Urteil des AG Duisburg vom 13.01.2009

AG Duisburg: treuhänder, anschrift, stundung, verfahrenskosten, obliegenheit, einkünfte, kanada, auswanderung, offenkundig, unverzüglich

Amtsgericht Duisburg, 62 IN 147/03
Datum:
13.01.2009
Gericht:
Amtsgericht Duisburg
Spruchkörper:
Insolvenzgericht
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
62 IN 147/03
Normen:
InsO § 295 Abs. 1 Nr. 3, § 296
Leitsätze:
Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger wird messbar beeinträchtigt,
wenn der Schuldner ins Ausland umzieht und dem Treuhänder keine
neue Anschrift mitteilt, so dass dieser zeitlich und sachlich unbegrenzt
außer Stande ist, die abgetretenen pfändbaren Einkünfte des
Schuldners zu ermitteln und einzuziehen.
Tenor:
1. Dem Schuldner wird die Restschuldbefreiung versagt.
2. Die am 06.06.2003 bewilligte Stundung der Verfahrenskosten wird
aufgehoben.
3. Die Kosten des Verfahrens über die Anträge auf Versagung der
Restschuldbefreiung trägt der Schuldner.
G r ü n d e
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I. Über das Vermögen des Schuldners, eines ehemals selbständigen und später
abhängig beschäftigten Industrieinstallateurmeisters, wurde auf dessen Antrag, der mit
einem Antrag auf Restschuldbefreiung verbunden war, am 30.6.2003 nach Stundung
der Verfahrenskosten das Insolvenzverfahren eröffnet. Durch Beschluss des
Insolvenzgerichts vom 5.12.2005 wurde dem Schuldner die Restschuldbefreiung
angekündigt und Rechtsanwalt B zum Treuhänder bestellt (§ 291 Abs. 1, 2 InsO). Am
6.7.2006 wurde das Insolvenzverfahren aufge-hoben. Seither befindet sich der
Schuldner in der sog. Wohlverhaltenszeit (Laufzeit der Abtretungserklärung; vgl. § 287
Abs. 2, §§ 291 bis 300 InsO). Sie würde planmäßig am 30.6.2009 enden.
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Der letzte bekannte Wohnsitz des Schuldners und seiner Ehefrau lautete X-str. 45, W.
Mit Schreiben vom 9.6.2006 teilte der Schuldner dem Gericht mit, er werde
voraussichtlich im Mai 2007 mit seiner Familie nach Kanada auswandern, weil er dort in
Edmonton, Alberta, einen guten Arbeitsplatz angeboten bekommen habe. Eine neue
Wohnanschrift könne er dem Gericht noch nicht angeben. Eine inhaltsgleiche Mitteilung
machte der Schuldner mit Schreiben vom 6.4.2007 dem Treuhänder. In der folgenden
Zeit meldete sich der Schuldner weder beim Treuhänder noch beim Gericht. Im März
2008 reichte der Schuldner über seine Steuerberaterin beim Finanzamt W eine
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Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2005 ein, in der als Anschrift seine letzte
inländische Wohnanschrift eingetragen war. Neben der Unterschrift befand sich die
Angabe "Edmonton, 1.3.2008". Die Steuerberaterin erklärte dem Finanzamt auf Anfrage,
der Schuldner habe ihr untersagt, die genaue Anschrift weiterzu-geben. Eine schriftliche
Anfrage des Insolvenzgerichts vom 29.9.2008 nach der Anschrift des Schuldners wurde
von der Steuerberaterin nicht beantwortet. Eine Meldeanfrage des Gerichts bei der Stadt
W vom 18.12. 2008 ergab, dass der Schuldner dort als mit unbekanntem Ziel verzogen
registriert ist.
Unter Bezugnahme auf den Akteninhalt haben das Finanzamt W und die Volksbank R
als Insolvenzgläubiger beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen,
weil er entgegen seiner Obliegenheit nach § 296 Abs. 1 Satz 2, 3, § 295 Abs. 1 Nr. 3
InsO seine neue Anschrift nicht mitgeteilt habe.
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II. Die Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung sind in zulässiger Weise,
insbesondere rechtzeitig und mit ausreichender Glaubhaftmachung des behaupteten
Versagungsgrundes (§ 296 Abs. 1 Satz 2, 3, § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO), gestellt worden.
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Sie sind auch begründet. Nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO obliegt es dem Schuldner in der
Wohlverhaltenszeit u.a., jeden Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle
unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder anzuzeigen sowie keine von
der Abtretungserklärung erfassten Bezüge zu verheimlichen. Gegen diese Obliegenheit
hat der Schuldner durch sein festgestelltes Verhalten nach der Auswanderung nach
Kanada verstoßen. Hierdurch wurde auch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger
messbar beeinträchtigt. Anders als bei einer kurzfristigen und vorübergehenden
Unerreichbarkeit des Schuldners war und ist der Treuhänder im vorliegenden Fall
Infolge des vollständigen Verschwindens des Schuldners zeitlich und sachlich
unbegrenzt außer Stande, die abgetretenen pfändbaren Einkünfte des Schuldners zu
ermitteln und einzuziehen; er konnte nicht einmal nachträglich vom Schuldner
Einkommensnachweise für die Zeit seit Mai 2007 verlangen oder auf andere Weise die
Einkommensverhältnisse aufklären. Die Obliegen-heitsverletzung ist für den Schuldner
offenkundig. Nichts spricht dafür, dass sie ihm nicht bewusst war oder dass er aus
anderen Gründen nicht schuldhaft gehandelt hat.
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Eine Anhörung des Schuldners ist wegen seines unbekannten Aufenthalts unterblieben
(§ 10 Abs. 1 Satz 1 InsO). Ein Vertreter, der angehört werden könnte, ist nicht bekannt;
die Steuerberaterin ist nicht als Vertreterin des Schuldners anzusehen.
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III. Da die Restschuldbefreiung versagt wird, ist auch die bewilligte Stundung der
Verfahrenskosten nicht mehr gerechtfertigt und deshalb aufzuheben (§ 4c Nr. 5 InsO).
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, § 4 InsO.
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