Urteil des AG Duisburg-Ruhrort vom 21.04.2004

AG Duisburg-Ruhrort: versicherungsnehmer, allgemeine geschäftsbedingungen, oberarzt, vertreter, chefarzt, urlaub, wahlrecht, verhinderung, vollstreckung, vertragsfreiheit

Amtsgericht Duisburg-Ruhrort, 10 C 51/03
Datum:
21.04.2004
Gericht:
Amtsgericht Duisburg-Ruhrort
Spruchkörper:
10. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 C 51/03
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Rechtskraft:
28.04.2004
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags
abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe geleistet hat.
Den Parteien wird nachgelassen, die Sicherheiten durch die Bürgschaft
einer deutschen Großbank oder einer öffentlichen Sparkasse zu
erbringen.
T a t b e s t a n d :
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Der Versicherungsnehmer des Klägers, XXX, befand sich in der Zeit vom 27.08. bis
10.09.2001 in stationärer Behandlung des Herzzentrums Duisburg des Ev. und
Johanniter Klinikums. Der Versicherungsnehmer des Klägers, XXX, hat sich in dieser
Zeit einer Herzoperation unterzogen. In dieser Zeit befand sich die Beklagte, die Chef-
Ärztin der Abteilung für Anästhesiologie an dem Krankenhaus ist, in Urlaub. Am
27.08.2001 unterzeichnete der Versicherungsnehmer der Klägerin, XXX, einen
formularmäßig abgefassten Wahlleistungsvertrag. Danach sollte eine persönliche
Behandlung durch den Chefarzt erfolgen und die Unterbringung des
Versicherungsnehmers des Klägers erfolgte in einem Zweibettzimmer. Mit der
Beklagten hat der Versicherungsnehmer des Klägers, XXX, am 28.08.2001, einen
Vertrag über die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen vereinbart. Danach sollte
bei einer Verhinderung der Beklagten im Bereich "Anästhesiologischer Leistungen" der
Oberarzt Dr. XXX die Beklagte vertreten. Am 27.08.2001 hat der Versicherungsnehmer
des Klägers, XXX, eine "Zustimmungserklärung" unterzeichnet. In der
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Zustimmungserklärung war festgehalten, dass die Beklagte am 29.08.2001, dem Tag
der Operation, wegen ihres Urlaubs nicht zugegen sei. Wegen der Abwesenheit der
Beklagten sollte die Narkose durch den Vertreter der Beklagten, Herrn Oberarzt Dr.
XXX, zu den Konditionen des noch zu unterzeichnenden Wahlleistungsvertrages
vorgenommen werden.
Die Beklagte hat den Rechnungsbetrag in Höhe von 1.727,10 € erhalten.
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Der Kläger macht die Rückzahlung dieses Betrages geltend und ist der Ansicht, dass
der Beklagten für die von ihr nicht erbrachte Leistung die erhaltenen Gebühren nicht
zustehen würden.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.727,10 € nebst Zinsen in Höhe
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von 5 % seit dem 13.01.2002 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,.
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist nicht begründet.
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Ein Anspruch des Klägers kann sich nur aufgrund einer ungerechtfertigten Bereicherung
gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. alt BGB ergeben.
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Voraussetzung ist, dass die Beklagte bezüglich des erhaltenen Rechnungsbetrages in
Höhe von 1.727,10,-- € ungerechtfertigt bereichert ist.
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Grundsätzlich ist die Beklagte als "Dienstnehmerin" verpflichtet, die ärztliche Leistung
gegenüber dem Patienten, XXX, im Zweifel persönlich zu erbringen,
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§ 613 S. 1 BGB.
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Die Auslegungsregel des § 613 S. 1 BGB ist dispositiv.
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Die Parteien des Arztvertrages können also regeln, dass die vertraglich geschuldeten
Leistungen nicht nur von dem vertragsschließenden Chefarzt, sondern auch von einem
im Vertrag benannten anderen Arzt erbracht werden dürfen. Aus dienstvertraglicher
Sicht wäre es auch zulässig, wenn der Chefarzt sich vorbehält, die Leistung durch einen
von ihm jeweils zu bestimmenden Arzt zu erbringen; eine solche Leistung wäre natürlich
nur vertragsgerecht, wenn dabei der sogenannte Facharztstandard gewahrt wird.
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Von einer Delegation einer ärztlichen Leistung durch den Wahlarzt in Erfüllung des
Wahlarztvertrages ist zu unterscheiden die vorliegend förmliche Stellvertretung, also der
Eintritt eines Vertreters in die Rechte und Pflichten des Wahlarztes aus dem
Behandlungsvertrag.
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Dies muss ausdrücklich mit dem Patienten vereinbart werden.
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Um eine solche Vertretungsabrede handelt es sich bei der Zustimmungserklärung vom
27.08.2001 (Bl.1 3 d. Gerichtsakte). Die Zulässigkeit dieser Zustimmungserklärung
richtet sich nach deren Einordnung als Formular- oder Individualvereinbarung.
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Im Hinblick auf § 10 Nr. 4 AGBG a. F. kann eine Vertretungsvereinbarung in einer
Formularvereinbarung nur für den Fall einer unvorhersehbaren Vertretung geregelt
werden. Der Fall des vorhersehbaren Vertretungsbedarfes kann im Hinblick auf § 10 Nr.
4 nicht durch allgemeine Geschäftsbedingungen geregelt werden. Dies ist nur im
Rahmen einer Individualvereinbarung möglich. Das allgemeine Prinzip der
Vertragsfreiheit gebietet es, dass im Einzelfall mit dem ausdrücklich erklärten
Einverständnis des Patienten auch die vollständige Ersetzung des Wahlarztes durch
den Vertreter unter Aufrechterhaltung des Liquidationsrechtes möglich ist , und zwar
auch bei dessen vorhersehbaren Verhinderung durch Urlaub.
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Die optische Fassung der Zustimmungserklärung vom 27.08.2001 spricht weder für eine
Individualvereinbarung noch für einen vorformulierten Vertrag. Es handelt sich im
wesentlichen um einen vollständigen Text, der keine Lücken aufweist, die
handschriftlich auszufüllen waren. In dem Text ist ausdrücklich festgehalten, dass die
Beklagte sich am 29.08.2001 in Urlaub befindet, wobei dieser Umstand nicht in einem
vorgefertigten Text nachträglich aufgenommen worden ist. Bezüglich der Umstände, die
zu der Vertretungsvereinbarung geführt haben, hat die Beklagte unwidersprochen
behauptet, dass mit dem Versicherungsnehmer des Klägers, XXX, und der
Sekretariatsmitarbeiterin Frau XXX über die Urlaubsabwesenheit der Beklagten
gesprochen worden sei. In diesem Gespräch sei der Versicherungsnehmer des Klägers
darauf hingewiesen worden, dass eine Vertretung der Beklagten durch den ständigen
Vertreter, Herrn Oberarzt Dr. XXX, erfolgen könne und dass insoweit der Beklagten das
wahlärztliche Entgelt zustehe. Es sei auch darüber gesprochen worden, dass die
Anästhesie durch den Assistenzarzt Dr. XXX erfolgen könne. Bei einer Vertretung durch
Herrn Dr. XXX würde kein zusätzliches Entgelt anfallen. Zu diesem Zeitpunkt war dem
Versicherungsnehmer des Klägers klar, dass eine Behandlung durch die Beklagte nicht
erfolgen konnte. Insoweit stand dem Versicherungsnehmer ein Wahlrecht zwischen
Herrn Dr. XXX oder Herrn Dr. XXX zu. Von diesem Wahlrecht hat der
Versicherungsnehmer des Klägers, XXX, Gebrauch gemacht und sich für eine
Behandlung durch den Oberarzt Dr. XXX entschieden. Auch der Umstand, dass der
Versicherungsnehmer des Klägers, XXX, einen Tag später am Herz operiert werden
sollte, lässt nicht den Schluss zu, dass das Wahlrecht insoweit eingeschränkt war.
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Aufgrund der Zustimmungserklärung vom 27.08.2001 ist die Beklagte durch Herrn Dr.
med. XXX wirksam vertreten worden und es ist zusätzlich in der Zustimmungserklärung
vereinbart worden, dass für diese Vertretung der Beklagten die Leistungen aus dem
Wahlleistungsvertrag zustehen.
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Die Klage ist somit nicht begründet.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die der vorläufigen
Vollstreckbarkeit aufgrund der §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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