Urteil des AG Essen vom 10.08.2009

AG Essen (schätzung, höhe, essen, gläubigerversammlung, anmeldung, einberufung, forderung, zeitpunkt, belastung, antrag)

Amtsgericht Essen, 164 IN 123/08
Datum:
10.08.2009
Gericht:
Amtsgericht Essen
Spruchkörper:
Abt. 164 IN
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
164 IN 123/08
Tenor:
wird der An¬trag der an¬trag¬stellen¬den Gläu¬bi¬gerin vom
10.07.2009 und vom 03.08.2009 auf Ein¬be¬ru¬fung ei¬ner
Gläu¬biger¬ver¬samm¬lung ab¬ge¬lehnt.
G r ü n d e
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Nach § 75 Abs. 1 Nr. 4 InsO ist die Gläubigerversammlung einzuberufen, wenn dies
beantragt wird von einem oder mehreren absonderungsberechtigten Gläubigern oder
nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern, deren Absonderungsrechte und Forderungen
nach der Schätzung des Gerichts zwei Fünftel der Summe erreichen, die sich aus dem
Wert aller Absonderungsrechte und den Forderungsbeträgen aller nicht nachrangiger
Insolvenzgläubiger ergibt. Hinsichtlich der maßgeblichen Beträge ist durch das
Insolvenzgericht eine Schätzung durchzuführen, welche unabhängig vom Ergebnis der
Forderungsprüfung sowohl die bereits zur Insolvenztabelle erfassten Forderungen, als
auch die dem Insolvenzverwalter vorliegenden nachträglichen Anmeldungen zu
berücksichtigen hat. Da insoweit der Auffassung des Bundesgerichtshofs (Beschluss
vom 14.10.2004, IX ZB 114/04) folgend nicht darauf abzustellen ist, ob die Forderungen
bestritten oder unbestritten sind, sind insoweit sämtliche bis zum Zeitpunkt der
Schätzung angemeldeten Forderungen in ihrer nominal angemeldeten Höhe zu
berücksichtigten, sofern nicht für das Insolvenzgericht greifbar ist, dass eine Anmeldung
nur zum Zweck des Erreichens des Quorums nach § 75 Abs. 1 Ziffer 4 InsO in einer
entsprechend bedeutsamen Höhe angemeldet wurde.
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Schon da die Forderungen nach § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO beim Insolvenzverwalter
anzumelden sind, muss das Insolvenzgericht bei seiner Schätzung zwingend Angaben
des Insolvenzverwalters zurückgreifen. Eine Schätzung nur auf Grundlage der bei
Gericht geführten beurkundeten Insolvenztabelle wäre sorgfältigen Ermittlungen nicht
genügend (Uhlenbruck, 12. Aufl., Rn 3 zu § 75).
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In der gerichtlichen Insolvenztabelle als geprüft erfasst sind aktuell Forderungen in
Höhe von 46.377.894,95. Es sind dies die laufenden Nummern 1 bis 372 der
Insolvenztabelle.
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Beim Insolvenzverwalter sind bis zum 16.06.2009 weitere Forderungen in Höhe von
insgesamt 56.935.147,23 EUR angemeldet worden. Dies ist nach Mitteilung des
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Insolvenzverwalters der aktuelle Stand der angemeldeten Forderungen, welcher auch
bereits zum Zeitpunkt des Antrags auf Einberufung einer Gläubigerversammlung vom
10.07.2009 festzustellen war, da die letzte Anmeldung am 16.06.2009 eingegangen ist.
Der Insolvenzverwalter hat eine Auflistung vorgelegt, welche die mit Hilfe der von ihm
genutzten Software "winsolvenz p3" gebuchten nicht geprüfter Forderungen wiedergibt.
Die Forderungen wurden folgerichtig unter den weiteren laufenden Nummern 373 bis
388 der Insolvenztabelle geführt. Die Tabellenfortschreibung ist ordnungsgemäß erfolgt.
Gleiches gilt für die Aufsummierung der Forderungen. An der sachlichen wie
rechnerischen Richtigkeit der Auflistung nicht geprüfter Forderungen besteht daher kein
Zweifel. Dies gilt insbesondere auch für die unter dem 22.05.2009 als nicht nachrangige
angemeldete Forderung der J GmbH in Höhe von 42.656.245,60 EUR. Auch insoweit ist
eine Belastung der Schuldnerin mit Ansprüchen vorgetragen, welche im Rahmen der
gerichtlichen Schätzung der Gesamtbelastungen zu berücksichtigen ist. Auf eine
Feststellung der Forderung kommt es den vorstehenden Ausführungen folgend auch
insoweit nicht an. Daher ist für die Schätzung nach § 75 Abs. 1 Ziffer 4 InsO unerheblich,
dass im späteren Prüfungsverfahren wegen § 181 BGB ein Sonderinsolvenzverwalter
einzusetzen sein wird. Wie bei allen weiteren angemeldeten Forderungen kann eine
materiell-rechtliche Prüfung des Forderungsbestands durch das Insolvenzgericht
(Rechtspfleger) nicht erfolgen. Für eine rein rechtsmissbräuchliche Anmeldung zur
Berücksichtigung im Rahmen der Schätzung nach § 75 Abs. 1 Ziffer 4 InsO sprechen
keine Umstände. Es ist vielmehr plausibel, dass zwischen den Gemeinschuldnerinnen J
GmbH (AG Essen, 164 IN 119/08) und JX GmbH (vorliegend) Ansprüche bestehen, die
dementsprechend zur Insolvenztabelle anzumelden sind. Eine entsprechende
Anmeldung liegt dem Insolvenzverwalter vor. Diese ist vor Eingang des Antrags auf
Einberufung einer Gläubigerversammlung erfolgt. Die vom Insolvenzverwalter zur
Berücksichtigung im Rahmen der gerichtlichen Schätzung vorgelegten Unterlagen sind
daher vollumfänglich zur Berücksichtigung geeignet. Im Übrigen wird auf die
Ausführungen des Insolvenzverwalters mit Schriftsatz vom 06.08.2009 Bezug
genommen.
Im vorliegenden Fall betragen nach der Schätzung des Gerichts die Werte aller
Absonderungsrechte und die Forderungen der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger
daher 103.313.042,18 EUR. Die angemeldete Forderung der antragstellenden
Gläubigerin beträgt 28.196.510,62 EUR und erreicht nicht das geforderte zwei Fünftel,
sondern lediglich 27,3 Prozent der Gesamtforderungen.
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Der Antrag auf Einberufung einer Gläubigerversammlung war daher zurückzuweisen.
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