Urteil des AG Essen vom 02.07.2009

AG Essen: grundsatz der erforderlichkeit, fahrzeug, firma, teilzahlung, zustellung, abholung, tarif, vollkaskoversicherung, wirtschaftlichkeitsgebot, erstellung

Amtsgericht Essen, 11 C 258/09
Datum:
02.07.2009
Gericht:
Amtsgericht Essen
Spruchkörper:
Abt. 11 C
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 C 258/09
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 423,75 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem
01.12.2007 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 83,54 € vorgerichtliche
Gebühren gemäß VV 2300 RVG zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Auf die Erstellung eines Tatbestands wird gemäß § 495a ZPO verzichtet.
2
Entscheidungsgründe:
3
Die Klage ist zulässig und begründet.
4
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht des Geschädigten L
einen Anspruch auf Zahlung von weiteren Mietwagenkosten in Höhe von 423,75 €
gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 Pflichtversicherungsgesetz in Verbindung
mit § 249 BGB.
5
Die Beklagte hat – was zwischen den Parteien unstreitig ist – die unfallbedingten,
ersatzfähigen Schäden des Geschädigten aus dem Unfallereignis vom 05.11.2007 an
seinem Fahrzeug dem Grunde nach voll zu ersetzen.
6
Die von der Klägerin dem Geschädigten in Rechnung gestellten Mietwagenkosten sind
in Höhe von insgesamt 766,50 € ersatzfähig.
7
Mietwagenkosten gehören regelmäßig zu den Kosten der Schadensbehebung im Sinne
8
von § 249 BGB. Hiernach darf der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen
Haftpflichtversicherung als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen
Mietwagenkosten ersetzt verlangen.
Zur Herstellung erforderlich sind dabei nur die Aufwendungen, die ein verständiger,
wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und
notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei – nach dem aus dem Grundsatz der
Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot – unter dem Gesichtspunkt der
Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren
möglichen Wegen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen
(BGH NJW 2005, 51; BGH NJW 2005, 135; BGH NJW 2005, 1041; BGH NJW 2006,
2106; BGH NJW 2006, 2618). Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten das
er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte –
erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Fahrzeuges innerhalb eines
gewissen Rahmens grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann
(BGH NJW 2006, 2106; BGH NJW 2006, 2618).
9
Zwar ist im allgemeinen davon auszugehen, dass der Geschädigte nicht allein deshalb
gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung verstößt, weil er ein Kraftfahrzeug zu
einem "Unfallersatztarif" anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist, solange
dies dem Geschädigten nicht ohne Weiteres erkennbar ist.
10
Dieser Grundsatz kann jedoch keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen in den
Fällen, in denen sich ein besonderer Tarif für Ersatzmietwagen nach Unfällen entwickelt
hat, der nicht mehr maßgeblich von Angebot und Nachfrage bestimmt wird, wovon unter
Berücksichtigung der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs für den vorliegenden
Fall auszugehen ist.
11
Der Geschädigte mietete am 12.11.2007 ein Fahrzeug bei der Klägerin an. Hierbei
stellte die Klägerin unter Zugrundelegung ihres Unfallersatztarifes mit Rechnung vom
21.11.2007 für 5 Tage 766,50 € in Rechnung. Nach der erfolgten Teilzahlung der
Beklagten in Höhe von 342,72 € begehrt die Klägerin Zahlung der restlichen 423,78 €.
12
Dieser Rechnungsbetrag entspricht weitgehend dem Normaltarif für das
Postleitzahlengebiet des Klägers, der sich aufgrund der Schwacke-Mietpreisliste 2006
für das hier relevante Postleitzahlengebiet als Normaltarif ergibt. Das Gericht hält die
Schwacke-Mietpreisliste trotz möglicher Fehler und Unwägbarkeiten in einzelnen
Bereichen für eine insgesamt noch hinreichende leistungsfähige und tragfähige
Schätzgrundlage. Es verkennt dabei nicht, dass es eine Vielzahl von Einwendungen
gegen die Ermittlungsmethode des von der Firma Schwacke erhobenen
Mietpreisspiegels gibt, welche umfassend von der Beklagten vorgetragen worden sind.
Das Gericht hält die Schwacke-Liste mangels Vorliegens besserer Mietpreiserhebungen
jedoch nach wie vor für eine hinreichende Schätzgrundlage. Die Mietpreisliste ist
aufgrund ihrer lokalen Preiserhebung und der Vielzahl der ermittelten Preise der
mittlerweile ebenfalls vorliegenden Mietpreisliste des Frauenhofer Institutes
vorzuziehen, der zwar die realistischere Preiserhebungsmethodik zugute zu halten ist,
die aber auf der anderen Seite die Vielzahl lokaler Autovermieter bei der Erhebung der
Mietpreise vernachlässigt hat.
13
Nach der Schwacke-Mietpreisliste 2006 im PLZ-Gebiet 448 zu Fahrzeugklasse 6 ergibt
sich ein Anspruch auf 279,00 € für drei Tage sowie je 95,00 € für weitere zwei Tage.
14
Darüber hinaus kann die Mietwagenfirma auch als Zusatzleistung die Aufwendungen für
eine der Haftungsfreistellung entsprechende Vollkaskoversicherung ersetzt verlangen,
mithin nach der Schwacke-Liste 207,00 €. Es ergibt sich ein Gesamtbetrag in Höhe von
676,00 €, von dem kein 10 %-iger Abzug an ersparten Eigenaufwendungen zu
berücksichtigen ist, da der Geschädigte ein klassentieferes Fahrzeug angemietet hat.
Rechnet man die Kosten für Zustellung und Abholung von brutto 19,00 € sowie
Winterreifen von 42,48 € hinzu, ergibt sich ein Betrag von 737,48 €.
Dieser Betrag weicht nur derart unwesentlich von der in Rechnung gestellten brutto
766,50 € ab, dass es einer Diskussion über die Frage eines besonderen Aufschlags für
Unfallersatztarife nicht bedarf.
15
Hinsichtlich des Betrags der restlichen 423,75 € steht der Klägerin gegen die Beklagte
aus abgetretenem Recht ein Zahlungsanspruch zu.
16
Die Zinsentscheidung folgt aus den §§ 286, 288 BGB.
17
Die Klägerin hat gegen die Beklagte weiter einen Anspruch auf Zahlung
außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 €. Ausgehend von einem
Gegenstandswert in Höhe von bis 600,00 € und einer sich daraus ergebenden 1,3
Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VVRVG zzgl. Auslagenpauschale und Steuern kann
die Klägerin die sich daraus ergebenden 83,54 € geltend machen.
18
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11,
711, 713 ZPO.
19