Urteil des AG Frankfurt am Main vom 23.02.2010

AG Frankfurt: genossenschaft, bedingter vorsatz, unerlaubte handlung, absolute frist, grobe fahrlässigkeit, kauf, verjährungsfrist, broschüre, einlage, unterbrechung

Gericht:
OLG Frankfurt 5.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 17/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 826 BGB, § 830 Abs 1 S 1
BGB
Schadensersatz wegen Verschweigen der Risiken eines
Genossenschaftsbeitritts
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Schlussurteil der 14. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. Dezember 2008
teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Das Teilversäumnisurteil der 14. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 1. Februar 2008 wird hinsichtlich der Beklagten zu 2., 3., 4.,
5. und 7. aufrechterhalten, zur ausgesprochenen Feststellung, dass die Beklagten
zu 2., 3., 4., 5. und 7.als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den
Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entsteht, dass er der Beklagten zu 1. zur
Zahlung der rückständigen Einlagezahlungsverpflichtung in Höhe von 4.452,00 €
verpflichtet bleibt,
nur mit der Maßgabe, dass die Beklagten zu 2., 3., 4., 5. und 7.als
Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der ihm
dadurch entstehen sollte, dass er von dem Beklagten zu 10. auf Zahlung der
rückständigen Einlagezahlungsverpflichtung in Höhe von 4.452,00 € in Anspruch
genommen werden sollte.
Die Forderung des Klägers in Höhe von 6.768,00 € wird zur Insolvenztabelle der
Schuldnerin A e. G. beim Amtsgericht Frankfurt am Main - Insolvenzgericht -,
Geschäftsnummer: 810 IN 319/07 O-2 festgestellt.
Es wird festgestellt, dass die Zahlungsverpflichtung der Beklagten zu 2., 3., 4., 5.
und 7. aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultiert.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz mit Ausnahme der durch die Säumnis
der Beklagten zu 2., 3., 4., 5., 6., 7., und 8. verursachten Kosten, die die Beklagten
zu 2., 3., 4., 5., 6., 7. und 8., als Gesamtschuldner zu tragen haben, sind wie folgt
zu tragen:
die gerichtlichen Kosten zu 48% von dem Kläger, zu 46% von den Beklagten zu 2.,
3., 4., 5., 6., 7. und 10. wie als Gesamtschuldnern und zu weiteren 6% von den
Beklagten zu 2., 3., 4.,5., 6. und 7. als Gesamtschuldnern,
die außergerichtlichen Kosten des Klägers von den Beklagten zu 2., 3., 4., 5., 6., 7.
und 10. wie als Gesamtschuldnern zu 46% und von den Beklagten zu 2., 3., 4., 5.,
6. und 7. als Gesamtschuldnern zu weiteren 6%,
die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 8. und 9. vollumfänglich vom
Kläger, der die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2., 3., 4., 5., 6. und 7.
zu 33% zu tragen hat, im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen
Kosten selbst.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten zu 2., 3., 4., 5., 7. und
10. wie als Gesamtschuldner zu 88% und die Beklagten zu 2., 3., 4., 5. 7. zu
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10. wie als Gesamtschuldner zu 88% und die Beklagten zu 2., 3., 4., 5. 7. zu
weiteren 12% als Gesamtschuldner zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(abgekürzt gemäß §§ 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO)
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht
eingelegt und gerechtfertigt worden.
Das Rechtmittel ist auch begründet, die angefochtene Entscheidung beruht zum
Nachteil des Klägers auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 ZPO), das
Klagebegehren im noch geltend gemachten Umfang ist gerechtfertigt.
Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist auch gegen den Beklagten zu 10. in seiner Eigenschaft als
Insolvenzverwalter zulässig. Es kann dahinstehen, ob der Rechtsstreit, wenn die
Klage sich zunächst auch gegen den vorläufigen Insolvenzverwalter richtete, in
Bezug auf diesen durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Bestellung des
vorläufigen Insolvenzverwalters zum Insolvenzverwalter unterbrochen wird (§ 240
ZPO) und ob die Annahme der Unterbrechung vorliegend jedenfalls daran
scheitert, dass die Klage erst zu einem Zeitpunkt bei Gericht eingereicht und
zugestellt wurde, als das Insolvenzverfahren bereits eröffnet, der Beklagte zu 10.
also schon zum endgültigen Insolvenzverwalter bestellt war.
Sollte, nachdem die Klage sich von Anfang an bezüglich eines Teilaspekts -
Zustimmung der Freistellung des Klägers aus dem Genossenschaftsverhältnis mit
der Beklagten zu 1. - auch gegen den (vorläufigen) Insolvenzverwalter richtete, von
einer Unterbrechung auszugehen sein, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 3. Juni
2008 (Bl. 519 d. A.) gemäß § 180 Abs. 2 InsO das Verfahren gegen den
Insolvenzverwalter mit dem Antrag, eine Forderung in Höhe von 6.768,-- € zur
Insolvenztabelle festzustellen, aufgenommen, insoweit den Tabellenauszug gemäß
§ 179 Abs. 3 S. 1 InsO, ausweislich dessen der Verwalter die angemeldete
Forderung bestritten hat, vor- und damit die Sachurteilsvoraussetzungen einer
Insolvenzfeststellungsklage dargelegt (vgl. BGH Urteil v. 21. Februar 2000 - II ZR
231/98, ZIP 2000, 705, Juris-Rz.. 4).
Sollte nicht von Unterbrechung auszugehen sein, hat der Kläger den ursprünglich
gegen die Beklagte zu 1.gerichteten Antrag im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO auf
Feststellung zur Tabelle geändert und das gegen den vorläufigen
Insolvenzverwalter gerichtete Zustimmungsbegehren fallen gelassen, wogegen
Bedenken nicht bestehen.
Die Klage ist auch zulässig, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die
Zahlungsverpflichtung der Beklagten zu 2. bis 5. und 7. aus einer vorsätzlich
begangenen unerlaubten Handlung resultiert.
Die Feststellung, der titulierte Anspruch sei aus dem Gesichtspunkt der vorsätzlich
begangenen unerlaubten Handlung gerechtfertigt, ist ein Rechtsverhältnis im
Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO und betrifft nicht lediglich eine Vorfrage oder
(unselbständige) Elemente eines solchen (vgl. BGH, Urteil v. 30. November 1989 -
III ZR 215/88, BGHZ 109, 275, Juris-Rz.. 7). Bereits im Erkenntnisverfahren kann,
wenn es auf die rechtliche Qualifizierung eines Anspruchs ankommt, z.B. als
vorsätzliche unerlaubte Handlung für Vollstreckungserleichterungen nach § 850 f
Abs. 2 ZPO oder für den Ausschluss der Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO
Feststellungsklage erhoben werden (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 256, Rz. 8 b; BGH,
Beschluss v. 26.9.2002 - IX ZB 180/02, BGHZ 152, 148, Juris-Rz.. 11).
Die Klageerweiterung ist mit Blick auf § 533 ZPO zulässig, sollte nicht ohnehin nur
ein Fall von § 264 Nr. 2 ZPO vorliegen, weil sie sachdienlich ist und auf die gleiche
Tatsachengrundlage gestützt werden kann.
Die Beklagten zu 2. bis 5. und 7. haften dem Kläger unter dem Gesichtspunkt
einer gemeinschaftlichen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§§ 826, 830
Abs. 1 Satz 1 BGB) als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB) wegen vorsätzlich
falscher Angaben jedenfalls des Beklagten zu 4., namentlich Verschweigen der
Risiken des Beitritts des Klägers zur Schuldnerin, der ehemaligen erstbeklagten
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Risiken des Beitritts des Klägers zur Schuldnerin, der ehemaligen erstbeklagten
Genossenschaft, die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten zu 2. bis 4.
und 7. vom 22.12.2009 (Bl. 878 bis 880 d. A.) und 18.02.2010 rechtfertigen weder
eine abweichende Beurteilung noch die Wiedereröffnung der verfahrensfehlerfrei
geschlossenen mündlichen Verhandlung (§§ 525, 296a, 156 ZPO).
Diese Risiken folgten zum einen daraus, dass die Finanzverwaltung die
Eigenheimzulage nur vorläufig festsetzen würde und ihre endgültige Festsetzung -
wenn auch möglicherweise zu Unrecht - von der Erfüllung der Voraussetzungen
der sogenannten Zweidrittel-Regelung abhängig machen könnte, zum anderen
aus der Verflechtung zwischen der B GmbH und der Schuldnerin und dem
besonderen eigenen Interesse, das die Beklagten zu 2. bis 5. und 7. im Hinblick
darauf an der Geschäftstätigkeit der Schuldnerin und dem Beitritt von Genossen
hatten, dass der Beklagte zu 2. Geschäftsführer der B GmbH war, die Beklagten zu
4., 5. und 7. bei ihr angestellt waren und die Beklagten zu 2., 3. und 4. der
Schuldnerin Bauleistungen erbringen würden, woraus sich die naheliegende Gefahr
eines zum Nachteil der Schuldnerin gelösten Interessenkonflikts ergab. Denn es
war nicht sicher gestellt, dass der Vorstand der Schuldnerin vorrangig deren
Interessen verfolgen würde. Vielmehr bestand die konkrete Gefahr, dass den
Interessen der B GmbH und den Individualinteressen der Beklagten zu 2. bis 4., 5.
und 7. Vorrang eingeräumt werden würde.
Über sämtliche vorgenannten Gesichtspunkte ist der Kläger vom Beklagten zu 4.,
jedenfalls dessen sich die Schuldnerin im Fall des Klägers bediente, um ihrer
Aufklärungspflicht zu genügen, nicht aufgeklärt worden.
Der Informationsbroschüre ist zur Vorläufigkeit der Festsetzung der Eigenheimzu-
lage und zur sogenannten Zweidrittel-Regelung nichts zu entnehmen, sie verweist
darauf, dass die Eigenheimzulage auch ohne Wohnungskauf gewährt werde und
dass (eine Rendite von) “12 % und mehr vom Staat …garantiert!" seien, zu den
Förderungsvoraussetzungen werden auf der Rückseite der Broschüre in der
mittleren Spalte nur subjektive - die Zulage- Antragsteller betreffende -
Voraussetzungen genannt verbunden mit dem einschränkungslosen Hinweis, dass
alle Mitglieder der Genossenschaft Anspruch auf Förderung haben, für - wie im Fall
des Klägers - eine Familie mit 4 Kindern ist die Eigenheimzulage mit 10.784,-- €
ausgewiesen. Die Broschüre klärt nicht darüber auf, dass aus Gründen nicht in der
Person der Antragsteller, sondern der Genossenschaft, die Eigenheimzulage
versagt werden könnte.
Die Frage, ob die Eigenheimförderung, die gemäß § 13 EigZulG an den
Steuerpflichtigen ausgezahlt wird, zurückgefordert werden kann, und zwar auch
aus Gründen, die nicht in der Person des Steuerpflichtigen begründet sind, ist von
wesentlicher Bedeutung für die Entschließung zum Beitritt, weil unter diesen
Umständen auf den Bestand der ausgezahlten Förderung nicht vertraut werden
kann. Deswegen kommt es nicht darauf an, welches die Gründe in der Person der
Wohnungsbaugenossenschaft sein könnten, die für die Aufhebung der Festsetzung
der Eigenheimzulage relevant sein könnten und im konkreten Fall geworden sind.
Es kommt ferner nicht darauf an, ob vorliegend die Aufhebung der Festsetzung
rechtmäßig war, wenn auch durch Urteil des BFH vom 19.08.2008 (IX R 3/08, DStrE
2009, 223) geklärt ist, dass die Eigenheimzulage bei Anschaffung von
Genossenschaftsanteilen nicht davon abhängig ist, dass mehr als Zweidrittel des
Geschäftsguthabens der Genossenschaft zu wohnungswirtschaftlichen Zwecken
verwandt werden und dass die neu angeschafften und errichteten Wohnungen
überwiegend an Genossenschaftsmitglieder zu eigenen Wohnzwecken überlassen
werden.
Unstreitig ist der Kläger nicht darauf hingewiesen worden, Voraussetzung für die
Gewährung der Eigenheimzulage könnte sein, dass mindestens Zweidrittel des
Geschäftsguthabens für wohnungswirtschaftliche Zwecke verwendet werden, weil
sich die Beklagten zu 2. bis 4. und 7. aus keinem erkennbaren Grund hierzu für
verpflichtet hielten. Auch der Beklagte zu 5. hat nichts Abweichendes vorgetragen.
Soweit die Beklagten zu 2. bis 4. und 7. behauptet haben, im persönlichen
Beratungsgespräch sei der Kläger umfassend über die besondere Gestaltung des
§ 17 EigZulG aufgeklärt worden, ist dieses Vorbringen als formelhaft
unsubstantiiert, weil offen bleibt, was unter "besonderer Gestaltung des § 17
EigZulG" zu verstehen sein könnte. Im übrigen ist § 17 EigZulG in der bis zum
31.12.2003, also bei Beitritt des Klägers im Mai 2003, maßgeblichen Fassung nicht
zu entnehmen, dass das Finanzamt im Rahmen des Feststellungsverfahrens über
das Vorliegen der Voraussetzungen des § 17 EigZulG zu einer Aufhebung der
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das Vorliegen der Voraussetzungen des § 17 EigZulG zu einer Aufhebung der
Festsetzung der Eigenheimzulage ab 2003 gemäß § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO
gelangen könnte. Der Wortlaut des § 17 EigZulG enthält im Übrigen nichts zu der
Problematik der Verwendung des Genossenschaftsvermögens zu mehr als
Zweidritteln zu wohnungswirtschaftlichen Zwecken.
Das aufklärungsbedürftige Risiko hat sich verwirklicht, die Finanzverwaltung
versagte die Festsetzung der Eigenheimzulage aus in der Person der Schuldnerin
liegenden Gründen.
Der - zutreffende - Hinweis in der Informationsbroschüre, dass die Genossenschaft
durch die B GmbH verwaltet und betreut werde, erhellte nicht den
Interessenkonflikt der Beklagten zu 2. bis 5. und 7. und nicht die
Verflechtungsproblematik.
Aufklärungsbedürftig war weiter der Gesichtspunkt, dass die Einlage verloren
gehen könnte. Auch dies ließ sich der Informationsbroschüre nicht entnehmen,
ebenso wenig dem Gründungsprüfungsbericht (Anl. K 4) des Prüfungsverbandes
vom 10.12.2002 oder der Satzung der Genossenschaft, wo in § 12 lediglich die
Auseinandersetzung geregelt ist und in § 9, dass die Mitglieder auch im Falle des
Konkurses bzw. der Gesamtvollstreckung keine Nachschüsse zu leisten haben (vgl.
§ 6 Nr. 3 GenG). Demgegenüber legt die Informationsbroschüre sowohl auf der
Vorderseite "Geldanlage, die auch noch vom Staat garantiert wird", wie auch auf
der Rückseite mit Berechnungsbeispielen, die konkret auf die Auszahlung der
Anteile unter Einschluss einer 4%-igen Dividende hinweisen, nahe, dass von einem
Verlust nicht auszugehen sein würde.
Das Verlustrisiko hat sich vorliegend im Hinblick darauf verwirklicht, dass über das
Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.
Ein Anlageberater, der vorsätzlich eine anlege- und objektwidrige Empfehlung
abgibt und die Schädigung des um Rat fragenden Anlegers zumindest billigend in
Kauf nimmt, ist dem Anleger wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum
Schadensersatz verpflichtet. Wird die Empfehlung auf Grund grob fahrlässigen
Verhaltens leichtfertig und in unrichtiger Weise abgegeben, ist sie dann als
sittenwidrig zu werten, wenn sie erkennbar für die Entschließung des Anlegers von
Bedeutung ist und in Verfolgung eigener Interessen in dem Bewusstsein einer
möglichen Schädigung des Anlegers abgegeben wird (vgl. BGH, Urteil v. 19.
Februar 2008 - XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276, Juris-Rz.. 29).
So liegt es im Streitfall.
Der Informationsbroschüre ist nicht die Andeutung eines Risikos für den Beitritts-
willigen zu entnehmen.
Sollte dem Kläger auch der Prüfbericht ausgehändigt worden sein, gilt für diesen
das gleiche, weil er den dort enthaltenen Hinweis auf die Zweidrittel-Verwendung
zu wohnungswirtschaftlichen Zwecken nicht dahin verstehen musste, eine Prüfung
werde noch nach Jahren zur Feststellung durch die Finanzbehörden führen, dass
Eigenheimzulage nicht gewährt werde. Auch die Aushändigung der Satzung, sollte
sie erfolgt sein, gibt insoweit keinen Aufschluss. Allen drei Unterlagen ist nichts für
das Verlust- und hier konkrete besondere Risiko zu entnehmen, dass die B GmbH
personell mit Organen der Genossenschaft verflochten war und die
Genossenschaft nicht nur - wie die Broschüre ausweist - verwaltet und betreut hat,
sondern Vertragspartner der Genossenschaft war, dies auch schon zum Zeitpunkt
des Beitritts des Klägers, nachdem sich aus drei Rechnungen (Anlage K 29) vom
25.4., 28.2. und 20.1.2003 ergab, dass die B GmbH die Schuldnerin auf
Abschlagszahlungen für Planungskosten am Bauvorhaben ...straße in Anspruch
nahm.
Die in der Informationsbroschüre gegebenen Versprechungen, die - was der
Entscheidung mangels entgegenstehenden Vorbringens der Beklagten zugrunde
zu legen ist - vom Beklagten zu 4. beim Gespräch mit dem Kläger nicht
abgeschwächt wurden, sind vor dem Hintergrund der genannten Risiken
leichtfertig. Die Verflechtungen, die eigene Rechtsbeziehung zur B GmbH und
deren Einbindung in das Wohnungsbauprojekt der Schuldnerin als
Vertragspartnerin waren dem Beklagten zu 4. positiv bekannt. Auch das Risiko des
Totalverlusts der Einlage lag für ihn auf der Hand, nachdem sich auf Grund des
eigenen Vorbringens der Beklagten zu 2. bis 4. und 7. die Schuldnerin die zur
Erreichung des Satzungszwecks erforderlichen Mittel "über eine Tätigkeit als
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Erreichung des Satzungszwecks erforderlichen Mittel "über eine Tätigkeit als
Bauträger in der Anfangsphase" verschafft hat. Wenn der Beklagte zu 4. über die
steuerrechtlichen Fragestellungen bei der Eigenheimzulageförderung im Bilde war,
dann waren sie für ihn in der Informationsbroschüre ersichtlich falsch dargestellt,
wenn er sich - was zu seinen Gunsten unterstellt werden kann - mit den Fragen
nicht befasst hatte, war es leichtfertig, ohne entsprechende Prüfung mit derartigen
Versprechungen Kapitalanleger anzulocken.
Das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit ist nicht erforderlich, es genügt die Kenntnis
der Tatumstände, die das Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen, woran hier
kein Zweifel besteht. Für den Schädigungsvorsatz reicht es aus, dass der Beklagte
zu 4. sich vorstellte, der Kläger werde der Genossenschaft beitreten und hierdurch
zu einer ihm nachteiligen Disposition veranlasst werden. Bedingter Vorsatz ist
ausreichend und zu bejahen, wenn der Schädiger das Bewusstsein hat, dass
infolge seines Tuns oder Unterlassens der andere der Gefahr eines Schadens
ausgesetzt wird, und wenn er diesen möglichen Schaden für den Fall des Eintritts
billigend in Kauf nimmt, mag er ihn auch nicht wünschen (vgl. BGH, Urteil v.
11.11.2003, VI ZR 371/02, NJW 2004, 446, Juris-Rz. 26). Hiervon ist im Fall des
Beklagten zu 4. auszugehen. Soweit das Risiko des Totalverlustes der Anlage im
Raum steht, ist nicht zweifelhaft, dass der Beklagte zu 4. diesen Schaden des
Klägers billigend in Kauf genommen hat. Hinsichtlich der fehlenden Eignung des
Investments des Klägers unter dem Gesichtspunkt der Förderungswürdigkeit nach
dem EigZulG ist von vorsätzlichem Handeln auszugehen, weil der Beklagte zu 4.
so leichtfertig gehandelt hat, dass er eine Schädigung des Klägers in Kauf
genommen haben muss (vgl. BGH, Urteil v. 6. mai 2008, XI ZR 56/07, JNJW 2008,
2245, Juris-Rz.. 46; Urteil vom 14. April 1986 - II ZR, 123/85, NJW-RR 1986, 1158,
Juris-Rz.. 17).
Eigennütziges Handeln des Beklagten zu 4. ist ebenfalls nicht zweifelhaft. Als
Angestellter der B GmbH ging es ihm darum, deren Geschäftstätigkeit und damit
seine eigene Position zu fördern.
Die Beklagten zu 2., 3., 5. und 7. sind als Mittäter des Beklagten zu 4. aufgrund
gemeinsamer Entschließung und Förderung des Tatplans zu qualifizieren.
Zwar haben der Beklagte zu 3. und der Beklagte zu 5. ihre Beteiligung an der
Konzeption der Informationsbroschüre bestritten. Doch waren die Beklagten zu 2.,
3. und 5. als weitere Vorstandsmitglieder neben dem Beklagten zu 4. zum
Zeitpunkt des Beitritts des Klägers als Organ der Schuldnerin verpflichtet,
Beitrittswillige sachgerecht aufzuklären, und hätten deshalb die Verwendung der
schönfärberischen Informationsbroschüre verhindern müssen, die ihnen - hiervon
ist mangels dahingehenden Bestreitens auch zu Lasten der Beklagten zu 2., 3.
und 5. auszugehen - ebenso bekannt war wie der Umstand ihrer Verwendung. Das
vorsätzliche Unterlassen geeigneter Maßnahmen ist als ein Verhalten, das die
tatbestandsmäßige Handlung des Täters fördert, erleichtert oder den Täter in
seinem Tatentschluss bestärkt, als Beihilfeleistung ausreichend (vgl.
Palandt/Sprau, § 830, Rdz. 4).
Der Beklagte zu 7., der soweit ersichtlich keine Organstellung bei der Schuldnerin
begleitet hat, hat unstreitig an der Erstellung der Broschüre mitgewirkt.
Den Beklagten zu 2., 3., 5. und 7. war als Organ, Angestelltem oder jedenfalls
Vertragspartner der B GmbH klar, dass die Genossenschaft zu dem Zweck
gegründet worden war, eine Vermarktung des Grundstücks ...straße in Stadt1 zu
erreichen und das erforderliche Kapital durch die Gewinnung von Genossen
einzusammeln. Bei allen Beklagten ist in gleicher Weise wie beim Beklagten zu 4.
die Kenntnis der Tatumstände, die das Verhalten als sittenwidrig und rechtswidrig
erscheinen lassen, zugrunde zu legen. Sie haben die Schädigung des Klägers
billigend in Kauf genommen, wobei sich ihr Vorsatz nicht auf die konkret
geschädigte Person beziehen musste. Es war vielmehr ausreichend, dass sie
jeweils die Richtung, in der sich ihr Verhalten zum Schaden irgend welcher anderer
- also beitrittswilliger Interessenten - auswirken könnte, und die Art des möglicher
Weise eintretenden Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf
genommen haben. (vgl. BGH, Urteil vom 19.7.2004 - II ZR 217/03, NJW 2004,
2671).
Die Schuldnerin hat für das schuldhafte Verhalten ihres Organs, des Beklagten zu
4., gesamtschuldnerisch haftend einzustehen (§ 31 BGB), entlastende Umstände
sind von dem insoweit darlegungsbelasteten Beklagten zu 10. als
Insolvenzverwalter nicht aufgezeigt worden.
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Die fehlerhafte Aufklärung ist, wovon nach der Lebenserfahrung auszugehen ist,
ursächlich für die Anlageentscheidung des Klägers geworden, die Vermutung
aufklärungsrichtigen Verhaltens ist nicht entkräftet.
Dem Kläger ist ein Schaden entstanden. Er hätte bei korrekter Aufklärung über
das Risiko der Versagung der Förderung aus in der Person der Schuldnerin
liegenden Gründen vom Beitritt abgesehen, die Beteiligung ist für seine Zwecke
nicht brauchbar, weil nicht nur die Förderung risikobehaftet war, sondern darüber
hinaus auch ein Totalverlust der Investition drohte, mit Rücksicht hierauf ist auch
der satzungsmäßig zugesagte Zinsanspruch in Höhe von 4 % zu niedrig.
Ohne Erfolg wenden die Beklagten zu 2. bis 5. die erfolgte Entlastung von Vorstand
und Aufsichtsrat durch die Generalversammlung (§ 48 Abs. 1 S. 2 GenG) ein. Der
Entlastung soll bei der eingetragenen Genossenschaft ebenso wie bei der GmbH
eine begrenzte Verzichts- bzw. negative Anerkenntniswirkung zukommen und
demnach den Verzicht der eingetragenen Genossenschaft auf
Schadensersatzansprüche aus §§ 34 Abs. 2 und 41 GenG beinhalten. Um
derartige Ansprüche geht es aber bei dem Schadensersatzanspruch des Klägers
aus unerlaubter Handlung von Organen vor Beitritt zur Schuldnerin nicht.
Die Beklagten zu 2. bis 5. und 7. haben dem Kläger daher als Schadensersatz (§
249 Abs. 1 Satz 1 BGB) – anzurechnende Vorteile sind im Hinblick darauf nicht
ersichtlich, dass das Geschäftsguthaben an ihn nicht teilweise ausgezahlt worden,
die Genossenschaft in Insolvenz gefallen und die Eigenheimzulage zurückgefordert
worden ist, nicht ersichtlich, die geleisteten Einlagen nebst Beitrittsgebühr in -
unstreitiger - Höhe von 6.768,00 € sowie - unter Verzugsgesichtspunkten – seit
Rechtshängigkeit Zinsen in gesetzlicher Höhe zurück zu erstatten und an ihn
weitere Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 58,00 € zu zahlen, der Beklagte zu
7. für eine Melderegisterauskunft darüber hinaus weitere 7,00 €, sie haben den
Kläger ferner von der Zahlungsverpflichtung gegenüber seinem anwaltlichen
Bevollmächtigten in Höhe von 20,00 € freizustellen.
Mit Rücksicht auf die Haftung der Schuldnerin war die Forderung des Klägers in
Höhe von 6.768,00 € zur Insolvenztabelle der Schuldnerin festzustellen.
Gegenüber der Insolvenzfeststellungsklage bezüglich der bereits geleisteten
Einlagen und der Beitrittsgebühr kann sich der Beklagte zu 10. nicht darauf
berufen, dass durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Genossenschaft
aufgelöst wird (§ 101 GenG) und gemäß § 75 S. 1 GenG das Ausscheiden eines
Genossen rückwirkend als nicht erfolgt gilt, wenn die Genossenschaft binnen sechs
Monaten nach dem Ausscheiden des Genossen aufgelöst wird. Zwar hat der
Kläger mit Schreiben vom 23. Mai 2007 die Rückabwicklung der Mitgliedschaft bei
der Schuldnerin und Zahlung begehrt. Es kann dahinstehen, ob hierin eine
zulässige - und zunächst etwa wirksame - Kündigung der Mitgliedschaft zu sehen
ist. Denn es geht nicht um die Rechtsfolgen einer etwaigen Kündigung, sondern
um die Erfüllung einer Schadensersatzpflicht der Schuldnerin aus unerlaubter
Handlung.
Der Verpflichtung der Schuldnerin zur Rückzahlung geleisteter Beiträge stehen die
Grundsätze des fehlerhaften Beitritts zur Gesellschaft nicht entgegen.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind auf den Beitritt zu einer
Genossenschaft die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft bzw. des
fehlerhaften Beitritts anzuwenden, die Rechtsfolgen eines fehlerhaften Beitritts zu
einer Genossenschaft unterscheiden sich nicht von denen des fehlerhaften
Beitritts zu einer BGB-Gesellschaft, einer Personenhandelsgesellschaft oder einem
Verein (vgl. BGH, Beschluss vom 16.03.2009 – II ZR 138/08, NJW-RR 2009, 1262,
Juris-Rz. 2 m. w. N.). Diese Grundsätze stehen einem Anspruch auf Rückgewähr
der Einlage aber nicht entgegen, wenn der Vertragspartner – hier die Schuldnerin -
verpflichtet ist, diesen im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als hätte er
den Beitritt nicht erklärt und seine Einlage nicht geleistet (vgl. BGH, Urteil vom
21.03.2005 – II ZR 140/03, DB 2005, 940, Juris-Rz. 34 m. w. N).
Wegen des gleichwohl gegebenen, vom Senat indessen nicht sehr hoch
veranschlagten Risikos der Inanspruchnahme des Klägers auf Einzahlung
rückständiger Einlagen in Höhe von 4.452,00 €, eines dahingehenden Anspruchs
hatte sich der Beklagte zu 10. in einem frühen Stadium des Rechtsstreits noch
berühmt, ohne ihn nachfolgend ausdrücklich aufzugeben, als weiterer
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berühmt, ohne ihn nachfolgend ausdrücklich aufzugeben, als weiterer
Schädigungsfolge war weiter die Verpflichtung der Beklagten zu 2. bis 5. und 7.
festzustellen, dem Kläger den etwa hierdurch entstehenden Schaden zu ersetzen
und die im Teilversäumnisurteil ausgesprochene Feststellung bezüglich der
Beklagten zu 2. bis 5. und 7., die anders als der Beklagte zu 6. Einspruch eingelegt
haben, zu modifizieren.
Letztlich war auszusprechen, dass die Zahlungsverpflichtung der Beklagten zu 2.,
3., 4., 5. und 7. aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultiert.
Zu Unrecht hat das Landgericht den Verjährungseinwand gegenüber dem
deliktischen Anspruch durchgreifen lassen. Für Ansprüche aus der bürgerlich-
rechtlichen Prospekthaftung gilt analog § 607 Börsengesetz eine
kenntnisabhängige Verjährungsfrist von einem Jahr und eine absolute Frist von 3
Jahren (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl. 2010, § 311, Rz. 72), die bei Eingang
der Klage am 3. Juli 2007 um mehr als ein Jahr überschritten war.
Die höchstens 3-jährige Verjährungsfrist gilt nur für Ansprüche aus eigentlicher
Prospekthaftung, nicht aber für die Haftung eines Gründungsgesellschafters und
Vertragspartners des Anlegers aus Verschulden bei Vertragsschluss oder aus
Delikt, hieraus resultierende Ansprüche verjähren auch dann in der regelmäßigen
Verjährungsfrist, wenn das Verschulden auf Prospektmängeln beruht (vgl. BGH,
Urteil v. 13.9.2004 - II ZR 276/02, NJW 2004,, 3706, Juris-Rz. 25, 30; Urteil v. 28.
Februar 2005, II ZR 13/03, NJW RR 2005, 751, Juris-Rz. 9).
Die für deliktische Ansprüche geltende Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB von drei
Jahren beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres der
Anspruchsentstehung und der Erlangung der Kenntnis des Gläubigers von den
anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners oder in dem
diese Kenntnis ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangt werden müssen. Die
insoweit darlegungsbelasteten Beklagten haben keinen Vortrag dazu gehalten,
wann der Kläger von seinen Ersatzansprüchen ohne Fahrlässigkeit Kenntnis
erlangen musste. Nach dem unstreitigen Vorbringen ist davon auszugehen, dass
der Kläger erstmals mit Zustellung des Aufhebungs-/Rückforderungsbescheids des
Finanzamts hinsichtlich der Eigenheimzulage Kenntnis erhielt. Dies war im Frühjahr
2007, die Einreichung der Klage im Juli 2007 und deren alsbaldige Zustellung
haben den Lauf der Verjährungsfrist in jedem Fall gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1
BGB, 167 ZPO).
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1;
92 Abs. 1 Satz 1; 100 Abs. 2, 4; 344 ZPO, von Amts wegen war die
Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils auch insoweit zu korrigieren, als
sie nicht berücksichtigt hat, dass der Beklagte zu 6. Einspruch gegen das
Teilversäumnisurteil nicht eingelegt hat.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO
nicht vorliegen.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.
Weitere Nebenentscheidungen waren nicht veranlasst, weil ein Rechtsmittel gegen
das Urteil nicht stattfindet (§§ 713, 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.