Urteil des AG Frankfurt am Main vom 14.03.2017

AG Frankfurt: satzung, tsg, schiedsgericht, geburt, namensänderung, schiedsvereinbarung, geschlecht, form, eintrag, hormonbehandlung

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Gericht:
AG Frankfurt (Oder)
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2.6 C 959/05, 26 C
959/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 823 Abs 1 BGB, § 1004 BGB, §
4 TSG, § 5 TSG, § 8 TSG
Persönlichkeitsrecht einer sog. intersexuellen Person:
Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum anderen
Geschlecht; Voraussetzungen eines Unterlassungs- oder
Verpflichtungsanspruchs gegenüber Dritten
Tenor
Der Antrag der antragstellenden Person auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die
1. Instanz wird zurückgewiesen.
Gründe
Die antragstellende Person beantragt Prozeßkostenhilfe in einem Klageverfahren unter
Beiordnung ihrer Prozeßbevollmächtigten. Sie reicht einen Entwurf ihrer Klageschrift ein.
Die Antragstellerin ist Mitglied im Schützenverein .... ... Seit ihrer Geburt besitzt sie einen
eindeutig weiblichen ... sowie einen eindeutig männlichen Vornamen .... Die
Geburtsurkunde weist die anstragstellende Person als der männlichen
Personenstandsgruppe zugehörig aus. Mit Beschluß des Amtsgerichts Potsdam vom
04.06.2004 wurde eine Vornamenergänzung und eine Streichung des männlichen
Vornamens durchgeführt. Seit dem führt die antragstellende Person den Vornamen ...
und hat sich weiblich sozialisiert. Dem Antraggegner war die Namensänderung bekannt,
jedoch ordnete er die antragstellende Person unter weiblichem Vornamen in die
Männerklasse ein, obwohl sie sich für die Damenklasse angemeldet hatte. Die
antragstellende Person ist der Auffassung, dass der Antragsgegner damit gegen das
Offenbarungsverbot aus dem Transsexuellengesetz verstößt und sie weiterhin in ihrem
Persönlichkeitsrecht verletzt sei.
Die antragstellende Person behauptet, weibliche Geschlechtsmerkmale seien bei ihr auf
Grund der Intersexualität bereits vorhanden. Deshalb bedürfe es eines operativen
Eingriffes nicht. Desweiteren erhielte sie weibliche Hormone. Damit entsprächen ihr
Hormonhaushalt sowie die damit verbundenen Abläufe dem Leistungsvermögen einer
Frau Anfang 40. Im Entwurf ihrer Klage beantragt sie,
1.
Den Antragsgegner zu verurteilen, es zu unterlassen, die Klägerin im
Wettkampfprogramm für die Meisterschaften im Jahre 2005/2006 sowie aller sämtlichen
folgenden Jahre in der Kategorie "Schützenklasse, Männer, 10" einzuordnen und
aufzuführen und dieses Wettkampfprogramm in dieser Form an sämtliche Vereine sowie
den ... herauszugeben oder sonst in irgendeiner Form kenntlich zu machen bzw. eine
Veröffentlichung auf den Internetseiten des Beklagten vorzunehmen und
2.
Den Antragsgegner zu verurteilen, dem Kreisschützenverband ..., ... zur Durchführung
sämtlicher Wettkämpfe vor Beginn dieser die Weisung zu erteilen, die Antragstellerin in
die Damenklasse während der Wettkämpfe einzuordnen und eine entsprechende
Auswertung für diese Klasse vorzunehmen sowie die durchführenden Vereine davon in
Kenntnis zu setzen.
Der Antragsgegner beantragt, Abweisung des Prozeßkostenhilfeantrages.
Er ist der Ansicht, die Klage sei zunächst unzulässig, da es bereits eine rechtskräftige
Entscheidung diesbezüglich des Gerichts des Brandenburgischen Schützenbundes gibt.
Des weiteren habe er die Namensänderung der antragstellenden Person beachtet, was
jedoch nicht dazu führen könne, Rechte nach § 10 Transsexuellengesetz abzuleiten,
deren notwendigen Voraussetzungen im § 8 Transsexuellengesetz normiert seien.
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Der antragstellenden Person ist keine Prozeßkostenhilfe gemäß § 114 ZPO zu gewähren.
Sie ist hilfsbedürftig im Sinne des § 114 ZPO. Sie kann die Kosten der Rechtsverfolgung
nicht aus eigenen Mitteln aufbringen, ohne den eigenen notwendigen Lebensunterhalt zu
beeinträchtigen.
Für eine mutwillige Rechtsverfolgung ist nichts ersichtlich.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint jedoch nicht aussichtsreich.
Die Klage wäre zunächst zulässig. Dieser steht insbesondere keine Schiedsvereinbarung
aber auch keine rechtskräftige Entscheidung des Gerichtes des Brandenburgischen
Schützenbundes entgegen. Würde eine ordnungsgemäße Schiedsvereinbarung
vorliegen, wäre die Einrede des Antraggegners gemäß § 1032 ZPO berechtigt und würde
zur Unzulässigkeit der Klage führen. Würde bereits ein rechtskräftiger Entscheid eines
Schiedsgerichts vorliegen, wäre § 1055 ZPO zu beachten. Hieran mangelt es jedoch.
Denn ein Schiedsgericht hat in dieser Sache noch nicht entschieden. Das BSB – Gericht
ist kein Schiedsgericht im Sinne der ZPO. Dies ergibt sich zwanglos aus der Satzung des
Brandenburgischen Schützenbundes e. V. Gemäß § 17 dieser Satzung entscheidet das
BSB – Gericht über alle Streitigkeiten zwischen dem BSB und seinen unmittelbaren
Mitgliedern sowie der Mitglieder untereinander. Die Entscheidungskompetenzen dieses
Gerichtes sind in § 17 Nr. 8 Buchstabe C aufgeführt. Das schiedsgerichtliche Verfahren
ist indes erst in § 19 der Satzung geregelt. Dieses Schiedsgericht ist bislang noch nicht
angerufen worden. Die Entscheidung des BSB – Gerichtes vom 30. Juli 2003 entspricht
daher nicht einem Schiedsspruch gemäß § 1055 ZPO. Ob eine wirksame
Schiedsvereinbarung zwischen den potentiellen Parteien des Klageverfahrens vorliegt, ist
zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht erkennbar. Gemäß § 19 der Satzung werden
die im § 17 Abs. 8 Buchstabe C genannten Streitigkeiten nach Ausschöpfung des
Rechtsschutzes durch das BSB – Gericht im Zuge der Revision unter Ausschluß der
Rechtswege zu den staatlichen Gerichten durch ein Schiedsgericht endgültig
entschieden. Das BSB – Gericht entscheidet jedoch über alle Streitigkeiten zwischen
dem BSB und seinen unmittelbaren Mitgliedern sowie der Mitglieder untereinander.
Mitglieder sind gemäß § 6 der Satzung jedoch nur unmittelbare Mitglieder (bei einem
Amtsgericht eingetragene Schützenvereine und selbständige schiesssportbetreibende
Abteilungen von eingetragenen Sportgemeinschaften deren Gemeinnützigkeit
anerkannt ist), Ehrenmitglieder und besondere Mitglieder. Zu diesen Mitgliedern gehört
die antragstellende Person jedoch nicht. Zwar können die unmittelbaren Mitglieder ihre
eigene und die von ihren Mitgliedern überlassene Vereinsgerichtsbarkeit, dem BSB im
Rahmen seiner sich aus der Satzung und der Rechtsordnung ergebenden Zuständigkeit
übertragen (§ 9 Nr. 5 der Satzung). Ob das im gegebenen Fall geschehen ist, ist
unbekannt. Im übrigen sind gemäß § 9 Nr. 2 der Satzung alle Mitglieder verpflichtet bei
den in § 17 genannten Streitigkeiten Rechtsschutz zunächst dadurch zu suchen, das sie
die Streitigkeiten dem BSB Rechtsorganen zur Entscheidung unterbreiten. Nach
Entscheidung des BSB – Gerichts sollte unter Vermeidung des Rechtsweges zu den
staatlichen Gerichten ausschließlich das Schiedsgericht im Sinne von § 19 angerufen
und dessen Entscheidung befolgt werden. Durch diese Klausel ist den Mitgliedern
gegebenenfalls aber auch den, den Mitgliedern angehörenden natürlichen Personen
neben dem Rechtsweg zur Schiedsgericht auch der Rechtsweg zu den staatlichen
Gerichten eröffnet. § 9 Nr. 2 der Satzung kollidiert daher offensichtlich mit § 19 Nr. 1 der
Satzung, so das dies der antragstellenden Person nicht zum Nachteil gereichen kann.
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist ihr daher eröffnet. Der Antraggegner
kann sich daher auf die Einrede des § 1032 ZPO nicht berufen.
Die beabsichtigte Klage erscheint jedoch nicht begründet. Die antragstellende Person
hat den Anspruch auf Unterlassung gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Artikel 2 Abs. 1,
Artikel 3 Abs. 1, Artikel 1 Grundgesetz sowie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 5 TsG nicht
schlüssig dargelegt. Um einen Anspruch wegen Verletzung ihrer Persönlichkeit geltend
zu machen, muß der Antraggegner die Persönlichkeit der antragstellenden Person in
irgendeiner Weise verletzt haben und diese in irgendeiner Weise diskriminiert haben. Der
Antraggegner beachtet jedoch die Namensänderung der antragstellenden Person
aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Potsdam. Er ordnet die Antragstellerin aber
in die Schützenklasse, also bei den männlichen Schützen ein, dahingehend scheint keine
Diskriminierung vorzuliegen. Die antragstellende Person führt zwar weibliche Vornamen
ist jedoch in der Geburtsurkunde der männlichen Personenstandsgruppe zugeordnet.
Sie bezeichnet sich als intersexuell. Dies bezeichnet Menschen, die sowohl männliche als
auch weibliche Geschlechtsmerkmale tragen, also das Vorhandensein von Merkmalen
beider Geschlechter in einem Individuum. Da der Eintrag in das Personenstandsregister
schon bei der Geburt erfolgen muß, liegt es nahe, an die äußeren Geschlechtsmerkmale
anzuknüpfen. Eine nachträgliche Änderung des ursprünglichen Registereintrages kann
anzuknüpfen. Eine nachträgliche Änderung des ursprünglichen Registereintrages kann
auch erfolgen ohne das eine operative Korrektur stattfinden würde, wenn aufgrund
ärztlicher Erkenntnisse sich diese als falsch erweist. Die antragstellende Person
vermochte ihre Intersexualität jedoch nicht zu unterlegen. Sie erklärte, weibliche
Geschlechtsmerkmale zu besitzen, jedoch ist nicht schlüssig vorgetragen, ob und
inwiefern diese schon von Geburt an vorhanden waren und damit Intersexualität vorliegt
oder ob diese sich in Folge der Hormonbehandlung entwickelten. Soweit sie ihre
Intersexualität nur auf den, seit ihrer Geburt vorhandenen männlichen und weiblichen
Vornamen stützt, kann dies nicht ausreichen, da es sich dabei um kein Merkmal im
körperlichen Sinne handelt. Es ist ebenso auch zu keiner Änderung des
Personenstandsregisters gekommen. Sofern die antragstellende Person nur männliche
Geschlechtsmerkmale aufweist, sie sich aber durch Hormonbehandlungen auf einem
weiblichen Niveau befindet und weibliche Vornamen aufgrund eines Beschlusses führt,
also die Wahrscheinlichkeit der Transsexualität vorliegt, müßte die Voraussetzung des §
8 TsG erfüllt sein, um die Wirkung des § 10 TsG herbeiführen zu können. Ein operativer
Eingriff ist noch nicht erfolgt. Eine personenstandsrechtliche Neufeststellung der
Geschlechtszugehörigkeit mit der Folge, dass sich die vom Geschlecht abhängigen
Rechte und Pflichten nunmehr nach dem neuen Geschlecht richten, ist daher nicht
möglich.
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