Urteil des AG Esslingen vom 21.02.2006

AG Esslingen (versicherungsnehmer, vvg, behandelnder arzt, eigenes interesse, verhältnis zu, private krankenversicherung, wirtschaftliches interesse, abtretung, vorschrift, höhe)

AG Esslingen Urteil vom 21.2.2006, 1 C 2218/05
Bereicherungsrechtliche Rückforderung überberechneten Arzthonorars: Fehlende Aktivlegitimation der
privaten Krankenversicherung aus übergegangenem Recht
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor
der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Das Rechtsmittel der Berufung wird zugelassen.
Streitwert: 459,91 Euro
Tatbestand
1 Die Klägerin, eine private Krankenversicherung, nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht ihres
Versicherungsnehmers auf Rückzahlung von Behandlungskosten in Anspruch.
2 Der Versicherungsnehmer der Klägerin, ... war im Zeitraum vom 10.03.2005 bis 29.03.2005 bei dem Beklagten
in Behandlung und wurde in dieser Zeit am linken Bein operiert. Der Beklagte stellte die Behandlung mit
ärztlicher Liquidation vom 18.04.2005 über insgesamt 1.782,69 Euro gegenüber dem Versicherungsnehmer der
Klägerin in Rechnung. Dieser beglich die Rechnung vollumfänglich und reichte diese mit der Bitte um
Kostenerstattung bei der Klägerin ein. Die Klägerin, welche die Rechnung in Folge der Rechnungsprüfung in
Höhe von 459,01 Euro für nicht berechtigt hielt, erstattete ihrem Versicherungsnehmer den gesamten
Rechnungsbetrag und ließ sich die Rückforderungsansprüche des Versicherungsnehmers abtreten.
3 Die Klägerin trägt vor, der Beklagte habe zu Unrecht die Gebühr Ziffer 2840 GOÄ abgerechnet, weshalb dem
Versicherungsnehmer ... ein bereicherungsrechtlicher Anspruch gegen den Beklagten auf Rückzahlung in Höhe
von 459,01 Euro zugestanden habe, welcher gem. § 67 VVG sowie jedenfalls aufgrund der Abtretung auf sie
übergegangen sei.
4 Die Klägerin beantragt:
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Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 459,01 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen
Basiszinssatz ab 05.09.2005 zu bezahlen.
6 Der Beklagte beantragt:
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Klagabweisung.
8 Er wendet ein, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. § 67 VVG sei vorliegend nicht einschlägig. Die Abtretung
der Ansprüche durch den Versicherungsnehmer an die Klägerin sei gem. § 134 BGB aufgrund eines Verstoßes
gegen das Rechtsberatungsgesetz unwirksam.
9 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
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Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
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Die Klägerin ist in Bezug auf den geltend gemachten Bereicherungsanspruch nicht aktivlegitimiert.
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1. Ein eventuell bestehender Anspruch des Versicherungsnehmers ... aus ungerechtfertigter Bereicherung
gegen den Beklagten ist nicht gem. § 67 VVG auf die Klägerin übergegangen. Gem. § 67 Abs. 1 Satz 1
VVG geht, wenn dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Ersatz des Schadens gegen einen Dritten
zusteht, dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden
ersetzt. Sinn der Vorschrift ist, dass die Leistung des Versicherers weder den Ersatzpflichtigen von seiner
Verbindlichkeit befreit noch zu einer Bereicherung des Geschädigten führt.
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Vorliegend ist der Beklagte als behandelnder Arzt bereits nicht Dritter im Sinne dieser Vorschrift. Nach
dem Sinn und Zweck des § 67 VVG ist "Dritter" nämlich jeder Ersatzpflichtige, es sei denn, dass auch
ihm die Versicherung – wenn auch nur mittelbar – zugute kommen soll (BGH NJW 1972, 437, 438).
Der behandelnde Arzt kann nicht Dritter im Sinne dieser Vorschrift sein, da dem Versicherungsnehmer
in diesem Zusammenhang keine Ansprüche aufgrund einer Schadensverursachung durch den Arzt,
sondern vielmehr Ansprüche aus Behandlungsvertrag oder anderweitige Ansprüche aufgrund der
Tätigkeit des Arztes zur Schadensbehebung zustehen. Solche Ansprüche werden von § 67 VVG nicht
erfasst.
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Allein der Umstand, dass auch Bereicherungsansprüche durchaus nach § 67 VVG übergehen können
(Prölls/Martin VVG § 1 MB/KK Rn. 50), genügt für sich allein noch nicht zur Begründung der
Einschlägigkeit des § 67 VVG. Denn auch der Übergang von Bereicherungsansprüchen wird lediglich in
solchen Fällen bejaht, in welchen der Bereicherungsanspruch dem Ausgleich der Vermögenseinbuße
dient und damit der Sinn des § 67 VVG wiederum einschlägig ist. Letzteres ist im zu entscheidenden
Fall jedoch gerade nicht gegeben. Der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch dienst nicht zum
Ausgleich der durch das Schadensereignis verursachten Vermögenseinbuße, sondern der
Rückforderung eines nach Ansicht der Klägerin im Rahmen der Schadensbeseitigung überzahlten, weil
aus dem Behandlungsvertrag nicht geschuldeten Betrages.
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2. Ein eventuell bestehender Bereicherungsanspruch ist auch nicht gem. § 398 BGB aufgrund der
Abtretung durch den Versicherungsnehmer auf die Klägerin übergegangen. Denn die Abtretung ist gem. §
134 BGB aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG unwirksam. Indem sich die Klägerin die
Rückerstattungsansprüche ihres Versicherungsnehmers zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung
hat abtreten lassen, hat sie ohne Erlaubnis geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgt.
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a. Die Klägerin ist nicht aufgrund der Ausnahmeregelung des Artikel 1 § 5 Ziffer 5 RBerG von der
Erlaubnispflicht befreit. Nach dieser Vorschrift können kaufmännische oder sonstige gewerbliche
Unternehmer für ihre Kunden rechtliche Angelegenheiten erledigen, die mit einem Geschäft ihres
Gewerbebetriebes in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Ein derartiger unmittelbarer
Zusammenhang zwischen der Durchsetzung des Rückforderungsanspruches des
Versicherungsnehmers und dem üblichen Geschäft der Klägerin existiert jedoch nicht. Zwar besteht
ein unmittelbarer Zusammenhang im Sinne dieser Vorschrift bereits dann, wenn die subjektive
Erwartung des Kunden dahin geht, dass der Unternehmer das rechtliche Hilfs- oder Nebengeschäft mit
erledigt. Ein Versicherungsnehmer wird zwar in der Regel erwarten, dass die Versicherung eine
Rechnungsprüfung vornimmt, jedoch in der Regel nicht, dass die Versicherung
Rückforderungsansprüche des Versicherungsnehmers für ihn geltend macht. Im übrigen zeigt sich in
Artikel 1 § 1 Abs. 1 Ziffer 2 RBerG, demzufolge auch die Beratung und außergerichtliche Vertretung
von Versicherten gegenüber Versicherern durch einen Versicherungsberater erlaubnispflichtig ist, dass
allein das überwiegende Fachwissen auf Unternehmensseite und der Beratungsbedarf des Kunden die
Erlaubnispflicht nicht entfallen lassen. Dies gilt entsprechend auch für das Verhältnis von Versicherern
zu Versicherungsnehmer.
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b. Die Einziehung fremder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen unterfällt der
Erlaubnispflicht des Artikel 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG. Die Klägerin besorgt mit der Einziehung der ihr
abgetretenen Forderung eine fremde Rechtsangelegenheit. Ein eigenes Interesse der Klägerin an der
Einziehung eines Rückerstattungsanspruches des Versicherten aufgrund einer Überzahlung an den
behandelnden Arzt ist nicht gegeben. Zur Durchsetzung eigener Interessen der Klägerin ist die
Abtretung der Rückforderungsansprüche durch den Versicherten weder erforderlich noch sachdienlich.
Die Klägerin kann ihre eigenen Interessen ausreichend dadurch durchsetzen, dass sie gegenüber
ihrem Versicherten den Ausgleich der geltend gemachten Erstattungsansprüche aus dem
Versicherungsverhältnis ablehnt. Durch die freiwillige Überzahlung begibt sich die Versicherung einer
Rechtsposition, welche sie im Verhältnis zu seinem Vertragspartner im eigenen Interesse durchsetzen
müsste. Zahlt der Versicherer an den Geschädigten einen Betrag, zu welchem er nach § 249 BGB
nicht verpflichtet ist, so hat der Versicherer daher auch kein Recht, von dem Geschädigten die
Abtretung von Schadensersatzansprüchen zu verlangen (BGH NJW 1996, 1965, 1966). Allein der
Umstand, dass die wirtschaftlichen Folgen der Durchsetzung eines Rückerstattungsanspruches
aufgrund der Regelungen des Versicherungsvertrages letztendlich die Klägerin und nicht den
Versicherungsnehmer treffen, genügt zur Begründung eines Eigeninteresses nicht. Denn dass die
wirtschaftlichen Folgen der Durchsetzung oder Nichtdurchsetzung eines Anspruches eine dritte Person
treffen, ist eine häufige Fallkonstellation, welche insbesondere immer dann anzutreffen ist, wenn
aufgrund vertraglicher Beziehungen Regress bei einem Dritten genommen werden kann. Die Parteien
sind in diesen Fällen durch das Instrument der Streitverkündung vor die divergierenden
Entscheidungen verschiedener Gerichte geschützt. Ein derartiges wirtschaftliches Interesse genügt
aus diesem Grunde nicht, um ein anerkennenswertes Eigeninteresse im Sinne von § 1 RBerG zu
begründen.
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Bereicherungsansprüche des Versicherungsnehmers sind daher nicht auf die Klägerin übergegangen.
II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708
Ziffer 11, 711 ZPO.
III.
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Die Berufung gegen das Urteil war zuzulassen, da die Frage der Anwendbarkeit von § 67 VVG und der
Vorschriften des RBerG auf die streitgegenständliche Abtretung grundsätzliche Bedeutung im Sinne von §
511 Abs. 4 Ziff. 1 ZPO hat.