Urteil des AG Duisburg vom 26.11.2008

AG Duisburg: beratung, vorverfahren, behörde, verfahrensrechte, auflage, medien, widerspruchsverfahren, datum, leistungskürzung, ombudsmann

Amtsgericht Duisburg, 4a II 1750/08 BerH
Datum:
26.11.2008
Gericht:
Amtsgericht Duisburg
Spruchkörper:
4. Abteilung des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4a II 1750/08 BerH
Tenor:
In der Beratungshilfesache K.
wird auf die Erinnerung der Antragstellerin vom 23.10.2008 der
Beschluss des/der Rechtspflegers/Rechtspflegerin vom 09.10.2008
aufgehoben.
Der Antragstellerin wird Beratungshilfe bewilligt.
Gründe:
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Die Erinnerung ist zulässig und begründet.
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Die Voraussetzungen für eine Bewilligung von Beratungshilfe nach § 1 BerHG liegen
vor.
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Die Antragstellerin ist hilfsbedürftig i. S. d. § 1 Abs. 2 BerHG.
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Sie hat sich auch außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens anwaltlicher Hilfe zur
Wahrnehmung von Rechten bedient.
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Die Antragstellerin ist nicht darauf zu verweisen, ihre Rechte im Widerspruchs-verfahren
gegenüber der ARGE allein – ggf. unter Inanspruchnahme behörd-licher Beratung –
wahrnehmen zu müssen.
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Die Inanspruchnahme behördlicher Beratung stellt im vorliegenden Fall keine andere
zumutbare Hilfsmöglichkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG dar.
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Es muss nämlich angesichts der durch die Medien bekannt gewordenen Missstände bei
der ARGE D., die u.a. deren Ombudsmann im seinem kürzlich verfassten Bericht
aufgezeigt hat und die auch in der gerichtlichen Praxis immer wieder zu Tage getreten
sind, bezweifelt werden, dass die Behörde derzeit überhaupt zu einer
ordnungsgemäßen Beratung imstande ist.
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Allein dies rechtfertigt nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Fall die
Hinzuziehung eines Rechtsanwalts, zumal es bei der Beantragung von
Arbeitslosengeld II um die Grundsicherung geht und den Betroffenen unnötige zeitliche
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Arbeitslosengeld II um die Grundsicherung geht und den Betroffenen unnötige zeitliche
Verzögerungen nicht zuzumuten sind, da eine unberechtigte Leistungskürzung die
Lebensgrundlage bedroht.
Darüber hinaus ist es auch nicht sachgerecht, die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts
im Widerspruchsverfahren generell als unnötig zu betrachten. Dieser Ansicht stehen
bereits die verwaltungsrechtlichen Vorschriften z. B. des § 80 Abs. 2 VwVfG oder des
gleichlautenden § 63 Abs. 2 SGB X entgegen, aus denen sich ergibt, dass die
Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten
im Vorverfahren erstattungsfähig sind, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten
notwendig war. Notwendig ist die Zuziehung eines Rechtsanwalts dann, wenn es der
Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache
nicht zuzumuten ist, das Vorverfahren selbst zu führen. Diese Notwendigkeit ist in der
Regel nicht nur bei schwierigen und umfangreichen Sachverhalten zu bejahen. Nur bei
dieser Betrachtungsweise sind die allgemeinen Grundsätze rechtsstaatlichen
Verfahrens gewahrt. Der Bürger erhält hierdurch einen Ausgleich gegenüber dem
Sachverstand, den Ausgangs- und Widerspruchs-behörde einbringen. Nur so ist auch
gesichert, dass die Verfahrensrechte des Bürgers im Vorverfahren eingehalten werden
(Stelkens/Bonk/Sachs-Kallerhoff, 7. Auflage, VwVfG, § 80, Rn. 81).
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Es ist also in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines
Bevollmächtigten bejaht werden kann oder nicht, wobei die Beurteilung vom Standpunkt
einer verständigen Person aus zu erfolgen hat. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger
Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand wie der Widerspruchsführer bei der
gegebenen Sach- und Rechtslage eines Rechtsanwalts bedient hätte (vgl. BVerwGE
61, 100, 102).
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Dies ist hier auf Grund der oben gemachten Ausführungen zu bejahen.
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Duisburg, 26.11.2008 Amtsgericht
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