Urteil des AG Emmerich vom 07.08.2006

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Amtsgericht Emmerich am Rhein, 4 Ds 403 Js 190/05 (728/05)
Datum:
07.08.2006
Gericht:
Amtsgericht Emmerich am Rhein
Spruchkörper:
Strafrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 Ds 403 Js 190/05 (728/05)
Normen:
StGB § 125
Sachgebiet:
Strafrecht
Rechtskraft:
ja
Tenor:
Der Angeklagte wird wegen Landfriedensbruchs, Vergehen nach § 125
StGB, zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 25,-- Euro
kostenpflichtig verurteilt.
Der Angeklagte erlernte nach dem Hauptschulabschluss der Klasse 10 b den Beruf des
XX. Zuletzt war er bis zum 28.02.2006 bei der Bundeswehr. Sein Antrag, sich dort für die
Dauer von 8 Jahren zu verpflichten, wurde u.a. wegen dieses Verfahrens abgelehnt. Der
Angeklagte ist zurzeit arbeitslos. Er erhält Arbeitslosengeld I in Höhe von 770,-- Euro
monatlich. Es ist ledig und hat keine Unterhaltsverpflichtungen.
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Der Angeklagte ist bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er wurde am
14.06.2004 durch das Amtsgericht Mönchengladbach wegen Verstoßes gegen das
Waffengesetz zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20,-- Euro verurteilt.
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Der Angeklagte gehört der X X an. In dieser Fußballfangruppe fuhr er mit dem Bus zu
dem am 26.03.2005 stattfindenden Freundschaftsspiel zwischen der slowenischen und
der deutschen Fußballnationalmannschaft in Celje/Slowenien. Auf der Fahrt dorthin und
vor dem Stadion trank der Angeklagte in erheblichem Umfange Bier und Whisky.
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Bereits im Vorfeld des Fußballspiels kam es in der Innenstadt von Celje zu
gewalttätigen Ausschreitungen deutscher Fans. Da beim Einlass in das Stadion die
Eintrittskarten kaum kontrolliert wurden, gelangten eine Großzahl gewaltbereiter
deutscher Problemfans in das Stadion. Während des Spiels kam es zu Ausschreitungen
deutscher Fans im deutschen Fanblock. Ein deutscher Fußballfan zündete ein
Bengalisches Feuer und warf es auf das Spielfeld. Der Angeklagte, der sich mitten in
der gewaltbereiten Menge befand, zündete kurz danach einen Silvesterknaller und warf
ihn auf den Boden. Mehrere Fans traten Sitzschalen aus der Verankerung. Viele Fans
grölten. Daraufhin erschienen slowenische Sicherheitskräfte. Der Angeklagte lief auf
eine Sicherheitskraft zu, packte diese am Oberkörper an der Schutzkleidung und
schubste sie weg. Es entstand eine kurze Rangelei zwischen dem Angeklagten und
dieser Sicherheitskraft. In dieser Zeit traten andere Fans noch gegen die Sitzschalen,
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hoben ihre Hände in Kampfstellung und grölten. Schließlich ließ der Angeklagte von der
Sicherheitskraft ab und ging mehrere Schritte zurück. Er stand wenige Meter von
mehreren Sicherheitskräften entfernt und gestikulierte mit geballten Fäusten in Richtung
der Sicherheitskräfte, dabei grölte er. Der Angeklagte wurde schließlich von den
Sicherheitskräften aus dem Stadion entfernt.
Der Angeklagte hat zwischenzeitlich vom DFB ein Stadionverbot für 5 Jahre erhalten.
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Dieser Sachverhalt ist in der Hauptverhandlung festgestellt worden aufgrund der
geständigen Einlassung des Angeklagten, aufgrund der unbeeidigten Aussage des
Zeugen X und der in Augenschein genommenen Videos Nr. 8 und 10 sowie der
Bestimmungen des slowenischen Strafgesetzbuches gemäß Auskunft der slowenischen
Botschaft vom 30.06.2006.
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Der Angeklagte räumt ein, die Sicherheitskraft geschubst und evtl. geschrieen zu haben.
Er hat dies damit begründet, er habe sich von der aggressiven Grundhaltung im Stadion
anstecken lassen. Ein solches Verhalten sei normalerweise nicht seine Art, er
entschuldige sich für sein Verhalten.
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Im Übrigen ist der Angeklagte der Ansicht, dass die Tat nach slowenischem Recht nicht
strafbar sei.
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Nach § 7 StGB findet deutsches Recht Anwendung, da der Angeklagte zur Zeit der Tat
Deutscher war und die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist. Die Tat des Angeklagten ist
zumindest nach § 299 des slowenischen Strafgesetzbuches strafbar. Nach dieser
Vorschrift wird jemand mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren bestraft, wer eine
andere Person in dessen Sicherheit bedroht und damit in der Öffentlichkeit Entrüstung
oder Erschrecken verursacht. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die Gefährdung
der Sicherheit kann bereits durch ein freches und skrupelloses Verhalten verursacht
werden, womit der Täter die andere Person in einen Status der Beunruhigung, des
Unbehagens oder der Angst versetzt. Dadurch, dass der Angeklagte die Sicherheitskraft
angriff und sie wegschubste, war diese Person zumindest beunruhigt. Infolge der Film-
und Zeitungsberichte über die Vorfälle trat auch eine Beunruhigung und Entrüstung der
slowenischen Bevölkerung ein.
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Ferner erfüllte das Verhalten des Angeklagten den Straftatbestand des § 301
slowenisches Strafgesetzbuches. Nach dieser Vorschrift wird mit einer Freiheitsstrafe
von bis zu 2 Jahren verurteilt, wer sich in einer Gruppe beteiligt, die durch gemeinsame
Handlungen jeglicher Art von Gewalt gegen Menschen begeht, Vermögen größeren
Wertes zerstört oder beschädigt oder eine solche Straftat zu begehen versucht. Der
Angeklagte befand sich in der Gruppe des gewaltbereiten Fanblocks. Aus dem
gemeinsamen Grölen und Gestikulieren ergab sich, dass die Beteiligten die Übergriffe
der anderen billigten und mittrugen. Mit dem Rückhalt der anderen Fans schubste der
Angeklagte die Sicherheitskraft weg. Bei der Gewalt muss es sich nicht um eine
Körperverletzung handeln, unter dem Begriff der Gewalt im Sinne dieser Vorschrift fällt
auch eine Bedrohung oder ein rücksichtsloses Verhalten. Diese Voraussetzungen
waren gegeben.
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Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sich der Angeklagte des Landfriedensbruchs,
Vergehen nach § 125 StGB, strafbar gemacht. Er hat aus einer Menschenmenge
heraus, nämlich dem deutschen Fanblock des Stadions, eine Sicherheitskraft mit
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Gewalttätigkeiten bedroht. Bei dem Fanblock handelte es sich um eine größere Anzahl
von Personen. Der Angeklagte handelte aus der Menschenmenge heraus. Er handelte
mit Rückhalt der weiteren Fußballfans, wie sich daraus ergibt, dass andere Personen
gegen Sitzschalen traten oder grölten oder wild gestikulierten, während der Angeklagte
die Sicherheitskraft schubste. Durch das Verhalten der gewaltbereiten Fußballfans
entstand auch für die im Stadion befindlichen Sachen, insbesondere die Bestuhlung, ein
erheblicher Schaden. Ferner wurden die Sicherheitskräfte durch die Übergriffe der
gewalttätigen Fans gefährdet. Letztendlich wurde auch das allgemeine
Sicherheitsgefühl der slowenischen und der deutschen Bevölkerung tangiert. Dies
ergibt sich aus den vielfachen Veröffentlichungen in deutschen Medien.
Der Angeklagte handelte auch mit direktem Vorsatz. Wie sich aus seinem Übergriff
gegenüber der Sicherheitskraft und seinem anschließenden aggressiven Gestikulieren
ergibt, wollte er die gewaltbereite Menge durch aktives Tun unterstützen und trug deren
Gewalttätigkeiten mit. Es war ihm auch klar, dass er hierdurch die Sicherheitskräfte und
die im Stadion befindlichen Sachen gefährdete.
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Der Angeklagte war zum Tatzeitpunkt schuldfähig. Der Angeklagte konnte sich zum Teil
noch an die Vorfälle erinnern, was sich insbesondere daraus ergibt, dass er sich dahin
gehend eingelassen hat, er habe kein Bengalisches Feuer geworfen, sondern lediglich
einen Silvesterknaller gezündet. Er wusste auch noch, dass er eine Sicherheitskraft
geschubst hatte. Ferner ergibt sich aus den in Augenschein genommenen Videos, dass
der Angeklagte sehr sicher und gezielt auf die Sicherheitskraft zugelaufen ist und noch
in der Lage war, diese wegzustoßen. Auch seine Körperhaltung beim anschließenden
aggressiven Gestikulieren beweist, dass der Angeklagte noch gezielt handeln konnte.
Zugunsten des Angeklagten muss jedoch davon ausgegangen werden, dass er infolge
seine Alkoholisiereung in seiner Schuldfähigkeit erheblich gemindert war. Da eine
Strafrahmenverschiebung nach § 49 StGB nicht in Betracht kam. war das bei der
Strafzumessung zu berücksichtigen.
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Bei der Strafzumessung war zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass die
Tat nunmehr nahezu 1 ½ Jahre zurückliegt und er durch die Strafverfolgung bereits
wirtschaftliche Nachteile erlitten hat. Er hat darüber hinaus ein Stadionverbot von 5
Jahren erhalten, was ihn in seinem Freizeitverhalten stark einschränkt. Der Angeklagte
war schließlich einer von vielen Tätern, wobei er einer der wenigen ist, die sich
strafrechtlich verantworten müssen. Der Angeklagte war durch den Alkoholkonsum
schließlich erheblich enthemmt. Der Angeklagte war auch geständig und reuig. Auf der
anderen Seite ist der Angeklagte bereits einschlägig strafrechtlich in Erscheinung
getreten. Das Gefühl der Rechtssicherheit wurde auch in der deutschen und
slowenischen Bevölkerung durch die tätlichen Übergriffe der Fußballfans erheblich
beeinträchtigt. Unter Berücksichtigung aller Umstände konnte noch eine Geldstrafe
gegen den Angeklagten festgesetzt werden, die jedoch empfindlich ausfallen musste.
Eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen war tat- und schuldangemessen.
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Die Tagessatzhöhe war entsprechend dem Einkommen des Angeklagten auf 25,-- Euro
festzusetzen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.
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