nach alledem der hier zu prüfende Beanstandungsgrund nicht vor, so können
europarechtliche Fragestellungen, wie sie die Antragstellerin zur Begründung ihrer
Anträge herangezogen hat (europarechtlich unzulässige Gewährung von Beihilfen bei
Festsetzung eines Pachtzinses unterhalb des nach Ausschreibung erzielten Entgelts),
hier unerörtert bleiben.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 44 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über
das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen (LwVfG). Von der Erhebung von
Gerichtskosten wird nach § 42 Abs. 1 Satz 1 LwVfG abgesehen (Erfolg des Antrages nach
unbegründeter Beanstandung der Pachtverträge durch den Landkreis, welcher im
erstinstanzlichen Verfahren generell keine Kosten zu tragen hat).
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