Urteil des AG Essen vom 09.03.2010

AG Essen (kläger, abschluss des vertrages, vertrag, ordentliche kündigung, kündigung, höhe, agb, vertragsverhältnis, einsichtnahme, zeitpunkt)

Amtsgericht Essen, 11 C 510/09
Datum:
09.03.2010
Gericht:
Amtsgericht Essen
Spruchkörper:
Abt. 11 C
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 C 510/09
Tenor:
Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien geschlossene
Vertrag vom 21.02.06 mit der Vertragsnummer #### wirksam zum
20.03.09 beendet wurde.
Es wird festgestellt, dass der Beklagten gegen den Kläger keine auf den
Zeitpunkt nach der wirksamen Beendigung des Vertrages bezoge-nen
Forderungen zustehen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die hinter dem Kläger stehende Recht-
sschutzversicherung, die NRV, zu der Vertragsnummer *****, einen
Betrag von 83,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 17.12.09 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen beide Parteien zu jeweils 50 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d :
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Die Parteien sind durch Telekommunikationsvertrag vom 21.02.06 (Tag der
Antragstellung) verbunden.
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Der Kläger begab sich am 21.02.06 in eine Filiale der Beklagten, um einen Vertrag über
das DSL-Paket Flatrate 6000 abzuschließen. Er hatte sich bereits vor dem Besuch der
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Filiale über DSL-Anschlüsse informiert, und es war ihm insbesondere von seinem Sohn
zum Abschluss des Pakets DSL Flatrate 6000 geraten worden.
In dem Antragsformular heißt es unter anderem:
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"Es gelten unsere allgemeinen produktbezogenen Geschäftsbedingungen, die
entsprechenden Leistungsbeschreibungen und Preislisten." In der zugehörigen
Leistungsbeschreibung der Beklagten ist unter Punkt 11 Punkt 1 bestimmt:
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"Die Mindestvertragslaufzeit (...) beträgt jeweils 24 Monate. Die Mindestvertragslaufzeit
beginnt zum vereinbarten Zeitpunkt der Freischaltung des Dienstes. Das
Vertragsverhältnis ist für beide Vertragspartner mit einer Frist von drei Monaten auf das
Ende der Vertragslaufzeit kündbar. Erfolgt keine Kündigung, so verlängern sich die
Vertragszeiten jeweils um weitere 12 Monate."
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Kopie des
Antragsformulars (Blatt 24) verwiesen.
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Die Beklagte teilte dem Kläger mit der Auftragsbestätigung vom 02.03.06 den
Inbetriebnahmetermin 21.03.06 mit. Unter dem 23.12.07 kündigte der Kläger den
Vertrag. Mit Schreiben vom 18.02.08 bestätigte die Beklagte den Eingang der
Kündigung, wies jedoch darauf hin, den Kündigungswunsch des Klägers auf Grund der
aktuellen Vertragslaufzeiten nicht umsetzen zu können. Mit anwaltlichem Schreiben der
Beklagten vom 21.10.09 forderte sie den Kläger zur Zahlung von insgesamt 1.175,21 €
auf, welcher sich aus verschiedenen Rechnungen aus den Jahren 2008 und 2009
zusammensetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das vorliegende Schreiben
vom 21.10.09, Blatt 6 der Akte, Bezug genommen.
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Der Kläger behauptet, die AGB sowie die Leistungsbeschreibung der Beklagten habe er
nie erhalten. Beim Vertragsabschluss habe lediglich der Mitarbeiter der Beklagten das
Antragsformular für ihn ausgefüllt und ihm zur Unterschrift vorgelegt. Es seien ihm in
diesem Rahmen keine weiteren Unterlagen überreicht worden. Auch ansonsten habe er
nicht die Möglichkeit gehabt, von den AGB und der Leistungsbeschreibung Kenntnis zu
erlangen, insbesondere hätten diese auch nicht in der Filiale zur Einsichtnahme
ausgelegen. Er ist daher der Ansicht, das streitgegenständliche Vertragsverhältnis sei
zum 29.02.08 beendet.
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Der Kläger beantragt,
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1.
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festzustellen, dass der zwischen den Parteien am 21.02.06 geschlossene
Vertrag mit der Vertragsnummer #### wirksam zum 29.02.08 beendet wurde,
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2.
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ferner festzustellen, dass der Beklagten keine Forderung gegen den Kläger
aus dem vorgenannten Vertrag bzw. aus sonstigem Grund zustehe,
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3.
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die Beklagte ferner zu verurteilen, an die hinter dem Kläger stehende
Rechtsschutzversicherung, die NRV, zu der Vertragsnummer ******, einen
Betrag in Höhe von 55,30 € angesichts der außergerichtlich entstandenen
Rechtsanwaltskosten und –gebühren nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, die streitgegenständliche Leistungsbeschreibung habe in der Filiale
jederzeit zur Einsichtnahme ausgelegen. Sie ist der Ansicht, dies reiche
unproblematisch zur Einbeziehung der Vereinbarungen in dem Vertrag aus.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
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Das Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich aus der fortwährenden
Inanspruchnahme durch die Beklagte aus Rechnungen für Zeiträume nach der vom
Kläger behaupteten Vertragsbeendigung.
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Es kann nicht festgestellt werden, dass das Vertragsverhältnis zum 29.02.08 beendet
wurde. Denn nach der Vereinbarung in Ziffer 11.1 der Leistungsbeschreibung
verlängerte sich das Vertragsverhältnis nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit um ein
weiteres Jahr.
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Inbetriebnahmetermin ist unstreitig der 21.03.06. Die Mindestvertragslaufzeit endete
daher am 21.03.08. Eine gemäß der Vereinbarung in den Leistungsbeschreibungen
fristgemäße Kündigung hätte daher drei Monate vorher, nämlich zum 21.12.07 zugehen
müssen. Die auf den 23.12.07 datierte Kündigung des Klägers ging der Beklagten
jedenfalls nach dem 21.12.2007 zu.
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Es handelt sich bei der Leistungsbeschreibung um eine allgemeine
Geschäftsbedingung, da es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte
Vertragsbedingung, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss
des Vertrages stellt, handelt und da gemäß § 305 Absatz 1 gleichgültig ist, ob die
Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die
Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher
Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat.
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Die Vereinbarung in Ziffer 11.1 der Leistungsbeschreibung ist wirksam in den Vertrag
gemäß § 305 Absatz 2 BGB einbezogen worden.
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§ 305 a BGB ist demgegenüber nicht einschlägig, da der streitgegenständliche Vertrag
nicht unmittelbar durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln und während der
Erbringung einer Telekommunikationsdienstleistung in einem Mal erbracht wurde.
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Gemäß § 305 Absatz 2 Nummer 1 BGB ist Voraussetzung für die wirksame
Einbeziehung der Geschäftsbedingung, dass der Verwender die andere Vertragspartei
ausdrücklich oder unter besonderen Voraussetzungen durch deutlich sichtbaren
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Aushang auf die Geschäftsbedingung hinweist. Das vom Kläger unterschriebene
Antragsformular enthält den ausdrücklichen Hinweis auf die Leistungsbeschreibung.
Gemäß § 305 Absatz 2 Nummer 2 BGB ist weiterhin Voraussetzung, dass der
Verwendung der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise
von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, dem
Vertragspartner die Gelegenheit zu verschaffen, sich bei Vertragsschluss mit den
Regelungen vertraut zu machen (BGH NJW 1990, 715, 716).
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Eine solche zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme kann auch in dem Bereitstellen
der AGB im Internet liegen (Staudinger-Schlosser § 305 Rn. 146). Vorliegend ist im
ausdrücklichen Hinweis auf die Leistungsbeschreibung zwar keine ausdrückliche
Bezugnahme auf die Internetseiten der Beklagten erfolgt. Vor dem Hintergrund, dass der
streitgegenständliche Vertrag die Bereitstellung eines Internetzugangs zum Gegenstand
hat und dass AGBs und Leistungsbeschreibungen offenkundig (§ 291 ZPO) von der
Beklagten im Internet vorgehalten werden, ist der allgemeine ausdrückliche Hinweis
jedoch ausreichend. Die Beklagte stellt ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen und
die jeweiligen Leistungsbeschreibungen ins Internet ein. Es ist eine offenkundige
Tatsache, dass diese dort abrufbar sind. Beim Abschluss eines Vertrages, der die
Bereitstellung eines Internetanschlusses zum Hauptgegenstand hat und bei
ausdrücklichem Hinweis auf die Leistungsbeschreibung stellt es eine Möglichkeit der
zumutbaren Kenntnisnahme für den Kunden dar, die Leistungsbeschreibung dem
Internet zu entnehmen. Insbesondere dann, wenn ein Kunde sich bereits über die
unterschiedlichen Tarife informiert und also schon vor Beginn der
Vertragsverhandlungen offenbar Kenntnis von den unterschiedlichen Paketen hat, die
sich darin zeigt, dass er direkt ein bestimmtes Paket bestellt, kann der Verwender der
AGB davon ausgehen, dass die Möglichkeit der zumutbaren Kenntnisnahme für den
Kunden gegeben ist.
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Darüber hinaus ist die Möglichkeit der zumutbaren Kenntnisnahme gegeben, wenn die
AGB wie vorliegend in der Geschäftsstelle des Verwenders für den Fall des
Vertragsschlusses unter Anwesenden zur Einsichtnahme bereit gehalten werden (vgl.
MüKo-Basedow § 305 Rn. 62 unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung).
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Die Beklagte behauptet vorliegend, die Leistungsbeschreibung in ihrer Geschäftsstelle
zur Einsichtnahme bereitgehalten zu haben. Es entspricht der allgemeinen
Lebenserfahrung, dass die Leistungsbeschreibungen üblicherweise in den
Geschäftsstellen vorgehalten werden. Der Kläger hat die Tatsache, dass die
Bedingungen zur Einsichtnahme auslagen, lediglich pauschal bestritten. Dieses
Bestreiten ist einem Bestreiten mit Nichtwissen gemäß § 138 Absatz 4 ZPO
gleichzustellen. Ein solches Bestreiten mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig,
die weder eigene Handlungen der Partei, noch Gegenstand ihrer eigenen
Wahrnehmungen gewesen sind. Gegenstand der eigenen Wahrnehmung sind dabei
alle konkreten Umstände in Zusammenhang mit einem selbst getätigten
Vertragsschluss, auch wenn der Vertragschließende in dem damaligen Zeitpunkt nicht
auf sie geachtet oder sie nicht wichtig genommen hat.
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Die, wie oben dargestellt, bezogen auf den Kündigungszeitpunkt 29.02.08 verspätet
eingegangene Kündigung des Klägers ist jedoch als ordentliche Kündigung des
Vertragsverhältnisses zum 20.03.09 wirksam. Dementsprechend endete das
Vertragsverhältnis, zu diesem Zeitpunkt; da die Beklagte nichts zu einer
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einvernehmlichen Fortsetzung des Vertrags nach erfolgter Kündigung vorgetragen hat.
Aus dem Vertrag stehen der Beklagten für den Zeitraum nach diesem Zeitpunkt daher
keine Ansprüche mehr zu.
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der Rechtsanwaltskosten an seine
Rechtsschutzversicherung in Höhe des tenorierten Betrages. Dabei ist der Streitwert
von bis 600,00 € zu Grunde gelegt. Dies beruht darauf, dass aus der zwischen den
Parteien im Raum stehenden Rechnung über 1.175,21 €, rund die Hälfte der
Einzelbeträge jeweils vor und nach dem Beendigungszeitpunkt des Vertrages
angefallen ist.
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Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in den §§ 92
Absatz 1, 708 Nummer 11, 711 ZPO.
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Streitwert: 1175,21 €.
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