Urteil des AG Erkelenz vom 11.05.2006

AG Erkelenz: einstweilige verfügung, energieversorgung, zutritt, glaubhaftmachung, liefersperre, mahnung, wohnung, billigkeit, wahrscheinlichkeit, sicherheitsleistung

Amtsgericht Erkelenz, 8 C 136/06
Datum:
11.05.2006
Gericht:
Amtsgericht Erkelenz
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 C 136/06
Schlagworte:
Einstellung der Versorgung mit Energie Umfang der Glaubhaftmachung
Normen:
§ 33 AVBElTV bzw. AVBGasV, §§ 935, 940 ZPO
Leitsätze:
Einstellung der Versorgung mit Energie
Umfang der Glaubhaftmachung
Tenor:
Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, den mit einem Ausweis
versehenen Beauftragte der Verfügungsklägerin Zutritt zu dem Haus ...,
41836 Hückelhoven, zu gestatten und die Einstellung der
Energieversorgung durch Sperrung des Gas- und Stromzählers (...) zu
dulden.
Für den Fall der Verweigerung des Zutritts und des Widerstandes gegen
die Liefersperre werden die zwangsweise Öffnung des Hauses bzw. der
Wohnung durch den zuständigen Gerichtsvollzieher und die Einstellung
der Energieversorgung in Gegenwart und unter Aufsicht des
zuständigen Gerichtsvollziehers angeordnet.
Der Verfügungsbeklagten wird gestattet, die Vollziehung der
Liefersperre durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von
1.800,00 EUR abzuwenden. Die Sicherheit kann auch durch die Vorlage
einer selbstschuldnerischen, unwiderruflichen und unbefristeten
Bürgschaft eines im Inland zur Vornahme von Bankgeschäften
zugelassenen Kreditinstitutes erbracht werden.
Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens werden der
Verfügungsbeklagten auferlegt.
Die Verfügungsklägerin versorgt die Verfügungsbeklagte mit Strom- und Gas. Dem
Vertragsverhältnis liegen nach § 116 EnWG die AVBElTV bzw. AVBGasV vom 21. Juni
1979 zugrunde.
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Mit Schreiben vom 28. Oktober 2005 (Bl. 15 ff. d.A.) rechnete die Verfügungsklägerin
den Jahresverbrauch, wobei sie eine Nachforderung von 1.160,91 EUR errechnete.
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Zugleich hob sie die monatlichen Abschlagszahlungen von 437,07 EUR auf 507,00
EUR an. Mit Schreiben vom 29.12.2005 hob sie erneut die monatlichen
Abschlagszahlungen an und zwar auf 576,00 EUR.
Mit Schreiben vom 1. Februar 2006 (Bl. 10 f. d.A.) erklärte die Verfügungsbeklagte, sie
bezweifele die Berechtigung der Verfügungsklägerin, überhaupt die Preise anzupassen,
und behauptete ohne nähere Erläuterung, die Preisanhebungen seinen unangemessen.
In einer Anlage zu diesem Schreiben (Bl. 12 f. d.A.) berechnet sie die nach ihrer Ansicht
angemessenen Preise und errechnet hieraus eine Nachzahlung aus der
Jahresverbrauchsabrechnung von 537,50 EUR und monatliche Abschläge von 476,54
EUR. Sie kündigte damit ferner an, den Rückstand aus der
Jahresverbrauchsabrechnung in monatlichen Raten bis September 2006 nachzuzahlen.
Die Verfügungsklägerin ließ dieses Schreiben durch die NEW Energie GmbH am 7.
März 2006 beantworten (Bl. 7 ff. d.A.).
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Nachdem die Verfügungsbeklagte die von der Verfügungsklägerin geltend gemachten
Beträge auch nach einer Mahnung vom 25.02.2006 unter Androhung der Einstellung der
Energieversorgung nicht zahlte, versuchte die Verfügungsklägerin am 15.03.2006, die
Versorgung einzustellen. Die Verfügungsbeklagte verweigerte ihr jedoch den Zutritt.
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Die Verfügungsklägerin meint, sie sei nach § 33 AVBElTV bzw. § 33 AVBGasV zur
Versorgungseinstellung berechtigt. Sie behauptet, nach ihren Tarifen und den
berechtigterweise berechneten Abschlagszahlungen bestünden Zahlungsrückstände
per 30. März 2006 in Höhe von 1.713,57 EUR. Sie ist der Ansicht, schon deshalb zur
Versorgungseinstellung berechtigt zu sein, weil die Verfügungsbeklagte nicht einmal die
von ihr als berechtigt anerkannten Zahlungen leiste.
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Die Verfügungsklägerin beantragt im Wege der einstweiligen Verfügung,
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1. Der Verfügungsbeklagten aufzugeben, den mit einem Ausweis versehenen
Beauftragten der Verfügungsklägerin Zutritt zu dem Haus .XX, 41836 Hückelhoven
zu gestatten und die Einstellung der Energieversorgung durch Sperrung des Gas-
und Stromzählers (...) zu dulden.
2. Für den Fall der Verweigerung des Zutritts und des Widerstandes gegen die
Liefersperre werden die zwangsweise Öffnung des Hauses bzw. der Wohnung
durch den zuständigen Gerichtsvollzieher und die Einstellung der
Energieversorgung in Gegenwart und unter Aufsicht des zuständigen
Gerichtsvollziehers anzuordnen.
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Die Verfügungsbeklagte beantragt,
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die Anträge zurückzuweisen.
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Unter Berufung auf ihre bereits erwähnte Zusammenstellung vom 1. Februar 2006 meint
sie, es bestünden lediglich Zahlungsrückstände von 403,09 EUR. Sie meint, diese
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seien nur geringfügig. Ferner dürfe die Verfügungsklägerin die Versorgung nicht
einstellen, solange sie geltend mache, dass die von der Verfügungsklägerin verlangten
Preise unangemessen seien.
Hinsichtlich aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte
gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nach §§ 935, 940 ZPO zulässig
und begründet, denn die Verfügungsklägerin hat einen Anspruch auf Einstellung der
Versorgung nach § 33 Absatz 2 AVBElTV bzw. AVBGasV ebenso glaubhaft gemacht,
wie das Vorliegen eines Verfügungsgrundes.
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1. Auf das Rechtverhältnis der Parteien sind die AVBGasV und AVBElTV anzuwenden,
denn es handelt sich um einen Besandsvertrag für Tarifkunden, auf den nach § 116
EnWG 2005 die bestehenden Vorschriften auch weiter Anwendung finden.
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Die Verfügungsklägerin ist nach § 33 Abs. 2 AVBGasV bzw. AVBElTV berechtigt, die
Versorgung der Verfügungsbeklagten mit Gas und Strom einzustellen und hierzu Zutritt
zur Wohnung zu erlangen (§ 16 AVBGasV bzw. AVBElTV). Die Verfügungsbeklagte ist
ihrer Zahlungspflicht trotz Mahnung nicht nachgekommen.
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a)Die Verfügungsklägerin hat glaubhaft gemacht, dass ihr gegen die
Verfügungsbeklagte zum 30. März 2006 ein Zahlungsanspruch in Höhe von
1.713,57 EUR zustand. Soweit die Verfügungsbeklagte hiergegen ohne nähere
Erläuterung einwendet, die Gaspreise der Verfügungsbeklagten entsprächen nicht der
Billigkeit und seien daher nicht geschuldet, kann sie damit jedenfalls im vorliegenden
Verfahren keinen Erfolg haben.
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Die Verfügungsklägerin hat nämlich lediglich glaubhaft zu machen, dass ihre Forderung
begründet ist. Eine Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 ZPO erfordert dabei einen
gegenüber der Beweisführung geringeren Überzeugungsgrad. Eine Behauptung ist
glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie
zutrifft (BGH, Beschl. v. 11. September 2003, IX ZB 37/03, www.jurisweb.de Rn.8 =
BGHZ 156, 139 = NJW 2003, 3558; BGH, Beschl. v. 20. März 1996, VIII ZB 7/96, NJW
1996, 1682, 1682; Musielak-Huber, ZPO, 4. Aufl., § 294 Rn. 3; kritisch: Zöller-Greger,
ZPO, 25. Aufl., § 294 Rn. 6; jew. m.w.N.). Ausgehend davon, dass die
Verfügungsbeklagte die bis zum 1.1.2005 von der Verfügungsklägerin geltend
gemachten Preise selber für angemessen hält, hat die Verfügungsklägerin durch
Bezugnahme auf das von der Verfügungsbeklagten selber vorgelegte Schreiben der
NEW Energie GmbH vom 7. März 2006 ausreichend glaubhaft gemacht. In diesem
Schreiben wird erläutert, dass die Preissteigerung noch unter der Erhöhung der
Bezugspreise liegt, welche die Verfügungsklägerin für den Einkauf von Erdgas bei
ihrem Vorlieferanten aufwenden muss. Dies reicht jedenfalls im Rahmen der
Glaubhaftmachung aus, um die Berechtigung zur Anhebung der Gaspreise zu
begründen (LG Heilbronn, Urt. vom 19. Janaur 2006, 6 S 16/05 Ab – nicht rechtskräftig,
www.landgericht-heilbronn.de Seite 10 ff.). Es kann hier dahinstehen, ob dies auch im
Zahlungsprozess ausreichend ist, in dem die Verfügungsklägerin nicht lediglich eine
überwiegende Wahrscheinlichkeit glaubhaft machen muss, sondern den Vollbeweis
führen muss, dass ihre Tarife der Billigkeit entsprechen (so LG Heilbronn a.a.O.).
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b) Aber selbst dann, wenn man zu Gunsten der Verfügungsbeklagten entgegen der hier
vertretenen Ansicht die Darlegungen der Verfügungsklägerin als nicht ausreichend
ansehen würde, hat die Verfügungsbeklagte fällige Zahlungspflichten trotz Mahnung
nicht erfüllt, so dass selbst in diesem Falle eine Versorgungseinstellung nach § 33
AVBElTV bzw. AVBGasV gerechtfertigt ist. Nach ihrer eigenen Aufstellung schuldete
sie aus der Jahresverbrauchsabrechnung am 1. Februar 2006 einen Betrag von
537,50 EUR und zum Schluss der mündlichen Verhandlung noch 403,09 EUR. Dieser
Betrag ist auch nicht so gering, dass eine Versorgungseinstellung deshalb
ausgeschlossen wäre. Soweit sich die Verfügungsbeklagte hierzu auf das Urteil des
Landgerichts Mönchengladbach vom 7. November 2005 (7 O 116/05) bezieht, ist der
diesem Urteil zu Grunde liegende Sachverhalt gleich aus einer Vielzahl von Gründen
mit dem hier zu Entscheidenenden nicht vergleichbar: Auf das dort entschiedene
Vertragsverhältnis waren die AVBGasV nicht anwendbar, es ging vielmehr um die
Frage, ob nach § 36 EnWG 2005 eine Versorgungspflicht des Energieversorgers
besteht. Darüber hinaus ist aber in dem Urteil zutreffend von der Verfügungsbeklagten
zitiert ausgeführt, dass diese Voraussetzungen dann nicht vorliegen, wenn der streitige
Rückstand gering ist und der Verbraucher erklärt, zur Leistung bereit zu sein. Das ist
hier aber gerade nicht der Fall. Die Verfügungsbeklagte ist nicht einmal bereit und in der
Lage, den unstreitigen Rückstand aus der Jahresverbrauchabrechnung 2005 zu zahlen.
Dies lässt ohne weiteres den Rückschluss zu, dass sie erst Recht nicht bereit und in der
Lage sein wird, im Falle einer Verurteilung im Zahlungsprozess den vollen glaubhaft
gemachten Zahlungsrückstand auszugleichen.
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Ein verhältnismäßig geringfügiger Rückstand liegt hier schon deshalb nicht vor, weil die
Verfügungsbeklagte ihn nicht in einer Summe zahlen kann. Darüber hinaus bestehen
aber auch erhebliche Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Verfügungsbeklagten.
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2. Die Verfügungsbeklagte hat demgegenüber auch nicht dargelegt, dass die Schwere
der Folgen außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen würde und
hinreichende Aussicht besteht, dass sie ihren Verpflichtungen nachkommen werde (§
33 Abs. 2 S. 2 AVBGasV/AVBEltV). Abgesehen davon, dass die Verfügungsbeklagte
gar nicht dargelegt hat, welche Härten gegebenenfalls mit der Versorgungseinstellung
verbunden wären, ist die Zuwiderhandlung auch erheblich. Die Verfügungsbeklagte
sieht sich selber nur in der Lage, den von ihr als richtig anerkannten Rest aus der
Jahresverbrauchsabrechnung in acht Monatsraten zu zahlen, obwohl dieser mit
Zusendung der Jahresverbrauchsabrechnung in einer Summe fällig gewesen wäre.
Hinzu kommt, dass nach dem glaubhaft gemachten Sachvortrag der Verfügungsklägerin
dieser ein Anspruch in Höhe von 1.713,57 EUR zusteht, der sich monatlich infolge der
Kürzung der Abschlagszahlungen noch erhöht, ohne dass eine berechtigte Aussicht der
Verfügungsklägerin bestehen würde, im Falle eines Obsiegens im Zahlungsprozess
auch tatsächlich die bis dahin aufgelaufenen Rückstände zu realisieren. Abgesehen
davon, dass sich hieraus bereits ergibt, dass nicht zu erwarten ist, dass die
Verfügungsbeklagte künftig ihren Vertragspflichten nachkommt, ist es der
Verfügungsklägerin nicht zuzumuten, die Verfügungsbeklagte weiter mit Energie zu
beliefern, ohne Aussicht darauf zu haben, dass ihre berechtigten Zahlungsansprüche
befriedigt werden.
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3. Die Voraussetzungen einer Versorgungseinstellung liegen daher vor. Allerdings ist
dem Sicherungsbedürfnis der Verfügungsklägerin auch dann Rechnung getragen, wenn
die Verfügungsbeklagte für die behaupteten Rückstände Sicherheit leistet, denn es ist
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dann der Verfügungsklägerin zuzumuten, ihre Zahlungsansprüche im Klagewege
geltend zu machen, wenn sie nicht befürchten muss, trotz eines Titels mit der Forderung
auszufallen. Daher ist der Eingriff auf das erforderliche Maß zu beschränken und der
Verfügungsbeklagten nachzulassen, die Vollziehung der Liefersperre durch
Sicherheitsleistung abzuwenden.
4. Es liegt auch ein Verfügungsgrund vor, denn infolge des fortlaufenden Gas- und
Strombezuges erhöht sich der Zahlungsrückstand ständig. Da die Verfügungsklägerin
kraft Gesetzes zur Versorgung verpflichtet ist, ist es ihr – anders als zum Beispiel einem
Vermieter, der sich seine Mieter aussuchen kann – nicht zuzumuten, ein
Hauptsacheverfahren abzuwarten.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich, weil Urteile, die eine einstweilige Verfügung
aussprechen, auch ohne gesonderten Ausspruch vorläufig vollstreckbar sind.
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6. Das Vorbringen im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 9. Mai 2006 rechtfertigt
keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
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Streitwert: 900,00 EUR (Neugebauer)
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