Urteil des AG Duisburg vom 24.06.2009

AG Duisburg: restschuld, akte, verfahrenskosten, stundung, insolvenz, zahlungsunfähigkeit, rechtskraft, schuldbefreiung, rechtsschutzinteresse, abweisung

Amtsgericht Duisburg, 60 IK 37/09
Datum:
24.06.2009
Gericht:
Amtsgericht Duisburg
Spruchkörper:
60. Abteilung des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
60 IK 37/09
Tenor:
1. Der Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung wird
zurückgewiesen.
2. Der Antrag des Schuldners auf Stundung der Verfahrenskosten wird
zurückgewiesen.
3. Der Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über sein Vermögen wird mangels Masse abgewiesen.
4. Die Kosten des Verfahrens trägt der Schuldner.
5. Gegenstandswert (§ 58 Abs. 2 GKG): 100,00 EUR.
G r ü n d e
1
I.
2
1. Der 1967 geborene Schuldner ist Diplomingenieur und zurzeit arbeitslos. Bis
September 2008 war er als technischer Redakteur tätig. Er ist verheiratet und hat drei
minderjährige Kinder. Ebenso wie seine Ehefrau M P beantragte er im Oktober 2007,
anwaltlich vertreten, beim AG Duisburg zum ersten Mal die Eröffnung des
Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen sowie Restschuldbefreiung und
Stundung der Verfahrenskosten (Eröffnungsverfahren 60 IK 241/07, im Folgenden auch:
Erstverfahren). In den Antragsunterlagen führte er fällige Verbindlichkeiten gegenüber
vier Gläubigern in Höhe von insgesamt 17.664,21 EUR auf. Die Ermittlungen der vom
Insolvenzgericht beauftragten Sachverständigen, Rechtsanwältin K, ergaben, dass der
Schuldner im Oktober und November 2007 seinem Vater zur Tilgung eines von ihm
erhaltenen, in den Antragsunterlagen jedoch nicht aufgeführten Darlehens insgesamt
1.600 EUR überwiesen hatte.
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Mit Beschluss vom 18.06.2008 lehnte das Gericht daraufhin den Stundungs-antrag des
Schuldners ab, weil offensichtlich ein Grund zur Versagung der Restschuldbefreiung
nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 6 InsO vorliege, und wies den Eröffnungsantrag
mangels kostendeckender Masse ab (Akte des Erstver-fahrens, Bl. 90). Die hiergegen
eingelegte sofortige Beschwerde des Schuldners wurde mit Beschluss des
Landgerichts Duisburg vom 06.08.2008 – 7 T 149/08 rechtskräftig zurückgewiesen, weil
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der Schuldner in den Antrags-unterlagen zumindest grob fahrlässig unvollständige
Angaben über seine Verbindlichkeiten gemacht und damit den Versagungsgrund des §
290 Abs. 1 Nr. 6 InsO verwirklicht habe (Akte des Erstverfahrens, Bl. 110).
2. Am 02.03.2009 hat der Schuldner beim AG Duisburg erneut die Eröffnung des
Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen sowie Restschuld-befreiung und
Stundung der Verfahrenskosten beantragt (Eröffnungsverfahren 60 IK 37/09, im
Folgenden auch: Zweitverfahren). In den neuen Antragsunter-lagen führt er nunmehr
acht Gläubiger mit Forderungen von insgesamt 31.030,51 EUR auf (Bl. 42 der Akte).
5
Die Einzelheiten zu den Forderungsbeträgen (in EUR) ergeben sich aus folgender
Tabelle:
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Gläubiger
60 IK 241/07
Forderungsverzeichnis
60 IK 37/09
Forderungsverzeichnis
P AG
2.649,86
2.992,48
Finanzamt O
10.242,84
11.940,32
R Bank
2.648,34
D (früher R
Bank)
3.318,09
Stadtsparkasse
O
2.123,17
2.339,46
Gerichtskasse
D
779,47
Stadt O
823,32
B
845,00
P (Unterhalt)
7.992,37
Summe
17.664,21
31.030,51
7
Wann die neu aufgeführten Verbindlichkeiten begründet worden sind, hat der Schuldner
trotz einer Anfrage des Gerichts (vom 08.04.2009, Bl. 53 f der Akte) nicht mitgeteilt.
8
II.
9
A.
solchen Antrag zu stellen, ist durch den gleichen Antrag in dem ersten, im August 2008
beendeten Insolvenzeröffnungsverfahren verbraucht. Der Schuldner ist deshalb mit dem
neuen Antrag ausgeschlossen.
10
1. Wie das Gericht in einem anderen Verfahren mit Beschluss vom 09.06.2008 – 64 IN
3/07 (AG Duisburg NZI 2008, 753 ff. = ZVI 2008, 306 ff.) entschieden hat, bietet das
Gesetz einem zahlungsunfähigen Schuldner grundsätzlich für jede Zahlungsunfähigkeit
nur einmal die Möglichkeit, Restschuldbefreiung zu beantragen. Hat der Schuldner aus
Anlass eines zulässigen und später rechtskräftig als begründet beurteilten
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Anlass eines zulässigen und später rechtskräftig als begründet beurteilten
Eröffnungsantrags (der nach den §§ 16, 26 Abs. 1 InsO auch bei der Abweisung
mangels Masse vorausgesetzt wird) trotz ordnungsgemäßer gerichtlicher Belehrung
keinen Antrag auf Restschuld-befreiung gestellt oder hat er trotz Antragstellung das Ziel
der Restschuld-befreiung verfehlt, so kann er in einem späteren Verfahren
Restschuldbefreiung nur beantragen, wenn die ursprüngliche Zahlungsunfähigkeit
weggefallen und der Schuldner in der Folgezeit erneut zahlungsunfähig geworden ist
oder es zu werden droht. Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Schuldner im ersten
Verfahren die Restschuldbefreiung ohne sein Verschulden verfehlt hat und er dies nicht
mit einem Wiedereinsetzungsantrag oder einem Rechtsmittel hat geltend machen
können.
An diesem Verständnis der Rechtslage hält das Gericht fest. Die entgegen-stehende
Ansicht des Landgerichts Duisburg (u.a. im Beschluss vom 31.10.2008 – 7 T 197/08,
ZVI 2009, 14 = ZInsO 2009, 110; ferner Beschluss vom 16.10.2008 – 7 T 190/08;
Beschluss vom 23.10.2008 – 7 T 167/08) ist nicht überzeugend. Sie beruht auf einer
ungenauen und verkürzten Auswertung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
und unterstellt ihm zu Unrecht eine Gesetzesauslegung, die zu offenkundig absurden
Ergebnissen führt. Der Bundesgerichtshof hat in seinen Beschlüssen vom 06.07.2006 –
IX ZB 263/05 (NZI 2006, 601 Tz. 8) und vom 11.10.2007 – IX ZB 270/05 (NZI 2008, 45,
46 Tz. 10) weder ausdrücklich noch unausgesprochen die Ansicht vertreten, dass ein
erneuter Antrag auf Restschuldbefreiung in einem neuen Insolvenz-verfahren stets
statthaft sei, wenn mindestens eine neue Verbindlichkeit hinzugetreten sei. Er hat
lediglich negativ festgestellt, dass ein solcher Antrag "jedenfalls dann" unzulässig ist,
wenn kein neuer Gläubiger hinzugekommen ist. Die Unzulässigkeit in anderen
Fallvarianten hat er offen gelassen.
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2. Demnach ist der Antrag auf Restschuldbefreiung auch im vorliegenden Fall
unzulässig. Da die Restschuldbefreiung im Sinne des § 301 InsO nur nach Eröffnung
und Durchführung eines Insolvenzverfahrens gesetzlich vorgesehen ist (§ 289 Abs. 1, 3
InsO), war mit dem rechtskräftigen Abweisungsbeschluss vom 18.06.2008 im
Erstverfahren zugleich kraft Gesetzes, ohne dass dies ausgesprochen werden musste,
mitentschieden, dass dem Schuldner die beantragte Restschuldbefreiung versagt
wurde. Dem neuen Antrag im vor-liegenden Zweitverfahren liegt dieselbe
Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zugrunde, die bei Beantragung des Erstverfahrens
bestand und im Abweisungsbeschluss vom 18.06.2008 rechtskräftig festgestellt worden
ist.
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Der Schuldner hat sein Ziel der Restschuldbefreiung im Erstverfahren auch nicht ohne
Verschulden verfehlt. Das Scheitern des Antrags beruhte vielmehr darauf, dass der
Schuldner zumindest grob fahrlässig einen Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 6
InsO verwirklicht hatte und ihm deshalb die Stundung der Verfahrenskosten und die
damit verbundene Fortsetzung des Insolvenz-verfahrens auf Kosten der Staatskasse
verweigert wurde.
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B.
Schuldner fehlt das erforderliche Rechtsschutzinteresse.
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1. Die Kostenstundung dient allein dazu, mittellosen Schuldnern den Zugang zur
Restschuldbefreiung zu ermöglichen (§ 4a Abs. 1 Satz 1 InsO). Sie kommt deshalb nicht
in Betracht, wenn der Schuldner dieses Ziel mit dem beantragten Verfahren
offensichtlich nicht erreichen kann (vgl. BGH NZI 2005, 232 f.; BGH NZI 2006, 712 f.;
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BGH NZI 2008, 318). Dies ist hier der Fall, weil, wie unter A. dargestellt, der Antrag auf
Restschuldbefreiung unzulässig ist.
2. Das erforderliche Rechtsschutzinteresse des Schuldners fehlt zudem auch, wenn
man der Ansicht des Gerichts über die Unzulässigkeit des zweiten Antrags auf
Restschuldbefreiung (oben A.) nicht folgt.
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a) Nach anerkannter Rechtsprechung ist die Restschuldbefreiung in dem soeben (zu 1.)
genannten Sinn offensichtlich nicht erreichbar, wenn sie voraussichtlich nur einen
unwesentlichen Teil der gesamten schuldnerischen Verbindlichkeiten erfasst, weil
deren wesentlicher Teil nach § 302 InsO kraft Gesetzes von der Restschuldbefreiung
ausgenommen ist (BGH NZI 2006, 712, 713; LG Duisburg, unveröff. Beschl. v.
29.10.2007 – 7 T 177/07; LG Düsseldorf NZI 2008, 253; AG Marburg ZVI 2002, 275; AG
Siegen NZI 2003, 43; AG München ZVI 2003, 369 f.; AG Düsseldorf NZI 2006, 415; AG
Düsseldorf ZInsO 2008, 334; AG Göttingen ZVI 2008, 339 f.).
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b) Das Gleiche muss gelten, wenn bereits eine insolvenzgerichtliche Ent-scheidung
vorliegt, die einen wesentlichen Teil der Verbindlichkeiten des Schuldners konstitutiv
aus dem Geltungsbereich der angestrebten Restschuldbefreiung herausnimmt. Das ist
hier der Fall.
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Beschlüsse des Insolvenzgerichts, die bürgerlich-rechtliche Beziehungen zwischen
Verfahrensbeteiligten regeln, werden mit der formellen Rechtskraft auch materiell
rechtskräftig (vgl. HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. 2006, § 13 RdNr. 38; MünchKomm-
InsO/Ganter, 2. Aufl. 2007, § 4 RdNr. 80a; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. 2003, § 6
RdNr. 23). Ihr Verfahrensgegenstand kann in einem anderen Verfahren nicht erneut zum
Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung gemacht werden. Dies gilt zweifelsfrei für
die Entscheidung, mit der die Rest-schuldbefreiung nach § 300 InsO erteilt wird. Durch
sie verlieren die von ihr erfassten Verbindlichkeiten, vorbehaltlich eines Widerrufs in den
engen Grenzen des § 303 InsO, mit Wirkung gegenüber sämtlichen Insolvenz-
gläubigern endgültig ihre rechtliche Durchsetzbarkeit (§ 301 Abs. 1, 3 InsO; vgl. Begr.
RegE InsO, 1994, BT-Drucks. 12/2443, S. 194; Döbereiner, Die Restschuldbefreiung
nach der InsO, 1997, S. 305 ff.). Zwar können einzelne Gläubiger, die der Ansicht sind,
der Schuldner habe sich die Restschuld-befreiung durch eine vorsätzliche sittenwidrige
Handlung erschlichen (§ 826 BGB), auch noch nach Erteilung der Restschuldbefreiung
einen Schadens-ersatzanspruch gegen den Schuldner auf dem allgemeinen
Zivilprozesswege titulieren lassen (vgl. BGH NZI 2009, 66). Die Erteilung der generellen
Rest-schuldbefreiung kann jedoch im Rahmen eines späteren, etwa nach Ablauf der
Zehnjahresfrist des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO durchgeführten Insolvenz-verfahrens nicht
wieder durch neu aufgetretene Versagungsgründe (§§ 290, 296 bis 298, 300 Abs. 2, §
314 Abs. 3 InsO) mit Wirkung gegenüber sämtlichen Insolvenzgläubigern des ersten
Verfahrens in Frage gestellt werden (MünchKomm-InsO/Stephan, 2. Aufl. 2008, § 301
RdNr. 18).
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Für eine insolvenzgerichtliche Entscheidung, welche – als actus contrarius zur Erteilung
– die angestrebte Restschuldbefreiung wegen eines gesetzlichen Versagungsgrundes
(§§ 290, 296 bis 298, 300 Abs. 2, § 314 Abs. 3 InsO) zum Scheitern bringt, kann nichts
anderes gelten. Ihr Zweck besteht nicht darin, dem Schuldner auf dem Weg zur
Restschuldbefreiung nur vorübergehend Schwierigkeiten zu bereiten. Sie soll ihn
vielmehr angesichts seiner erwiesenen Unredlichkeit daran hindern, das angestrebte
Ziel überhaupt zu erreichen (§ 1 Satz 2 InsO) und von den Verbindlichkeiten befreit zu
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werden, die bei Erfolg seines Antrages von der Restschuldbefreiung erfasst worden
wären. Jede Versagungsentscheidung ist deshalb im Falle ihrer formellen Rechtskraft
materiell ebenso endgültig wie die Erteilung der Restschuldbefreiung. Dies gilt auch für
Entscheidungen, welche außerhalb der für die Versagung der Restschuldbefreiung
vorgesehenen Verfahrensabläufe wegen eines gesetz-lichen Versagungsgrundes zum
Abbruch des Verfahrens führen.
c) Eine solche Versagungsentscheidung ist der im Erstverfahren ergangene
Abweisungsbeschluss vom 18.06.2008. Mit ihm ist dem Schuldner, wie bereits erwähnt,
zugleich kraft Gesetzes (§ 289 Abs. 1, 3 InsO), ohne dass dies ausgesprochen werden
musste, die beantragte Restschuldbefreiung für die bis zum Tag der Entscheidung
begründeten Verbindlichkeiten versagt worden. Er beruht darauf, dass ein Grund zur
Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO vorlag. Mit Rechtskraft
dieses Beschlusses steht fest, dass die bis zum 18.06.2008 begründeten
Verbindlichkeiten des Schuldners, die beim Erfolg des gescheiterten Antrags von der
Erteilung der Rest-schuldbefreiung erfasst worden wären (§ 301, § 38 InsO), endgültig
von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen sind. Diese Versagung hätte auch
Bestand, wenn dem Schuldner aufgrund des neuen Antrags Restschuld-befreiung erteilt
würde.
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In den Anlagen zum neuen Eröffnungsantrag (Zweitverfahren 60 IK 37/09) beziffert der
Schuldner seine gesamten Verbindlichkeiten auf insgesamt 31.030,51 EUR. Von ihnen
waren am 18.06.2008 schätzungsweise zumindest 24.664,21 EUR (nämlich 17.664,21
zuzüglich mindestens 7.000 EUR Unterhaltsrückstände), d.h. rund 79 %, bereits
begründet. Die Unterhalts-forderung seiner aus erster Ehe stammenden Tochter A P ist
jedenfalls im Wesentlichen vor dem Erlass des Abweisungsbeschlusses vom
18.06.2008 entstanden. Dies ergibt sich indirekt aus dem Gutachten der
Sachverständigen im Erstverfahren, in dem sie berichtet, nach Angaben des Schuldners
sei wegen der Höhe der rückständigen Unterhaltsleistungen ein Rechtsstreit anhängig
(Akte 60 IK 241/07, Bl. 66).
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Der Schuldner könnte also aufgrund des beantragten Zweitverfahrens allenfalls in Höhe
von ca. 21 % aller Verbindlichkeiten Restschuldbefreiung erlangen, während der "Rest"
von rund 79 % hiervon ausgenommen bliebe. Bei dieser Relation kann von einer
wirklichen Restschuldbefreiung und einem wirtschaft-lichen Neubeginn des Schuldners
nicht die Rede sein.
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C.
Der Schuldner ist zahlungsunfähig (§§ 16, 17 InsO). Er kann seine fälligen
Verbindlichkeiten in Höhe von mehr als 31.000 EUR nicht tilgen. Das schuldnerische
Vermögen wird jedoch nach Lage der Akten voraussichtlich nicht ausreichen, um nach
der Eröffnung die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) zu decken.
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D.
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Rechtsmittelbelehrung.
Zustellung beim Insolvenzgericht mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden
(§§ 4, 6 Abs. 1, § 289 Abs. 2 InsO, §§ 567, 569 ZPO).
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Duisburg, 24.06.2009
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Amtsgericht
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