Urteil des AG Duisburg vom 21.04.2010

AG Duisburg (china, ende der frist, scheidung, ehescheidung, beschwerde, frist, ehegvo, leben, anhörung, bekanntgabe)

Amtsgericht Duisburg, 54 F 200/09
Datum:
21.04.2010
Gericht:
Amtsgericht Duisburg
Spruchkörper:
54. Abteilung des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
54 F 200/09
Schlagworte:
Keine Rückverweisung des chinesischen IPR auf deutsches Sachrecht.
Kein Versorgungsausgleich nach chinesischem Eherecht.
Normen:
Art. 17 Abs. 1, 3 EGBGB, Art. 143, 147 Allgemeine Grundsätze des
Zivilrechts der VR China
Leitsätze:
1.
Sind beide Ehegatten chinesische Staatsangehörige, gilt für die
Ehescheidung unabhängig vom Ort der Eheschließung und des
gewöhnlichen Aufenthaltes materielles chinesisches Scheidungsrecht.
2.
Das chinesische materielle Scheidungsrecht kennt keinen
Versorgungsausgleich.
Rechtskraft:
nein
Tenor:
1.
Die am 12.08.2004 vor dem Standesamt Logumkloster/Dänemark unter
der Heiratsregisternummer X/2004 geschlossene Ehe der Beteiligten
wird geschieden.
2.
Der Wertausgleich bei der Scheidung findet nicht statt.
3.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
4.
Der Verfahrenswert wird festgesetzt auf 2.000,00 Euro.
Gründe
1
Ehescheidung
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I. Die Beteiligten schlossen am 12.08.2004 vor dem Standesbeamten des Standesamts
Logumkloster Kommune die Ehe. Beide Beteiligte sind chinesische Staatsangehörige.
Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen.
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Die Beteiligten leben seit dem 01.09.2008 getrennt. Seinerzeit zog die Antragstellerin
aus der gemeinsamen Ehewohnung aus.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die am 12.08.2004 vor dem Standesbeamten des Standesamts Logumkloster
Kommune unter der Heiratsregisternummer X/2004 geschlossene Ehe der Beteiligten
zu scheiden.
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Der - anwaltlich nicht vertretene - Antragsgegner widerspricht der Scheidung.
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Das Gericht hat die Beteiligten angehört und ein Schlichtungsverfahren durchgeführt.
Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 21.04.2010
(Bl. 35 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
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II. 1. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist zulässig.
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1. Für die Entscheidung sind deutsche Gerichte international zuständig. Gem. Art. 3
Buchst. a Spiegelstrich 5 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.
November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung
und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (im folgenden: EheGVO) sind
für Entscheidungen über die Ehescheidung die Gerichte des Mitgliedsstaats zuständig,
in dessen Hoheitsgebiet der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er
sich dort seit mindestens einem Jahr unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat.
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Die EheGVO gilt auch für die Scheidung der Ehe der Parteien. Dass China nicht
Vertragsstaat des Vertrags über die Europäischen Gemeinschaften ist, steht nicht
entgegen. Die EheGVO knüpft nur an die dort definierten Voraussetzungen der
internationalen Zuständigkeit an; weitere Anforderungen an die Staatsangehörigkeit
einer der Parteien gelten nicht (Spellenberg, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2005, Art.
1 EheGVO Rn. 34).
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Die Antragstellerin hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Sie hält sich hier
seit mehr als einem Jahr auf. Sie lebt seit Jahren in Deutschland.
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2. Das Amtsgericht Duisburg ist für die Entscheidung gem. § 122 Nr. 4 FamFG örtlich
zuständig. Der Antragsgegner hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk des
Amtsgerichts Duisburg. In seiner Anhörung hat er mitgeteilt, dass er sich sowohl unter
der Anschrift "D. Str. 220" in Duisburg als auch unter der Anschrift "K. K.straße 7" in
Essen regelmäßig aufhalte. Damit bestehen gewöhnliche Aufenthalte in beiden
Gerichtsbezirken. Analog § 35 ZPO ist dann das Amtsgericht Duisburg örtlich zuständig.
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II. Auf die Ehescheidung ist gem. Art. 17 Abs. 1 EGBGB chinesisches Recht
anzuwenden. Beide Beteiligte sind chinesische Staatsangehörige.
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Das chinesische Recht nimmt die Verweisung an. Gem. Art. 147 der Allgemeinen
Grundsätze des Zivilrechts der Volksrepublik China ist auf die Scheidung eines Bürgers
der Volksrepublik China von einem Ausländer das Recht des Orts des Gerichts
anzuwenden, das den Fall zur Behandlung annimmt. Gem. Art. 143 der Allgemeinen
Grundsätze des Zivilrechts der Volksrepublik China kann zur Bestimmung der
zivilrechtlichen Handlungsfähigkeit chinesischer Staatsbürger, die sich im Ausland
niedergelassen haben, das Recht des Niederlassungsstaats angewandt werden.
Dahinstehen kann, ob aus der Gesamtschau beider Bestimmungen in ihrem
Anwendungsbereich eine verdeckte Rückverweisung auf das Recht des Gerichtsorts
ergibt. Beide Bestimmungen kommen vorliegend nicht zur Anwendung.
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Art. 147 der Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts der Volksrepublik China kommt
nicht zur Anwendung, weil beide Ehepartner chinesische Staatsangehörige sind. Art.
143 der Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts der Volksrepublik China kommt nicht
zur Anwendung, weil vorliegend nicht die zivilrechtliche Handlungsfähigkeit der
Beteiligten in Frage steht, sondern die Voraussetzungen der Ehescheidung. Mangels
Regelung der Frage des anzuwendenden Rechts auf die Scheidung von Ehen, die
chinesische Staatsangehörige im Ausland geschlossen haben und deren Scheidung
vor einem ausländischen Gericht beansprucht wird, kommt es nicht zu einer
Rückverweisung.
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2. Die Ehe der Beteiligten ist gem. Art. 25 des Ehegesetzes der Volksrepublik China zu
scheiden. Die Scheidung richtet sich vorliegend gem. Art. 25 des Ehegesetzes der
Volksrepublik China, weil nur einer der Ehegatten die Scheidung begehrt. In seiner
Anhörung hat der Antragsgegner der Scheidung widersprochen.
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Insoweit dahinstehen kann, ob der Widerspruch dem Anwaltszwang unterliegt. Eine
Ehescheidung gem. Art. 24 des Ehegesetzes der Volksrepublik China setzt voraus,
dass beide Ehegatten geschieden werden wollen. Diese Voraussetzung liegt nicht vor.
Eine dritte Möglichkeit der Ehescheidung besteht nicht.
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Das Gericht hat ein Schlichtungsverfahren gem. Art. 25 Abs. 2 des Ehegesetzes der
Volksrepublik China durchgeführt, das ohne Ergebnis geblieben ist. Während die
Antragstellerin das zentrale Problem in der Ehe der Beteiligten darin gesehen hat, dass
der Antragsgegner sie immer wieder um Geld angegangen habe, hat der Antragsgegner
das zentrale Problem in der Ehe der Beteiligten darin gesehen, dass die Antragstellerin
zu selten zu Hause war. Eine Lösung dieser Konflikte war nicht möglich. Dem Wunsch
nach einem Vier-Augen-Gespräch hat sich die Antragstellerin widersetzt. Auf die Frage,
was sich ändern müsste, um wieder miteinander leben zu können, haben beide
Beteiligte ausgeführt, dies sei überhaupt nicht möglich. Daraus ergibt sich, dass die
Schwierigkeiten in der Ehe von beiden Parteien für nicht überwindlich gehalten werden.
Es liegt auf der Hand, dass eine Schlichtung dann nicht möglich ist.
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Die Erfolglosigkeit der Schlichtungsbemühungen des Gerichts ist auch darin begründet,
dass die Beteiligten nicht einmal darüber einig sind, worin die Schwierigkeiten im
ehelichen Miteinander begründet sind. Ohne eine solche Gesprächsgrundlage kann
eine Schlichtung nicht erfolgreich verlaufen. Letztlich hat auch der Antragsgegner
seinen Wunsch, nicht geschieden werden zu wollen, nicht damit begründet, wieder wie
Mann und Frau mit der Antragstellerin zusammen leben zu wollen. Er hat sich vielmehr
auf einen nicht näher begründeten Gesprächsbedarf zwischen den Beteiligten und die
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Wahrheitspflicht der Beteiligten berufen.
Die Gefühle zwischen den Ehegatten sind tatsächlich abgestorben. Das steht nach der
Anhörung der Beteiligten zur Überzeugung des Gerichts fest.
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Es bestehen keine Gefühle der Antragstellerin für den Antragsgegner. Nach Sinn und
Zweck der Vorschrift sind damit Gefühle gemeint, die eine eheliche Beziehung der
Beteiligten tragen. Solche Gefühle hat die Antragstellerin für den Antragsgegner nicht
mehr. Sie hat ausgeführt, sie empfinde nur schlechte Gefühle für den Antragsgegner,
weil sie immer Streit mit ihm gehabt habe und seine Forderungen nicht habe erfüllen
müssen. Dabei ist sie mehrfach in Tränen ausgebrochen. Es erscheint nachvollziehbar,
dass die Tränen der Erinnerung an die schlechten gemeinsamen Zeiten geschuldet sind
und nicht Ergebnis noch bestehender positiver Gefühle für den Antragsgegner sind.
Denn die Antragsgegnerin hat weiter ausgeführt, sie könne nicht mehr mit dem
Antragsgegner nicht mehr zusammen leben.
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Auch der Antragsgegner hat keine Gefühle für die Antragstellerin. Er hat ausdrücklich
ausgeführt, er empfinde nichts für seine Ehefrau; die Ehe sei nicht mehr zu retten. Er hat
weiter betont, der Scheidung zu widersprechen, weil vorher einige Dinge zu klären
seien, die - augenscheinlich - mit der Wahrheitspflicht vor Gericht in Zusammenhang
stehen. Worum es dabei ging und ob insoweit eine Beziehung zu den Gefühlen für die
Antragstellerin bestehen, hat er trotz Nachfrage nicht ausgeführt.
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Versorgungsausgleich
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Die Entscheidung über den Versorgungsausgleich beruht auf Art. 17 Abs. 3 EGBGB.
Danach richtet sich der Versorgungsausgleich nach dem für die Scheidung geltenden
Recht.
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Danach ist der Versorgungsausgleich nicht durchzuführen. Das chinesische Recht
kennt keinen Versorgungsausgleich. Die in Art. 31 ff. des Ehegesetzes der
Volksrepublik China geregelten Scheidungsfolgen sind dem Versorgungsausgleich
nicht vereinbar. Während Art. 31 f. des Ehegesetzes der Volksrepublik China den
Ausgleich des Vermögens regelt, enthält Art. 33 des Ehegesetzes der Volksrepublik
China eine Unterhaltsregelung. Spezielle Regelungen über den Ausgleich der
Anrechte, die der Absicherung eines Ehepartners für den Fall des Alters oder der
verminderten Erwerbsfähigkeit dienen, ergeben sich daraus nicht.
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Der Versorgungsausgleich ist auch nicht gem. Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB nach
deutschen Recht durchzuführen. Hierfür ist erforderlich, dass ein Antrag gestellt wird.
Einen solchen Antrag hat keiner der Ehegatten gestellt.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 150 FamFG, die Festsetzung des
Verfahrenswert aus § 43 FamGKG.
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Rechtsbehelfsbelehrung:
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Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Die
Beschwerde kann sowohl gegen den Beschluss insgesamt, als auch gegen den
Scheidungsausspruch oder jede Entscheidung in einzelnen Folgesachen eingelegt
werden. Wird jedoch eine Folgesache vermögensrechtlicher Art isoliert angefochten, ist
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die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro
übersteigt; dieser Wert gilt nicht für die Entscheidung zum Versorgungsausgleich.
Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt
sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Duisburg, König-
Heinrich-Platz 1, 47051 Duisburg schriftlich in deutscher Sprache durch einen
Rechtsanwalt einzulegen.
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Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen
Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Duisburg
eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende
der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die
Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
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Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die
Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist
zu unterzeichnen.
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Darüber hinaus muss der Beschwerdeführer einen bestimmten Sachantrag stellen und
diesen begründen. Die Frist hierfür beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen
Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des
Beschlusses. Innerhalb dieser Frist müssen der Sachantrag sowie die Begründung
unmittelbar bei dem Beschwerdegericht - Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee
3, 40474 Düsseldorf - eingegangen sein.
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