Urteil des AG Duisburg vom 24.03.2010

AG Duisburg (schuldner, treuhänder, amt, aufgaben, abtretung, dritter, rechtskraft, gabe, einzug, einziehung)

Amtsgericht Duisburg, 62 IK 86/03
Datum:
24.03.2010
Gericht:
Amtsgericht Duisburg
Spruchkörper:
62. Abteilung des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
62 IK 86/03
Normen:
InsO § 287 Abs.2, § 292, § 203
Leitsätze:
Das Amt des Treuhänders im Verfhren zur Restschuldbefreiung endet
erst, wenn der Treuhänder seine gesetzlichen Aufgaben vollständig
erfüllt hat.
Zu den Aufgaben des Treuhänders gehört nicht nur der (notfalls
gerichtliche) Einzug der an ihn abgetretenen Bezüge, sondern auch der
Einzug von Forderungen, die darauf beruhen, dass der Schuldner diese
Bezüge zu Unrecht selbst vereinnahmt hat.
Ist bei Erteilung der Restschuldbefreiung der Forderungseinzug noch
nicht abgeschlossen, so ist der Treuhänder auch in der Folgezeit
berechtigt, die Forderung (notfalls gerichtlich) einzuziehen; er bleibt
insoweit verwaltungs- und verfügungsbefugt.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die Treuhänderin auch über den 1.10.2009
hinaus berechtigt ist,
a)
die von der Abtretungserklärung des Schuldners vom 7.7.2003 sachlich
und zeitlich erfassten Bezüge einzuziehen,
b)
Forderungen einzuziehen, die darauf beruhen, dass der Schuldner oder
ein Dritter über die von der Abtretungserklärung des Schuldners vom
7.7.2003 schlich und zeitlich erfassten Bezüge verfügt oder den
Forderungseinzug der Treuhänderin auf andere Weise beeinträchtigt
hat.
Gründe
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I.
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Vom 1. 10. 2003 bis zum 31. 8. 2005 fand über das Vermögen des Schuldners das
Verbraucherinsolvenzverfahren statt. Der Schuldner hatte Restschuldbefreiung
beantragt und mit Erklärung vom 7. 7. 2003 seine laufenden Bezüge nach Maßgabe des
§ 287 Abs. 2 InsO für die Zeit von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
an den vom Insolvenzgericht zu bestellenden Treuhänder abgetreten.
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Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 25. 7. 2005 wurde dem Schuldner die
Restschuldbefreiung angekündigt (§ 291 InsO). Anschließend nahm die bisherige
Treuhänderin im Verbraucherinsolvenzverfahren, Rechtsanwältin K, die Aufgaben der
Treuhänderin nach § 291 Abs. 2, § 292 InsO wahr (§ 313 Abs. 1 Satz 2 InsO). Im
September 2006 erfuhr sie, dass der Schuldner in den Jahren 2005 und 2006 pfändbare
Bezüge, die von der Abtretungserklärung vom 7. 7. 2003 erfasst waren, selbst
vereinnahmt und nicht an sie abgeführt hatte. Nach ihrer Ansicht hatte er ihr die
Einkünfte und die für die Pfändbarkeit maßgebenden Einkommensverhältnisse seiner
Ehefrau vorsätzlich verheimlicht. Wegen dieser vorenthaltenen Beträge erhob sie im
April 2009 beim Landgericht Duisburg Klage gegen den Schuldner. Ein Urteil ist noch
nicht ergangen.
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Am 1. 10. 2009 ist die sechsjährige Laufzeit der Abtretungserklärung des Schuldners (im
folgenden auch: Wohlverhaltenszeit) abgelaufen, mit Beschluss vom 11. 3. 2010 hat das
Insolvenzgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung erteilt.
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Die Treuhänderin beantragt nunmehr, hinsichtlich der eingeklagten Beträge eine
Nachtragsverteilung und die Fortdauer ihrer Befugnisse anzuordnen.
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II.
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Die (konstitutive) Anordnung einer Nachtragsverteilung analog § 203 Abs. 1 Nr. 1 InsO
ist nicht erforderlich, weil die Treuhänderin im vorliegenden Fall schon von Rechts
wegen auch nach der Erteilung der Restschuldbefreiung die von ihr beanspruchten
Befugnisse hat. Sie ist kraft ihres gesetzlichen Aufgabenkreises als Treuhänderin (§ 292
Abs. 1 InsO) über den 1. 10. 2009 hinaus berechtigt, die von der Abtretungserklärung
sachlich und zeitlich erfassten, aber noch nicht von ihr vereinnahmten Bezüge von den
Drittschuldnern einzuziehen. Gleiches gilt für Forderungen, die darauf beruhen, dass der
Schuldner oder ein Dritter über die abgetretenen Bezüge verfügt oder den
Forderungseinzug der Treuhänderin auf andere Weise beeinträchtigt hat.
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1. Das Gesetz bestimmt nicht ausdrücklich, zu welchem Zeitpunkt das Amt des
Treuhänders beendet ist, wenn der Schuldner, wie hier, das Verfahren zur
Restschuldbefreiung erfolgreich durchlaufen hat und ihm die Restschuldbefreiung erteilt
worden ist (vgl. § 292 Abs. 3 InsO). Lediglich für den Fall der vorzeitigen Beendigung
des Verfahrens durch rechtskräftige Versagung nach den §§ 296, 297 oder 298 InsO
sieht § 299 InsO vor, dass das Amt des Treuhänders mit der Rechtskraft der
gerichtlichen Entscheidung endet. Hieraus wird teilweise die Auffassung abgeleitet,
dass in einem erfolgreichen Verfahren zur Restschuldbefreiung die Tätigkeit des
Treuhänders entweder mit dem Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung
(Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl. 2010, § 292 RdNr. 10) oder mit der rechtskräftigen
Erteilung der Restschuldbefreiung abgeschlossen sei (MünchKomm-InsO/Ehricke, 2.
Aufl. 2007, § 292 RdNr. 12). Diese Ansicht überzeugt nicht. Sie lässt wesentliche
Gesichtspunkte außer Betracht.
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2. Das Amt des Treuhänders im Verfahren zur Restschuldbefreiung endet erst, wenn der
Treuhänder die ihm vom Gesetz, insbesondere in § 292 Abs. 1 InsO, zugewiesenen
Aufgaben vollständig erfüllt hat. Der hierfür erforderliche Zeitraum deckt sich weder
notwendigerweise mit der Laufzeit der Abtretungserklärung noch mit dem Verfahren
über den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung.
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a) Besonders deutlich wird dies, wenn der Treuhänder die abgetretenen Bezüge im
Klagewege, etwa gegen den Arbeitgeber des Schuldners, geltend machen muss (wozu
er befugt ist; vgl. Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl. 2010, § 292 RdNr. 24; Wenzel, in:
Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 292 RdNr. 1; MünchKomm-InsO/Ehricke, 2. Aufl. 2007, §
292 RdNr. 19) und der Rechtsstreit zum Ende der Wohlverhaltenszeit noch nicht
abgeschlossen ist. Wird in einem solchen Fall die Restschuldbefreiung rechtskräftig
versagt, so ist die Rechtsfolge des § 299 InsO hinsichtlich des Treuhänderamts
durchaus sinnvoll, weil mit Rechtskraft der insolvenzgerichtlichen Entscheidung wieder
das unbeschränkte Nachforderungsrecht jedes einzelnen Insolvenzgläubigers eingreift
(§§ 299, 201 Abs. 1, § 215 Abs. 2 Satz 2 InsO) und kein Bedürfnis besteht, den
Treuhänder weiter in die Einziehung von Forderungen gegen Drittschuldner
einzubeziehen. Anders ist es jedoch, wenn die Restschuldbefreiung erteilt wird. Da in
diesem Fall den Insolvenzgläubigern regelmäßig kein Nachforderungsrecht mehr
zusteht (§§ 301, 302 InsO), können sie auf die an den Treuhänder abgetretenen
Forderungen nicht mehr selbst zugreifen. Sie haben aber nach dem Zweck der
Abtretungserklärung (§ 287 Abs. 2 InsO) ein Anrecht darauf, dass ihnen als Ausgleich
für die Restschuldbefreiung des Schuldners zumindest noch die Bezüge, die der
Treuhänder nach Maßgabe des § 292 Abs. 1 InsO einzuziehen und an sie zu verteilen
hat, möglichst vollständig zufließen. Wie lange der Forderungseinzug dauert, liegt
außerhalb ihrer Einflussmöglichkeiten. Es ist deshalb weder vom Zweck der
Restschuldbefreiung geboten noch sonst sachgerecht, die noch nicht beendete
Einziehung der abgetretenen Bezüge des Schuldners durch den Treuhänder nur
deshalb abzubrechen, weil dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt worden ist.
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b) Die zeitliche Begrenzung der vom Schuldner erklärten Abtretung auf sechs Jahre
(§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO) ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Sie
beschreibt und begrenzt lediglich das Objekt der Abtretung, nämlich die in der Zeit
zwischen der Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem sechsten Jahrestag der
Verfahrenseröffnung entstehenden Forderungen auf laufende Bezüge. Sie betrifft jedoch
nicht den Zeitraum, innerhalb dessen der Treuhänder die von der Abtretungserklärung
sachlich und zeitlich erfassten Forderungen geltend machen darf.
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c) Hat der Treuhänder am Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung den
Forderungseinzug noch nicht abgeschlossen, so ist er deshalb, falls dem Schuldner die
Restschuldbefreiung erteilt wird, auch in der Folgezeit berechtigt, die von der Abtretung
zeitlich und sachlich erfassten Forderungen gerichtlich und außergerichtlich
einzuziehen und nach Maßgabe des § 292 Abs. 1 InsO zu verteilen. Er bleibt insoweit
auf Grund der Abtretungserklärung verwaltungs- und verfügungsbefugt.
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3. Die Befugnisse der Treuhänderin bestehen im vorliegenden Fall auch für den noch
nicht abgeschlossenen Einzug solcher Forderungen fort, die darauf beruhen, dass der
Schuldner oder ein Dritter über die abgetretenen Bezüge zu Unrecht verfügt oder den
vollständigen Forderungseinzug durch die Treuhänderin auf andere Weise
beeinträchtigt hat. Insoweit hat die Treuhänderin ebenfalls die gleiche Stellung wie
während der Laufzeit der Abtretungserklärung. Die Erstattungs- oder Ersatzansprüche
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treten an die Stelle der ursprünglich abgetretenen Forderungen. Dies gilt insbesondere,
wenn der Schuldner der Treuhänderin die Bezüge verheimlicht und vorenthalten hat,
ohne dass die Treuhänderin den Drittschuldner erneut in Anspruch nehmen kann.
Duisburg, 24.03.2010
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Amtsgericht
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